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Anders als sonst üblich,

habe ich auf dieser Seite

ausschließlich Gedichte

eines einzigen Dichters zusammengetragen:

Winterlyrik des deutschen Impressionisten

Max Dautendey.

 

Alfred Broge, Winter
Karl Harald Alfred Broge (1870-1955) war dänischer Maler.

Antal Berkes, Großstadt im Winter
Antal Berkes (1874–1938) war ein ungarischer Maler.

Max Dauthendey 1867-1918

Am Schneeberg sitzen Raben

 

Am Schneeberg sitzen Raben in Hungerscharen

Im klaren Mittag auf getauten Erdflecken.

Sie erschrecken mit lauten Schreien,

Als kam' ein Unglück unter sie gefahren.

Sie ducken sich in ihre schwarzen Flügeldecken,

Als Säßen sie in finstern Verstecken.

Sie sind wie Gedanken, die unsichtbar waren,

Die dann mit Gekreisch sich aufwecken

Und schreien die Schnee-Erde an:

Schnee, werde Fleisch!

 

Arthur Wasse, Stadt im Rauch
Arthur Wasse (1854-1930) war ein britischer Maler.

Albert Weisgerber, Winterlicher Hof, Saarbrücken, Moderne Galerie
Albert Weisgerber (1878-1915) war ein deutscher Maler und Grafiker.

Max Dauthendey 1867-1918

Erdfarben sind Berge und Bäume wieder

 

Erdfarben sind Berge und Bäume wieder,

Zu Erde geworden fiel des Sommers Leib nieder,

Als hab' es Erde geregnet bei Tag und bei Nacht,

Als hab' man geschaufelt und Grabhügel gemacht.

Erdfarben stehen die Wege und Felder,

Erdfarben wie Gruben sind dunkel die Wälder,

Die Erdwege gleichen sich weit und breit

Und sind voll Gegrübel und Eintönigkeit.

Doch ist auch die Erdfarbe lustig zu sehn,

Darf nur's Herz auf kahler Erde der Sehnsucht nachgehn.

 

 


Jakub Schikaneder, Winterabend in die Stadt
Jakub Schikaneder (1855-1924) war ein böhmischer Maler.

 

Frederick Childe Hassam, Sweeping Snow
Frederick Childe Hassam (1859-1935) war ein amerikanischer Maler des Impressionismus.
 

Max Dauthendey 1867-1918

Die Schneeschaufel

 

Ich horch' auf die Schneeschaufeln vor meiner Tür,

Sie Scharren und hacken den Rest zu Hauf,

Wie ein Fest ich mein offen Fenster spür',

Hinaus ziehen ergraut die Wintergespenster.

Flußwasser rauscht wieder laut beim Haus.

Mein Ohr begierig der Schneeschaufel lauscht,

Als singt jede Schaufel ihm Lieder vor.

Und dunkel sieht jeder Berg wieder

Mit freier Erde zum Himmel empor.

Mein Atem noch gestern zu Nebel festfror,

Er läßt mich jetzt atemlos stehn,

Und mein Blut pocht mir wie die Schaufel am Tor.

 

 

Pierre Bonnard, The Street in Winter, 1894
Pierre Bonnard (1867-1947) war ein französischer Maler des Post-Impressionismus.

Karl Stuhlmüller, Markt vor einem Stadttor im Winter
Karl Stuhlmüller (1859-1930) war ein deutscher Landschafts- und Tiermaler.

Max Dauthendey 1867-1918

Die Sonne kann nicht mehr die weiten Wege machen

 

Die Sonne kann nicht mehr die weiten Wege machen,

Kurz ist der matten Tage eisiges Lachen,

Die Sonne tut, als wollte Sie entrinnen, —

Vielleicht will sie auch neue Lust ersinnen.

Sie hüllt sich in das Dunkel langer Nächte,

Als ob sie in den finstern Mantelfalten

Neuer Gedanken neues Spiel erdächte.

Nur Liebe kann der Sonne Feuer wach erhalten

Und spielt auch mit des Winters Nachtgestalten.

 

 

Franz Sedlacek, Winter landscape, 1931, Wien Musée Léopold
Franz August Moritz Georg Sedlacek (1891 - seit 1945 in Polen vermisst) war ein österreichischer Maler.

 

Hans Dahl, Snowy street, Berlin, 1893
Hans Dahl (1849-1937) war ein norwegischer Landschafts- und Genremaler.

Max Dauthendey 1867-1918

Die Herzen der Sänger nie Stille bleiben

 

Es liegt an den Scheiben noch Winterhauch,

Und schon zirpt die Meise im kahlen Strauch.

Die Herzen der Sänger nie stille bleiben;

Kaum werden die Tage, die fahlen, länger,

So werben sie leise um Sonnenstrahlen.

Und taut es im Eise, so taut einer Meise das Herz gleich auch.

Erlöst von den Tagen, den rauhen,

Ausplaudern sie all ihre Liebeslieder,

Die sie dem Nächstbesten vertrauen.

 

 

Ulrich Hübner, Potsdam im Winter
Ulrich Hübner (1872-1932) war ein deutscher Maler des Impressionismus.

 

Gotthardt Kuehl, Blick aus dem Atelier auf die Sekundogenitur
Gotthardt Kuehl (1850-1915) war ein deutscher Maler und Vertreter des frühen deutschen Impressionismus, der bereits zu Lebzeiten hohes internationales Ansehen genoss.

Max Dauthendey 1867-1918

Alleingelassen bei Erinnerungen

 

Jetzt sitzt der weiße Schlaf vor allen Wintertüren,

Die Fenster sind gleich blassen Eierschalen,

Dahinter leben Straßen voll Gespenster,

Und Stimmen, die uns ferne Menschen malen.

 

Man kann die Welt nicht sehen und nur spüren.

Wie Blinde ahnt man dunkel das Geschehen,

Alleingelassen bei Erinnerungen,

Die an den Türen wie die Bettler stehen,

 

Die bei den Ofenflammen warm sich rühren,

Erregt mit nimmersatten Hungerzungen.

Sie können uns an magern Händen führen

Und haben in der Asche noch nicht ausgesungen.

 

Lesser Ury, Blick über den Nollendorfplatz
Leo Lesser Ury (1861-1931) war ein deutscher Maler und Grafiker der impressionistischen Berliner Secession.

 

August Macke, Bonner Marienkirche im Schnee, 1911
August Robert Ludwig Macke (1887-1914) war einer der bekanntesten deutschen Maler des Expressionismus.
 

Max Dauthendey 1867-1918

Umwinterte Berge

 

Umwinterte Berge wie breite Särge,

Eine weiße beschneite Straße

Mit Frost auf glattem Geleise.

Aus mattem Nachmittagslicht

Sticht des Mondes vergilbtes Gesicht.

 

Wie von Spiegel zu Spiegel im Glase

Unendlich geht die Straße ins Weite,

Fern, nur noch der Sehnsucht verständlich.

Gern gibt ihr dein Aug' das Geleite.

 

 

Karl Pippich, Der Wiener Karlsplatz im Schneegestöber
Karl Pippich, auch Carl Pippich (1862-1932) war ein österreichischer Genre-, Landschafts- und Militärmaler sowie Aquarellist.

Max Dauthendey 1867-1918

Das Jahr, es wandert rund im Kreis

 

Das Eis stockt, und der Fluß steht still,

Ein Rabe hockt dort schwarz im Weiß,

Im Winternebel, der nicht weichen will.

 

Das Jahr, es wandert rund im Kreis;

Es bringt den Schnee zu seiner Stund'

Und winkt jetzt mit beeistem Reis.

 

Vom Tode kommt uns manche Rund';

Die Worte werden doppelt heiß,

Hängt sich sein Frost an unsern Mund.

 

 

Carl Wenzel Zajicek, Das Theater an der Wien im Winter
Carl Wenzel Zajicek (1860-1923) war ein österreichischer Meister der Aquarellmalerei.

František Šimon, Targ - Markt
Tavík František Šimon (1877-1942) war tschechicher Maler, Radierer und Holzschnittkünstler.

Max Dauthendey 1867-1918

Die Schneeflocke

 

Die Laternen leuchten kaum,

Eng ist der weiße Raum

Der schneienden Winternacht.

Schneeflaum fällt im Gedräng,

Die Wege sind weich und erhellt;

Das Gestöber ist wie ein Blütenbaum.

Rein Laut stört die fallenden Flocken,

Der Schnee sich stumm in der Nacht aufbaut,

Und seine Stille geht wie ein Geist sinnend um,

Als sitzt die Nacht spinnend an einem Wocken

Und hat Flocke bei Flocke ausgedacht,

Und morgen, wenn der Tag aufwacht,

Fliegen über den Schnee die schwarzen Raben.

Der Schnee kann die Nacht nicht begraben,

Schnee und Nacht gleich dunkle Gedanken haben.

Der Schneehimmel ist ein Berg ohne Ende,

Seine Wände bescheinen am Tag die Straßen,

Und die kleinen Schneeflocken kommen in alle Gelände,

Wo zur Sommerzeit Blätter und Gräser saßen.

Sie sind wie weiße Nullen mit rundem Leib,

Sie kommen lebendig wie Bienen und Fliegen

Dunkel vor jede Fensterscheib'

Und haben sich geräuschlos verstiegen.

Eine weiße Maske liegt auf jedem Dach,

Darunter sehen Fenster den Flocken nach.

Unhörbar macht der Schnee die Füße der Welt,

Wie eine weiße Nacht voll Schlaf, die am Tag niederfällt.

 

Schneeflocken sind die Seelen, die hochgeflogen,

Die fortgezogen und der Erde zum Leben fehlen,

Jetzt gleiten sie nieder und verbreiten Licht

Und bescheinen geisterhaft jedes Gesicht.

Der Schnee kommt aus der greisen Ewigkeit,

Und er taut fort wie die Zeit,

Eh du sie noch beschaut.

Schau nicht zu lang in den Schnee

Und nicht in den Schneeflockentanz!

Dein Sinn wird grau, denn ohne Sang

Ist ihr endloser Gang, wie Jahr um Jahr,

Und sie flechten, wie das Alter ins Haar,

Einen weißen leblosen Kranz.

Wenn Schneeflocke bei Schneeflocke fällt,

Und wohin die Schneeflocke faßt,

Wachsen die Berge der ganzen Welt

Und wachsen mit Hast sich selber zur Last.

Die Welt wird entstellt und verblaßt,

Als ob die Schrift eines Buches zerfällt;

Und die Welt scheint schier weißes Papier.

Eine Mondscheib' wird aus dem Erdleib,

Geh oder bleib, du sinkst ein,

Jeder Gedanke wird dir schwer und friert an den Stein,

Denn ein Schlaf ohne Schranke liegt umher,

Und das weiße unendliche Nichts wird dein;

Die Unendlichkeit läßt dich zu sich hinein.

Befreit von deiner Gestalt und der Zeit

Wirst du wie Schnee so weiß und so kalt.

Hattest du vorher wenig Gewalt und warst klein,

Wirst du groß jetzt ein Nichts und voll Ewigkeit sein,

Dein Sein und dein Nichtsein schließt jede kleine Schneeflocke ein.

 

Sie, die vor deinem Atem zerfließt,

Die in deiner warmen Hand schnell zerfällt,

Wenn sie als Wand in deinen Weg sich stellt.

Wird der eine des ändern Geschick,

Und schwer überlebt ein Auge den Schneeblick.

 

 

 

Paul Gustav Fischer, Vinterdag på Vesterbrogade med damer i samtale
Paul Gustav Fischer (1860-1934) war ein dänischer Maler.

 

Vilhelm Hammershøi, Winter, Fuglsang Art Museum, Denmark
Vilhelm Hammershøi (1864-1916) war ein dänischer Maler und gilt als Vertreter des Symbolismus.
 

 

Peter

Tom-Petersen, Winter Day at the Cathedral of Our Lady in Copenhagen
Peter Tom-Petersen (1861-1926) war ein dänischer Radierer und Architektur-zeichner.

Gustaf Carleman, Ottesång i Maria kyrka, Stockholm
Carl Gustav Vilhelm Carleman, vormals Gustaf Carlsson (1821-1911) war ein schwedischer Grafiker, Lithograf und Fotograf sowie Porträt-, Genre- und Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule.

Max Dauthendey 1867-1918

Das bißchen Licht am Winterfenster

 

Der Schnee liegt auf der Erde Bauch,

Und im Kachelofen die Kohle glüht.

Doch im Zimmer blüht ein Fliederstrauch,

Der sich von Herzen zu blühen müht.

Das bißchen Licht am Winterfenster

Lockt statt der Blüten nur Blütengespenster.

Der Ofen, der voll Kohlen dahockt,

Kann nicht die Sonne einholen.

Der Flieder kläglich blüht und dankt,

Wie einer, der täglich dem Wahn nachwankt,

Geliebt zu sein, und glüht auf daran,

Wenn auch im Grund ihm der Glaube krankt.

Schon beim leisen Druck deiner Hand

 

Hinter beeisten Hecken,

Hinter weißen Dornenverstecken

Lag der bleiblaue Winterqualm;

Der erdrückte den Tag.

Kein Schneehalm von der Stelle rückte.

Die eisige Helle tat den Augen weh,

Wie Glassplitter schmerzte der Schnee.

Doch das Eis verschwand an jedem Ast,

Wenn dein Finger nur leicht hingefaßt.

Schon beim leisen Druck deiner Hand

Zerstäubt jeder eisige Spuk.

 

 

Konstantin Korovin, Winter twiligh, 1916, Kaluga Art Museum
Konstantin Alekseyevich Korovin (1861-1939) war ein russischer Maler, Bühnenbildner und Pädagoge. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des russischen Impressionismus des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
 

 

Erik Viktor Tryggelin,

Winter Walking At Kungsbron Stockholm
Erik Viktor Tryggelin (1878-1962) war ein schwedischer Künstler, Zeichner und Fotograf.

Max Dauthendey 1867-1918

Die Kälte mit Geduld die Nebel spinnt

 

Die Vögel sind aus dem Wald noch vertrieben,

Sie stieben frierend um das Haus,

Und Kälte machte die Hafen zu Dieben;

Sie gruben bei Nacht den Garten aus.

Die Kälte lockt den mißtrauischen Raben,

Daß er wie Schuld schwarz am Schneeweg hockt.

Die Kälte mit Geduld die Nebel spinnt

Wie Sorgen, die kein Ende haben,

Bis still der Tag erschöpft verrinnt.

Es ist ein Wintertag durchsichtig einerlei

 

Es ist ein Wintertag durchsichtig einerlei

So wie ein unbebrütet kühles Ei;

Die Bäume stehn als Holz an jedem Wege.

Der Schnee, der stolz sonst, liegt schon im Vergehn,

Die Erde naß und voll verjährtem Gras.

 

Prachtfinster schauen alle Berge an der Sonnenstraß',

Als ob Dämonen in den Wänden wohnen.

Die Lieb' behüte dich vor ihren Händen.

 

 

 

Per Ekström, Sun and Snow Scene from Stockholm
Per Ekström (1844-1935) war ein schwedischer Landschaftsmaler, der für seine stimmungsvollen Szenen mit Sonnenuntergängen an kargen oder menschenleeren Orten bekannt war.

Gustave Caillebotte, Vue de toits, effets de neige, 1878, Paris, Orsay
Gustave Caillebotte (1848-1894) war ein französischer Maler des Impressionismus, Kunstsammler, Mäzen und Bootsbauer.

Max Dauthendey 1867-1918

Ein blauer Schneeweg im Mittaglicht

 

Ein blauer Schneeweg im Mittaglicht,

Die Schneewelt lacht unter Eisschauer.

Manchmal ein Eiszapf vom Zweig abbricht,

Ein Eistropfen raschelt und fällt.

 

Die grüne Tanne den Schnee sacht wiegt

Und ihn der Mittagsonne hinhält.

Ein Specht einsam dem Weg nachfliegt;

Sein Flug lautlose Bogen macht,

Totstill, als wäre es blauhelle Nacht.

 

Albert Lebourg, Notre Dame de Paris, neige, Rouen, Musée des Beaux Arts.
Albert Marie Lebourg (1849-1928) war ein französischer Landschaftsmaler der École de Rouen.

Maximilien Luce, La Gare de l'Est sous la neige
Maximilien Jules Luce (1858-1941) war ein französischer Maler des Spätimpressionismus.

Max Dauthendey 1867-1918

Der Schnee nicht mehr die Wege verläßt

 

Der Schnee nicht mehr die Wege verläßt,

Der Winter hängt weiß an den Dornen fest.

Manch Ast unter der Last zerbricht,

Und die Berge liegen verblaßt.

 

Die Sonne nur kurzen Weg tags reist.

Sie hängt in den Wolken tot und vereist.

Wenn auch keine Sonne zur Seite dir geht,

Wenn nur Liebe dich anscheint von früh bis spät!

 

 

Édouard-Léon Cortès, Place Pigalle, Hiver
Édouard-Léon Cortès (1882-1969) war ein französischer Maler des Spätimpressionismus mit spanischer Herkunft.

 

Alfred Smith, Brouillard à Bordeaux, 1880
Alfred Smith (1854–1932) war ein französischer Künstler aus Bordeaux, der im Stil des Impressionismus , Postimpressionis-mus und Fauvismus malte .

Max Dauthendey 1867-1918

Ein fahriger Winterwind johlt durch die Frühe

 

Ein fahriger Winterwind johlt durch die Frühe,

Und die Berge sind wie eingeäschert vom Schnee;

Das Tageslicht wird vom Gestöber blind.

So wie das Wintertreiben, voll Weh und Mühe,

Seh ich verzweifelte Verliebte große Bogen

Ohne Wille um ihre Einsamkeit beschreiben,

Um die Froststille, aus der Blüt' und Pflanzen fortgezogen.

Und die Einsamen müssen, wie der stockende Fluß aus Eis,

Am Ufer stehen bleiben, und ihre Gedanken tanken

Mit allen Schneeflocken sinnlos im Kreis.

 

 

Georges-Émile Lebacq, Neige à Bruges, 1919
Georges-Émile Lebacq (1876-1950) war ein belgischer Maler.

Ferdinand Willaert, Winter in Gent
Ferdinand Willaert (1861-1938) war ein belgischer Maler von Porträts, Landschaften, Stadtansichten und exotischen Szenen.

Max Dauthendey 1867-1918

Zwei Raben jagen den Fluß entlang

 

Schneeluft steht still und ohne Sang.

Zwei Raben jagen den Fluß entlang,

Die dunkel mit den Flügeln schlagen.

Seit Tagen streichen sie da herum

Und wollen nicht von dem Ufer weichen,

Als tauschten sie mit der Flut manch Zeichen,

Und mit dem Schnee, den sie belauschen.

Sie reden mit finstern Flügeln stumm

Und gehen verkleidet wie Ahnungen um.

 

Frederik Nachtweh, Straatgezicht te Rotterdam in de winter
Johannes Hendrik Frederik Coenraad Nachtweh (1857-1941) war ein niederländischer Maler, Zeichner und Aquarellist sowie Kunstpädagoge.

 

George Clausen, A Winter Morning in London
George Clausen (1852-1944) war ein britischer Künstler, der mit Öl und Aquarell, Radierung, Mezzotinta, Trockenpunkt und gelegentlich Lithografien arbeitete.

Max Dauthendey 1867-1918

Die Winterwolke spricht von Schnee

 

Kein Vogel fliegt im leeren Strauch.

Das Gras, das gelb beim Erdreich liegt,

Ist tags noch weiß vom nächt'gen Hauch.

 

O, armes Gras, du tust mir weh,

Bist müde gleich dem Vogelvolk;

Die Winterwolke spricht von Schnee.

 

Den Weg des Todes zieht die Welt,

So wie das Blut das Herz einst flieht

Und der Gedank' in nichts zerfällt.

 

Francis Guy, Winter Scene in Brooklyn, Brooklyn Museum
Francis Guy (ca. 1760–1820) war ein in England geborener amerikanischer Maler.

Paul Cornoyer, Winter twilight along Central Park, 1900
Paul Cornoyer (1864-1923) war ein amerikanischer Maler.

Max Dauthendey 1867-1918

Wie gern möcht da manch Blut mit Wasser tauschen

 

Ich hörte eine Stimme groß anschwellen,

Ich hörte Wellen rauschen und lag wach,

Das Flußeis brach in dieser Nacht,

Die Südluft löst' es mir Gekrach.

Lebendig tat der Fluß aufschnellen

Und flog vorbei an allen Uferstellen.

Ich mußt ihn tief im Schlaf belauschen,

Frei lief das Wasser wieder seinem Herzen nach.

Wie gern möcht da manch Blut mit Wasser tauschen.

 

 

 

Robert Henri, Snow in New York
Robert Henri (1865-1929) war ein US-amerikanischer Maler.
 

 

Alfred Stieglitz, Two Towers - New York City
Alfred Stieglitz (1864-1946) war ein US-amerikanischer Fotograf, Galerist und Mäzen.
 

Max Dauthendey 1867-1918

Nun kommt der Schnee angefahren in hellen Fuhren

 

Nun fassen Winterwolken auf Erden weiße Spuren,

Nun kommt der Schnee angefahren in hellen Fuhren.

Nun klingen die Wege im Frost versteint und metallen

Und sind vor Kälte bitter,

Als hätten viele Augen dort Salz geweint,

Als sei der kalte Mond in weiße Splitter zur Erde gefallen,

Als stünden im Blut die Tropfen still,

Und die Herzen, die feurigen Uhren,

Als ob keines mehr der Liebe Stunde schlagen will.

 

 

John French Sloan, Backyards Greenwich Village, 1912
John French Sloan (1871-1951) war ein amerikanischer Grafiker und Maler, bekannt für seine künstlerischen Schilderungen des Alltagslebens in New York.

Frederick Childe Hassam, Boston Common at Twilight
Frederick Childe Hassam (1859-1935) war ein amerikanischer Maler des Impressionismus.

Max Dauthendey 1867-1918

Viel schnelle Amseln laufen unterm leeren Strauch

 

Viel Schnelle Amseln laufen unterm leeren Strauch

Im Efeuhag bei einer alten Treppe.

Es duftet dort im kahlen Wintertag

Nach Weihrauch und nach Wachslichthauch.

Die Treppe führt durch kahle Baumgestalten

Zur ausgetretnen Schwelle einer Bergkapelle.

 

Die dunkeln Amseln rennen durch den Ulmengang

Sanglos, wo sonst die Beter knieen Sommerlang.

Die Amseln sind in kahler Winterhelle

So still, als können sie dir alle Sorgen nennen

Und Herzgelübde, die vom Morgen bis zum Abend

Im Sommer hier die Betenden bekennen.

 

Harriette Bowdoin, New York City in the Snow
Harriette Bowdoin (1880-1947) war eine US-amerikanische Impressionistin.

André Giroux, Santa Trinità dei Monti in the Snow
André Giroux (1801-1879) war ein französischer Fotograf und Maler.

Max Dauthendey 1867-1918

Das Land im Schnee kein Ende fand

 

Und als ich um eine Wegecke ging,

Hing der Himmel im Abend,

Als ob er gelbes Feuer fing.

Der Waldrand war eine purpurne Hecke.

Voll blauem Schnee stand der Berg ungeheuer,

Das Land im Schnee kein Ende fand.

Doch die Gedanken standen im Licht nicht still,

Da noch endloser als aller Schnee die Sehnsucht hin will.

Das Eis tut heute keinem weh.

 

Gut über dem Schnee steht ein blauer Tag,

Blau wie von unendlicher Dauer.

Das Eis tut heute keinem weh,

Die Felder schimmern friedlich weiß,

Als acht' der Schnee im Sonnenglimmern,

Wie er einst als Wolke im Himmel lag.

Die Glocken läuten ins Blaue hinein,

Und bei dem zärtlichen Himmelsschein

Fällt selbst dem Schnee nicht der Winter ein.

 

 

Mikhail Germashew, Moskauer Hof
Mikhail Markianowich Germashev (1867-1930) war ein russischer Maler.

Apollinary Vasnetsov, Novgorod torg
Apollinary Mikhaylovich Vasnetsov (1856-1933) war ein russischer Maler, der sich vor allem auf dem Gebiet der Historienmalerei einen Namen machte.

Max Dauthendey 1867-1918

Und der Fluß erfriert in seinem Bette

 

Eisschollen schwimmen im Fluß jeden Morgen,

Sie drücken das Wasser wie gefrorene Sorgen,

Als legt sich einer schwer auf des Flusses Rücken,

Und der Wasserspiegel geht in Stücken.

Und die Scherben Schwimmen und rollen,

Die dem Fluß das Leben forttragen sollen.

Sie schwimmen hin unter den Brücken

In langer Kette hinunter den Fluß,

Und der Fluß erfriert in seinem Bette, —

Das Wasser wird zum Weg für eines jeden Fuß.

Und das Wasser steht an den Ufern wie Stein,

Und keiner sieht ihm mehr ins Herz hinein.

Vorher war am Ufer ein Kommen und Gehen,

Jetzt ist dort eine Totenstille und ein totes Stillestehen.

Die Gedanken frieren, die den eisgrauen Fluß anschauen.

Ich küsse meine Geliebte, sie kann meine Gedanken auftauen.

 

 

František Šimon, Kyoto in Winter
Tavík František Šimon (1877-1942) war tschechicher Maler, Radierer und Holzschnittkünstler.
 

Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

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Franz Dewes

fjdewes@buchkult-dewes.de

 

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