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Fred Endrikat 1890-1942
Wochenbrevier
Am Montag fängt die Woche an.
Am Montag ruht der brave Mann,
das taten unsre Ahnen schon.
Wir halten streng auf Tradition.
Am Dienstag hält man mit sich Rat.
Man sammelt Mut und Kraft zur Tat.
Bevor man anfängt, eins, zwei, drei,
bums – ist der Dienstag schon vorbei.
Am Mittwoch faßt man den Entschluß:
Bestimmt, es soll, es wird, es muß,
mag kommen, was da kommen mag,
ab morgen früh am Donnerstag.
Am Donnerstag faßt man den Plan:
Von heute ab wird was getan.
Gedacht, getan, getan, gedacht.
Inzwischen ist es wieder Nacht.
Am Freitag geht von alters her,
was man auch anfängt, stets verquer.
Drum ruh dich aus und sei belehrt:
Wer gar nichts tut – macht nichts verkehrt.
Am Samstag ist das Wochen-End,
da wird ganz gründlich ausgepennt.
Heut anzufangen, lohnt sich nicht.
Die Ruhe ist des Bürgers Pflicht.
Am Sonntag möcht' man so viel tun.
Am Sonntag muß man leider ruhn.
Zur Arbeit ist es nie zu spät.
O, Kinder, wie die Zeit vergeht.
Hermann Harry Schmitz 1880-1913
Die Angst
Es krallt sich um die Sonne eine Hand.
Ein lauer Wind jagt dürre Blätter raschelnd auf.
Ein toter Vogel stürzt aus Wolkenhöh
zerschmettert an die Erde.
In dumpfer Hütte Mensch an Mensch gedrängt,
voll Grauen starrend in den schwefelgelben Tag.
Die Tür fliegt auf, von unsichtbarer Hand berührt.
Der Hund kriecht winselnd in die Ecke.
Und langsamer wird jetzt der Wanduhr Ticken,
noch einmal tick und tack –
dann steht die Uhr. –
Ein grelles Lachen in den Lüften!
Es horchen starr die Menschen in die Leere.
Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858)
Weil gar zu schön im Glas der Wein geblunken,
hat sich der Hans dick voll getrinkt.
Drauf ist im Zickzack er nach Haus gehunken
und seiner Grete in den Arm gesinkt.
Die aber hat ganz mächtig abgewunken
und hinter ihm die Türe zugeklunken.
Wilhelm Busch 1832-1908
Ein Prall – ein Schall – dicht am Gesicht -
Verloren ist das Gleichgewicht.
So töricht ist der Mensch. - Er stutzt,
Schaut dämisch drein und ist verdutzt,
Anstatt sich erst mal solche Sachen
In aller Ruhe klarzumachen. -
Hier strotzt die Backe voller Saft;
Da hängt die Hand, gefüllt mit Kraft.
Die Kraft, infolge der Erregung,
Verwandelt sich in Schwungbewegung.
Bewegung, die in schnellem Blitze
Zur Backe eilt, wird hier zu Hitze.
Die Hitze aber, durch Entzündung
Der Nerven, brennt als Schmerzempfindung
Bis in den tiefsten Seelenkern,
Und dies Gefühl hat keiner gern.
Ohrfeige heißt man diese Handlung,
Der Forscher nennt es Kraftverwandlung.
Klabund 1890–1928
Ich baumle mit de Beene
Meine Mutter liegt im Bette,
Denn sie kriegt das dritte Kind;
Meine Schwester geht zur Mette,
Weil wir so katholisch sind.
Manchmal troppt mir eine Träne
Und im Herzen pupperts schwer;
Und ich baumle mit de Beene,
Mit de Beene vor mich her.
Neulich kommt ein Herr gegangen
Mit 'nem violetten Schal,
Und er hat sich eingehangen,
Und es ging nach Jeschkenthal!
Sonntag war's. Er grinste: »Kleene,
Wa, dein Port'menée is leer?«
Und ich baumle mit de Beene,
Mit de Beene vor mich her.
Vater sitzt zum 'zigsten Male,
Wegen »Hm« in Plötzensee,
Und sein Schatz, der schimpft sich Male,
Und der Mutter tut's so weh!
Ja, so gut wie der hat's keener,
Fressen kriegt er, und noch mehr,
Und er baumelt mit de Beene,
Mit de Beene vor sich her.
Manchmal in den Vollmondnächten
Is mir gar so wunderlich:
Ob sie meinen Emil brächten,
Weil er auf dem Striche strich!
Früh um dreie krähten Hähne,
Und ein Galgen ragt, und er...
Und er baumelt mit de Beene,
Mit de Beene vor sich her.
Emerenz Meier 1874-1928
Weh über die Führer der Nationen
Weh über die Führer der Nationen,
Die Henker im Frack, die Mörder auf Thronen!
Sie machen Geschichte, sie spinnen Netze,
Mit Hilfe der Presse, der feilen Metze.
Wenn faul Republiken und Monarchien,
Nach Freiheit und Aufklärung wird geschrien,
Dann heißt einen schneidigen Krieg erzeugen,
Der Revolution noch schnell vorzubeugen.
Dann treiben die Hirten die Herden zur Weide,
Zum Kampffeld hinaus, rum tollt euch im Streite!
Kühlt euer Mütchen, ein Volk am andern,
Uns aber laßt den Herrenpfad wandern!
Das tötet und würgt uns und wird getötet,
Die ganze Welt ist von Blut schon gerötet,
Sie kämpfen verzweifelt, Mann gegen Mann,
Hat keiner was dem andern getan.
Was hat euch, ihr Völker, mit Blindheit geschlagen,
Wann wird es in euren Gehirnen tagen,
Wann dringt in eure Seelen das Licht
Der echten Freiheit, die liebt, nicht ficht?
Emerenz Meier (1874-1928) war eine deutsche Schriftstellerin.
Peter Hammerschlag 1902-1942
Ich liebe zärtliche Blondinen
Und läge schrecklich gern auf ihnen.
Sie weigern sich. - Auch die Brünetten
Sind gern allein in ihren Betten.
Die Schwarzen gleichfalls, die ich möchte,
Versagen mir die kleinsten Rechte.
Und auf den Bettchen von die Roten
Steht "Eintritt Hammerschlag verboten".
Mensch, bleibe was Du bist.
Onanist!
Anonym
Des Abends, wenn ich früh aufsteh,
Des Morgens, wenn ich zu Bette geh,
Dann krähen die Hühner, dann gackelt der Hahn,
Dann fängt das Korn zu dreschen an.
Die Magd, die steckt den Ofen ins Feuer,
Die Frau, die schlägt drei Suppen in die Eier,
Der Knecht, der kehrt mit der Stube den Besen,
Da sitzen die Erbsen, die Kinder zu lesen.
O weh, wie sind mir die Stiefel geschwollen,
Dass sie nicht in die Beine nein wollen!
Nimm drei Pfund Stiefel und schmiere das Fett,
Dann stelle mir vor die Stiefel das Bett.
Christian Morgenstern
Unheimliche Zeitung
Der Pfünder Gedröhn,
der Flinten Alarm,
das Schrein und Gestöhn,
die Wut und der Harm –
der Sturm und die Flucht,
die Hügel voll Qual
der köstlichen Frucht,
der Dörfer Fanal –
der Mensch als Held
und der Mensch als Tier –
in Lettern gestellt
auf ein Blatt Papier.
Christian Morgenstern 1871-1914
Im Reich der Interpunktionen
Im Reich der Interpunktionen
nicht fürder goldner Friede prunkt:
Die Semikolons werden Drohnen
genannt von Beistrich und von Punkt.
Es bildet sich zur selben Stund
ein Antisemikolonbund.
Die einzigen, die stumm entweichen
(wie immer), sind die Fragezeichen.
Die Semikolons, die sehr jammern,
umstellt man mit geschwungnen Klammern
und setzt die so gefangnen Wesen
noch obendrein in Parenthesen.
Das Minuszeichen naht, und - schwapp!
da zieht es sie vom Leben ab.
Kopfschüttelnd blicken auf die Leichen
die heimgekehrten Fragezeichen.
Doch, wehe! neuer Kampf sich schürzt:
Gedankenstrich auf Komma stürzt -
und fährt ihm schneidend durch den Hals,
bis dieser gleich - und ebenfalls
(wie jener mörderisch bezweckt)
als Strichpunkt das Gefild bedeckt!
Stumm trägt man auf den Totengarten
die Semikolons beider Arten.
Was übrig von Gedankenstrichen,
kommt schwarz und schweigsam nachgeschlichen.
Das Ausrufszeichen hält die Predigt;
das Kolon dient ihm als Adjunkt.
Dann, jeder Kommaform entledigt,
stapft heimwärts man, Strich, Punkt, Strich, Punkt.
Karl Valentin 1882-1948
Das Futuristische Couplet
Ein Gegenstück zur modernen Malerei
In Nürnberg kam das Ganze,
Es sind ja mal erst recht,
Doch als es mir ganz falsch war,
Ist es ohnedies zu schlecht.
Mit wessen ich grad dachte,
Von ohne sie berührt,
So sind sie denn von vorne rein
Ganz ohne diszipliert.
Wer allzulange sind ist,
Ob arm, geht sich bei dem,
Das einmal es doch lieber sein,
Drum wird ja ohnedem,
Mitsammen, ja denn so kann,
Bei deinem nicht schon sein,
Sobald man kann es bleiben soll,
Zusammen fein zu sein.
Wenn einmal in der Nase,
Hast manchmal du in Ruh,
Die Plattform in der Tasche hast,
Und treibst in allem zu,
So wittert aus den Mitteln,
In Spanien aus und ab,
Der Blumen Augenbrauen senkt,
Mit Asien und in Trapp.
es gibt auch gute nachbarn,
aber die wohnen weit weg.
aus: thomas bergmannm, giftzwerge - wenn der nachbar zum feind wird
had're nicht mit gott,
weil er den tiger schuf,
er schuf ihn ohne flügel
- dafür sei dankbar.
aus indien
Fred Endrikat (1890-1942)
Der Philosoph ohne Regenschirm
Es ist nicht alles schön auf dieser wunderschönen Welt,
Novemberstürme gibt es auch im Monat Mai.
Beschimpfe nicht den Regen, der auf dich herniederfällt,
bedenk: Der meiste Regen fällt an dir vorbei.
aus: Liederliches und Lyrisches: Verse vom vergnüglichen Leben, 1940
Ein Messer ohne Klinge, an welchem der Stiel fehlt.
Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799)
Gotthold Ephraim Lessing, 1729-1781
Lob der Faulheit
Faulheit jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen.-
O -- wie -- sau -- er -- wird es mir, --
Dich -- nach Würden -- zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut, wer Dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben --
Ach! -- ich -- gähn -- ich -- werde matt --
Nun -- so -- magst du -- mir`s vergeben,
Dass ich Dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.