BuchKult
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Du liebster Gott,

und wenn man auch allen

Sonnenschein wegstreicht,

so gibt es doch noch den Mond

und die hübschen Sterne

und die Lampe am Winterabend;

– es ist soviel schönes Licht in der Welt.

Wilhelm Raabe 1831-1910

 

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George Houston, Winter Morning
George Houston (1869-1947) war ein schottischer Künstler.

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Wintermorgen

 

Der Wasserfall ist eingefroren,

die Dohlen hocken hart am Teich.

Mein schönes Lieb hat rote Ohren

und sinnt auf einen Schelmenstreich.

 

Die Sonne küßt uns. Traumverloren

schwimmt im Geäst ein Klang in Moll;

und wir gehn fürder, alle Poren

vom Kraftarom des Morgens voll.

 

Igor Grabar, Wintermorgen
Igor Emmanuilowitsch Grabar (1871-1960) war ein russischer Maler, Kunsthistoriker und Museumswissenschaftler.

Ludwig Uhland 1787-1862

Wintermorgen

 

Ein trüber Wintermorgen war's,

Als wollt' es gar nicht tagen,

Und eine dumpfe Glocke ward

Im Nebel angeschlagen.

 

Und als die dumpfe Glocke bald,

Die einzige, verklungen,

Da ward ein heisres Grabeslied,

Ein einz'ger Vers gesungen.

 

Es war ein armer, alter Mann,

Der lang gewankt am Stabe,

Trüb, klanglos, wie sein Lebensweg,

So war sein Weg zum Grabe.

 

Nun höret er in lichten Höhn

Der Engel Chöre singen

Und einen schönen, vollen Klang

Durch alle Welten schwingen.

 

Magnus von Wright, Annankatu on a Cold Winter Morning
Magnus von Wright (1805-1868) war ein finnischer Maler und Ornithologe.

Friederike Brun 1765-1835

Der Sonnenaufgang im Winter

 

                   Sonne komm hervor!

                   Sonne steig’ empor!

         Sieh’, es neiget

         Sich der Tanne Wipfel!

                  Sieh’ es beuget,

         Halb im Schnee versteckt,

         Halb im Morgenroth entdeckt,

         Jedes Hälmchen seine Spitze dir!

 

Leise schwebt, wie nur der Geist empfindet,

         Hauch der Liebe ungesehen,

                   Wie ein Kind der Mutter Arm umwindet,

Auf den kleinsten Hälmchen deines Athems Wehen!

         Und es steigt empor zu Himmelshöhen

         Leise das Erhaltungsflehen

                   Aller Creatur,

                   Und von der erstarrten Flur

         Das Dankopfer der Natur!

 

         Halb gesehn, und halb verschwunden,

                   Neigt, nach still durchwallten Stunden,

         Cynthia ihr mattes Haupt;

                   Schön mit Rosen ihre Stirn’ umwunden,

         Früh’ Aurorens Kranz geraubt.

 

         Fliege schnell, wie sanfter Liebe Sehnen,

                   Morgenroth! zum besten Vater hin;

                       Hin zur stillen Ruhestätte,

                       Wo, nach innigem Gebete,

         Frohe Träume seine Stirn’ umziehn!

 

         Und mit leisem, liebevollem Säuseln,

Wie dem Abendhauch sich Bäche kräuseln,

         Sag’ ihm mit der Liebe Laut: Daß seine

         Fern von ihm getrennte Tochter weine,

         Daß sie nicht den heitern Morgengruß

         Heut empfängt, und ihres Vaters Kuß.

 

Iwan Choultsé, Winter Morning in Engadine 4
Iwan Fedorowitsch Choultsé (1874-1939) war ein Maler des russischen Realismus.

Guido Zernatto 1903-1943

Wintermorgen

 

Meine Füße treten grobe Spuren

in den Schnee, der feucht zergeht.

In den Häusern brennen Frühstücksfeuer,

Auf den Dächern zittert noch ein scheuer

Schein des Monds, der westwärts gläsern steht.

 

Alle Knechte sind jetzt noch verschlafen

Und sie werfen ihren Rossen Futter vor.

Alle Mägde strecken sich und gehen,

Um nach Zuber, Schurz und Tuch zu sehen,

Langsam durch das halbwegs offne Tor.

 

Alle Wege sind noch unbegangen,

Alle Bäume sind jetzt frisch beschneit.

Aber schon beginnt der Tag zu dämmern,

In der Werkstatt schon der Schmied zu hämmern.

Eine Glocke klingt, und eine Krähe schreit.

 

 

Ilya Zankovsky, A Frosty Morning
Ilya Nikolaevich Zankovsky (1843-1917) war ein russischer Maler.

Heinrich Wilhelm Vierordt 1855-1945

Am Morgen will es nicht werden Tag

 

Am Morgen will es nicht werden Tag,

Verschlafen tönt der Glocken Schlag;

Die Menschen schelten es: böse Zeit! –

Ich liebe die Winterheimlichkeit!

Durchschimmert sie nicht der Weihnachtsstern,

Die goldene, liebliche Sage?

Ich habe die Tage, die Tage so gern,

Die kurzen, die dunklen Tage.

 

In der Dämmerung, die auf die Stube ruht,

Kommt das Mädchen und facht im Ofen die Glut;

Es knistern die Funken, es prasselt das Scheit,

Und sie lächelt: Die Dächer sind alle verschneit.

Sie weiß von ihrem träumenden Herrn,

Dass dies ihm wohl behage. –

Ich habe die Tage, die Tage so gern,

Die kurzen, die dunklen Tage.

 

Am zögernden Mittag wat’ ich hinaus,

Da kommen sie mir entgegen drauß’

Und fragen mit wunderlichem Gesicht:

Was, du bist hier und im Süden nicht? –

Ei, soll mir durchfrieren das Herz bis zum Kern

Bei Frost und Reiseplage? ...

Ich habe die Tage, die Tage so gern,

Die kurzen, die dunklen Tage.

 

Am Abend zündet man frühe das Licht,

Da wandelt das Leben sich in ein Gedicht,

Bei gemütlicher, traulicher Lampe Schein

Man schleiert und spinnt in Gedanken sich ein.

Die Flocken umglittern die Straßenlatern’

Wie Bienen in weißem Gejage. –

Ich habe die Tage, die Tage so gern,

Die kurzen, die dunklen Tage.

 

Da sitzt und da spinnt man am wärmenden Herd

Und denkt an die Zeit, die nicht wiederkehrt,

An die Knabenzeit, an die Jugendzeit,

An die Lieben, im Kirchhof eingeschneit;

Mir liegt sie winterduftig und fern

Die Zeit der Rosen im Hage –

Ich habe die Tage, die Tage so gern,

Die kurzen, die dunklen Tage.

 

Sie gemahnen an Grab und an Grabesruh’,

Die Augen sinken mir schläfrig zu,

Mich überkommt eine Müdigkeit,

Zu süßem, ewigem Schlummer bereit.

Umwirbelt mich, Flocken, Stern an Stern,

Begrabt mich mit lautloser Klage –

Ich habe die Tage, die Tage so gern,

Die kurzen, die dunklen Tage.

 

 

 

Ludvig Munthe, Sunrise in Winter
Ludvig Munthe (1841-1896) war ein norwegischer Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule.

Christian Morgenstern 1871-1914

Morgensonne im Winter

 

Auf den eisbedeckten Scheiben

fängt im Morgensonnenlichte

Blum’ und Scholle an zu treiben…

 

löst in diamantnen Tränen

ihren Frost und ihre Dichte,

rinnt herab in Perlensträhnen…

 

Herz, o Herz, nach langem Wähnen

laß auch deines Glücks Geschichte

diamantne Tränen schreiben!

 

 

Maxfield Parrish, Winter Sunrise
Maxfield Parrish (1870-1966) war ein US-amerikanischer Maler und Illustrator.

Konrad Weiß 1880-1940

Eines Morgens Schnee

 

Was man gelebt, was immer mehr geblieben,

stets mehr gelesen, um so dunkler nur,

was man im Lichte schon wie aufgeschrieben

vorfand und ging auf unstörbarer Spur,

was man mit Sinn erreicht, was man mit Lieben

doch nie vollbringen konnte, – deine Flur

wird dir, du Mensch von Ernte niemals satt,

mit eines Morgens Schnee ein reinstes Blatt.

 

Es ist kein Trost; und nun der Sonne Scheinen

teilt alles nur noch weiter vor dir aus,

so spurlos steht die Zeit, du willst sie einen

gleich einer Träne dort am letzten Strauß,

du horchst auf einen Laut, nun hörst du keinen,

der Schnee macht nur ein regungsloses Haus, –

geh fort, und wie es dir im Busen klopft,

fühlst du den Schnee, der kalt vom Baume tropft.

 

Du fühlst nicht Nähe mehr, nur noch dies Pochen,

das dir die kalte Wange seltsam näßt,

das Land scheint dir so weit und ganz zerbrochen,

die weißen Berge gleich dem schweren Rest

von einem Himmel, den du nie besprochen,

und der, je mehr du sprichst, dich werden läßt

gleich einer Spur, die sich aus ihm verlor,

und die du kennst, wenn dir im Herzen fror.

 

So geh nun fort, und was umsonst bestritten

du Tag und Nacht, was schon im Licht verdorrt,

was du gelebt, was du dir selbst inmitten

gelöst, du Mensch, im stets zerbrochnen Wort,

auf dunkler Spur mit unhörbaren Schritten

gewinnt die Zeit ihr Licht, geh mit ihr fort,

noch blüht zur stillen Nacht die Spur so frisch

wie alle Ernte auf dem Ladentisch.

 

 

Anshelm Schultzberg, A Winter Morning after a Snowfall in Dalarna
Anshelm Leonard Schultzberg (1862-1945) war ein schwedischer Maler.

Gertrud Kolmar 1894-1943

Wintermorgen

 

Neig dich wieder, neig dich nieder,

Glühendes Gesicht!

Gern erwachen meine Glieder,

Meine Seele nicht.

Ihre Blicke, ihre Küsse

Herzen deinen Traum,

Fallen flimmernd, Silbernüsse,

Ihm vom Sternenbaum.

 

Sieh! Ich bin der dunkle Quader,

Der vor Schätzen birst;

Du - o meine goldne Ader,

Wenn du mich durchirrst!

Wird einst Wahrheit in mich steigen

Mit dem Bergmannslicht?

Woll dich neigen, froh im Schweigen,

Glühendes Gesicht.

 

Immer muss ich dich betrachten,

Der mein Tagwerk führt:

Kann ich noch des Windes achten,

Der das Kleid mir rührt?

Schellenrasselnd naht ein Schlitten;

Fordert mich der Schwall?

Seine Fragen, seine Bitten

Finden keinen Hall.

 

Denn um mich ist Luft gewoben,

Luft aus Schneearom,

Flocken zittern nach vorn droben,

Weißer, warmer Strom.

Fremde Brunst und Kunst und Schlingen

Sinken hier ins Grab,

Wehn mit starren Schmetterlingen

Lautlos von mir ab.

 

Grauer Wolkenvogel, schütte

Schwebend weichen Flaum,

Deck mir meine braune Hütte,

Meinen Tannensaum,

Schwelt doch blass durch dein Gefieder

Ferner Sonne Licht...

Neig dich wieder, neig dich nieder,

glühendes Gesicht!

 

Gavril Kondratenko, Winter Morning
Gavril Pavlovich Kondratenko (1854-1924) war ein russischer Maler.

Henry Farrer, Winter Scene in Moonlight, 1869
Henry Farrer (1844-1903) war ein amerikanischer Künstler, der für seine tonalistischen Aquarell-Landschaften und Radierungen bekannt ist.

Afanassi Afanassjewitsch Fet 1820 - 1892

Bild, schön ohnegleichen

 

Bild, schön ohnegleichen,

Lieb mir und verwandt:

Ebene, du weiße,

Vollmond überm Land,

 

Licht der hohen Himmel,

Schnee – ein Funkeln, zart,

Und der fernen Schlitten

Einsam stille Fahrt.

 

 

 

Maxfield Parrish,

At Close of Day
Maxfield Parrish (1870-1966) war ein US-amerikanischer Maler und Illustrator.

Stephan Milow 1836-1912

Dämmergrau die weite Runde ...

 

Dämmergrau die weite Runde,

Stille rings, kein Leben wach,

Nur im öden Waldesgrunde

Rieselt halb erstarrt ein Bach.

 

Zuckend liegt danieder alles,

Blattlos zittern Baum und Strauch,

Doch inmitten des Zerfalls

Welch ein wundersamer Hauch!

 

War es nicht dasselbe Schauern,

Als der Herbst umflort das Land?

War es nicht dasselbe Trauern,

Als ich damals brütend stand?

 

Was nur webt da, nicht zu sagen,

Über all dem Todesgraun,

Dass mein Herz aus seinen Klagen

Plötzlich aufpocht voll Vertrauen?

 

Ja, das ist in all dem Beben

Schon die Ahnung, die da spricht:

Diesen Schauern folgt das Leben,

Dieser Dämmerung das Licht.

 

Guillaume Vogels, Der Schnee, abends
Guillaume Vogels (1836-1896) war ein belgischer Maler.

Martin Greif 1839-1911

Zauber der Winternacht

 

Winternacht,

Winterpracht!

Alles hell und schimmernd,

Rein wie Demant flimmernd.

 

Winterpracht,

Winternacht!

Trotz der weiten Ferne

Scheinen nah’ die Sterne.

 

Stanislav Zhukovsky, Mondscheinnacht
Stanislav Yulianovich Zhukovsky (1873–1944) war ein polnischer Impressionist.

Theodor Fontane 1819-1898

Alles still!

 

Alles still! Es tanzt den Reigen

Mondenstrahl in Wald und Flur,

Und darüber thront das Schweigen

Und der Winterhimmel nur.

 

Alles still! Vergeblich lauschet

Man der Krähe heisrem Schrei,

Keiner Fichte Wipfel rauschet,

Und kein Bächlein summt vorbei.

 

Alles still! Die Dorfes-Hütten

Sind wie Gräber anzusehn,

Die, von Schnee bedeckt, inmitten

Eines weiten Friedhofs stehn.

 

Alles still! nichts hör' ich klopfen

Als mein Herze durch die Nacht; –

Heiße Tränen niedertropfen

Auf die kalte Winterpracht.

 

 

Adalbert Stifter, Mondaufgang
Adalbert Stifter (1805- 1868) war ein österreichischer Schriftsteller, Maler und Pädagoge.

Gottfried Keller 1819-1890

Winternacht

 

Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,

Still und blendend lag der weisse Schnee.

Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,

Keine Welle schlug im starren See.

 

Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,

Bis sein Wipfel in dem Eis gefror.

An den Ästen klomm die Nix herauf,

Schaute durch das grüne Eis empor.

 

Auf dem dünnen Glase stand ich da,

Das die schwarze Tiefe von mir schied;

Dicht ich unter meinen Füßen sah

Ihre weiße Schönheit Glied um Glied.

 

Mit ersticktem Jammer tastet sie

An der harten Decke her und hin,

Ich vergeß das dunkle Antlitz nie,

Immer, immer liegt es mir im Sinn!

 

 

Iwan Schischkin, Into the Wild North, 1891
Iwan Iwanowitsch Schischkin (1832-1898) war ein russischer Maler und Grafiker.

Joachim Ringelnatz 1883-1934

Bist du nie durch verschneite Nächte gegangen

 

Bist du nie durch verschneite Nächte gegangen,

Durch Wald, über Land,

Allein mit dem Stock in deiner Hand?

Du bist es und bist es mit heiligem Bangen.

Wo zitternde Äste, eisig behangen,

Dir eine Kirchenstunde gaben,

Ist dein Lachen gestorben.

Da hast du dein Bestes, unverdorben,

Aus deinen tiefsten Tiefen gegraben. – – –

Auf den weiten Feldern lag schwerer Schnee.

Du schienst dir, verschollen auf hoher See,

Den menschlichen Küsten fern zu sein.

Stille lag über dem Schnee. – – –

Du warst allein, allein – ganz allein.

Flimmernde Flämmchen sahst du fliegen.

Hast du nicht viel gedacht?

Ist nicht dein Blick emporgestiegen

In die wunderdurchfunkelte Nacht,

Bis ihn unendliche Weite verwirrt?

Und ein Schatten lief still mit dir um die Wette.

Und der Schatten hat mit der endlosen Kette

Ewiger Fragen geklirrt.

Du hast dich bezwungen.

Du hast vielleicht deinen Stock geschwungen,

Du hast vielleicht ein Liedchen gesungen,

Aber das Liedchen klang nicht wie Hohn

Und du darfst es bekennen:

Du bist voll Angst vor dem grausen Schatten geflohn,

Den wir Wahnsinn nennen.

Lebhafte Winterstraße

 

Es gehen Menschen vor mir hin

Und gehen mir vorbei, und keiner

Davon ist so, wie ich es bin.

Es blickt ein jedes so nach seiner

Gegebenen Art in seine Welt.

 

Wer hat die Menschen so entstellt??

 

Ich sehe sie getrieben treiben.

Warum sie wohl nie stehenbleiben,

Zu sehen, was nach ihnen sieht?

Warum der Mensch vorm Menschen flieht?

 

Und eine weiße Weite Schnee

Verdreckt sich unter ihren Füßen.

So viele Menschen. Mir ist weh:

Keinen von ihnen darf ich grüßen.

 

Mikhail Germashev, Winter Sun
Mikhail Markianowich Germashev (1867-1930) war ein russischer Maler.

Anastasius Grün 1808-1876

Winterabend

 

Eisblumen, starr, kristallen an den Scheiben,

Wie ein Gehege vor der Sturmnacht Tosen,

Sie flüstern mir, indeß sie Flimmer stäuben:

Wir sind die Geister schöner Frühlingsrosen!

 

Schneeflocken, wirbelnd hin mit weißem Glanze!

Es pochen leis' ans Fenster die versprühten,

Mir lispelnd flüchtig im Vorübertanze:

Wir sind die Geister duft'ger Frühlingsblüthen!

 

Gefühle steigen auf in meiner Seele,

Wie beim Verklingen ferner Sterbeglocken,

Die bange Wehmuthseufzer meiner Kehle

Und reiche Thränen meinem Aug' entlocken;

 

Sie aber singen sanft mir ins Gemüthe:

Wir sind die sel'gen Geister deiner Lieben,

Mit denen du durchwallt des Frühlings Blüthe,

Auf deren Grab nun diese Flocken stieben!

 

Iwan Choultsé, Winter sunset
Iwan Fedorowitsch Choultsé (1874-1939) war ein Maler des russischen Realismus.

Gustav Falke 1853-1916

Winter

 

Ein weißes Feld, ein stilles Feld.

Aus veilchenblauer Wolkenwand

hob hinten, fern am Horizont,

sich sacht des Mondes roter Rand.

 

Und hob sich ganz heraus und stand

bald eine runde Scheibe da,

In düstrer Glut. Und durch das Feld

klang einer Krähe heisres Krah.

 

Gespenstisch durch die Winternacht

der große dunkle Vogel glitt,

und unten huschte durch den Schnee

sein schwarzer Schatten lautlos mit.

 

Carl Blechen, Landschaft im Winter bei Mondschein, 1836
Carl Eduard Ferdinand Blechen (1798-1840) war ein deutscher Landschaftsmaler und Professor für Landschaftsmalerei an der Berliner Akademie der Künste.

Adelbert von Chamisso 1781-1838

Nacht und Winter

 

Von des Nordes kaltem Wehen

    Wird der Schnee dahergetrieben,

    Der die dunkle Erde decket;

 

Dunkle Wolken zieh'n am Himmel,

    Und es flimmern keine Sterne,

    Nur der Schnee im Dunkel schimmert.

 

Herb' und kalt der Wind sich reget,

    Schaurig stöhnt er in die Stille;

    Tief hat sich die Nacht gesenket.

 

Wie sie ruh'n auf dem Gefilde,

    Ruh'n mir in der tiefsten Seele

    Dunkle Nacht und herber Winter.

 

Herb' und kalt der Wind sich reget,

    Dunkle Wolken zieh'n am Himmel,

    Tief hat sich die Nacht gesenket.

 

Nicht der Freude Kränze zieren

    Mir das Haupt im jungen Lenze,

    Und erheitern meine Stirne:

 

Denn am Morgen meines Lebens,

    Liebend und begehrend Liebe,

    Wandl' ich einsam in der Fremde.

 

Wo das Sehnen meiner Liebe,

    Wo das heiße muß, verschmähet,

    Tief im Herzen sich verschließen.

 

Herb' und kalt der Wind sich reget.

    Dunkle Wolken zieh'n am Himmel,

    Und es flimmern keine Sterne.

 

Wie sie ruh'n auf dem Gefilde,

    Ruh'n mir in der tiefsten Seele

    Dunkle Nacht und herber Winter.

 

Leise hallen aus der Ferne

    Töne, die den Tag verkünden. –

    Wird der Tag denn sich erhellen?

 

Freudebringend dem Gefilde

    Wird er strahlen, Nacht entschweben,

    Herber Winter auch entfliehen,

 

Und des Jahres Kreis sich wenden,

    Und der junge Lenz in Liebe

    Nahen der verjüngten Erde.

 

Mir nur, mir nur ew'ger Winter,

    Ew'ge Nacht, und Schmerz und Thränen,

    Kein Tag, keines Sternes Flimmer!

 

 

Valerius de Saedeleer, Winter Landscape
Valerius de Saedeleer (1867-1941) oder Valerius De Saedeleer war ein belgischer Landschaftsmaler.

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Es gibt so wunderweiße Nächte

 

Es gibt so wunderweiße Nächte,

drin alle Dinge Silber sind.

Da schimmert mancher Stern so lind,

als ob er fromme Hirten brächte

zu einem neuen Jesuskind.

 

Weit wie mit dichtem Demantstaube

bestreut, erscheinen Flur und Flut,

und in die Herzen, traumgemut,

steigt ein kapellenloser Glaube,

der leise seine Wunder tut.

 

Fredrik Ahlstedt, Winter Night, Moon Rising
August Fredrik Ahlstedt (1839-1901) war ein finnischer Landschafts- und Porträtmaler der Düsseldorfer Schule.

Theodor Fontane 1819-1898

Winterabend

 

Da draußen schneit es: Schneegeflimmer

         Wies heute mir den Weg zu Dir;

Eintret’ ich in Dein traulich Zimmer,

         Und warm an’s Herze fliegst Du mir –

Abschüttl’ ich jetzt die Winterflocken,

         Abschüttl’ ich hinterdrein die Welt,

Nur leise noch von Schlittenglocken

         Ein ferner Klang herübergellt.

 

„Nun aber komm, nun laß uns plaudern

         Vom eignen Herd, von Hof und Haus!“

Da baust Du lachend, ohne Zaudern,

         Bis unter’s Dach die Zukunft aus;

Du hängst an meines Zimmers Wände

         All meine Lieblingsschilderein,

Ich seh’s und streck danach die Hände,

         Als müss’ es wahr und wirklich sein.

 

So flieht des Abends schöne Stunde,

         Vom fernen Thurm tönt’s Mitternacht,

Die Mutter schläft, in stiller Runde

         Nur noch die Wanduhr pickt und wacht.

Ade, Ade! von warmen Lippen

         Ein Kuß noch, – dann in Nacht hinein:

Das Leben lacht, trotz Sturm und Klippen,

         Nur Steurer muß die Liebe sein.

 

 

 

Ludvig Munthe, Sunset over a lake
Ludvig Munthe (1841-1896) war ein norwegischer Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule.
 

Albin Zollinger 1895-1941

Schneedunkel

 

Kindheitsdinge duften aus dem Schnee.

Unaussprechlich wird dem Herzen weh.

Nachtete der Abend flaumig zu

Stapft ich noch in meinem nassen Schuh,

Klingelte es pelzvermummt vorbei,

Sank vom Turm der dunkle Vogelschrei.

Immer roch es irgendwo nach Feuer,

Süß nach Milch und Heu und Holz und Scheuer.

Schneit es leise mit Konfetti ein,

Narrenfrühling, ferner Veilchenschein?

Aller Tannenwald war lauschend nah,

Kuckucksuhr und Försterpfeife da.

Alte, bange Nebel Traumes schlichen.

Wunderlich ist mir die Welt entwichen!

Langverwehte Spur im Abendschnee,

Die ich ging und weiter geh und geh,

Manchmal ist mir, alles irrt im Kreis,

Plötzlich wird es wieder weiß und leis.

Wie der Ort, wo die Planeten enden,

Fremde Höhe, da die Sterne länden.

Abertausend Jahre liegt das Stück

Tiefverschneiten Dämmerwegs zurück.

Sternenhöhe, Menschendämmergang,

Ufern unbegriffner Nacht entlang:

Tödlich will das Grauen uns umringen.

Tröste uns mit deinen leisen Dingen.

Wenn es mütterlich im Stalle ruht:

Unaussprechlich wird dem Herzen gut!

 

 

 

Louis Douzette, Winter Landscape - Full Moon
Louis Douzette (1834-1924) war ein deutscher Maler.

Paul Ernst 1866-1933

Winter

 

Winter. Schnee.

Der Mond zwischen den nackten Zweigen.

Auf dem Schnee die Schatten der Zweige.

Verkrochene Häuserchen.

 

Birge Harrison, Inn at Cos Cob, 1914
Lovell Birge Harrison (1854-1929) war ein amerikanischer Genre- und Landschaftsmaler, Lehrer und Schriftsteller.

Richard Dehmel 1863-1920

Winterabend

 

Eisblumen, starr, kristallen an den Scheiben,

Wie ein Gehege vor der Sturmnacht Tosen,

Sie flüstern mir, indeß sie Flimmer stäuben:

Wir sind die Geister schöner Frühlingsrosen!

 

Schneeflocken, wirbelnd hin mit weißem Glanze!

Es pochen leis' ans Fenster die versprühten,

Mir lispelnd flüchtig im Vorübertanze:

Wir sind die Geister duft'ger Frühlingsblüthen!

 

Gefühle steigen auf in meiner Seele,

Wie beim Verklingen ferner Sterbeglocken,

Die bange Wehmuthseufzer meiner Kehle

Und reiche Thränen meinem Aug' entlocken;

 

Sie aber singen sanft mir ins Gemüthe:

Wir sind die sel'gen Geister deiner Lieben,

Mit denen du durchwallt des Frühlings Blüthe,

Auf deren Grab nun diese Flocken stieben!

 

 

Joseph Farquharson, Herding Sheep in a Winter Landscape at Sunset
Joseph Farquharson (1846-1935) war ein schottischer Maler, besonders geschätzt für seine Schneelandschaften.

Friedrich Wilhelm Weber 1813-1894

In der Winternacht

 

Es wächst viel Brot in der Winternacht,

weil unter dem Schnee frisch grünet die Saat;

erst wenn im Lenze die Sonne lacht,

spürst du, was Gutes der Winter tat.

 

Und deucht die Welt dir öd und leer,

und sind die Tage dir rauh und schwer:

Sei still und habe des Wandels acht -

es wächst viel Brot in der Winternacht.

 

 

Per Ekström, Winter Landscape with Setting Sun
Per Ekström (1844-1935) war ein schwedischer Landschaftsmaler, der für seine stimmungsvollen Szenen mit Sonnenuntergängen an kargen oder menschenleeren Orten bekannt war.

Detlev von Liliencron 1844-1909

Winternacht

 

Das war beredet und besprochen,

Wie lange her, ich ahn' es nicht.

Der Tag ist da, die Pulse pochen,

Die Flocken fallen träg und dicht.

Im fremden Dorf, im fremden Saale,

Es kennt uns keiner, welche Lust,

Wir drehn uns unter'm Kerzenstrahle,

Wie schweißt die Liebe Brust an Brust.

 

Und eng gedrängt im regen Schleifer,

Entzünden wir uns mehr und mehr,

Ich fühl's, ich bin Besitzergreifer,

Ich weiß auch, das ist dein Begehr.

Geheimnisvoller Schatten breitet

Sich über unser Stelldichein,

O komm, ein Zimmer liegt bereitet,

Ein traut Gemach, wir sind allein.

 

Der Wirt, mit artigem Verneigen,

Lässt uns hinein, wünscht gute Nacht,

Kein Späher horcht, die Sterne schweigen,

Und stumm ist rings die Winterpracht.

Und wie beim Fest die Hochzeitsgäste

Noch weiter jubeln bei Musik,

Verklingt, verhallt in unserm Neste

Gejauchz und Violingequiek.

 

Wie bin ich schnell bei Band und Schnallen,

Sie wehrt sich, sie verweigert's mir,

Und ist mir um den Hals gefallen,

Verwirrung schloss die Augen ihr.

Noch sträubt sie sich, schon fällt die Hülle,

Sie will nicht und sie muss, sie muss,

Und bringt mir ihre süße Fülle,

Und bringt sie mir in Glut und Kuss.

 

Der Morgen naht in tiefer Stille,

Sie schläft erschöpft im weichen Flaum,

Noch drang nicht durch die Ladenrille

Das Frührot in den heiligen Raum.

Die Ampel gießt in Dämmermilde

Ein Zartlicht ihr um Brust und Arm,

Und auf das himmlische Gebilde

Sah lächelnd ich und liebewarm.

 

Und eh' die Sonne sich erhoben,

Sind wir schon unterwegs im Schnee,

Da hab' ich sie emporgehoben,

Und trug sie, ein verzognes Reh.

Und trug sie bis an ihre Kammer,

An's Erdenende tät ich's noch,

Sie aber wollte kaum die Klammer

Entlösen meinem Nackenjoch.

 

Die erste Krähe lässt sich hören,

Leb' wohl, mein Schatz, auf Wiedersehn.

Und durch die hochbeschneiten Föhren

Muss nun den Weg allein ich gehn.

Die Sonne steigt, und tausend Funken

Durchglitzern das beeiste Feld.

Von Glück und Liebe bin ich trunken,

O Gott, wie herrlich ist die Welt.

 

 

Henri Le Sidaner, L'Escalier, Gerberoy, 1902
Henri Le Sidaner (1862-1939) war ein französischer Maler.

Christian Morgenstern 1871-1914

Winternacht

 

Es war einmal eine Glocke,

die machte baum, baum ...

Und es war einmal eine Flocke,

die fiel dazu wie im Traum ...

 

Die fiel dazu wie im Traum ...

Die sank so leis hernieder

wie ein Stück Engleingefieder

aus dem silbernen Sternenraum.

 

Es war einmal eine Glocke,

die machte baum, baum ...

Und es war einmal eine Flocke,

so leis als wie im Traum ...

 

So leis als wie im Traum ...

Und als vieltausend gefallen leis,

da war die ganze Erde weiß

als wie vom Engleinflaum.

 

Da war die ganze Erde weiß

als wie vom Engleinflaum.

 

Nikolai Fokin, Talvimaisema
Nikolai Mihailovits Fokin (1869-1908) war ein russischer Maler.
 

Georg Trakl 1887-1914

Ein Winterabend

 

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,

lang die Abendglocke läutet,

vielen ist der Tisch bereitet

und das Haus ist wohlbestellt.

 

Mancher auf der Wanderschaft

kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.

Golden blüht der Baum der Gnaden

aus der Erde kühlem Saft.

 

Wanderer, tritt still herein;

Schmerz versteinerte die Schwelle.

Da erglänzt in reiner Helle

auf dem Tische Brot und Wein.

 

Birge Harrison, Winter-Twilight
Lovell Birge Harrison (1854-1929) war ein amerikanischer Genre- und Landschaftsmaler, Lehrer und Schriftsteller.

Leopold Friedrich Günther von Goeckingk 1748-1828

Der Winterabend

 

Vor einer Reise zu Nantchen.

Welch ein Wetter! – Soll ich fort?

Oder soll ich bleiben?

Wie die düstern Wolken dort

Sich einander treiben!

Wie der Knopf am Kirchenthurm'

Schwankt auf seiner Stange!

Horch! wie, mehr vor Schnee und Sturm

Als vor Menschen bange,

Aller Raben Angstgeschrei

Um ein Obdach flehet,

Und der Kautz im Thurme, frei

Gegen sie sich blähet;

Wie von meinen Fenstern ab

Dicke Schloßen prallen,

Rasselnd von dem Dach' herab

Morsche Ziegel fallen,

Und noch lauter als das Horn,

Das den Schlaf zerstreuet,

Straf' mich nicht in deinem Zorn!

Kunz, der Heuchler, schreiet!

Sieh! wie selbst die Rosse dort

Fortzugehn sich sträuben!

Welch ein Wetter! – Soll ich fort?

Oder soll ich bleiben? –

Was besinnen! – Heinrich! he!

Sattle noch den Rappen!

Sollt' ich auch in tiefem Schnee

Nach dem Wege tappen,

Sollt ich auch an starrer Hand

Meinen Renner leiten,

Und zuerst vom Felsenrand'

In die Tiefe gleiten.

Mag ich ganze Meilen mich

In dem Forst' verirren,

Mag der Schuhuh fürchterlich

Ueberm Kopf' mir schwirren,

Und der Wind durchs trockne Laub

Alter Eichen rauschen,

Und ein Räuber auf den Raub

In dem Dickicht' lauschen,

Mir mit aufgespanntem Hahn'

Nach der Kehle greifen,

Und auf einem Wolfeszahn'

Seiner Bande pfeifen.

Was sind Räuber, Schnee und Wind!

Sie ist mein gewärtig!

Heinrich! Heinrich! o geschwind!

Ist der Rappe fertig?

 

 

Nils Hans Christiansen, Sunset in Winter
Nils Hans Christiansen (1850-1922) war ein dänischer Maler.

Clara Müller-Jahnke 1860-1905

Winternacht

 

Die lange, lange, dunkle Nacht

hab ich durchwacht,

mit Seufzen und in Tränen

tät sich mein Herz aus öder Qual

dem Sonnenstrahl,

dem Licht entgegensehnen.

 

Und nun es kommt – wie bleich und kalt:

es wogt und wallt

des Nebels Wahngebilde, –

zu Eis erstarrt die Träne – ach!

ein Wintertag

liegt über dem Gefilde!

 

Harald Sohlberg, Winternacht in Rondane, 1913
Harald Oskar Sohlberg (1869-1935) war ein norwegischer Maler und Grafiker.

Joseph von Eichendorff 1788-1857

Winternacht

 

Verschneit liegt rings die ganze Welt,

Ich hab’ nichts, was mich freuet,

Verlassen steht der Baum im Feld,

Hat längst sein Laub verstreuet.

 

Der Wind nur geht bei stiller Nacht

Und rüttelt an dem Baume,

Da rührt er seinen Wipfel sacht

Und redet wie im Traume.

 

Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,

Von Grün und Quellenrauschen,

Wo er im neuen Blütenkleid

Zu Gottes Lob wird rauschen.

 

Alexandre René Véron, Winter Landscape at Dusk
Alexandre René Véron (1826-1897) war ein französischer Maler.

Else Lasker-Schüler 1869-1945

Winternacht

(Cellolied)

 

Ich schlafe tief in starrer Winternacht,

Mir ist, ich lieg in Grabesnacht,

Als ob ich spät um Mitternacht gestorben sei

Und schon ein Sternenleben tot.

 

Zu meinem Kinde zog mein Glück

 

Und alles Leiden in das Leid zurück.

Nur meine Sehnsucht sucht sich heim

Und zuckt wie zähes Leben

Und stirbt.

 

Ich schlafe tief in starrer Winternacht,

Mir ist, ich lieg in Grabesnacht.

 

Karl Nordström, Winter Evening at Roslagstull, Stockholm
Karl Fredrik Nordström (1855-1923) war ein schwedischer Maler.

Nikolaus Lenau 1802-1850

Winternacht

 

1.

 

Vor Kälte ist die Luft erstarrt,

Es kracht der Schnee von meinen Tritten,

Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;

Nur fort, nur immer fortgeschritten!

 

Wie feierlich die Gegend schweigt!

Der Mond bescheint die alten Fichten,

Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,

Den Zweig zurück zur Erde richten.

 

Frost! friere mir ins Herz hinein,

Tief in das heißbewegte, wilde!

Daß einmal Ruh mag drinnen seyn,

Wie hier im nächtlichen Gefilde!

 

2.

 

Dort heult im tiefen Waldesraum

Ein Wolf; – wie’s Kind aufweckt die Mutter,

Schreit er die Nacht aus ihrem Traum

Und heischt von ihr sein blutig Futter.

 

Nun brausen über Schnee und Eis

Die Winde fort mit tollem Jagen,

Als wollten sie sich rennen heiß:

Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen!

 

Laß deine Todten auferstehn,

Und deiner Qualen dunkle Horden!

Und laß sie mit den Stürmen gehn,

Dem rauhen Spielgesind aus Norden!

 

 

Iwan Choultsé, Winter Landscape
Iwan Fedorowitsch Choultsé (1874-1939) war ein Maler des russischen Realismus.

Hermann Löns 1866-1914

Die Nacht im Winter

 

Auf breiter Berge steiler Treppe

Rauscht sturmdurchflüstert stolz dahin

Die schwarze Riesenseidenschleppe

Der Nacht, der kalten Königin.

 

Von tausend Flittern ist durchflimmert

Ihr Kleid, sonst allen Schmuckes bar,

Ein schmaler, heller Halbmond schimmert

Im reichen, bläulichschwarzen Haar.

 

Zwei kühle Silbergletscher leuchten

Aus ihrem schwarzen Kleid hervor,

In ihrer kalten, eisig feuchten

Umgebung manches Herz erfror.

 

Vornehm und stolz - kein Zug von Wonne

Spielt in dem Antlitz kalt und tot -

Wer kennt die rote, heiße Sonne,

Die hinter jenen Gletschern loht?

 

 

Alois Arnegger, Setting Sun Over The Koschuta Mountains In The Karawanks
Alois Arnegger (1879-1963) war ein österreichischer Landschaftsmaler.

Christian Morgenstern 1871-1914

Winternacht

 

Flockendichte Winternacht...

Heimkehr von der Schenke...

Stilles Einsamwandern macht,

daß ich deiner denke.

 

Schau dich fern im dunklen Raum

ruhn in bleichen Linnen...

Leb ich wohl in deinem Traum

ganz geheim tiefinnen?...

 

Stilles Einsamwandern macht,

daß ich nach dir leide...

Eine weiße Flockennacht

flüstert um uns beide...

 

 

George Sotter, Street in New Hope
George William Sotter (1879–1953) war ein US-amerikanischer Maler.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874

Der Winterabend

 

Der Winterabend, das ist die Zeit

der Arbeit und der Fröhlichkeit.

Wenn die andern nähen, stricken und spinnen,

dann müssen wir Kinder auch was beginnen;

wir dürfen nicht müßig sitzen und ruhn,

wir haben auch unser Teil zu tun.

Wir müssen zu morgen uns vorbereiten

und vollenden unsere Schularbeiten.

Und sind wir fertig mit Lesen und Schreiben,

dann können wir unsere Kurzweil treiben...

Und ist der Abend auch noch so lang,

wir kürzen ihn mit Spiel und Gesang.

Und wer ein hübsches Rätsel kann,

der sagts, und wir fangen zu raten an.

 

 

Stanislav Zhukovsky, Winter Night
Stanislav Yulianovich Zhukovsky (1873–1944) war ein polnischer Impressionist.

Georg Trakl 1887-1914

Winterdämmerung

 

An Max von Esterle

 

Schwarze Himmel von Metall.

Kreuz in roten Stürmen wehen

Abends hungertolle Krähen

Über Parken gram und fahl.

 

Im Gewölk erfriert ein Strahl;

Und vor Satans Flüchen drehen

Jene sich im Kreis und gehen

Nieder siebenfach an Zahl.

 

In Verfaultem süß und schal

Lautlos ihre Schnäbel mähen.

Häuser dräu’n aus stummen Nähen;

Helle im Theatersaal.

 

Kirchen, Brücken und Spital

Grauenvoll im Zwielicht stehen.

Blutbefleckte Linnen blähen

Segel sich auf dem Kanal

 

 

Vilhelm Kyhn, Vinterlandskap
Peter Vilhelm Carl Kyhn (1819-1903) war ein dänischer Landschaftsmaler und Professor an der Königlich Dänischen Kunstakademie.

Rainer Maria Rilke  1875-1926

Der Abend kommt von weit gegangen

 

Der Abend kommt von weit gegangen

durch den verschneiten, leisen Tann.

Dann presst er seine Winterwangen

an alle Fenster lauschend an.

 

Und stille wird ein jedes Haus:

Die Alten in den Sesseln sinnen,

die Mütter sind wie Königinnen,

die Kinder wollen nicht beginnen

mit ihrem Spiel. Die Mägde spinnen

nicht mehr. Der Abend horcht nach innen.

Und innen horchen sie hinaus.

 

Gustaf Fjaestad, Northern Lights over a Winter Landscape
Gustaf Adolf Christensen Fjæstad (1868-1948) war ein schwedischer Maler.

Maurice Reinhold von Stern 1860-1938

Da glänzt in die schneeige Winternacht

 

Da glänzt in die schneeige Winternacht

Der Mond verklärend und kalt;

Es glitzert in funkelnder Silberpracht

Der Reif an den Bäumen im Wald.

O Welt, wie bist du so schön.

 

 

Bror Lindh, Northern Lights
Bror Lindh (1877-1941) war ein schwedischer Maler.

Clara Müller-Jahnke 1860-1905

Eisnacht

 

Wie in Seide ein Königskind

schläft die Erde in lauter Schnee,

blauer Mondscheinzauber spinnt

schimmernd über der See.

 

Aus den Wassern der Raureif steigt,

Büsche und Bäume atmen kaum:

durch die Nacht, die erschauernd schweigt,

schreitet ein glitzernder Traum.

 

 

Johann Jungblut, Abendliche Winterlandschaft
Johann Jungblut, auch Johann Jungbluth (1860 Saarburg -1912), war ein deutscher Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule.

Hugo Salus 1866-1929

Winternacht

 

H.T. gewidmet

 

Winternacht. In weißer Watte

Liegt verwahrt die ganze Welt,

Haus und Hof und Fluß und Matte.

Winterschlaf in weicher Watte,

Und kein Laut in Wald und Feld.

 

Auf dem weiten Himmelsrasen

Führt der Mond, der treue Hirt,

Seine Lämmerwolken grasen,

Daß der ganze Himmelsrasen

Weiß von weichen Wolken wird.

 

Wie sie drängen; schieben, stocken,

Flockt von ihrem Vließ der Flaum,

Und es schweben neue Flocken

Durch den Frieden; Flocken, Flocken!

- Und die Welt liegt wie im Traum ...

 

Julius Klever, Winter
Yuliy Yulevich (Julius) Klever (1850-1924) war ein russischer Landschaftsmaler mit baltendeutschen Eltern.
 

Ferdinand von Saar 1833-1906

Winterabend

 

Wie muß der Tag sich neigen

Im Winter, ach, so bald,

Ein tiefes, mildes Schweigen

Liegt über Flur und Wald.

 

Am Himmel noch ein Schimmern,

Ein letztes, doch kein Stern,

Trübrote Lichter flimmern

Aus Hütten still und fern.

 

Und trüb und immer trüber

Der Landschaft weiter Kreis,

Es zieht der Bach vorüber

Eintönig unter'm Eis.

 

Horch – welch ein leises Beben

Urplötzlich in der Luft?

Geheimnißvolles Weben,

Geheimnißvoller Duft!

 

Wie ferne, ferne Glocken

Erklingt's – so wohl – so weh' –:

Da fällt in dichten Flocken

Zur Erde sanft der Schnee.

 

Camille Pissarro, Setting Sun Fog Eragny, 1891
Jacob Abraham Camille Pissarro (1830-1903) war einer der bedeutendsten und produktivsten Maler des Impressionismus.

Fred Endrikat 1890-1942

Winterliches Schlummerlied

 

Schlaf, mein Büblein, schlafe ein.

Schaut der Mond durchs Fensterlein.

Draußen im Garten, da flimmert der Schnee.

Drüben versank schon die Sonne im See.

Friedlich in Weiß schlummern Wiesen und Hain.

Schlafe, mein Büblein, schlaf ein.

 

Schlaf, mein Büblein, schlafe ein.

Öfchen brennt im Kämmerlein.

Müde vom Spielen sind Schäfchen und Kuh,

und auch dein Schaukelpferd ging schon zur Ruh'.

Mag es da draußen auch frieren und schnei'n.

Schlafe, mein Büblein, schlaf ein.

 

Schlaf, mein Büblein, schlafe ein.

Bald wird's wieder Frühling sein.

Singen die Vöglein im Wald hinterm Haus,

winden wir Blumen zum prächtigen Strauß,

laufen dann barfuß und spielen im Frei'n.

Schlafe, mein Büblein, schlaf ein.

 

Schlaf, mein Büblein, schlafe ein.

In der Ferne denk' ich dein.

Träume vom Frieden und schönerer Zeit,

weißt nichts vom Krieg in der Welt und von Streit,

weil dich ein gütiger Engel bewacht.

Schlafe, mein Büblein. Gut' Nacht.

 

Arhip Kuindji, Winter
Arhip Ivanovich Kuindji (1841-1910) war ein russischer Maler des Realismus.

 

 

Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

BuchKult

Franz Dewes

fjdewes@buchkult-dewes.de

 

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