In Sommernächten am Fenster stehen,
einsam und still,
und dem Lied wandernder Gesellen lauschen,
das ist schön und befriedigend.
Und kommt leise Wehmut und
zartes Sehnen im Herzen auf,
so schmerzt das nicht,
sondern beglückt den,
der berufen ist, einsam zu sein.
Hans Gaefgen 1894-1939
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Alfred Lichtenstein 1889-1914
Sommerabend
Faltenlos sind alle Dinge,
Wie vergessen, leicht und matt.
Heilighoch spült grüner Himmel
Stille Wasser an die Stadt.
Fensterschuster leuchten gläsern.
Bäckerläden warten leer.
Straßenmenschen schreiten staunend
Hinter einem Wunder her.
... Rennt ein kupferroter Kobold
Dächerwärts hinauf, hinab.
Kleine Mädchen fallen schluchzend
Von Laternenstöcken ab.
Max Herrmann-Neiße 1886-1941
Nacht im Stadtpark
Ein schmales Mädchen ist sehr liebevoll
zu einem Leutnant, der verloren stöhnt.
Ein Korpsstudent mokiert sich, frech, verwöhnt,
und eine schiefe Schnepfe kreischt wie toll.
Ein Refrendar bemüht sich ohne Glück
um eine Kellnerin, die Geld begehrt.
Ein Abgeblitzter macht im Dunkel kehrt,
und eine Nutte schwebt zerzaust zurück.
Zwei Unbestimmte prügeln einen Herrn.
Mit Uniformen zankt ein Zivilist.
Ein Jüngling merkt, dass er betrogen ist
und zwei Verschmolzne haben schnell sich gern.
Ein starker Bolzen und ein Musketier
sind ganz in eine graue Bank verwebt.
Ein Gent an einem Ladenfräulein klebt,
ein greiser Onkel schnuppert geil und stier.
Ein Weib mit bloßem Kopf wird sehr gemein,
ein Louis lauert steif und rührt sich nicht.
Ein Frechdachs leuchtet jeder ins Gesicht,
und ein Kommis umfasst ein weiches Bein.
Es raschelt in den Sträuchern ungewiss
und etwas tappt auf einen steifen Hut.
Die Bäche liegen still wie schwarzes Blut,
und Bäume fallen aus der Finsternis.
Ein Johlen rollt die Straße hin und stirbt,
ein Wurf ins Wasser, irgendwo, ganz dumpf,
ein Mauerwerk wächst wie ein Riesenrumpf,
ein unbekanntes Tier erwacht und zirpt.
Zwei Männer flüstern einen finstern Plan,
ein welkes Wesen wehrt sich hoffnungslos,
ein Schüler hat ein Bahnerweib im Schoß,
im Teich zieht schwer ein ruheloser Schwan.
Und Sterne stolpern in die tiefe Nacht,
und Obdachlose liegen wie erstarrt,
und bleiern hängt der Mond, und hohl und hart
glotzt breit ein Turm, verstockt und ungeschlacht.
Hugo Lissauer 1840-1910
Sommernacht
Milde war die Julinacht,
Als durch Waldes Mitten
Sie, bewegt von Spiel und Tanz,
Langsam heimwärts schritten.
Aus der Ferne schien Musik
Leise nachzudringen,
Und durch ihre Seelen zog
Ein melodisch Klingen,
Halb im Traume sah er sie
Leichten Fußes schweben,
Fühlte ihres Herzens Schlag,
Ihren Busen beben,
Fühlte ihres Auges Glüh’n,
Ihrer Stimme Leben, —
Tor, worauf besinnst du dich,
Geht sie nicht daneben?
Warum suchst nach Worten du,
Wo Gefühle siegen?
Horch! da ist ein Seufzerhauch
Ihrer Brust entstiegen. -
Düster hängt der Himmel zwar,
Wie ein mächtig Bangen,
Sieh! da ist ein Zwiegestirn
Leuchtend aufgegangen.
Frida Jung 1865-1929
In der Sommernacht
Mit großen Augen blick ich in die Nacht.
Der Schmerz hält bei mir seine treue Wacht
und schaut mich an in tiefer, heiliger Ruh.
Der Sommerwind trägt durch mein Fensterlein
von reifen Ähren mir den Duft herein, –
und unter Tränen lächle ich dazu.
Ein banger Seufzer zittert durch die Flur.
Mir ist, als sänge leise die Natur
das Rätsellied vom Werden und vom Sein.
Geheimnisvoll weht es durch mein Gemach;
ich singe träumend ein paar Töne nach, –
und unter Tränen lächelnd schlaf ich ein.
Friedrich Theodor von Vischer 1807-1887
Wasser
Doch nun will ich dienen der Menschenhand,
In der Thäler sanftes, grünes Gewand
Will ich den silbernen Gürtel weben,
Will die frommen, hellen,
Plaudernden Wellen
Ruhig schlängelnd durch Gärten gießen,
Will schwatzend an Blumen vorüberfließen;
Der Hirsch, das Reh
Sollen aus meinen Fluten trinken
Und in holdem Weh,
Wenn die Sterne blinken,
Mag eine Jungfrau, die einsam wacht
In lauer Sommernacht,
Meinem Rauschen
Lauschen.
Max Dauthendey 1867-1918
Und einmal steht das Herz am Wege still
Häuser und Mauern, welche die Menschen überdauern,
Bäume und Hecken, die sich über viele Menschalter strecken,
Dunkel und Sternenheer, in unendlich geduldiger Wiederkehr,
Kamen mir auf den Hügelwegen in der Sommernacht entgegen.
Nach der Farbe von meinen Haaren, bin ich noch der wie vor Jahren,
Nach meiner Sprache Klang und an meinem Gang
Kennen mich die Gelände und im Hohlweg die Felsenwände.
Viele Wünsche sind vergangen, die wie Sterne unerreichbar hangen,
Und einmal steht das Herz am Wege still,
Weil es endlich nichts mehr wünschen will.
Anna Ritter 1865-1921
Des alten Mannes Sommertraum
Es huscht die Nacht vorbei auf leisen Sohlen,
Schwül weht ihr Athemzug zu ihm herauf,
Im Garten schließt der zitternden Violen
Lichtscheue Schaar die blassen Kelche auf.
Und in die Winde, die sein Haupt umkosen
Wie eine linde, weiche Frauenhand,
Mischt sich ein Duft von Heliotrop und Rosen,
Der süße Duft, den er so wohl gekannt.
Sie trug ihn einst, die er im Arm gehalten,
Die hingeschmiegt an seiner Brust geruht,
Er stieg empor aus des Gewandes Falten,
Aus ihres Hauptes gold'ner Lockenfluth.
Er war ihr eigen, wie der Nacht die Träume,
Und als sie längst sich seinem Arm entwand,
Zog noch der schwere Duft durch seine Räume
Ein Frühlingsgruß, da lang der Frühling schwand.
So lang ist's her! Die Jahre sind entschwunden
Er ward ein müder, freudeloser Mann,
Dem Keiner mehr den Rausch verblühter Stunden
Von der durchfurchten Stirne lesen kann.
Doch wenn die schwülen Sommerwinde wehen,
In's Fenster zieht des Heliotrops Duft,
Dann will ihr Bildniß ihm wie einst erstehen,
Dann steigt die Jugend aus der stillen Gruft.
Leon Vandersee ?-1907
Sommernacht
Durch die laue Sommernacht
blasen Wandermusikanten –
fremde Lieder, die den Schlaf
jäh von meiner Wimper bannten.
Kommt ein Heimweh über mich,
fühle mich so glückverlassen,
denke deiner, der du fern
irrst in dunklen Großstadtgassen.
Leute, blast ein ander Lied –
eure Weise klingt nicht heiter,
und wenn ihr barmherzig seid,
dann geht weiter, ach, geht weiter –
Emerenz Meier 1874-1928
Sommernacht
Wie lustig ist's im dunklen Wald,
Wenn Mondschein drüber lacht,
Der Sang der Burschen weithin schallt
In lauer Sommernacht!
Es zirpt die Grille dort am Bach,
Die Unke ruft im Teich,
Und übers Tal hin zieht gemach
Der Nebel schleierweich.
O gäbe man nur Freiheit mir
Und kecken Burschensinn,
Wie zög' ich froh durchs Waldrevier,
Durchs nachtumhüllte, hin!
Wie freut' ich mich des Lebens doch!
Wie hätt' ich Gott so lieb!
Ich dankt' ihm für das Reislein noch,
Das mir vom Frühling blieb.
Ich hätte Mut, durch alle Welt
Zu wandern mit dem Stab,
Zu wandern ohne Gut und Geld
Als froher, junger Knab.
Das Glück, das Schicksal zwäng' ich mir,
Mein Sklave müßt' es sein;
Und wollt' es lieber schmollen schier,
Ging' ich vergnügt allein.
So aber darf ich schüchtern nur
Durchs Kammerfenster spähn,
Darf lauschen nur der Kühnen Spur,
Die durch das Weltall gehn.
Darf lachen wohl, doch nicht zu hell,
Wenn Jugendlust mich neckt,
Darf weinen auch, doch nicht zu grell,
Wenn Leid und Schmerz mich schreckt.
Reicht, Mädchen, freundlich mir die Hand!
Nicht alle leidet ihr,
Doch zieht des Gleichgefühles Band
Euch unbewußt zu mir.
Hermann Lingg 1820-1905
Sommerabend
Wie hab' ich diese Sonntagsruhe gern,
Wenn alles still ist ringsum auf den Gassen!
Die Türen zu, die Häuser ganz verlassen,
Ein Brunnen rauscht, es kräht ein Hahn von fern –
Auf einmal zuckt der Blitze greller Schein,
Der Sturmwind braust, es ächzt die Wetterfahne,
Wir sind allein,
Nur Blumendüfte wehn zu uns herein
Durchs Gittertor der alten Steinaltane.
Hier trennt uns nichts mehr, trautes Kind!
Mag um uns her, was will, geschehen,
Wir lassen still die Zeit vorüberwehen
Und bleiben immer, wie wir heute sind:
Vertieft in uns, im seligsten Verein,
Und nichts mehr gibt es, was an Trennung mahne.
Wir sind allein,
Und Blumendüfte wehn zu uns herein
Durchs Gittertor der alten Steinaltane.
Josef Weinheber 1892-1945
Sommer
Geliebte, gib mir deine Hand.
Der Weg liegt weit.
Schwarz steigt und schwer des Waldes Wand.
Die Büsche, die im Abend stehn,
sind bang bereit.
Das sanfte Land erwartet wen.
Die Sterne hangen hoch und fern
auf Nacht gereiht.
Der leuchtendste ist unser Stern.
Die dunkle Wiese schauert fromm.
Es ist die Zeit.
Es rauscht das Blut. Geliebte, komm!
Adolf Schults 1820-1858
Sommerabend
Mit meiner Liebsten saß ich in der Laube
Und lispelnd sagt' ich ihr, wie ich sie liebe;
Im nahen Neste girrte süß die Taube.
Die Sterne stimmten hoch am Himmelsbogen,
Der stille Vollmond war heraufgestiegen:
Glühwürmchen gaukelnd durch die Lüfte flogen.
Und unaufhörlich blinzelten die Sterne
Neugierig durch das Rosendach der Laube,
Als wüßten sie wer drinnen gar zu gerne.
Den kleinen Spähern war das Laub zu dichte;
Der helle Mondschein aber schlich sich sachte
Herein und spielt' in ihrem Angesichte.
Die Liebste aber, hatte lang' geschwiegen:
Und als ich, sie zu küssen, mich wollt' neigen,
Sah ich sie schlummernd mir im Arme liegen.
Christian Morgenstern 1871-1914
Hochsommernacht
Es ist schon etwas, so zu liegen,
im Aug der Allnacht bunten Plan,
so durch den Weltraum hinzufliegen
auf seiner Erde dunklem Kahn!
Die Grillen eifern mit den Quellen,
die murmelnd durch die Matten ziehn;
und droben wandern die Gesellen
in unerhörten Harmonien.
Und neben sich ein Kind zu spüren,
das sich an deine Schulter drängt,
und ihr im Kuß das Haar zu rühren,
das über hundert Sterne hängt ...
Es ist schon etwas, so zu reisen
im Angesicht der Ewigkeit,
auf seinem Wandler hinzukreisen,
so unaussprechlich eins zu zweit
Richard von Schaukal 1874-1942
Sommerabend in der Vorstadt
Dämmernd liegt der Sommerabend
Über Wald und grünen Wiesen;
Goldner Mond, im blauen Himmel,
Strahlt herunter, duftig labend.
An dem Bache zirpt die Grille,
Und es regt sich in dem Wasser,
Und der Wandrer hört ein Plätschern
Und ein Atmen in der Stille.
Dorten an dem Bach alleine,
Badet sich die schöne Elfe;
Arm und Nacken, weiß und lieblich,
Schimmern in dem Mondenscheine.
Paul Ernst Köhler 1880-1914
Sommerabend
Ob das des Sommerabends Wesen ist?
Die offene Seele lauscht dem dunklen Lied,
Das eine Nachtigall vor Sehnsucht weint,
Und eine Grille geigt verliebt im Ried.
Ich hauche: Kommt denn niemand, der mich küßt?
Ob das des Sommerabends Wesen ist? …
Die Liebe lockt: "Gib dich mir ganz! Gib! Gib!" …
Der letzte Laut erstirbt. Heimlich geeint
Hat sich der Liebste traulich mit dem Lieb …
Zu mir allein kommt niemand, der mich küßt.
Ernst Blass 1890-1939
Sommernacht
Das Sternbild vor mir heißt »Der große Bär«.
Und von den Menschen seh ich nur die Schatten
Und hör sie trällern nur die dummen, platten
Kupletchen, die da schwärmen vom Begatten
Und daß das das allein Reelle wär.
Durch stille Hauche keucht ein Katerschrei.
Doch Wolken wölben sich monumental
Da vorne, urhaft, wie ein Grönlandswal.
Und ohne Schicksal sitzt ganz groß und kahl
Der Mond vor seiner Riesenstaffelei.
Martin Greif 1839-1911
Hochsommernacht
Stille ruht die weite Welt,
Schlummer füllt des Mondes Horn,
Das der Herr in Händen hält.
Nur am Berge rauscht der Born
Zu der Ernte Hut bestellt
Wallen Engel durch das Korn.
Heinrich Heine 1797-1856
Dämmernd liegt der Sommerabend
Über Wald und grünen Wiesen;
Goldner Mond, im blauen Himmel,
Strahlt herunter, duftig labend.
An dem Bache zirpt die Grille,
Und es regt sich in dem Wasser,
Und der Wandrer hört ein Plätschern
Und ein Atmen in der Stille.
Dorten an dem Bach alleine,
Badet sich die schöne Elfe;
Arm und Nacken, weiß und lieblich,
Schimmern in dem Mondenscheine.
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
Traumsommernacht
Sommernacht, Traumsommernacht ...
Die Brunnen rauschen leise,
Die Trauerweide wiegt sich sacht;
Nun steigt der Mond in voller Pracht
Empor zur Wolkenreise.
Traum und Frieden ...
Was hienieden
Unruhvoll das Herz verstört,
Senkt sich in des Traumes Tiefen.
Und der Ruhe Geigentöne,
Die in Tages Lärme schwiegen,
In der heißen Helle schliefen,
Seelentiefe, seelenschöne,
Kommen nun heraufgestiegen,
Werden nun gehört.
Sommernacht, Traumsommernacht ...
Ein Rauschen lieb und leise,
Die Seele wiegt sich süß und sacht
Nach ihrer Geigenweise:
Traum und Frieden ...
Hingeschieden
Alles was uns traurig macht.
Sterne glimmen,
Wolken schwimmen,
Und das Märchen ist erwacht.
Friedrich Wilhelm Weber 1813-1894
In der Sommernacht
Nun rasch hinaus in die Sommernacht;
Die Wolken wandern so sacht, so sacht,
Die Blätter säuseln so leise.
Die Rose neigt zu der Lilie sich:
„Du Reine, du Feine, wie lieb' ich dich!"
Und küßt sie heimlicherweise.
Vorbei an den Gärten, hinab zur Au!
Die Wiese duftet, es glänzt der Tau
In des Mondes friedlicher helle.
Fernab im Grunde das Mühlrad geht,
Und neben der Lind' auf dem Hügel steht
Schneeweiß die kleine Kapelle.
Wie ist so schön und so still die Welt:
Wie weich der Himmel im Arm sie hält,
Und die Menschen schlafen und träumen!
Doch rasch am Weiher, am Kreuz vorbei:
Schon seh' ich das Licht in der Försterei
Am Waldrand unter den Bäumen.
Was rief man mich bei nächtlicher Zeit?
Erkrankte der Rnabe, die lockige Maid,
Großmutter, die greise, die gute?
Weit offen die Tür; es springt heraus
Ein Hund, er winselt, er zieht mich ins Haus:
Ich folge mit bangem Mute.
Der Förster, der brave, da liegt er tot!
Die straffen Kleider von Blut so rot,
In der Brust zwei tückische Wunden.
Im finstern Gesicht noch schmerz und Zorn;
So ward er im Walde, am Wichtelborn,
Von seinem Unechte gefunden.
Die Alte stiert, wie ein Bild von Stein,
Sprachlos ins Leere; die Kinder schrein;
Das Weib kniet neben der Leiche.
Sie hält umschlungen den toten Mann,
Sie wimmert und weint, sie redet ihn an,
Sie küßt ihm die Stirn, die bleiche.
Sie streichelt den Hund, der zu ihr kroch,
Sie klagt und sie klagt um einen noch,
Um den viel Tränen geflossen.
„O Mutter!" ruft sie und rauft ihr Haar,
„Der Wilddieb war es, dein Sohn, es war
Mein Bruder, der ihn erschossen!" -
Wie ist der Jammer so groß, so groß,
Und das lieben so arm und so hoffnungslos
Im Forsthaus unter den Bäumen!
Und so still und so schön ist draußen die Welt,
Das Mondlicht dämmert auf Wald und Feld,
Und die Menschen schlafen und träumen.
Betty Paoli 1814-1894
Ein Sommerabend
Der Vögel süße Lieder fluten
Aus blüh'nder Bäume Wipfelkranz,
Die Rosen scheinen zu verbluten,
Die Lilien streuen duft'gen Glanz.
Ringsum von Schönheit und von Wonne
Ein unergründlich tiefes Meer;
Am Abendhimmel weilt die Sonne,
Als fiele ihr das Scheiden schwer.
Noch einen letzten Schimmer sprühend,
Ringt sie sich bange zögernd los,
Und sinkt, in tief'rem Rot erglühend
In ihres Wolkengrabes Schoß.
Doch wie Erinnerung, die milde,
Treu ausharrt bei versunknem Glück,
Bleibt lang' noch auf dem Nachtgefilde
Ein stiller Dämmerschein zurück.
Friedrich Theodor von Vischer 1807-1887
Pastors Abendspaziergang
Das Abendroth brennt an des Himmels Saum,
Ich schlendre so, als wie im halben Traum,
Zum Dorf hinaus auf grünem Wiesenwege
Am Wald hinunter, wie ich täglich pflege.
Rings auf der Wiese wimmelt es und schafft,
Vom frischen Heu kommt mit gewürz'ger Kraft
Ein süßer Duft auf kühler Lüfte Wogen,
Mein alter Liebling, zu mir hergezogen.
Roth, Blau und Gold, ein ganzes Farbenreich,
Betrachtet sich im spiegelhellen Teich,
Wild-Enten sieht man durch die Wellen streben
Und hoch in Lüften Weih und Sperber schweben.
Ein flüsternd Wehen geht im dunkeln Wald,
Die Vögel rufen, daß es weithin schallt,
Die Unke will sich auf der Flöte zeigen,
Die Grille zirpt und auch die Schnaken geigen.
Studieren wollt' ich einen Predigtplan,
Nun hör' ich selbst die große Predigt an,
Voll Kraft und Mark, ein Menschenherz zu stärken,
Die große Predigt von des Meisters Werken.
Richard Dehmel 1863-1920
Sommerabend
Klar ruhn die Lüfte auf der weiten Flur;
fern dampft der See, das hohe Röhricht schimmert
im Schilf verglüht die letzte Sonnenspur;
ein blasses Wölkchen rötet sich und schimmert.
Vom Wiesengrunde naht ein Glockenton;
ein Duft von Tau entweicht der warmen Erde,
im stillen Walde steht die Dämm'rung schon,
der Hirte sammelt seine satte Herde.
Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm,
die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden;
nur noch die Grillen geigen ihren Psalm.
So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frieden!
Ludwig Jacobowski 1868-1900
Nach Hause
Das macht die Sommernacht so schwer:
Die Sehnsucht kommt und setzt sich her
und streichelt mir die Wange.
Man hat so wunderlichen Sinn;
man will wohin, weiß nicht wohin,
und steht und guckt sich bange.
Wonach?
Die Fackel in der Hand,
so weist die Sehnsucht weit ins Land,
wo tausend Wege münden.
Ach! einen möchte ich schon geh'n,
»Nach Hause!« müßte drüber steh'n. –
O Herz, nun geh' ihn finden!
Leon Vandersee ?-1907
Sommernacht II
Leis verrinnt des Tages goldner Schein –
in den Erlenzweigen klingt ein Rauschen
süß und heimlich wie ein Liebeslied,
komm, mein blonder Liebling, lass uns lauschen.
Horch, was uns der Sommerwind erzählt:
Märchen – wie die Elfen flimmernd weben
zarte Schleier, die im Mondenlicht
um die Kelche blasser Blüten schweben.
Glockenblumen in dem lichten Haar,
träumst du – selbst ein Märchen – in die Ferne,
weltvergessen, selig sucht mein Blick
deine Augen, meines Lebens Sterne.
Und ich küsse ihrer Wimpern Gold,
deine scheuen Lippen immer wieder –
tief im Park schlägt eine Nachtigall,
und die Sommernacht sinkt weich hernieder . . .
Sterne durchblitzen das Dunkel –
flimmernd in silberner Pracht
rieselt ein Strahlengefunkel
über den Schleier der Nacht.
Blütendufthauch weht herüber,
seltsam berauschend den Sinn,
Rosen, Jelängerjelieber –
ach, und verträumter Jasmin.
Von deinen Wimpern, den feuchten,
lösen zwei Perlen sich sacht –
heimliches Blühen und Leuchten
hat deine Sehnsucht entfacht . . .
E. Marlitt* 1825-1887
Sommernacht
Der lichte Tag ist heimgezogen
Ins graue Meer vergang'ner Zeit.
Wie vieler Glück, wie manches Leid
Versinkt mit ihm in jene Wogen.
Nun ist die Nacht herabgesunken,
Ums stolze Haupt den Strahlenkranz,
Den Schleier webt der Mondesglanz,
Aus ihrem Mantel sprühen Funken.
Wie geisterhaft das Mondlicht zittert
Und mit den nächt'gen Schatten ringt.
Ein gold'nes Märchen, leichtbeschwingt
Schlüpft's durch die Zweige, zartgegittert.
O Sommernacht unnennbar schöne!
Du scheuchst mit rätselhafter Macht
Aus dem Gemüt die trübe Nacht
Berührst dort niegeahnte Töne!
Man lernt das Herz nie selbst verstehen,
Wenn Tagsgeräusch es wild erregt –
Von nächt'gem Schweigen mild bewegt
Läßt es uns seine Tiefe sehen.
*Pseudonym für Friederieke Henriette Christiane Eugenie John,
deutsche Schriftstellerin
Ludwig Thoma 1867-1921
Mondnacht am Chiemsee
Gespensterhaft die Berge ragen.
Weit über sie mit bleichem Schein,
Von raschen Wolken tief umzogen,
Schaut silberhell der Mond herein.
Der See erglänzt von seinen Strahlen,
Die spielen glänzend drüber her,
Als tanzten Nixen ihren Reigen
Auf leichtbewegtem Wellenmeer.
Am Ufer durch die hohe Buche
Mit leisem Hauch der Nachtwind zieht,
Und in den Zweigen tönt ein Flüstern
Geheimnisvoll, fast wie ein Lied.
Ich bin allein. Und wonnetrunken
Ergeb ich mich der stillen Pracht
Und meine Brust durchbebt der Zauber
Der feierlichen Sommernacht.
Anna Ritter 1865-1921
Sternschnuppe
Manchmal, in schwülen Sommernächten,
Wenn um die Rosen buhlt der Wind,
Löst schwindelnd sich vom Himmel droben
In jähem Fall ein irrend Kind.
Dann stehen wohl die Menschen drunten
Und starren still und bang empor,
Bis sich des Sternleins leuchtend Sinken
in der Unendlichkeit verlor,
Und greifen mit der Hand zum Herzen
Und sinnen einer Sehnsucht nach,
Die zuckend, leuchtend und verglühend,
In dunkle Tiefen niederbrach.
Conrad Ferdinand Meyer 1825-1898
Schwüle
Trüb verglomm der schwüle Sommertag,
Dumpf und traurig tönt mein Ruderschlag -
Sterne, Sterne - Abend ist es ja -
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?
Bleich das Leben! Bleich der Felsenhang!
Schilf, was flüsterst du so frech und bang?
Fern der Himmel und die Tiefe nah -
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?
Eine liebe, liebe Stimme ruft
Mich beständig aus der Wassergruft -
Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!
Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?
Endlich, endlich durch das Dunkel bricht.
Es war Zeit! - ein schwaches Flimmerlicht.
Denn ich wußte nicht, wie mir geschah.
Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah.
Gottfried Keller 1819-1890
Sommernacht
Es wallt das Korn weit in die Runde
Und wie ein Meer dehnt es sich aus;
Doch liegt auf seinem stillen Grunde
Nicht Seegewürm noch andrer Graus;
Da träumen Blumen nur von Kränzen
Und trinken der Gestirne Schein,
O goldnes Meer, dein friedlich Glänzen
Saugt meine Seele gierig ein!
In meiner Heimat grünen Talen,
Da herrscht ein alter schöner Brauch:
Wann hell die Sommersterne strahlen,
Der Glühwurm schimmert durch den Strauch,
Dann geht ein Flüstern und ein Winken,
Das sich dem Ährenfelde naht,
Da geht ein nächtlich Silberblinken
Von Sicheln durch die goldne Saat.
Das sind die Bursche jung und wacker,
Die sammeln sich im Feld zuhauf
Und suchen den gereiften Acker
Der Witwe oder Waise auf,
Die keines Vaters, keiner Brüder
Und keines Knechtes Hilfe weiß -
Ihr schneiden sie den Segen nieder,
Die reinste Lust ziert ihren Fleiß.
Schon sind die Garben festgebunden
Und rasch in einen Ring gebracht;
Wie lieblich flohn die kurzen Stunden,
Es war ein Spiel in kühler Nacht!
Nun wird geschwärmt und hell gesungen
Im Garbenkreis, bis Morgenluft
Die nimmermüden braunen Jungen
Zur eignen schweren Arbeit ruft.
Emanuel Geibel 1815-1884
Eine Sommernacht
Wie glänzte tief azuren
Der See und rauschte sacht,
Als wir von Lindau fuhren
In klar gestirnter Nacht.
Sanft weht' es von den Hügeln
Und leise wie ein Schwan
Mit ausgespannten Flügeln
Zog unser Schiff die Bahn.
Sie saß in warmer Hülle,
Das Kind an ihrer Brust,
Versunken in die Fülle
Der Lieb' und Mutterlust.
Und wie ins Sterngefunkel
Entzückt ich schaut' empor,
Kam leise durch das Dunkel
Ihr Flüstern an mein Ohr:
„O Mann, seit uns beschieden
Dies süße Glück zu Drei‘n,
Wie fühl' ich schon hienieden
Den ganzen Himmel mein!“
Sie sprach's, und plötzlich linde
Umfloß ein Glorienlicht
Ihr selig zu dem Kinde
Geneigtes Angesicht.
Der Mond war aufgegangen
Am Saum des Firmaments,
Und über‘s Wasser klangen
Die Glocken von Bregenz.
Otto Ernst 1862-1926
Ruhe des Herzens
Wie heimlich glüht ein Bild
aus langer Dämm'rung:
Ein Sommerabend war's
Im Heimatdorfe;
Noch lag ein Sonnenhauch
Auf Dach und Giebeln,
Und hell stand schon der Mond
In leerer Straße.
Der Nachbar sprach ein Wort
Von Tau und Regen,
Er sprach zu seinem Weib
Drin in der Kammer;
Er zog das Fenster an,
Es klang der Riegel;
Ein erstes Sternlein trat
Aus lichtem Dunkel.
Aus fernen Gärten klang
Ein Mädchenlachen;
Ein letzter Nachhall dann
Und letzte Stille.
Und all die Sommerwelt
Ging wie ein Atem
Geruhig ein und aus
Durch meine Lippen. –
Nun weiß ich's, da mein Haar
Beginnt zu bleichen:
Was damals ich geatmet, war
Das Glück.
Else Galen-Gube 1869-1922
Wenn der Goldregen blüht, wenn die Nächte so heiß,
daß ich rastlos mich nicht zu fassen weiß
in der atemberaubenden Schwüle –
sag, weißt du, was ich dann fühle? –
Wenn die Wogen von süßem, berauschenden Duft
mein Zimmer erfüllen, und heiße Luft
mich umflutet, willst du es wissen?
Dann wein ich in meine Kissen.
Wenn der Vollmond hell leuchtend am Himmel steht,
der Pendelschlag langsam, so langsam geht,
ohne kärglichstes Glück mir zu bringen,
dann gilts ein verzweifeltes Ringen.
Ein Ringen der sehnenden Jugendkraft,
ein Ringen begehrender Leidenschaft,
ein Ringen der Glieder, der jungen,
mit toten Erinnerungen.
Rudolf Georg Binding 1867-1938
Sommernacht
Wie so sanft sich Licht in Dunkel
wandelt, fast als wär’s das Gleiche.
Dunstgespinst von ewger Kunkel
sinkt auf dämmernde Bereiche.
Baum und Strauch und Wiesen gleiten
aus den Fesseln der Begrenzung
wie erlöst in den befreiten
Raum der zarteren Beglänzung.
Still ins Mondlicht ausgebreitet
scheint sich alles nun verwandter
und des Leibs vergessen gleitet
Seel und Seele zueinander.