BuchKult
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Im Sommer ist man menschlicher,

im Winter bürgerlicher.

Jean Paul 1763 - 1825

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January -

Noble people snowballing
Sonst unbekannter Meister Wenzel von Böhmen, Trento (Italy), Castello del Buonconsiglio, um 1400

Unbekannter Autor

Text erstmals 1467 festgehalten

Verschneiter Weg

 

ursprünglicher Text

 

Es ist ein schne gefallen

und ist es doch nit zeit,

man wirft mich mit den pallen,

der weg ist mir verschneit.

 

Mein haus hat keinen gibel,

es ist mir worden alt,

zerbrochen sind die rigel,

mein stüblein ist mir kalt.

 

Ach lieb, laß dichs erparmen

daß ich so elend pin,

und schleuß mich in dein arme!

so vert der winter hin.

 

neuhochdeutsch

 

Es ist ein Schnee gefallen,

Und es ist noch nicht Zeit

Man wirft mich mit den Ballen

Der Weg ist mir verschneit.

 

Mein Haus hat keinen Giebel

Es ist mir worden alt

Zerbrochen sind die Riegel

Mein Stüblein ist mir kalt.

 

Ach Lieb, laß dich's erbarmen

Daß ich so elend bin

Und schließ mich in dein Arme!

So fährt der Winter hin.

 

Fedot Sychkov, Tanzen, 1911
Fedot Vasilievich Sychkov (1870-1958) war ein russischer Maler.

Burkhard von Hohenfels 1212-1242 (urkundlich belegt)

Wir sun den winder in stuben enpfahen

 

Wir sun den winder in stuben enpfahen.

wol uf ir kinder, ze tanze sun wir gahen.

volgent ir mir,

so sun wir smieren unde zwinggen unde

zwieren nach lieplicher gir.

 

neuhochdeutsch

Wir sollen den Winter in der Stube freundlich empfangen!

Wohlauf, ihr jungen Leute, wir wollen zum Tanze eilen!

Wenn ihr mir folgt,

dann werden wir lächeln und zwinkern und

blinzeln nach verliebter Begierde.

 

 

Boris Kustodiev, Shrovetide
Boris Mikhailowich Kustodiev (1878-1927) war ein russischer Maler und Grafiker.

Johann Christian Günther 1695-1723

Lob des Winters

 

Verzeiht, ihr warmen Frühlingstage,

Ihr seid zwar schön, doch nicht vor mich.

Der Sommer macht mir heiße Plage,

Die Herbstluft ist veränderlich;

Drum stimmt die Liebe mit mir ein:

Der Winter soll mein Frühling sein.

 

Der Winter zeigt an seinen Gaben

Die Schätze gütiger Natur,

Er kann mit Most und Äpfeln laben,

Er stärkt den Leib und hilft der Kur,

Er bricht die Raserei der Pest

Und dient zu Amors Jubelfest.

 

Der Knaster schmeckt bei kaltem Wetter

Noch halb so kräftig und so rein,

Die Jagd ergötzt der Erden Götter

Und bringt im Schnee mehr Vorteil ein,

Der freien Künste Ruhm und Preis

Erhebt sich durch den Winterfleiß.

 

Die Zärtlichkeit der süßen Liebe

Erwählt vor andern diese Zeit;

Der Zunder innerlicher Triebe

Verlacht des Frostes Grausamkeit;

Das Morgenrot bricht später an,

Damit man länger küssen kann.

 

Der Schönen in den Armen liegen,

Wenn draußen Nord und Regen pfeift,

Macht so ein inniglich Vergnügen,

Dergleichen niemand recht begreift,

Er habe denn mit mir gefühlt,

Wie sanfte sich's im Finstern spielt.

 

Da ringen die getreuen Armen

Mit Eintracht und Ergötzligkeit,

Da lassen sie den Pfiehl erwarmen,

Den oft ein falsches Dach beschneit,

Da streiten sie mit Kuss und Biss

Und wünschen lange Finsternüß.

 

Das Eis beweist den Hoffnungsspiegel,

Der viel entwirft und leicht zerfällt;

Ich küsse den gefrornen Riegel,

Der mir Amanden vorenthält,

So oft mein Spiel ein Ständchen bringt

Und Sait' und Flöte schärfer klingt.

 

Ich zieh den Mond- und Sternenschimmer

Dem angenehmsten Tage vor;

Da heb ich oft aus meinem Zimmer

Haupt, Augen, Herz und Geist empor,

Da findet mein Verwundern kaum

In diesem weiten Raume Raum.

 

Euch Brüder hätt ich bald vergessen,

Euch, die ihr nebst der deutschen Treu

Mit mir viel Nächte durch gesessen;

Sagt, ob wo etwas Bessres sei,

Als hier bei Pfeifen und Kamin

Die Welt mitsamt den Grillen fliehn.

 

Der Winter bleibt der Kern vom Jahre,

Im Winter bin ich munter dran,

Der Winter ist ein Bild der Bahre

Und lehrt mich leben, weil ich kann;

Ihr Spötter redet mir nicht ein;

Der Winter soll mein Frühling sein.

 

 

Wassily Kandinsky, Winter
Wassily Kandinsky (1866-1944) war ein russischer Maler, Grafiker und Kunsttheoretiker, der auch in Deutschland und Frankreich lebte und wirkte.
 

Elisabeth Kulmann 1808-1825

Willkommen, lieber Winter

 

Willkommen, lieber Winter,

Willkommen hier zu Land!

Wie reich du bist, mit Perlen

Spielst du, als wär' es Sand!

 

Den Hof, des Gartens Wege

Hast du damit bestreut;

Sie an der Bäume Zweige

Zu Tausenden gereiht.

 

Dein Odem, lieber Winter,

Ist kälter, doch gesund;

Den Sturm nur halt' im Zaume,

Sonst macht er es zu bunt!

 

Michail Nesterow, Winter
Michail Wassiljewitsch Nesterow (1862-1942) war ein russischer Maler.

Georg Philipp Harsdörffer 1607-1658

Der Winter

 

Der graue Winter hat bereit

Mit rauhem Frost und Traurigkeit

Die Felder überdecket,

So die begrünte Frühlingszeit

Erfreulich auferwecket.

 

Die Fluthen sind nun eisenhart,

Das Wasser ist fast harnischart1,

Mit Wollenschnee erweichet,

Die Erde mit der Ruhe bahrt2,

Bis sich die Sonn' erzeiget.

 

Wann unsre Herzen sind erstarrt

Und von der Sünde marmorhart,

Kann sie das Kreuz erweichen.

Des Höchsten Gnad' ist sonnenart,

Wenn wir sie nur erreichen.

 

Der kurze Tag, die lange Nacht

Hat Manchen viel Verdruß gebracht

In Sünd und Lasterleben.

Wer hat an seine Seel' gedacht,

Die muß in Nöthen schweben?

 

Gerechter Gott in Ewigkeit,

Der Du verwandelst Jahr und Zeit,

Bleib' nun bei uns in Gnaden.

Du Sonne der Gerechtigkeit,

Schütz' uns vor allem Schaden!

 

Fußnoten

1 harnischartig.

2 liegt wie auf der Bahre.

 

Casimir Geibel, Holzarbeiter in einem Winterwald
Casimir Geibel (1839-1896) war ein deutscher Maler.

Ferdinand von Saar 1833-1906

Gesang der Armen im Winter

 

Hör', wie uns're Klagen schallen,

Lind're Himmel, unser Weh:

Laß herab dein Manna fallen –

Laß ihn fallen den weißen Schnee!

 

Starrer Frost stellt uns seit Wochen

Schon beim Bau die Arbeit ein –

Uns're Kraft, sie ist gebrochen,

Denn wir müssen müßig sein.

 

Sieh', dort hinter Spiegelscheiben

Freu'n auch Reiche sich schon lang

Auf der Flocken lust'ges Treiben,

Auf der Schlittenschelle Klang.

 

Ihren Tritten, ihren Wagen

Schaufeln dann die Bahn wir frei –

Und empor zu dir getragen,

Tönt der Armen Jubelschrei!

 

Doch geschlossen bleibt der Speicher,

Der uns gibt des Winters Brot,

Und es färbt stets bleich und bleicher

Unsere Kinder schon die Not ...

 

Hör', wie uns're Klagen schallen,

Lind're Himmel, unser Weh:

Laß herab dein Manna fallen –

Laß ihn fallen den weißen Schnee!

 

Iwan Aiwasowski, Ice-Breakers on the Frozen Neva in St. Petersburg
Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski (1817-1900) war ein russischer Maler der Romantik armenischer Abstammung.

Walther von der Vogelweide ca. 1170-1230

Uns hat der Winter ...

 

Uns hat der Winter mehr als alles geschadet:

Fahl sind sowohl Heide als auch Wald,

wo viele süße Stimmen gehallt haben.

Wenn ich die Mädchen auf der Straße den Ball werfen

sähe, dann käme uns auch der Gesang der Vögel zurück.

 

Könnte ich des Winters Zeit verschlafen!

Bin ich wach, erlebe ich seine Missgunst,

wie weit und breit seine Gewalt ist.

Weiß Gott, der Mai wird ihn besiegen:

Dann werde ich Blumen pflücken, wo jetzt der Reif liegt.

 

(aus dem Mittelhochdeutschen von Wersch)

 

Carl Larsson, Harvesting Ice 1905
Carl Olof Larsson (1853-1919) war ein schwedischer Künstler.

Frank Wedekind 1864–1918

Winter

 

Leichentuch auf Feld und Flur,

Heiser krächzen die Raben.

Alles Leben der Natur

Unterm Schnee begraben.

Eisig pfeift es durch den Wald,

Weht aus hohem Norden. –

Welt, nun bist du fast so kalt

Wie mein Herze worden.

 

Wilhelm von Gegerfelt, Ice Gathering on Fyrisån, Scene from Uppsala
Wilhelm von Gegerfelt, auch Vilhelm von Gegerfelt (1844-1920), war ein schwedischer Landschafts- und Marinemaler.

Friederike Kempner 1828-1904

Wintergemälde

 

Es schneit im Wald

Unheimlich kalt,

Ein Mann versinkt im Schnee;

Sein Ach, sein Weh,

Verhallet bald

Im tiefen Wald.

 

Die Jagd, sie naht,

Zertritt die Saat;

Ein angeschossen Reh

Versinkt im Schnee,

Die Büchse knallt,

Der Schuss verhallt.

 

Konstantin Juon, A Beautiful Day
Konstantin Fjodorowitsch Juon (1875-1958) war ein russischer Maler, Bühnenbildner und Kunsttheoretiker.

Klabund 1890-1928

Davos

 

Ich bin in einer winterlichen Frühe

Auf dem bezaubernden Balkon erwacht.

Im Morgenschlaf dehnt sich die weisse Mühe,

Umnebelt noch vom Schleiergeist der Nacht.

 

Ein Schlitten klingelt vor verhangnen Fenstern,

Und eine Wolke schwebt und ist ersehnt.

Es werden ferne Glocken von Gespenstern

Geläutet, deren Sichel mondwärts lehnt.

 

Bin ich der Ewige, der ich gewesen?

Die Sonne bricht aus meinem Mund mit Schrei,

Und vor der Pforte schwingt ein Stern den Besen

Und macht den Weg für meine Schritte frei.

 

George Wesley Bellows, Love of Winter
George Wesley Bellows (1882-1925) war ein amerikanischer Maler, Zeichner und Lithograf.

Alfred Lichtenstein 1889-1914

Der Winter

 

Von einer Brücke schreit vergrämt ein Hund

Zum Himmel ... der wie alter grauer Stein

Auf fernen Häusern steht. Und wie ein Tau

Aus Teer liegt auf dem Schnee ein toter Fluss.

 

Drei Bäume, schwarzgefrorne Flammen, drohn

Am Ende aller Erde. Stechen scharf

Mit spitzen Messern in die harte Luft,

In der ein Vogelfetzen einsam hängt.

 

Ein paar Laternen waten zu der Stadt,

Erloschne Leichenkerzen. Und ein Fleck

Aus Menschen schrumpft zusammen und ist bald

Ertrunken in dem schmählich weißen Sumpf.

 

Hans Andersen Brendekilde, Der holdes et Hvil, 1897
Hans Andersen Brendekilde (1857-1942) war ein dänischer Maler.
 

Ada Christen 1839-1901

Ganz eingerahmt

 

Ganz eingerahmt in weichem Flaum

Sind heute unsre Scheiben,

Ich sehe durch die Lücken kaum

Das wirre Flockentreiben.

 

Der Turm hat eine Mütze auf,

Schneeweiß, und Edelsteine

Umglitzern ihn bis an den Knauf

Im Wintersonnenscheine.

 

So guckt er freundlich aus der Fern

In unser Nest, das warme.

Als freute auch den alten Herrn

Das Kind in deinem Arme.

 

 

 

Marianne Stokes, Winter
Marianne Stokes auch Mrs. Adrian Stokes, geborene Preindlsberger (1855-1927) war eine österreichisch-britische Malerin.
 

Verboeckhoven & Klombeck, Winterlandschaft mit Schlittenfahrern, 1863
Eugène Joseph Verboeckhoven (1799-1881) war ein belgischer Maler.
Johann Bernhard Klombeck (teilweise auch Klombek) (1815-1893) war ein Landschaftsmaler, welcher der so genannten Klever Romantik zuzuordnen ist.

Friedrich Rückert 1788-1866

Sind ein Paar kalter

 

Sind ein Paar kalter

Freunde Winter und Alter:

Winter schröpfend,

Alter erschöpfend;

Winter zwackend,

Alter plackend;

Winter pustend,

Alter hustend;

Winter geht,

Alter steht:

Gerne wär' ich der beiden quitt,

nähme Winter das Alter mit.

 

 

Marianne von Werefkin, Schnee über Nacht, 1918
Marianne von Werefkin (1860-938) war eine russische Malerin.
 

Klaus Groth 1819-1899

Das Dorf im Schnee

 

Still, wie unterm warmen Dach,

Liegt das Dorf im weißen Schnee;

In den Erlen schläft der Bach,

Unterm Eis der blanke Schnee.

 

Weiden steh'n im weißen Haar,

Spiegeln sich in starrer Flut;

Alles ruhig, kalt und klar

Wie der Tod der ewig ruht.

 

Weit, so weit das Auge sieht,

keinen Ton vernimmt das Ohr;

Blau zum blauen Himmel zieht

Sacht der Rauch vom Schnee empor.

 

Möchte schlafen wie der Baum,

Ohne Lust und ohne Schmerz;

Doch der Rauch zieht wie im Traum

Still nach Haus mein Herz.

 

Friedrich Kallmorgen, Galician Peasants on Their Way to Church
Friedrich Kallmorgen (1856-1924) war ein deutscher Maler.

Klabund 1890-1928

Winterschlaf

 

Indem man sich zum Winter wendet,

Hat es der Dichter schwer,

Der Sommer ist geendet,

Und eine Blume wächst nicht mehr.

 

Was soll man da besingen?

Die meisten Requisiten sind vereist.

Man muß schon in die eigene Seele dringen

– Jedoch, da hapert's meist.

 

Man sitzt besorgt auf seinem Hintern.

Man sinnt und sitzt sich seine Hose durch,

– Da hilft das eben nichts, da muß man eben überwintern

Wie Frosch und Lurch.

 

Carl Johansson, Winter
Carl August Johansson (1863-1944) war ein schwedischer Landschaftsmaler.

Joachim Ringelnatz 1883-1934

Marter in Bielefeld

 

Es war in Bielefeld so bitter kalt.

Ich sah ein Weib, das nichts als eine knappe

Hemdhose trug. Daß ich erschauerte

Und ihren kalten Zustand heiß bedauerte.

Denn sie war nur Attrappe – Fleisch aus Pappe.

 

Ich wäre gar zu gern zu zweit gewesen.

Nun stand ich vor der reizenden Gestalt,

Mußte herabgesetzte Preise lesen,

Und ach, die Ladenscheibe war so kalt.

 

Der Frost entlockte meiner Nase Tränen.

Die Dame schwieg. Die Sonne hat gelacht.

In mir war qualvoll irgendwas entfacht.

Es kann kein Mann vor Damenwäsche gähnen.

 

 

 

John Lavery, Japanese Switzerland, 1913
Sir John Lavery (1856-1941) war ein irischer Porträtist und Landschaftsmaler.
 

Barthold Heinrich Brockes 1680-1747

Wintergedanken

 

Wie hat es diese Nacht gereift!

Mein Gott, wie grimmig stark muß es gefroren haben!

Wie schwirrt und schreit, wie knirrt und pfeift

Der Schnee bei jedem Tritt! Mit den jetzt trägen Naben

Knarrt, stockt und schleppt der Räder starres Rund,

Ja weigert gleichsam sich, den kalten Grund

Wie sonst im Drehen zu berühren.

Fast alles drohet, zu erfrieren,

Fast alles droht für Kälte zu vergehn.

 

Wie blendend weiß ist alles, was ich schau,

Sowohl in Tiefen als in Höhn;

Wie schwarz, wie dick, wie dunkelgrau

Hingegen ist der ganze Kreis der Luft,

Zumal da das noch niedre Sonnenlicht

Annoch nicht durch die Nacht des dicken Nebels bricht.

 

Es scheint, als könne man in einem greisen Duft

Die Kälte selbst an jetzt recht sichtbar sehn;

Sie fänget überall ergrimmt an zu regieren.

Drei Elemente selber müssen

Ihr schwer tyrannisch Joch verspüren

Und deren Bürger all das strenge Szepter küssen,

Das allem, was da lebt, Verlähmung, Pein und Tod,

Ja selber der Natur den Untergang fast droht. -

 

Laß aber, lieber Mensch, auch du, soviel an dir,

Dein Herz zum Mitleid doch bewegen,

Damit dein Liebesfeur dein armer Nachbar spür;

Komm, lindre seine Not mit deinem Segen.

Such ihm in scharfem Frost ein Labsal zu bereiten,

Damit, wie Hiob spricht, auch seine Seiten,

Wenn sie, durch deine Hülf erwärmt, dich preisen

Und so durch dich dem Schöpfer Dank erweisen.

 

Mikhail Germashev, Schnee ist gefallen, 1897
Mikhail Markianowich Germashev (1867-1930) war ein russischer Maler.
 

Georg Heym 1887-1912

Berlin 8

 

Schornsteine stehn in großem Zwischenraum

Im Wintertag, und tragen seine Last,

Des schwarzen Himmels dunkelnden Palast.

Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum.

 

Fern zwischen kahlen Bäumen, manchem Haus,

Zäunen und Schuppen, wo die Weltstadt ebbt,

Und auf vereisten Schienen mühsam schleppt

Ein langer Güterzug sich schwer hinaus.

 

Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein,

Die Toten schaun den roten Untergang

Aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein.

 

Sie sitzen strickend an der Wand entlang,

Mützen aus Ruß dem nackten Schläfenbein,

Zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang.

 

 

 

Hans Baluschek, Kälte
Hans Baluschek (1870-1935) war ein deutscher Maler, Grafiker und Schriftsteller.
 

Christian Morgenstern 1871-1914

Der Schnupfen

 

Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,

auf dass er sich ein Opfer fasse

– und stürzt alsbald mit großem Grimm

auf einen Menschen namens Schrimm.

Paul Schrimm erwidert prompt: „Pitschü!“

und hat ihn drauf bis Montag früh.

 

 

Hans Dahl, Throwing Snowballs
Hans Dahl (1849-1937) war ein norwegischer Landschafts- und Genremaler.

Joachim Ringelnatz 1883-1934

Stille Winterstraße

 

Es heben sich vernebelt braun

Die Berge aus dem klaren Weiß,

Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,

Steht eine Stange wie ein Steiß.

 

Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,

Wie ihn kein Maler malen darf,

Wenn er's nicht etwas kann.

Ich stapfe einsam durch den Schnee.

Vielleicht steht links im Busch ein Reh

Und denkt: Dort geht ein Mann.

 

Vladimir Orlovsky, Troika in the snow
Vladimir Donatovitch Orlovsky (1842-1914) war ein ukrainischer Landschafts- und Genremaler des Realismus.
 

Richard Dehmel 1863-1920

Winterwärme

 

Mit brennenden Lippen,

unter eisblauem Himmel,

durch den glitzernden Morgen hin,

in meinem Garten,

hauch ich, kalte Sonne, dir ein Lied.

 

Alle Bäume scheinen zu blühen;

von den reifrauhen Zweigen

streift dein Frühwind

schimmernde Flöckchen nieder,

gleichsam Frühlingsblendwerk;

habe Dank!

 

An meiner Dachkante hängt

Eiszapfen neben Zapfen,

starr,

die fangen zu schmelzen an,

Tropfen auf Tropfen blitzt,

jeder dem andern unvergleichlich,

mir ins Herz.

 

Bernard Essers, Man met paard in de sneeuw
Bernard Essers (1893-1945) war ein niederländischer Grafiker.

Friedrich Hebbel 1813-1863

Winterreise

 

Wie durch so manchen Ort

Bin ich nun schon gekommen,

Und hab' aus keinem fort

Ein freundlich Bild genommen.

 

Man prüft am fremden Gast

Den Mantel und den Kragen,

Mit Blicken, welche fast

Die Liebe untersagen.

 

Der Gruß trägt so die Spur

Gleichgültig-offner Kälte,

Daß ich ihn ungern nur

Mit meinem Dank vergelte.

 

Und weil sie in der Brust

Mir nicht die Flamme nähren,

So muß sie ohne Lust

Sich in sich selbst verzehren.

 

Da ruf' ich aus mit Schmerz,

Indem ich fürbaß wandre:

Man hat nur dann ein Herz,

Wenn man es hat für andre.

 

Ivan Endogurov, Winter - By The Campfire
Ivan Ivanovic Endogurov (1861-1898) war ein russischer Landschaftsmaler und Aquarellist.

Fred Endrikat 1890-1942

Rücksprache mit der Hose

 

Ich habe mit meiner Hose Rücksprache genommen,

ob wir beide wohl gut durch den Winter kommen.

Sie legte ihr Antlitz in noch mehr Falten

und meinte: "Ich habe die Absicht, eisern durchzuhalten.

Mein Boden dehnt sich zwar schon bis ins Uferlose,

bin sonst aber eine innerlich geschlossene Hose.

Der Glanz und Wolle aus früheren Tagen

sind stets weggebürstet und teils abgetragen,

die Nähte und Falten sind leidlich durchgestoßen,

sonst bin ich noch rüstig im ganzen und großen.

Der Charakter bildet sich im Laufe der Zeiten

und überschattet alle die Äußerlichkeiten.

Eine ehrwürdige Hose mit Flicken und Narben

kann Bände erzählen in den buntesten Farben.

Die härtesten Kämpfe und Stürme im Leben

haben mir die richtige Haltung gegeben.

Ich habe mir fest und eisern vorgenommen,

wir beide müssen gut durch den Winter kommen."

So sprach meine Hose, die an Jahren so reiche,

vor mir stehend wie eine knorrige Eiche.

Oh, ihr kleingläubigen Zweifler solltet euch schämen

und einmal mit eurer Hose Rücksprache nehmen.

Man soll es kaum glauben, wieviel Kraft und Lebensmut

in solch einer welterfahrenen Hose ruht.

 

Franz Marc, Woman Standing in a Winter Landscape
Franz Moritz Wilhelm Marc (1880-1916) war ein deutscher Maler, Zeichner und Grafiker.
 

Joachim Ringelnatz 1883-1934

Ruf zum Sport

 

Auf ihr steifen und verdorrten

Leute aus Büros,

Reißt euch mal zum Wintersporten

Von den Öfen los.

 

Bleiches Volk an Wirtshaustischen,

Stellt die Gläser fort.

Widme dich dem freien, frischen,

Frohen Wintersport.

 

Denn er führt ins lodenfreie

Gletscherfexlertum

Und bedeckt uns nach der Reihe

All mit Schnee und Ruhm.

 

Doch nicht nur der Sport im Winter,

Jeder Sport ist plus,

Und mit etwas Geist dahinter

Wird er zum Genuß.

 

Sport macht Schwache selbstbewußter,

Dicke dünn, und macht

Dünne hinterher robuster,

Gleichsam über Nacht.

 

Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,

Kürzt die öde Zeit,

Und er schützt uns durch Vereine

Vor der Einsamkeit,

 

Nimmt den Lungen die verbrauchte

Luft, gibt Appetit;

Was uns wieder ins verrauchte

Treue Wirtshaus zieht.

 

Wo man dann die sporttrainierten

Muskeln trotzig hebt

Und fortan in illustrierten

Blättern weiterlebt.

 

Matthias Robinson, Children on the Ice
Matthias Robinson (active 1856-1884) war ein britischer Maler.

Friedrich Güll 1812-1879

Das Büblein auf dem Eise

 

Gefroren hat es heuer

noch gar kein festes Eis.

Das Büblein steht am Weiher

und spricht zu sich ganz leis:

»Ich will es einmal wagen,

das Eis, es muß doch tragen.

Wer weiß!«

 

Das Büblein stapft und hacket

mit seinem Stiefelein.

Das Eis auf einmal knacket,

und krach! schon bricht's hinein.

Das Büblein platscht und krabbelt,

als wie ein Krebs und zappelt

mit Arm und Bein.

 

»O helft, ich muß versinken

in lauter Eis und Schnee!

O helft, ich muß ertrinken

im tiefen, tiefen See!«

Wär' nicht ein Mann gekommen –

der sich ein Herz genommen,

o weh!

 

Der packt es bei dem Schopfe

und zieht es dann heraus,

vom Fuße bis zum Kopfe

wie eine Wassermaus.

Das Büblein hat getropfet,

der Vater hat's geklopfet

zu Haus.

 

 

Akseli Gallen-Kallela, Schlittschuhläufer am Ufer von Kallela, 1896
Akseli Gallen-Kallela (1865-1931) war ein finnischer Maler, Architekt und Designer.

Wolfgang Müller von Königswinter 1816-1873

Schlittschuhlaufen

 

Der Winter geht so starr und kalt,

Der Teich ist festgefroren,

Frischauf die Schlittschuh angeschnallt,

Die Pelze um die Ohren!

 

Wir gleiten hin, wir gleiten her

Auf spiegelglattem Eise,

Wir schwingen uns die Kreuz und Quer

Und schlingen unsre Kreise.

 

Und plumpst auch Einer ’mal dahin,

Das darf nicht scheu ihn machen,

Er stehet auf mit frischem Sinn

Und er beginnt zu lachen.

 

Er mischt sich wieder in die Reihn

Und läuft in Freude weiter,

Denn auf dem Eis, da muß man sein

Recht munter, frisch und heiter.

 

Walter Moras, Rodeln an einem sonnigen Wintertag
Walter Moras (1856-1925) war ein deutscher Maler.

Friedrich Güll 1812-1879

Der Mann von Schnee

 

Schneemann dort am Gartenzaune

Hat gar eine üble Laune.

Steht er da voll Trutz und Groll,

Weiß nicht, was er reden soll.

Und die Sonne blinkt und blitzt,

Daß er wie ein Kranker schwitzt.

Weil der Himmel ist so blau,

Ärgert er sich braun und grau;

Weil die Wiesen werden grün,

Ärgert er sich schmal und dünn.

 

Schneemann ist in großer Not,

Denn es winkt ihm schon der Tod.

Noch ein Schnapper, noch ein Schnauf

Und er steht nicht wieder auf.

Kommen dann die schwarzen Raben,

Seine Leiche zu begraben.

Und Schneeglöcklein will vor Freuden,

Ihm die Sterbeglocke läuten.

Und die Lerch' vor allen Dingen

Ihm ein Schlummerliedchen singen.

 

Aber wo ist er zu finden?

Vornen nicht, und auch nicht hinten.

Freilich, weil ihm ganz zerbrochen

An der Sonne seine Knochen,

Weil zu Wasser er zerronnen

An dem Glanz der goldnen Sonnen.

Kommt der Storch dazu geflogen,

Und die Schwalbe hergezogen,

Fragen nach dem toten Mann,

Niemand von ihm sagen kann.

 

Wälzt der Storch mit seinem Bein

An den Zaun hin einen Stein;

Und die Schwalbe mit dem Schnabel

Schreibt darauf die ganze Fabel:

Hier liegt Einer, der im Leben,

Weiter keinen Taug gegeben;

Der sich faul und sehr verstockt,

Lebenslang daher gehockt;

Und damit er doch nicht länger

Bleiben soll ein Müßiggänger,

Und ein Griesgram und ein Hasser,

Schmolz der Frühling ihn zu Wasser;

Und damit will er begießen

All' die Blumen auf den Wiesen,

Dass sie weiß und gelb und grün

Euch zur Lust und Freude blüh'n.

 

Cornelis Kimmel, Snowballing
Cornelis Kimmel (1804-1877) war ein niederländischer Maler.

Robert Reinick 1805-1852

Der Schneemann

 

Steh, Schneemann, steh!

Und bist du auch von Schnee,

So bist du doch ein ganzer Mann,

Hast Kopf und Leib und Arme dran,

Und hast ein Kleid, so weiß und rein,

Kein Seidenzeug kann weißer sein:

Du stehst so stolz und fest und breit

Als wär' es für die Ewigkeit. -

Steh, Schneemann, steh! -

Wenn ich dich recht beseh':

So fehlt dir nichts auf weiter Welt

Du hungerst nicht, sorgst nicht um Geld.

Ich glaub' auch, daß dich gar nichts rührt,

Und wenn es Stein und Beine friert;

Der Frost, der andre klappern läßt,

Der macht dich erst recht hart und fest -

 

Steh, Schneemann, steh!

Die Sonne kommt, Juchhe!

Jetzt wirst du erst recht lustig sein! - -

Was ist denn das? Was fällt dir ein?

Du leckst und triefst ohn' Unterlaß,

o Schneemann, Schneemann, was ist das?

Das schöne warme Sonnenlicht,

Der Menschen Lust erträgst du nicht?

 

Weh, Schneemann, weh!

Du bist doch nichts als Schnee!

Dein Kopf war dick, doch nichts darin,

Dein Leib war groß, kein Herz darin,

Und das, was andre fröhlich macht,

Hat dir, du Wicht, nur Leid gebracht.

Ich glaub', ich glaub', manch Menschenkind

Ist grade so wie du gesinnt:

Schnee, nichts als Schnee!

 

Fedot Sychkov, Building a Snowman
Fedot Vasilievich Sychkov (1870-1958) war ein russischer Maler.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874

Der Schneemann

 

Seht, da steht er, unser Schneemann!

Das ist ein Geselle!

Stehet fest und unverzagt,

Weicht nicht von der Stelle.

 

Schaut ihm in die schwarzen Augen!

Wird euch denn nicht bange?

In der linken Hand da hat er

Eine lange Stange.

 

Einen großen Säbel hält er

Fest in seiner Rechten.

Kommt heran! Er wird sich wehren,

Wird mit Allen fechten.

 

Über ihn kann nur der Frühling

Einen Sieg gewinnen:

Blickt ihn der nur an von ferne,

Wird er gleich zerrinnen.

 

Aber halt dich tapfer, Schneemann!

Lass dir offenbaren:

Stehst du morgen noch,

so wollen Wir dich Schlitten fahren.

 

 

Ludwik Stasiak, Children's Games
Ludwik Józef Stasiak (1858-1924) war ein polnischer Maler, Karikaturist, Journalist, Kunsthistoriker und Verleger.
 

Fred Endrikat 1890-1942

Schneemann weint

 

Die Sonne lacht. Der Schneemann weint.

Sie hat es gut mit ihm gemeint.

Nun schmilzt er bis zum letzten Rest.

Es säuselt leise aus Südwest.

Das Eis am Giebel tropft und taut.

Der Schnee am Weg ist sanft ergraut.

Bald kommt der Frühling über Nacht.

Der Schneemann weint. Die Sonne lacht.

 

Jan Walraven, The Snowman
Jan Walraven (1827-1863) war ein niederländischer Maler.

Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832

 

Als neulich der Schnee lag und meine Nachbarskinder ihre kleinen Schlitten auf der Straße probieren wollten, sogleich war ein Polizeidiener nahe, und ich sah die armen Dingerchen fliehen, so schnell sie konnten. Jetzt, wo die Frühlingssonne sie aus den Häusern lockt und sie mit ihresgleichen vor ihren Türen gern ein Spielchen machten, sehe ich sie immer geniert, als wären sie nicht sicher und als fürchteten sie das Herannahen irgendeines polizeilichen Machthabers. Es darf kein Bube mit der Peitsche knallen, oder singen, oder rufen, sogleich ist die Polizei da, es ihm zu verbieten. Es geht bei uns alles dahin, die liebe Jugend frühzeitig zahm zu machen und alle Natur, alle Originalität und alle Wildheit auszutreiben, sodaß am Ende nichts übrig bleibt als der Philister. (zu Eckermann, 12. 3. 1828)

 

Mal kein Gedicht, aber bei der Recherche für diese Seite fand ich diesen kleinen Prosatext von Goethe, der nichts von seiner Aktualität verloren hat. FD

 

 

Fritz Freund, Schneeballschlacht
Fritz Freund (1859-1936) war ein deutscher Maler.

Gertrud Pfander 1874-1898

Winterwanderung

 

Nun will ich gehn, nun will ich wandern

Hin durch den tiefen, weichen Schnee,

Dass mich von all den vielen andern

Nicht einer mehr, nicht einer seh.

Der Nebel wogt auf weißer Breite,

Als kam das Ende hier der Welt,

Mein Grauen nur gibt mir Geleite,

Stets unzertrennlich, treugesellt.

 

... Kein Laut ... Kein Hauch ... die Tannen stehen

Ganz regungslos in schwarz und weiß,

Nur einen Raben seh ich drehen

Sich ohne Flügelschlag im Kreis.

Die Flocke nur will leise girren

Aufseufzend unter meinem Schritt ...

... Ich möchte ewig, ewig irren,

Ich – und mein Graun – sonst keiner mit.

 

Der Schnee reicht mir bis an die Kniee,

Und dennoch fühl ich keine Not,

Als ob mich selbst das Grauen fliehe,

Das sonst beständig mich bedroht ...

Mir wird so still, wird so gelassen,

Halb schlafbesiegt, halb tränensatt ...

... Sieh! ... durch des Waldes kristallne Gassen

Rückt glashell eine selige Stadt ...

... Nun will ich gehn ... nun will ich wandern

... Kein Laut ... Kein Hauch ...

... Ganz regungslos ...

 

John Atkinson Grimshaw, A Winter Walk
John Atkinson Grimshaw (1836-1893) war ein englischer Maler.

Carl Spitteler 1845-1924

Der Wanderer

 

Flaumflocken flüstern vom Himmel leis.

Ein Wandrer steigt über Firn und Eis.

Die Schneefrau folgt ihm mit tückischem Schritt:

»Halt stille, mein Lieber, und nimm mich mit,

Der Abend ist nah, und der Gipfel ist fern.

Ich spiel dir zur Kurzweil ein Liedchen gern.«

Sie setzt an die Lippe die grüne Schalmei,

die jauchzte von Blumen und Lenz und Mai.

Er lauschte, die Wangen von Tränen naß,

dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß.

 

Und finstrer wölkt sich der dämmernde Schnee.

Sie schlich ihm zur Seite auf listiger Zeh':

»Halt! daß ich dir leuchte, du wandelst irr

Ein freundliches Märchen erzähl' ich dir.«

Eine Ampel zog sie aus ihrem Gewand;

Da glänzt ihm vor Augen der Heimat Land,

der Hügel, der Garten, die Eltern sein

im seligen goldigen Jugendschein.

Er schwankte. Schon kürzt er der Schritte Maß,

dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß.

 

Und es stürmt und es stöbert mit Sturmesmacht,

vom heulenden Felsen gähnt weiße Nacht.

Sein Wille versagte, sein Knie versank.

Da saß sie auf einer steinernen Bank.

»Hier ist es behaglich; komm, setze dich,

Ich weiß zu kosen gar minniglich.

Und lockt dich der Schlummer und lacht dir ein Traum

An meinem warmen Busen ist Raum.«

Sie blickte so lieblich, sie nickte so hold,

als ob sich der Himmel ihm öffnen wollt.

Er wankt ihr entgegen in taumelndem Lauf

und fiel ihr zu Füßen - stand nie mehr auf.

 

Stepan Kolesnikov, Wintertag
Stepan Fedorovitch Kolesnikoff (1879-1955) war ein realistischer Maler, der in Russland geboren wurde und den größten Teil seines Lebens in Serbien verbrachte.

Ernst Preczang 1870-1949

Winterwanderung

 

Und drückt’s mich hier und drückt’s mich da,

Dann nehm’ ich meinen Hut,

Dann nehm’ ich meinen Stecken,

Dann sage ich der Stadt Adieu

Und hol mir frischen Mut.

 

Dann gehe ich zum Tor hinaus

Und frag mich nicht: wohin?

Dann wandre ich und wandre

Vorbei am allerletzten Haus,

Bis ich ganz einsam bin.

 

Wie breiten sich die Felder hier

Voll Flocken, schwer und dicht,

Weiß dehnt sich’s in die Weite.

Und ist ganz voller Sonnenschein

Und voller Glanz und Licht.

 

Die Wiesen schimmern blink und blank,

Aus Büschen blitzt das Eis,

Im Schilfe hängt es silbern.

Und wie der Blick auch schweifen mag:

Die Welt ist rein und weiß.

 

Die Welt ist rein und schön und klar

Und ist so hell und groß,

Wie flimmert’s in den Strahlen!

Ich geh und steh und schaue nur

Und reiß mich nimmer los.

 

Und trete ich zum Wald hinein,

Dann geh ich wie gebannt

Durch dunkelgrüne Hallen,

Darin die Säulen und das Dach

Kristall und Diamant.

 

O wundersame Einsamkeit,

So rein, so weit, so still!

Hier trink ich neues Leben,

Hier trink ich Licht und Trost und Heil,

Wenn ich verzagen will.

 

Lovell Birge Harrison, A wintry walk
Lovell Birge Harrison (1854-1929) war ein amerikanischer Genre- und Landschaftsmaler, Lehrer und Schriftsteller.
 

Martin Greif 1839-1911

Frau Holle

 

Schneeflocken wirbeln um und um,

im Garten blüht die Weihnachtsblum',

Frau Holle fährt im Land herum –

Schnurre, Rädchen, schnurre!

 

Der Mond blickt aus dem Wolkengraus,

weist ihr den Weg zu jedem Haus,

daß sie die flinksten findet aus –

schnurre, Rädchen, schnurre!

 

Gewahrt sie wo noch einen Schein,

Frau Holle hält und schaut hinein;

Die munter drehn, belohnt sie fein –

Schnurre, Rädchen, schnurre!

 

Anton Mauve, Sneeuwlandschap bij Laren
Anton Mauve (1838-1888) war ein niederländischer Landschaftsmaler zum Ende des 19. Jahrhunderts.
 

Gottfried Keller 1819-1890

Der Winter ist eine ehrliche Haut

 

Der Winter ist eine ehrliche Haut,

Ein alter Poldrian;

Wie zornig er mir ins Auge schaut,

Blick ich ihn wiederum an!

 

Sein Blut ist kühl und starr wie Eis,

Doch nie seine Treue wankt;

Wie oft hab ich mich nächtlicherweis

Mit ihm herumgezankt!

 

Da rüttelt er mir am Gartentor

Und stampft auf den Beeten herum,

Er schimpft mich einen sanguinischen Tor,

Leichtgläubig und herzlich dumm!

 

Viel Hoffnungen zieh ich in Scherben auf

Am kalten Sternenschein,

Da ist er besonders versessen drauf

Und stürmt auf sie herein.

 

Ich balge mich immer, so gut ich kann,

Um jedes grüne Reis;

Er aber entrupft sie, der harte Mann,

Den Scherben büschelweis.

 

Doch die mir der Alte stehenläßt,

Die sind erprobt und gefeit!

Die sind gelenzet und frühlingsfest

Und der Erfüllung geweiht!

 

Joost Droochsloot, Scène de village en hiver, 1631, Bremen
Joost Cornelisz Droochsloot oder Droogsloot (1586-1666) war ein niederländischer Maler von Dorfszenen, Landschaften, Genrebildern, moralischen Allegorien und biblischen Geschichten.

Georg Philipp Harsdörffer 1607-1658

Lob des Winters

 

Wem behagt Aprillenwetter?

Wem des Hundsgestirnes Hitz'?

Wem des Herbstes falbe Blätter?

Niemand, der nicht sparet Witz.

Ich will nun kaltsinnig loben

Die begrau'te Winterszeit,

Die uns unsre Augen weid't,

Und auch billig wird erhoben.

 

Wie ein fast bejahrter Alter

Nach der schnellen Monden Flucht,

Sitzend bei dem Weinbehalter,

Kostet seiner Arbeit Frucht,

Hält die Ruhtag' für sein Leben

Bis zum vorgesteckten Ziel,

Da der grauen Haar' so viel

Strahlen großer Klugheit geben:

 

Also pfleget auch zu rasten

Aller Jahrszeit Flucht und Eil,

Und beginnet recht zu masten

An des weißen Winters Seil.

Ceres wohnet in den Scheuern,

Bacchus bringt den süßen Most,

Und Pomona ihre Kost,

Sylvan kann beim Feuer feiern.

 

Schauet drauß die weißen Flocken,

Wie sie streichen hin und her,

Wie sie sich zusammen stocken,

Wie sie stürmen überquer!

Das ist ein gesundes Wetter,

Und man heizt auch tapfer ein,

Horchend bei dem firnen Wein

Der Musik von einem Bräter.

 

Mich bedünket, daß die Sterne

Strahlen baß, wann's Winter ist;

Wann das Wasser hartet gerne

Wie Kristallstein durch Gefrüst,

So muß man das Eis belaufen

Mit der Schlittschuh' schnellem Holz;

Wie ein Vogel oder Bolz,

Rauscht man vorwärts ohn' Verschnaufen.

 

Masken, Fastnacht, Schlittenfahren,

Reiten, Tanzen, Fechten üben,

Lass' ich unbemeldet fahren,

Wie auch auf der Tafel schieben,

Und erhebe das Studiren,

So uns manche lange Nacht

Auch wohl in das Bett gebracht,

Daß wir Winterslust recht spüren.

 

Leonid Solomatkin, Masleniza, 1878
Leonid Iwanowitsch Solomatkin (1837-1883) war ein russischer Genremaler im realistischen Stil.

Ludwig Hölty 1748-1776

Trinklied im Winter

 

Das Glas gefüllt!

Der Nordwind brüllt,

Die Sonn' ist niedergesunken!

Der kalte Bär

Blinkt Frost daher,

Getrunken, Brüder, getrunken!

 

Die Tannen glühn

Hell im Kamin,

Verstreuen knatternd die Funken!

Der edle Rhein

Gab uns den Wein,

Getrunken, Brüder, getrunken!

 

Der edle Most

Verscheucht den Frost,

Und zaubert Frühling hernieder;

Der Trinker sieht

Den Hain entblüht

Und Büsche wirbeln ihm Lieder!

 

Er hört Gesang,

Und Harfenklang,

Und schwankt durch blühende Lauben;

Ein Mädchenchor

Rauscht schnell hervor,

Und bringt ihm goldene Trauben!

 

Sauf' immerfort,

O Winternord,

Im schneebelasteten Haine;

Nur streu dein Eis,

O lieber Greis,

In keine Flaschen mit Weine!

 

Die stolze Frau

Färb braun und blau,

Die Ahnenschwindel erfüllet;

Nur mußt du fliehn

Den Hermelin,

Der junge Busen verhüllet!

 

Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

BuchKult

Franz Dewes

fjdewes@buchkult-dewes.de

 

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