Erich Kästner
Der April
Der Regen klimpert mit einem Finger
die grüne Ostermelodie.
Das Jahr wird älter und täglich jünger.
O Widerspruch voll Harmonie!
Der Mond in seiner goldnen Jacke
versteckt sich hinter dem Wolken-Store.
Der Ärmste hat links eine dicke Backe
und kommt sich ein bisschen lächerlich vor.
Auch diesmal ist es dem März geglückt:
er hat ihn in den April geschickt.
Und schon hoppeln die Hasen,
mit Pinseln und Tuben
und schnuppernden Nasen,
aus Höhlen und Gruben
durch Gärten und Straßen
und über den Rasen
in Ställe und Stuben.
Dort legen sie Eier, als ob's gar nichts wäre,
aus Nougat, Krokant und Marzipan.
Der Tapferste legt eine Bonbonniere,
er blickt dabei entschlossen ins Leere -
Bonbonnieren sind leichter gesagt als getan!
Dann geht es ans Malen. Das dauert Stunden.
Dann werden noch seidene Schleifen gebunden.
Und Verstecke gesucht. Und Verstecke gefunden:
Hinterm Ofen, unterm Sofa,
in der Wanduhr, auf dem Gang,
hinterm Schuppen, unterm Birnbaum,
in der Standuhr, auf dem Schrank.
Da kräht der Hahn den Morgen an!
Schwupp sind die Hasen verschwunden.
Ein Giebelfenster erglänzt im Gemäuer.
Am Gartentor lehnt und gähnt ein Mann.
Über die Hänge läuft grünes Feuer
die Büsche entlang und die Pappeln hinan.
Der Frühling, denkt er, kommt also auch heuer.
Er spürt nicht Wunder noch Abenteuer,
weil er sich nicht mehr wundern kann.
Liegt dort nicht ein kleiner Pinsel im Grase?
Auch das kommt dem Manne nicht seltsam vor.
Er merkt gar nicht, dass ihn der Osterhase
auf dem Heimweg verlor.
Christian Morgenstern 1871-1914
Der Leu
Auf einem Wandkalenderblatt
ein Leu sich abgebildet hat.
Er blickt dich an, bewegt und still,
den ganzen 17. April.
Wodurch er zu erinnern liebt,
daß es ihn immerhin noch gibt.
Très Riches Heures, Avril
Très Riches Heures - Die Brüder von Limburg (Paul, Johan und Herman) waren niederländische Miniaturmaler. Das Stundenbuch des Herzogs von Berry (französisch Les Très Riches Heures du Duc de Berry
bzw. kurz Très Riches Heures) ist das berühmteste illustrierte Manuskript des 15. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein ausgesprochen reichhaltig verziertes Stundenbuch, das 208 Blätter mit 21,5 cm
Breite und 30 cm Höhe enthält, von denen etwa die Hälfte ganzseitig bebildert sind.
Albert Ehrenstein 1886-1950
April
Der Himmel ist blau oder grau,
Die Rose weiß, gelb oder rot,
Das Zweibein ist entweder Mann oder Frau,
Die Sonne geht auf und unter,
Du lebst oder bist tot —
All dieser Lenzherbst
Ist mir zu traurig und munter.
Carmina Burana*
Omnia sol temperat
Alles macht die Sonne mild, sie, die Reine, Zarte.
Neues schließt das Angesicht des Aprils der Welt auf.
Wiederum zu Amor hin drängt die Brust des Mannes.
Über alles Liebliche herrscht der Gott, der Knabe.
Solche Allerneuerung in dem feierlichen Frühling,
und des Frühlings Machtgebot will, daß wir uns freuen.
Altvertraute Wege weist er, auch in deinem Frühling
fordert Treu und rechten Sinn: Halt ihn fest, der Dein ist!
Liebe mich mit treuem Sinn! Sieh auf meine Treue,
die von ganzem Herzen kommt und von ganzem Sinne.
Gegenwärtig bin ich dir auch in weiter Ferne.
Wer auf solche Weise liebt, ist aufs Rad geflochten.
*lateinisch »Lieder aus Benediktbeuren«, Sammlung mittellateinischer und mittelhochdeutscher Vagantenlieder in einer Handschrift des 13. Jahrhunderts aus der Abtei Benediktbeuern, vertont von Carl Orff
Omnia Sol temperat |
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Omnia Sol temperat purus et subtilis, novo mundo reserat faciem Aprilis; ad amorem properat animus (h)erilis, et iocundis imperat deus puerilis
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Rerum tanta novitas in sollemni vere. et veris auctoritas iubet nos gaudere. Vices praebet solitas; sed in tuo vere fides est et probitas tuum retinere.
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Ama me fideliter! fidem meam nota: de corde totaliter et ex mente tota sum praesentialiter absens in remota. Quidquis amat taliter, volvitur in rota.
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Johann Georg Jacobi 1740-1814
April
Was kümmerts dich in deinen Wolken droben,
Du launischer April,
Ob wir dich tadeln, oder loben?
Ein großer Herr tut meistens, was er will.
Auch halten wir geduldig still,
Und leiden, was wir leiden müssen.
Gib uns zuweilen nur ein wenig Sonnenschein,
Damit wir dessen uns erfreun:
Dann magst du wiederum mit Schnee und Regengüssen,
Mit Sturm und Blitz und Hagel dir
Bei Tag und Nacht die Zeit vertreiben!
In unsrer kleinen Wirtschaft hier
Soll dennoch gutes Wetter bleiben.
Der April ist der rechte und gesegnete Monat des Gärtners. Die Verliebten sollen uns ungeschoren lassen mit ihrem vielgepriesenen Mai; im Mai blühen die Bäume und Blumen nur, aber im April schlagen sie aus; glaubt mir, dieses Keimen und Ausschlagen, diese Knospen, Knösplein und Keimlinge sind die größten Wunder der Natur.
Karel Capek
Master Wenceslas of Bohemia, April - Ploughing, harrowing and sowing
Meister der Wenzelswerkstatt - Mit Wenzelswerkstatt bezeichnen Kunsthistoriker die namentlich meist nicht oder nicht sicher bekannten sieben oder mehr Buchmaler, die zwischen 1390 und 1400 für König
Wenzel IV. von Böhmen die Wenzelsbibel und weitere Bücher geschrieben und gemalt haben.
Hat nicht jeder Tag seinen April?
Georg Christoph Lichtenberg
◊◊◊
Das Jahr geht weiter,
und ehe man sich's versieht,
ist für die Tulpen,
die man im Herbst nicht gesetzt hat,
die Zeit gekommen,
nicht zu blühen.
Deutsches Sprichwort
◊◊◊
Kommt im April die Sommerzeit,
bleibt's länger hell für Schwarzarbeit.
Graffito
Der 1. April ist der Tag,
an dem wir uns erinnern sollen,
was wir 364 Tage im Jahr sind:
nämlich Narren.
Mark Twain
◊◊◊
Die Sitte des In-den-April-Schickens ist bei uns lange nicht genug verbreitet und geübt. Der erste April müßte ein wahrer Festtag für die Nation werden, ein Dies Saturnalius – in jedem Falle ein liebenswürdigerer Feiertag als mancher offizielle.
Christian Morgenstern
◊◊◊
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Aus einem April
Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern
schwer war;
zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er
leer war, –
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.
Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.
Wilhelm Müller 1794-1827
April
Leichtsinnig, launig, neckisch, ausgelassen,
Wandl' ich in jeder Stunde Leib und Sinn:
Kaum weiß ich selbst, wie ich beschaffen bin,
Wie sollen mich die fremden Leute fassen?
Hier werf' ich einen Schneeball durch die Gassen,
Dort schweb' ich blau in jungen Düften hin,
Bald streich' ich sanft der Schönen weiches Kinn,
Bald sagen sie, ich wäre grob im Spaßen.
Gern wollt' ich dir noch Vieles von mir sagen,
Doch drückt mich des Sonettes enges Band,
Das mir die Muse um den Mund geschlagen.
Sie sprach: Ich kenne dich als ungezogen,
Und jener Herr hat in dem welschen Land
Der besten Sitt' als Kavalier gepflogen.
Martin Greif 1839-1911
Aprilwetter
Sprühregen, drein die Sonne scheint,
Jetzt da und jetzt auch schon vorüber,
So kurz, wie wach der Säugling weint,
Er wendet sich und schlummert lieber.
Sprühregen! Jetzt der Himmel blau,
Und jetzt von Wolken überzogen,
Nun lachend über allem Grau
Im Wunderschein der Regenbogen.
Georg Britting 1891-1964
Der wilde April
Weh, der Narr, der wilde April! Aufs neue
Regen, Schnee und wirbelndes Eis und Windstoß
Bringt er. Veilchenäugig dazwischen leuchtet
Himmlische Bläue.
Einen Tag lang tut er wie Sommer. Kinder
Singen, und am Waldrand die Steine glänzen
Goldhell. Aber schmächtigen Glauben höhnend
Krächzt er schnell: Winter !
Unbeständig spielt der Gesell und seine
Laune. Warte ! Sei wie ein Kind nicht ! Bald sind
Mai und Juni. Wochenlang glühn dann Wälder,
Wiesen und Steine.
Eduard Mörike 1804-1875
Zitronenfalter im April
Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!
Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muß ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.
Georg Heym 1887-1912
April
Das erste Grün der Saat, von Regen feucht,
Zieht weit sich hin an niedrer Hügel Flucht.
Zwei große Krähen flattern aufgescheucht
Zu braunem Dorngebüsch in grüner Schlucht.
Wie auf der stillen See ein Wölkchen steht,
So ruhn die Berge hinten in dem Blau,
Auf die ein feiner Regen niedergeht,
Wie Silberschleier, dünn und zitternd grau.
Theodor Kirchhoff 1828-1899
April in Californien
Es erweckt der April im deutschen Land
In Jedem des Ärgers Gewalten.
Ein falscher Geselle wird er genannt
Von den Jungen sowohl wie den Alten;
Und lächeln die Falten seines Gesichts,
Falsch ist er und bleibt er – es hilft ihm nichts!
Gewiß verdroß ihn das ew’ge Geschelt,
Als wär’ er voll Laster und Sünden.
Drum kam er herüber zur Neuen Welt,
Eine bessere Heimath zu finden,
Und eilte durch Berge, Wüsten und Plan,
Bis er schaute den westlichen Ocean.
Mir schien’s, als wär’ er der wonnige Mai,
Der Juni, mit leuchtenden Blicken,
Als jüngst ich ihn sah an Pablos Bai
Bunt schimmernde Blumen pflücken,
Als er lächelnd grüßte Sonómas Thal
Und Napa mit goldigem Sonnenstrahl.
Die Fluren kleidet’ er all’ in Smaragd
Und schmückte in zaubrischem Bilde
Mit orangenglühender Blumenpracht
Die von Eichen umsäumten Gefilde.
Auf die Berge legt’ er mit Künstlerhand
Von Ultramarin ein festlich Gewand.
In den Gärten streute der Pfirsich schon
Von den Zweigen die rosigen Blüthen,
Und Fuchsien prangten und bunter Mohn;
Aus den Büschen am Boden glühten,
Als wären’s Karfunkeln mit rothem Strahl,
Die Erdbeeren, reif zum würzigen Mahl.
Auf den Feldern standen in endlosen Reih’n
Die Rebenstöcke und tranken
Mit Lust den strahlenden Sonnenschein.
Es schwoll der Saft in den Ranken
Und drängte zum Licht sich, mit heißem Blut
Auf’s neu’ uns zu spenden der Sonne Gluth.
Die Lerchen sangen aus blauer Luft
Ihr Lied in die blühenden Lande,
Die Sträucher athmeten wonnigen Duft
Im festlichen Frühlingsgewande,
und deutsche Männer, mit frohem Gesang,
Die zechten beim tönenden Gläserklang.
Diesen Becher mit feurigem Napawein,
Ihn will ich heute zu Ehren
Des heitern April auf blumigem Nain
In durstigen Zügen leeren.
Hoch sei er gepriesen, der lachende Fant,
Der Liebling vom Californialand!
Erschienen in: (Die Gartenlaube Nr. 29 S. 480)
Martin Greif 1839-1911
April
Sonnengrüße, Wolkenschauer
Und, noch eh' sich's klären will,
Wiederum verhangne Trauer –
Herz, wie stimmst du zum April!
Arno Holz 1863-1929
Abklingendes Aprilgewitter
Aus grauem Himmel
sticht die Sonne.
Jagende Wolken, blendendes Blau!
Ins grüne Gras greift der Wind, die Silberweiden sträuben sich.
Plötzlich - still.
Auf einem jungen Erlenbaum
wiegen sich blinkende Tropfen!
Julius Rodenberg 1831-1914
April
Bald ein raues kaltes Rauschen,
Dass der dunkle Forst erkracht;
Bald ein Flüstern, Kosen, Lauschen,
Wie die stillste Frühlingsnacht.
Bald der Himmel, bald die Sonne,
Bald die Wolken, bald der Schnee –
Wie der Liebe erste Wonne,
Wie der Liebe erstes Weh.
Bald das Jauchzen, bald die Trauer
In der aufgeregten Brust –
Und noch halb in Winterschauer,
Und schon halb in Frühlingslust.
Bald ein ungestümes Ringen,
Bald ein Frieden sonntagsstill –
O, was wirst du mir noch bringen
Schöner, stürmischer April?
Friedrich Wilhelm August Schmidt 1764-1838
Bitte an die Hausschwalben
(Im April 1800)
Schon strahlet durch die Lindenäste
Der Morgen rot und sommerlich.
Mit Halmen trägt zum stillen Neste
Im Schnabel schon die Taube sich.
Das Eis am Dachgesimse schlich
Schon gestern mit dem letzten Reste
Von Schnee davon: besucht ihr mich
Nun wieder, liebe Giebelgäste?
Wenn bald wir nun, bei Froschgesang,
An unsrer Hüttentür die Bank
Zum Plauderstündchen niederklappen,
Und dürstend dann nach unserm Blut,
Uns Mücken quälen: seid so gut,
Sie ohn' Erbarmen wegzuschnappen.
Theodor Storm 1817-1888
April
Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum –
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.
Detlev von Liliencron 1844-1909
April
Wie der Südwind pfeift,
In den Dornbusch greift,
Der vor unserm Fenster sprießt.
Wie der Regen stürzt
Und den Garten würzt
Und den ersten Frühling gießt!
Plötzlich säumt der Wind,
Und der Regen rinnt
Spärlich aus dem Wolkensieb.
Und die Mühle dreht
Langsam sich und steht,
Die noch eben mächtig trieb.
Schießt ein Sonnenblick
Über Feld und Knick,
Wie der Blitz vom Goldhelm huscht,
Und auf Baum und Gras
Schnell im Tropfennass
Tausend Silbertüpfel tuscht.
Wieder dann der Süd,
Immer noch nicht müd,
Zornt die Welt gewaltig an.
Und der Regen rauscht,
Und der Garten lauscht
Demütig dem wilden Mann.
Meiner Schulter dicht
Lehnt dein hold Gesicht,
Schaut ins Wetter still hinein.
Kennst das alte Wort,
Ewig treibt es fort:
Regen tauscht und Sonnenschein.
Max Dauthendey 1867- 1918
April spricht Geistersprache
April spricht Geistersprache.
Wie ein Vergoldermeister
Sitzt er am Nachbardache,
Spritzt Goldschaum auf Taube und Tauber,
Beklebt die Zimmer lichtsauber,
Belebt die Fenstergardinen,
Den Staub auf alten Tischen,
Vergoldet Falten und Mienen,
Sein Zauber will nie mehr verwischen.
Auf meinen Stühlen sitzt still,
Ich seh' ihn mit blumigen Gliedern,
Ein Geist von Liebesliedern,
Der dreist erlöst sein will.
Kurt Schwitters 1887-1948
Aprilwetter
Ich saß am Fenster, hoch in Sturmes Meer,
Der Regen fiel an meine Scheiben schwer,
Die Wolkenriesen stürmten wild daher,
Die blanken Straßen waren öd und leer.
Im Elbstrom überschlugen sich die Wogen,
Mit Heulen kam der Sturm dahergezogen,
Die Pappeln ächzten, tief herausgebogen,
Da keucht ein altes Weib zum Brückenbogen.
Am Horizonte flackert fahles Licht,
Als die Sonne durch die Wolken bricht.
Es peitscht der Sturm die schwarzen Wolken fort.
Allsichtig strahlt das Licht, es flieht das Dunkel,
Auf Brücke, Ufer und an jedem Ort
erstrahlt das Licht in blendendem Gefunkel.
Otto Reutter 1870-1931
Der Blusenkauf
Wenn Frau'n was kaufen, das geht flink.
Ich weiß, wie's meinem Freund erging.
Der, jungvermählt, wollt' in der Früh'
mal ins Büro, das sagte sie:
"Laß mich ein Stückchen mit dir gehn."
Dann blieb sie vor 'nem Laden stehn.
"Dein Port'monnaie! Bin gleich zurück,
es dauert nur 'nen Augenblick.
Bleib draußen", sprach Frau Suse,
"ich kauf mir bloß 'ne Bluse."
Nun geht sie rein, "nen Augenblick."
Ihr Mann, sehr heiter, bleibt zurück.
Er freut sich, 's Wetter ist sehr schön,
sieht Kinder, die zur Schule gehn,
und sie sagt drinnen zur Mamsell:
" 'ne blaue Bluse, aber schnell!"
Nun schleppt man alle blauen rein,
und nach 'ner Stunde sagt sie: "Nein,
ich finde keine nette,
ich möcht' 'ne violette."
Nun packt man violette aus.
Ihr Mann, geduldig, steht vorm Haus,
denkt: "Ziemlich lange währt so'n Kauf",
geht auf und ab und ab und auf,
und sie sagt drinnen: "Das ist nett!
Wie kam ich nur auf violett?
Da fällt mir ein, Frau Doktor Schmidt
geht immer mit der Mode mit,
und sie trägt jetzt 'ne gelbe.
Ach, geb'n Sie mir dieselbe.
Nun packt man alle gelben aus.
Ihr Mann wird hungrig vor dem Haus.
Der Mittag naht, die Sonne sticht,
die Kinder komm'n vom Unterricht.
Und sie sucht drin und sagt alsdann:
"Was geht Frau Doktor Schmidt mich an?
Wie kam ich auf 'ne gelbe nur?
Es wird ja Frühling, die Natur
zeigt frohe Hoffnungsmiene,
ach, geb'n Sie mir 'ne grüne."
Nun packt man alle grünen aus.
Ihr Mann ist matt und seufzt vorm Haus:
"Gern kauf't ich 'ne Zigarre mir,
doch's Port'monnaie, das ist bei ihr."
Und sie sagt drin: "Beim Sonnenschein,
da wird das Grün zu dunkel sein."
Da schaut er rein. Mein Port'monnaie",
sie sagt: " 'nen Augenblick noch. Geh!
Ich bin ja gleich zur Stelle.
Ach, geb'n Sie mir 'ne helle."
Nun packt man alle hellen aus.
Da gibt's ein Ungewitter drauß'.
Es regnet bis zum Abendrot.
Ihm fehlt ein Schirm und's Abendbrot.
Und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"So'n Wetter heut, und dazu hell?
Und überhaupt, wir haben bald
April, da wird's oft naß und kalt,
dann bin ich die Blamierte.
Ach, geb'n Sie 'ne karierte."
Nun packt man die karierten aus,
und er stöhnt, frei nach Goethe, drauß´:
"Was ewig weiblich, zieht uns an.
Das Weib, das zieht sich ewig an."
Und sie probt drin und sagt entsetzt:
"Was, Nummer vierundvierzig jetzt?
Nicht zweiundvierzig, schlank und schick?
Dann nichts Kariertes, das macht dick."
Ihr Blick zur Taille schweifte.
"Dann geb'n Sie 'ne gestreifte."
Nun packt man die gestreiften aus.
Ihr Mann, der wankt und röchelt drauß':
"Ein'n Augenblick!" Das war ihr Wort!
Dann fällt er um, man trägt ihn fort.
Dann kommt sie mit ner roten raus.
"Hier bin ich schon!" ruft sie froh aus
und schreit: "Mein Mann! Mein Glück!
Gott, ist er tot? Ein'n Augenblick!"
Und in den Laden starrt se:
"Dann geb'n Sie mir 'ne schwarze."
Emanuel Geibel 1815-1884
Die Liebe gleichet dem April
Bald Frost, bald fröhliche Strahlen,
Bald Blüten im Herzen, und Thalen,
Bald stürmisch und bald still;
Bald heimliches Ringen und Sehnen,
Bald Wolken, Regen und Thränen, –
Im ewigen Schwanken und Wähnen,
Wer weiß, was werden will.
Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832
April
Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr?
Denn ihr sagt was gar zu Schönes,
Gar des lieblichsten Getönes;
Und in gleichem Sinne fragt ihr.
Doch ich glaub euch zu erfassen:
Hinter dieser Augen Klarheit
Ruht ein Herz in Lieb und Wahrheit
Jetzt sich selber überlassen,
Dem es wohl behagen müßte,
Unter so viel stumpfen, blinden
Endlich einen Blick zu finden,
Der es auch zu schätzen wüßte.
Und indem ich diese Chiffern
Mich versenke zu studieren,
Laßt euch ebenfalls verführen,
Meine Blicke zu entziffern!
Heinrich Seidel 1842-1906
April
April! April!
Der weiß nicht, was er will.
Bald lacht der Himmel klar und rein,
Bald schaun die Wolken düster drein,
Bald Regen und bald Sonnenschein!
Was sind mir das für Sachen,
Mit Weinen und mit Lachen
Ein solch Gesaus zu machen!
April! April!
Der weiß nicht, was er will.
O weh! O weh!
Nun kommt er gar mit Schnee!
Und schneit mir in den Blütenbaum,
In all den Frühlingswiegentraum!
Ganz greulich ist's, man glaubt es kaum:
Heut Frost und gestern Hitze,
Heut Reif und morgen Blitze;
Das sind so seine Witze.
O weh! O weh!
Nun kommt er gar mit Schnee!
Hurra! Hurra!
Der Frühling ist doch da!
Und kriegt der raue Wintersmann
Auch seinen Freund, den Nordwind, an
Und wehrt er sich, so gut er kann,
Es soll ihm nicht gelingen;
Denn alle Knospen springen,
Und alle Vöglein singen.
Hurra! Hurra!
Der Frühling ist doch da!
Franz Werfel 1890-1945
April
Hör ich nicht das Herz der Birke,
Das ihr bis zum Halse pocht?
Welche Lieb im Lichtbezirke
Hat sie plötzlich übermocht?
Gestern starrte öd gegittert
Ihr Geäst als toter Strauch.
Heute wölkt sie sich und zittert
Geistig grün empor wie Rauch.
Kurt Tucholsky 1890-1935
Nicht! noch nicht!
Ein leichter Suff umnebelt die Gedanken.
Verdammt! Der Frühling kommt zu früh.
Der Parapluie
steht tief im Schrank – die Zeitbegriffe schwanken.
Was wehen jetzt die warmen Frühlingslüfte?
Ein lauer Wind umsäuselt still
mich im April –
die Nase schnuppert ungewohnte Düfte.
Du lieber Gott, da ist doch nichts dahinter!
Und wie ein dicker Bär sich murrend schleckt,
zu früh geweckt,
so zieh ich mich zurück und träume Winter.
Ich bin zu schwach. Ich will am Ofen hocken –
die Animalität ist noch nicht wach.
Ich bin zu schwach.
Laternenschimmer will ich, trübe Dämmerung und dichte
Flocken.
Zum ersten April
Es ist eine uralte, weitverbreitete Sitte, einander am ersten April, wie es heißt, „in den April zu schicken“. In Deutschland erschallt am ersten April der Ruf:
„April, April, April!
Heut’ kann man den Narren schicken,
Wohin man will.“
In Frankreich heißt es: „Donner un poisson d’avril“ („einen Aprilfisch geben“), und in England sagt man:
„On the first day of April
Hunt the gawk another mile.“
was zu deutsch etwa heißt:
„Im Monat April, am ersten Tage,
Den Geck eine Meile weiter jage!“
Natürlich ist es vorzüglich die Jugend, die sich diesem Genusse des „In den April Schickens“ hingiebt, aber auch die Erwachsenen verschmähen wohl einen kleinen Scherz am ersten April nicht.
„Der Brauch wird auf die verschiedenste Art und Weise in Ausführung gebracht. In Deutschland, Holland und England schickt man am ersten April Kinder und Dienstboten in die Apotheken, um Mückenfett, Krebsblut und andere Ungeheuerlichkeiten zu holen, und bindet den auf diese Weise „in den April Geschickten“ Zöpfe mit Papier etc. zur Erhöhung des Gaudiums an. Vornehmlich in England sind diese Aprilscherze noch recht im Brauch, ja, sie sind dort heutzutage noch am meisten beliebt. Heißt doch der erste April in England geradezu „all fools day“, aller Narren Tag. Das in dem englischen Vers enthaltene Wort „gawk“ – sagt man gewöhnlich – bedeutet ursprünglich „Kukuk“, der in der Regel in den ersten Tagen des April erscheint und auf den dann von Baum zu Baum eine Meile weit Jagd gemacht zu werden pflegt. Später jedoch nahm der Ausdruck „gawk“ auch die Bedeutung „Geck“ an. In Schottland hat sich dieses Kukuksjagen bis auf den heutigen Tag erhalten; nur wird öfters – nach der üblichen Auffassung „in Ermangelung eines wirklichen Kukuks“ – ein Mann dazu erkoren und gejagt.
In Frankreich schickt man gleichfalls noch heute den Narren in den April, was der Franzose, wie bemerkt, „donner un poisson d’avril“ nennt. Dieser Aprilfisch ist freilich kein anderer als der im Kanal so häufig vorkommende Maifisch. Bekanntlich aber waren die Fische der Liebesgöttin Venus geweiht, die zugleich auch Göttin des Monats April war, in welchem ja Alles in der Natur zu neuem Leben keimt und sprießt.
Über den Ursprung dieser Sitte ist viel gestritten worden. Unzulässig ist ihre späte Ableitung aus der kirchlichen Überlieferung der Leidensgeschichte Christi, wonach sie das Herumschicken des Letzteren „von Pontius zu Pilatus“ abbilden solle, unwahrscheinlich der Einfall, dass sie der Unbeständigkeit des sprichwörtlichen „Aprilwetters“ ihren Ursprung verdanke. Nach Jacob Grimm kennt das germanische Altertum die Sitte gar nicht; dieselbe wäre vielmehr aus Frankreich in Deutschland eingewandert, und es steht zu vermuten, dass sie keltischen Ursprungs, wohl der Rest einer keltischen Frühlingsfeier ist, welche, wie alle heidnischen Frühlingsfeste, der Ausdruck überschäumender Lustigkeit war. Vielleicht kommt man der Sache noch genauer auf den Grund, wenn man einen Zug in Erwägung zieht, der für alle Frühlingsfeste vorzugsweise charakteristisch ist: die Symbolisierung des Winters durch irgend eine bestimmte Figur, welcher sehr übel mitgespielt, welche im Kampfe besiegt, verspottet, vernichtet, oder aber verstoßen und verjagt wird. Es liegt nahe zu vermuten, dass jener verjagte „Geck“, welchen man am ersten April „schicken kann wohin man will“, mit dem Winter zusammenhängt. Nebenbei bemerkt, dürfte auch unserer Redensart „Jemanden zum (das heißt als) Kukuk schicken“ die oben von Schottland berichtete Form des Wintervertreibens zu Grunde liegen und das Wort „gawk“ in Bezug auf seine Herkunft noch genauerer Erwägung werth sein.
aus: Die Gartenlaube 1880, zitiert nach WIKISOURCE
Erich Kästner 1899-1974
April, April!
Dies ist der Tag der faulen Witze.
Die Redakteure sind fidel.
Die Zeitung lacht aus jeder Ritze.
Sie stopft Bonbons in die Geschütze,
zeigt auf dem Zweirad ein Kamel
und Hermann Müller ganz in Tüll.
Der Leser soll vor Lachen bersten.
Einmal pro Jahr. Und zwar am ersten
April.
Da läßt sich nichts dagegen machen.
Von vorn und hinten — nichts als Spaß!
In Wort und Bild — die tollsten Sachen!
Ich mußte selber mächtig lachen,
als ich die Zeitung sah und las.
Doch plötzlich wurde ich sehr still ...
Das, was ich las, war gar kein Scherz!
Die Zeitung war von Ende März,
nicht vom April.
Und was ich las: von den Parteien,
von der Zensur, vom Zeppelin,
von Börsensturz und Schweinereien —
war ernst gemeint und nicht zum Schreien.
Obwohl es nur erfunden schien.
Ja, Witze fallen dem am schwersten,
der sie freiwillig machen will ...
Lacht jeden Tag! (Nur nicht am ersten April.)
2. April 1929
Else Lasker-Schüler 1869-1945
An Apollon
Es ist am Abend im April.
Der Käfer kriecht ins dichte Moos.
Er hat so Angst – die Welt so groß!
Die Wirbelwinde hadern mit dem Leben,
Ich halte meine Hände still ergeben
Auf meinem frommbezwungenen Schoß.
Ein Engel spielte sanft auf blauen Tasten,
Langher verklungene Phantasie.
Und alle Bürde meiner Lasten,
Verklärte und entschwerte sie.
Jäh tut mein sehr verwaistes Herz mir weh –
Blutige Fäden spalten seine Stille.
Zwei Augen blicken wund durch ihre Marmorhülle
In meines pochenden Granates See.
Er legte Brand an meines Herzens Lande –
Nicht mal sein Götterlächeln
Ließ er mir zum Pfande.
Emanuel Geibel 1815-1884
Im April
Du feuchter Frühlingsabend,
Wie hab’ ich dich so gern!
Der Himmel wolkenverhangen,
Nur hie und da ein Stern.
Wie leiser Liebesodem
Hauchet so lau die Luft,
Es steigt aus allen Talen
Ein warmer Veilchenduft.
Ich möcht’ ein Lied ersinnen,
Das diesem Abend gleich,
Und kann den Klang nicht finden,
So dunkel, mild und weich.
Eduard Mörike 1804-1875
Es ist doch im April fürwahr,
der Frühling weder halb noch gar!
Komm Rosenbringer, süßer Mai,
komm du herbei!
So weiß ich, daß es Frühling sei.