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Martin Greif 1839-1911
An die Novembersonne
Sonne, was machst du?
Spät noch im Jahr
Äugelst und lachst du
Freundlich und klar.
Lockest die Bienen
Wieder nach Seim,
Weckest den grünen
Schlafenden Keim.
Linde im Alter
Drängst du zu blühn,
Spielende FaIter
Treibst du dahin.
Aber im Werben
Hast du's bedacht,
Daß sie zu sterben
Nur sind erwacht?
Felix Schumann 1854-1879
Am … November
Einst hieß es: gestern noch,
Dann hieß es: vor acht Tagen,
Vor einem Monde dann
Mit stets neuen Klagen.
Und heute ist ein Jahr,
Ein rundes Jahr verstrichen,
Seit ich das letzte Mal
Des Nachts zu dir geschlichen.
Nicht schmerzt mich heute mehr
Erinnerung süßer Sünde,
Mich schmerzt, daß bald vielleicht
Auch die Erinnrung schwinde.
Und doch – absterben muß
Das einzelne Erlebnis,
Daß es im Geiste ruh
Als köstliche Ergebnis.
Stefan George 1868-1933
Novemberrose...
Sag mir blasse Rose dort
Was stehst du noch an so trübem ort?
Schon senkt sich der herbst am zeitenhebel
Schon zieht an den bergen novembernebel.
Was bleibst du allein noch blasse rose?
Die letzte deiner gefährten und schwestern
Fiel tot und zerblättert zur erde gestern
Und liegt begraben im mutterschoosse...
Ach mahne mich nicht dass ich mich beeile!
Ich warte noch eine kleine weile.
Auf eines jünglings grab ich stehe:
Er vieler hoffnung und entzücken
Wie starb er? Warum? Gott es wissen mag!
Eh ich verwelke eh ich vergehe
Will ich sein frisches grab
noch schmücken
Am totentag.
Friedrich Rückert 1788-1866
Die vermisste Sonne
Könnt' ich meiner Sonne nur
Schaun ins helle Angesicht!
Alles Leid das ich erfuhr,
Kümmerte so sehr mich nicht,
Als daß sie den Liebeschwur,
Den sie mir geschworen, bricht.
O wie öd' ist Erdenflur,
Unverklärt von Himmelslicht!
Heute fällt mir schwer aufs Herz,
Daß die Welt nicht wohl mir tut.
O November, wärst du März,
Und ich hätte Frühlingsmut!
Alles Unglück ist ein Scherz,
Wo der Blick auf Blumen ruht,
Und, wie Schnee, zerschmilzt der Schmerz
An der Sonne Liebesglut.
Klabund 1890-1928
Novemberelegie
Ich habe gestern ein Gedicht an dich geschrieben.
Ich saß am offenen Fenster.
Ich fröstelte.
Der Herbstwind wehte.
Er hat’s verweht.
Als du zu mir kamst,
Standen zwei alte Weiber im Hausflur.
Sie krächzten hinter dir her
Wie Krähen.
Du hüpftest wie eine Bachstelze stolz und zierlich.
Öde ist die Welt, ein braches Feld, und böse sind die Menschen.
Küsse mich mit deinen braunen Augen
Und wirf die Arme
Wie weiße Fliederäste um mich
Und schenke mir, dem herbstlich taumelnden,
Den Sommer,
Schenke
Noch einmal Sommer mir
Und weiße Rosen,
Letztes Licht.
Da nun der Winter eisig reisig klirrt
Und weißer Schnee die Wege wirrt:
Wohin soll ich wandern?
Wo soll ich bleiben,
Ich Habenichts,
Weißnichts,
Kannnichts?
Ich liege schon im offnen Sarg.
Küss meine kalten Lippen,
Um die der Schneesturm stob,
Ein letztes Mal
Und schlag den Deckel zu
Und geh ins Leben
Und lächle deiner Tränen. Lebe!
Liebe!
Und sei geliebt! Gelobt! Bedankt!
Josef Weinheber 1892-1945
November
Im Kirchhof brennt das stille Licht.
Die Toten ruhen, weine nicht.
Geborgen in der Erd, vergeht
der Keim, umdaß er aufersteht.
Martini Reif, Andreä Schnee,
die Magd trägt aus ihr süßes Weh.
Vom Hochwald dröhnt der Büchsenhall,
es stampft das Vieh im warmen Stall,
der Nebel hüllt das stille Land,
die Kerze ist herabgebrannt.
Laß frosten, laß vergehn, laß schnein!
Der Mensch muß wach und einsam sein.
Ferdinand Avenarius 1856-1923
November
Leichensteine kalt und stumm
Im grauen Novemberwetter,
Greisenhaft um die Kreuze herum
Schwatzen gefallener Blätter.
Was lallst du kindisch vor dich hin,
Was malst du mit deinem Stabe,
Was hast du Heimliches im Sinn,
Du Alter dort auf dem Grabe?
Was soll dein Kichern und Grinsen, Mann,
Und dein vertrauliches Nicken?
Was sengest du meine Seele an
Mit deinen glimmenden Blicken?
Im Herzen drängt die arme Flut,
Und ängstlich fühl ich’s klopfen –
Ich fühl’s, du schlürfst aus mir das Blut
Tropfen gemach nach Tropfen,
Ich fühl’s, mein Leben blutet dir
In mattem Sickern zu,
Ich fühl es, langsam wirst aus mir,
Du müder Alter, du.
Friedrich Wilhelm Nietzsche 1844-1900
Im deutschen November
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das
Herz!
Fliege fort! fliege fort! –
Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt
und ruht bei jedem Schritt.
Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt
Der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh –
Er klagt ihr nach.
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das
Herz.
Fliege fort! fliege fort!
Oh Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht,
Daß eis'ger Schauder deine Wange,
Die purpur-Wange deckt? –
Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch? – –
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das
Herz.
Fliege fort! fliege fort! –
»Ich bin nicht schön«
– so spricht die Sternenblume –
»Doch Menschen lieb' ich
Und Menschen tröst' ich –
sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
nach mir sich bücken
ach! und mich brechen –
in ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf,
Erinnerung an Schöneres als ich: –
– ich seh's, ich seh's – und sterbe so.« –
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das
Herz!
Fliege fort! fliege fort!
Ernst Rauscher von Stainberg 1834-1919
Im November
Das Abendroth des Jahres liegt
Nun scheidend auf den Wäldern,
Der Wanderzug der Vögel fliegt
Hin, über braunen Feldern!
Am Rebenstock vergessen hängt
Die letzte, kalte Beere,
Mit Müh' die matte Sonne drängt
Zurück die Nebelheere.
Wehmüthig glänzt der erste Schnee
Von fernen Bergeszinnen -
Das Menschenherz beschleicht ein Weh,
Ein ahnungsvolles Sinnen.
Wohl dem, der in so rauher Zeit
Ein trautes Nest gefunden,
In dem er ruhet allbereit,
Vom Arm' der Lieb' umwunden!
Ich fand es, ach! das treu'ste Herz
Fühl' ich an meinem schlagen.
Nun komme Winterfrost und Schmerz -
Will Alles gern ertragen!
Yvan Goll 1891-1950
Tolstois Abschied
Novembernacht ...
Einsam zieht der graue Wanderer,
Der Unsterbliche: ein einsamer Mensch,
Hinaus in die weite Novemberwelt,
Die tot und öde vor ihm liegt.
Kein Stern begleitet ihn,
Denn es ist nicht mehr Nacht;
Kein Lichtschein zeigt ihm den Osten:
Es wird kein Morgen!
So muss der Tod sein ...
Novembernacht ...
Lagert über die Menschheit,
Die im Arme des Lebens,
Des Truggeist’s, schlummert.
Nur einer wacht, nur einer ist groß
Und sucht sich selbst in der Einsamkeit –
Der letzte, endlos weite Weg liegt vor ihm,
Und nichts nahm er mit als seinen Gott.
Buße will er tun,
Für sich und für die Welt,
Denn alle Frevel kennt er ja
Und alle hat er begangen.
Doch welcher Prophet
War nicht ein menschlicherer Mensch,
als alle seine Brüder,
Eh’ er zum Göttlichen sich durchdacht?
Wer verzeihen will, muss selbst die Schuld auch kennen.
Wer Geister rühren will, muss selbst gerührt sein.
O höchste Reinheit, die sich selbst erschuf
Aus all dem Niedern, das das Leben ausmacht.
Reiner ist der greise Büßer,
als das heute geborene Kind.
Novembernacht ...
Hastet nicht dort ein fahler Schein
Silbern über die Ebene?
Der Morgen ist es, das Leben!
Einen Augenblick hält der graue Wanderer ein,
Und Verzweiflung bedrückt ihm die Seele,
Denn er floh vor dem Leben,
Vor ihm flieht der Tod!
Bald aber flieht er, schreitet er weiter
Groß wie ein Krieger,
Die Stirn wie eine Felswand
Zum Himmel erhoben,
Er knirscht nicht mehr,
er glaubt an sein Heil!
Georg Heym 1887-1912
November
Der wilden Affenscheiße ganze Fülle
Liegt auf der Welt in den Novemberkeiten.
Der Mond ist dumm. Und auf den Straßen schreiten
Die Regenschirme. Daß man warm sich hülle
In starke Unterhosen schon beizeiten.
Nur Bethge* haust noch auf dem Dichter-Mülle.
Man nehme sein Geschmier. Zum Arschwisch knülle
Man das Papier zum Dienst der Hinterseiten.
Die Martinsgans glänzt in der braunen Pelle.
stefan george steht in herbstes-staat.
An Seiner nase hängt der perlen helle.
Ein gelbes Rotztuch blinkt. Ein Auto naht.
Drin sitzt mit Adlerblick die höchste Stelle.
Fanfare tutet: Sellerie Salat.
*) oder Benzmann oder Hesse nach Belieben!
Frida Schanz 1859-1944
November
Meines Sommerleids Gefährten,
Meines Gärtchens düstre Bäume,
Werfen ihre reifversehrten
Blätter ab wie dunkle Träume.
Und die tief in sich gekehrten
Blicke sehn durch Wolkensäume
Wieder in die abgeklärten,
Bleichen, freien Himmelsräume.
Theodor Fontane 1819-1898
Rum-Lied
Mit einer Rumflasche zum 14. November 1866
Und ist auch noch so dünn der Tee
Und tut dir irgendwo was weh, –
Rum, Rum,
Und alle Schmerzen werden stumm.
Und liest du ein „Sensation“-Buch
Voll Gift und Mord und Vaterfluch, –
'rum, 'rum,
Nicht alle Bücher sind so dumm.
Und geht im Leben etwas schief
Und steht der Barometer tief, –
'rum, 'rum,
Ein Tag gestaltet alles um.
Und ärgert dich ein Blick, ein Wort,
Tu's rasch aus deiner Seele fort; –
„'rum, 'rum“
Ist aller Weisheit Satz und Summ'.
Und ist man endlich worden alt
Und wird es öd und wird es kalt, –
'rum, 'rum,
Wir wechseln unser Publikum.
Max Dauthendey 1867-1918
November
Grau verwirrt der leere Wald.
Mit tausend blauglühenden Ätheraugen,
Hoch durch schwarzen Fichtenbehang,
Irren Heere blauer gigantischer Blüten.
Von fremden Dolden,
Niemand hat je sie belauscht,
Blüht jeder Morgen im Grase
Eisiger Samen.
Graue Frauen,
Die lautlos im Reigen kamen,
Sind lautlos gegangen.
Der Bleichen Juwelen
Strahlende Fäden
Irisgrün, irisgolden,
Hangen an allen Zweigen.
In nackten Kronen singen
Wachszarte Ströme der Sonne.
Um bloße Säulen,
Auf weißen Schwingen kreist
Einäugig ein Aar,
Das Schweigen.
Steht im November noch das Korn,
ist es wohl vergessen worn.
Claude Audran, Mois grotesques
11 - Monatsbilder,
entworfen für die Gobelins
im Schloss von Meudon
Claude Audran III (1658-1734)
war ein französischer Maler.