BuchKult
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Nach Hause kommen, das ist es,

was das Kind von Bethlehem

allen schenken will,

die weinen, wachen und wandern

auf dieser Erde.

 

Friedrich v. Bodelschwingh 1831-1910

 

 

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Fedot Syckov, Sternsinger
Fedot Vasilievich Sychkov (1870-1958) war ein russischer Maler.

Unbekannter Autor aus dem Mittelalter

Es ist ein Reis entsprungen

 

Es ist ein Reis (Ros') entsprungen

Aus einer Wurzel zart.

Wie uns die Alten sungen,

Aus Jesse kam die Art

Und hat ein Blümlein bracht,

Mitten im kalten Winter,

Wohl zu der halben Nacht.

 

Das Röslein das ich meine,

Davon Jesaias sagt:

Ist Maria, die Reine,

Die uns das Blümlein bracht.

Aus Gottes ew'gen Rat

Hat sie ein Kind geboren

Und blieb ein' reine Magd.

 

Den Hirten auf dem Felde

Verkünd't das englisch' Heer,

Wie zur selbigen Stunde

Christus geboren wär'

Zu Bethle'm in der Stadt,

Da sie das Kindlein finden,

Wie ihn'n der Engel g'sagt.

 

Das Blümelein so kleine,

Das duftet uns so süß,

Mit seinem hellen Scheine

Vertreibt's die Finsternis.

Wahr' Mensch und wahrer Gott,

Hilf uns aus allem Leide,

Rettet von Sünd' und Tod.

 

Wir bitten dich von Herzen,

O Heiland, edles Kind,

Durch alle deine Schmerzen,

Wann wir fahren dahin

Aus diesem Jammertal,

Du wollest uns geleiten

Bis in der Engel Saal.

 

O Jesu, bis zum Scheiden

Aus diesem Jammertal

Laß Dein Hilf uns geleiten

Hin in den Freudensaal,

In Deines Vaters Reich,

Da wir Dich ewig loben.

O Gott, uns das verleih.

 

 

 

Augustus Edwin Mulready,

A Christmas Carol
Augustus Edwin Mulready (1844-1904) war ein englischer Genremaler.
 

Klabund 1890-1928

Weihnacht

 

Ich bin der Tischler Josef,

Meine Frau, die heißet Marie.

Wir finden kein' Arbeit und Herberg'

Im kalten Winter allhie.

 

Habens der Herr Wirt vom goldnen Stern

Nicht ein Unterkunft für mein Weib?

Einen halbeten Kreuzer zahlert ich gern,

Zu betten den schwangren Leib. –

 

Ich hab kein Bett für Bettelleut;

Doch scherts euch nur in den Stall.

Gevatter Ochs und Base Kuh

Werden empfangen euch wohl. –

 

Wir danken dem Herrn Wirt für seine Gnad

Und für die warme Stub.

Der Himmel lohns euch und unser Kind,

Seis Madel oder Bub.

 

Marie, Marie, was schreist du so sehr? –

Ach Josef, es sein die Wehn.

Bald wirst du den elfenbeinernen Turm,

Das süßeste Wunder sehn. –

 

Der Josef Hebamme und Bader war

Und hob den lieben Sohn

Aus seiner Mutter dunklem Reich

Auf seinen strohernen Thron.

 

Da lag er im Stroh. Die Mutter so froh

Sagt Vater Unserm den Dank.

Und Ochs und Esel und Pferd und Hund

Standen fromm dabei.

 

Aber die Katze sprang auf die Streu

Und wärmte zur Nacht das Kind. –

Davon die Katzen noch heutigen Tags

Maria die liebsten Tiere sind.

 

 

Mary Fairchild Low, Christmas Eve in the Studio, Ausschnitt
Mary Fairchild Low (auch Mary Louise Fairchild oder Mary Fairchild MacMonnies) (1858-1946) war eine amerikanische Malerin.Sie lebte mehrere Jahre in Frankreich, wo sie in der Künstlerkolonie Giverny zahlreiche Werke im Stil des Impressionismus malte.

Hermann Hesse 1877-1962

Weihnachten

 

Ich sehn' mich so nach einem Land

der Ruhe und Geborgenheit

Ich glaub', ich hab's einmal gekannt,

als ich den Sternenhimmel weit

und klar vor meinen Augen sah,

unendlich großes Weltenall.

Und etwas dann mit mir geschah:

Ich ahnte, spürte auf einmal,

daß alles: Sterne, Berg und Tal,

ob ferne Länder, fremdes Volk,

sei es der Mond, sei's Sonnnenstrahl,

daß Regen, Schnee und jede Wolk,

daß all das in mir drin ich find,

verkleinert, einmalig und schön

Ich muß gar nicht zu jedem hin,

ich spür das Schwingen, spür die Tön'

ein's jeden Dinges, nah und fern,

wenn ich mich öffne und werd' still

in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,

der all dies schuf und halten will.

Ich glaube, daß war der Moment,

den sicher jeder von euch kennt,

in dem der Mensch zur Lieb' bereit:

Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!

 

 

 

Ernst Nowak, Cooking the the Christmas Carp
Ernst Nowak (1851-1919) war ein östereichischer Maler.

Eduard Mörike 1804-1875

Frankfurter Brenten

 

Mandeln erstlich, rat ich dir,

Nimm drei Pfunde, besser vier

(Im Verhältnis nach Belieben);

Diese werden nun gestoßen

Und mit ordinärem Rosen-

Wasser feinstens abgerieben.

Je aufs Pfund Mandeln akkurat

Drei Vierling Zucker ohne Gnad.

Denselben in den Mörsel bring,

Hierauf ihn durch ein Haarsieb schwing!

Von deinen irdenen Gefäßen

Sollst du mir dann ein Ding erlesen, –

Was man sonst eine Kachel nennt;

Doch sei sie neu zu diesem End!

Drein füllen wir den ganzen Plunder

Und legen frische Kohlen unter.

Jetzt rühr und rühr ohn' Unterlaß,

Bis sich verdicken will die Mass',

Und rührst du eine Stunde voll:

Am eingetauchten Finger soll

Das Kleinste nicht mehr hängen bleiben;

So lange müssen wir es treiben.

Nun aber bringe das Gebrodel

In eine Schüssel (der Poet,

Weil ihm der Reim vor allem geht,

Will schlechterdings hier einen Model,

Indes der Koch auf ersterer besteht)!

Darinne drücks zusammen gut;

Und so hat es über Nacht geruht,

Sollst dus durchkneten Stück für Stück,

Auswellen messerrückendick.

(Je weniger Mehl du streuest ein,

Um desto besser wird es sein).

Alsdann in Formen sei's geprägt,

Wie man bei Weingebacknem pflegt;

Zuletzt, - das wird der Sache frommen,

Den Bäcker scharf in Pflicht genommen,

Daß sie schön gelb vom Ofen kommen!

 

Johann Carl Rößler, Die Kinder der Familie Buderus
Johann Carl Rößler (1775-1845) war ein deutscher Porträtmaler.

Kurt Tucholsky 1890-1935

Großstadt-Weihnachten

 

Nun senkt sich wieder auf die heim’schen Fluren

die Weihenacht! die Weihenacht!

Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren,

wir kriegens jetzo freundlich dargebracht.

Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen?

Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie.

Sie schenkt ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen,

den Aschenbecher aus Emalch glasé.

Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen

auf einen stillen heiligen Grammophon.

Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen

den Schlips, die Puppe und das Lexikohn,

Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen,

voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn,

dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen:

»Ach ja, son Christfest is doch ooch janz scheen!«

Und frohgelaunt spricht er vom ›Weihnachtswetter‹,

mag es nun regnen oder mag es schnein,

Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter,

die trächtig sind von süßen Plauderein.

So trifft denn nur auf eitel Glück hienieden

in dieser Residenz Christkindleins Flug?

Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden …

»Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.«

 

Alice Barber Stephens, Christmas On Fifth Avenue
Alice Barber Stephens (1858-1932) war eine amerikanische Malerin und Kupferstecherin.

Max von Schenkendorf 1783-1817

Am Weihnachtsabend

 

Aachen 1814

 

Willkommen, trautes Dämmerlicht!

Willkommen, Mondenschein!

Ihr bleibt getreu, verlaßt mich nicht,

Sonst bin ich ganz allein.

 

»Wie magst du klagen undankbar,

Und merkst nicht was geschieht,

Und grüßest nicht das Friedensjahr,

Das heute frisch erblüht?

 

Es ist ja frohe Weihnachtszeit,

Engleins- und Kindleins Lust;

Verbanne Streit und Herzeleid

Nur schnell aus deiner Brust.«

 

Das ist es ja, das ist es ja,

Das einzig, was mich quält;

Wol denk ich, was vordem geschah

Und was mir heute fehlt.

 

Nicht mag ich zu dem hellen Stern,

Nicht auf zum Himmel schau'n,

Es ziehet mich in weite Fern'

Wol fort nach andern Au'n.

 

Zu meinem Hof, zu meinem Haus,

Zu ihr, der keine gleicht,

Die Gabe mir und Blumenstrauß

Zum Feste sonst gereicht.

 

O Hausfrau, schön und fromm und mild,

Die jede Tugend schmückt,

Und du, mein Muttergottesbild,

Nach dem sie sinnend blickt,

 

Und du, viel süßes, liebes Kind,

Das uns der Herr geschenkt,

Das, wie die Mutter still gesinnt,

Des fernen Wand'rers denkt.

 

Ich grüß euch, ihr geliebten Drei,

Dich grüß ich, kleine Welt,

In der mein Herz und meine Treu

Sich gar zu wohl gefällt.

 

Wie krank ich bin und einsam hier,

Mir träumt vom Wiedersehn,

Von unserm Haus, - da wollen wir

Noch manches Fest begehn.

 

Willkommen, süße Weihnachtslust,

O wunderbarer Schein!

Vom Himmel zeuch in meine Brust

Und nimm sie gänzlich ein.

 

Lars Jorde, Julegilde - Weihnachtsfeier
Lars Jorde (1865-1939) war ein norwegischer Maler und Illustrator.

Jakob Loewenberg 1856-1929

Weihnachten bei den Großeltern

 

Heut abend, als wir zu euch gingen,

da war in der Luft ein leises Klingen,

da war ein Rauschen, man wußt’ nicht woher,

als ob man in einem Tannenwald wär,

da huschte vorüber und ging nicht aus

ein heimliches Leuchten von Haus zu Haus.

 

Der Mond kam über die Dächer gesprungen:

„Wohin noch so spät, ihr kleinen Jungen?

Ihr müßt ja zu Bett, was fällt euch ein?“

und lachte uns an mit vollem Schein.

 

Da lachten wir wieder: „Du alter Klöner,

heut abend ist alles anders und schöner.

Und glaubst du’s nicht, kannst mit uns gehen,

da wirst du ein blaues Wunder sehn.“

 

Da sprang er leuchtend uns voran,

bei diesem Hause hielt er an.

Wir gingen hinein mit froher Begier,

und Klingen und Rauschen und Leuchten ist hier.

 

 

 

Frederick Daniel Hardy, Christmas Visitors
Frederick Daniel Hardy (1827-1911) war ein englischer Genremaler.
 

Friedrich Rückert 1788-1866

Meiner lieben Schwiegertochter Alma

Weihnachten 1865

 

Zeitungsbringerin,

Fliegenwedelschwingerin,

Fehllose Jägerin,

Treffliche Totschlägerin,

Liebe Beleberin,

Kleinmutes Heberin,

Sorgenabwenderin,

Trostredespenderin,

Leidens Abfragerin,

Besserungswahrsagerin,

Leisanschweberin,

Arzeneigeberin,

Stundenmahnerin,

Zeitvertreibsanbahnerin,

Temperaturspürerin,

Feuernachschürerin,

Witterungskünderin,

Lampendochtanzünderin,

Morgenbegrüßerin,

Abendrastversüßerin,

Nachtvorleserin,

Bücheramtsverweserin,

Allzeitunterhalterin,

Gesprächsstoffsentfalterin,

Wunschablauscherin,

Dienstrollentauscherin,

Allesbeschickerin,

Allesüberblickerin,

Allesbestreiterin,

Krankenkostbereiterin,

Festgabebedenkerin,

Weihnachtsentenschenkerin,

Engelverwenderin,

Enkelzuspruchsenderin,

Ordnerin, Schmückerin,

Kopfkissenrückerin,

Pfeifenkopfstopferin,

Flaschenpfropfentpfropferin,

Schlummerbecherfüllerin,

Kalter Knie Umhüllerin,

Nachtruhanwünscherin,

Wenn ich wachensmatt bin,

Heimlich schwach schachmatt bin,

Treue Mitträgerin

Mitpflegerin

Neben deiner Schwägerin,

Schwiegerkind, Söhnerin,

Versöhnerin, Beschönerin,

Unbelohnt Taglöhnerin,

Allzeit frohe Frönerin,

Liebliche Verwöhnerin:

Nimm dies Liebeszeichen hin,

Wie ich dir dankbar bin.

 

Carl Larsson, Julaftonen, 1904
Carl Olof Larsson (1853-1919) war ein schwedischer Künstler.

Theodor Fontane 1819-1898

Die Christnacht

 

I

Auf dem weißgedeckten Tische

Prangt der grüne Weihnachtsbaum,

Trägt im buntesten Gemische

Kerzen, Gold- und Silberschaum.

 

Vor dem Tische steht ein Knabe,

Blickt die Schätze hastig an.

Ob vielleicht die Weihnachtsgabe

Ihm das Herz erfreuen kann.

 

Aber nichts will ihm gefallen,

Selbst das Schönste dünkt ihm Tand,

Und er weint, weil an dem allen

Nicht sein Herz Befried'gung fand.

 

„Mutter, einzig gute Mutter,

Sieh mich nicht so traurig an;

Will ja länger nicht mehr weinen.

Hat es dir doch weh getan!

 

Ach, du fragst: ,Woher die Tränen?' -

Alles, alles, was mich quält.

Ist, das mich ein heißes Sehnen

Nach - ich weiß nicht was - beseelt."

 

 

II

 

Auf der weißbeschneiten Erde

Steht an eines Friedhofs Saum

Eine Fichte, wunderprächtig.

Wie ein ries'ger Weihnachtsbaum.

 

Tausend helle Kerzen flimmern

Über ihm am Himmelsraum,

Und des blassen Mondes Schimmern

Ist des Christbaums Silberschaum.

 

Vor der Fichte, - auf dem Grabe

Seiner Braut, das sie bewacht -

Kniet nach manchem Jahr der Knabe,

Wieder, in der Christusnacht.

 

„Gott der Liebe! - hier am Grabe

Hast du endlich dich bewährt.

Hast als schönste Weihnachtsgabe

Endlich Tränen mir beschert.

 

Mir, dem du so viel genommen.

Dem ja alles, alles fehlt.

Das ihn, wenn die Tränen kommen,

Heißer Dank für dich beseelt."

 

Viktor Vasnetsov, Santa Claus
Viktor Mikhaylovich Vasnetsov (1848-1926) war ein russischer Maler.
 

Joachim Ringelnatz 1883-1934

Vom Schenken

 

Schenke groß oder klein,

aber immer gediegen.

Wenn die Bedachten die Gabe wiegen,

sei dein Gewissen rein.

 

Schenke herzlich und frei.

Schenke dabei,

was in dir wohnt

an Meinung, Geschmack und Humor,

so dass die eigene Freude zuvor

dich reichlich belohnt.

 

Schenke mit Geist ohne List.

Sei eingedenk,

dass dein Geschenk –

Du selber bist.

 

 

Unbekannt, Weihnachtsmann

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Der Weihnachtsmann

 

Morgen kommt der Weihnachtsmann,

Kommt mit seinen Gaben.

Trommel, Pfeife und Gewehr,

Fahn und Säbel und noch mehr,

Ja ein ganzes Kriegesheer,

Möcht' ich gerne haben.

 

Bring' uns, lieber Weihnachtsmann,

Bring' auch morgen, bringe,

Musketier und Grenadier,

Zottelbär und Panthertier,

Ross und Esel, Schaf und Stier,

Lauter schöne Dinge.

 

Doch du weißt ja unsern Wunsch,

Kennest unsere Herzen.

Kinder, Vater und Mama,

Auch sogar der Großpapa,

Alle, alle sind wir da,

Warten dein mit Schmerzen.

 

William Ewart Lockhart, Old Father Christmas
William Ewart Lockhart (1846-1900) war ein schottischer viktorianischer Maler.

Paula Dehmel 1862-1918

Weihnachtsschnee

 

Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf,

es riecht nach Weihnachtstorten;

Knecht Ruprecht steht am Himmelsherd

und backt die feinsten Sorten.

 

Ihr Kinder, sperrt die Augen auf,

sonst nehmt den Operngucker:

die große Himmelsbüchse, seht,

tut Ruprecht ganz voll Zucker.

 

Er streut – die Kuchen sind schon voll –

er streut – na, das wird munter:

er schüttelt die Büchse und streut und streut

den ganzen Zucker runter.

 

Ihr Kinder, sperrt die Mäulchen auf,

schnell! Zucker schneit es heute!

Fangt auf, holt Schüsseln! – Ihr glaubt es nicht?

Ihr seid ungläubige Leute!

 

 

Arthur Rackham, Father Christmas
Arthur Rackham (1867-1939) war ein britischer Illustrator, der durch seine zahlreichen Buchillustrationen, insbesondere für Volksmärchen und andere Kinderbücher, bekannt wurde.
 

Anna Ritter 1865-1921

Vom Christkind

 

Denkt Euch, ich habe das Christkind gesehn!

Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,

mit rot gefrorenem Näschen.

Die kleinen Hände taten ihm weh;

denn es trug einen Sack,

der war gar schwer,

schleppte und polterte hinter ihm her.

Was drin war, möchtet ihr wissen?

Ihr Naseweise, Ihr Schelmenpack -

denkt ihr, er wäre offen, der Sack?

Zugebunden bis oben hin!

Doch war gewiss was Schönes drin;

es roch so nach Äpfeln und Nüssen.

 

Christkindel in Schlesien, 1891

Anna Ritter 1865-1921

Christkindchen

 

Wo die Zweige am dichtesten hangen,

die Wege am tiefsten verschneit,

da ist um die Dämmerzeit

im Walde das Christkind gegangen.

 

Es musste sich wacker plagen,

denn einen riesigen Sack

hat's meilenweit huckepack

auf den schmächtigen Schultern getragen.

 

Zwei spielende Häschen saßen

geduckt am schneeigen Rain.

Die traf solch blendender Schein,

dass sie das Spielen vergaßen.

 

Doch das Eichhorn hob schnuppernd die Ohren

und suchte die halbe Nacht,

ob das Christkind von all seiner Pracht

nicht ein einziges Nüsschen verloren.

 

Théophile Schuler, Christkindel et Hans Trapp, 1858
Jules Théophile Schuler (1821-1878) war ein französischer Maler und Illustrator im romantischen Stil.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874

Nussknacker

 

Nussknacker, Du machst ein grimmig Gesicht —

Ich aber, ich fürchte vor Dir mich nicht:

Ich weiß, Du meinst es gut mit mir,

Drum bring ich meine Nüsse Dir.

Ich weiß, Du bist ein Meister im Knacken:

Du kannst mit deinen dicken Backen

Gar hübsch die harten Nüsse packen

Und weißt sie vortrefflich aufzuknacken.

Nußknacker, drum bitt ich ich, bitt ich Dich,

Hast bessere Zähn als ich, Zähn als ich,

O knacke nur, knacke nur immerzu!

Ich will Dir zu Ehren

Die Kerne verzehren.

O knacke nur, knack knack knack! immerzu!

Ei, welch ein braver Kerl bist Du!

 

 

Nussknacker und Mäusekönig, Illustration zu E.T.A. Hoffmanns Erzählung
 

Wilhelm Busch 1832-1908

Der Stern

 

Hätt einer auch fast mehr Verstand

als wie die drei Weisen aus Morgenland

und ließe sich dünken, er wär wohl nie

dem Sternlein nachgereist wie sie;

dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest

seine Lichtlein wonniglich scheinen lässt,

fällt auch auf sein verständig Gesicht,

er mag es merken oder nicht,

ein freundlicher Strahl

des Wundersterns von dazumal.

 

 

Robert Weise, Weihnachtszauber, ca. 1908
Robert Weise (1870-1923) war ein deutscher Maler, Zeichner und Illustrator. Seine Werke sind durch den französischen Impressionismus beeinflusst, weisen darüber hinaus auch Tendenzen zum Jugendstil auf.

Arno Holz 1863-1929

 

Und wieder nun lässt aus dem Dunkeln

Die Weihnacht ihre Sterne funkeln!

Die Engel im Himmel hört man sich küssen

Und die ganze Welt riecht nach Pfeffernüssen ...

 

So heimlich war es die letzten Wochen,

Die Häuser nach Mehl und Honig rochen,

Die Dächer lagen dick verschneit

Und fern, noch fern schien die schöne Zeit.

Man dachte an sie kaum dann und wann.

Mutter teigte die Kuchen an

Und Vater, dem mehr der Lehnstuhl taugte,

Sass daneben und las und rauchte.

Da plötzlich, eh man sich's versah,

Mit einem Mal war sie wieder da.

 

Mitten im Zimmer steht nun der Baum!

 

Man reibt sich die Augen und glaubt es kaum ...

Die Ketten schaukeln, die Lichter wehn,

Herrgott, was giebt's da nicht alles zu sehn!

Die kleinen Kügelchen und hier

Die niedlichen Krönchen aus Goldpapier!

Und an all den grünen, glitzernden Schnürchen

All die unzähligen, kleinen Figürchen:

Mohren, Schlittschuhläufer und Schwälbchen,

Elephanten und kleine Kälbchen,

Schornsteinfeger und trommelnde Hasen,

Dicke Kerle mit rothen Nasen,

Reiche Hunde und arme Schlucker

Und Alles, Alles aus purem Zucker!

 

Ein alter Herr mit weissen Bäffchen

Hängt grade unter einem Aeffchen.

Und hier gar schält sich aus seinem Ei

Ein kleiner, geflügelter Nackedei.

Und oben, oben erst in der Krone!!

Da hängt eine wirkliche, gelbe Kanone

Und ein Husarenleutnant mit silbernen Tressen –

Ich glaube wahrhaftig, man kann ihn essen!

 

In den offenen Mäulerchen ihre Finger,

Stehn um den Tisch die kleinen Dinger,

Und um die Wette mit den Kerzen

Puppern vor Freuden ihre Herzen.

Ihre grossen, blauen Augen leuchten,

Indess die unsern sich leise feuchten.

Wir sind ja leider schon längst »erwachsen«,

Uns dreht sich die Welt um andre Achsen

 

Und zwar zumeist um unser Büreau.

Ach, nicht wie früher mehr macht uns froh

Aus Zinkblech eine Eisenbahn,

Ein kleines Schweinchen aus Marzipan.

Eine Blechtrompete gefiel uns einst sehr,

Der Reichstag interessirt uns heut mehr;

Auch sind wir verliebt in die Regeldetri

Und spielen natürlich auch Lotterie.

Uns quälen tausend Siebensachen.

Mit einem Wort, um es kurz zu machen,

Wir sind grosse, verständige, vernünftige Leute!

 

Nur eben heute nicht, heute, heute!

 

Ueber uns kommt es wie ein Traum,

 

Ist nicht die Welt heut ein einziger Baum,

An dem Millionen Kerzen schaukeln?

Alte Erinnerungen gaukeln

Aus fernen Zeiten an uns vorüber

Und jede klagt: Hinüber, hinüber!

Und ein altes Lied fällt uns wieder ein:

O selig, o selig, ein Kind noch zu sein.

 

 

 

Henry Mosler, Christmas Morning, 1916
Henry Mosler (1841-1920) war ein US-amerikanischer Maler, Holzschneider und Illustrator.
 

Else Lasker-Schüler 1869-1945

Weihnacht

 

Einmal kommst du zu mir in der Abendstunde

Aus meinem Lieblingssterne weich entrückt

Das ersehnte Liebeswort im Munde

Zündet meine weißen Lichte an.

Alle Zweige warten schon geschmückt.

 

»Wann« – ich frage seit ich dir begegnet – »wann?«

Einen Engel schnitt ich mir aus deinem goldenen Haare

Und den Traum, der mir so früh zerrann.

O ich liebe dich, ich liebe dich,

Ich liebe dich!

 

Hörst du, ich liebe dich – – –

Und unsere Liebe wandelt schon Kometenjahre,

Bevor du mich erkanntest und ich dich.

 

 

Alfons Mucha, Noël en Amérique, Musée du Luxembourg, Paris
Alfons Maria Mucha (1860-1939) war ein tschechischer Plakatkünstler, Grafiker, Illustrator, Maler, Amateurfotograf und Kunstgewerbler, der als einer der herausragenden Repräsentanten des Jugendstils gilt.
 

Theodor Storm 1817-1888

Weihnachten

 

Mir ist das Herz so froh erschrocken,

das ist die liebe Weihnachtszeit!

Ich höre fern her Kirchenglocken

mich lieblich heimatlich verlocken

in märchenstille Herrlichkeit.

 

Ein frommer Zauber hält mich wieder,

anbetend, staunend muß ich stehn;

es sinkt auf meine Augenlider

ein goldner Kindertraum hernieder,

ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.

 

 

Theodor Kleehaas, Die Weihnachtsgeschenke
Theodor Kleehaas (1854-1928 o. 1929) war ein deutscher Porträt- und Genremaler.
 

Hermann Lingg 1820-1905

Weihnachtsgedicht

 

Für euch, o Kinder, blüht das Fest der Feste,

Was bringt's wohl diesmal? Welch ein Meer von Licht?

Könnt ihr's erwarten? Wisst, das Allerbeste,

Das habt ihr schon. Das ist's: ihr wisst's noch nicht.

 

Was wir zum Spiel, was wir zum Ernst euch geben,

als reine Freude gebt ihr’s uns zurück.

Das ist das Beste, dass es eurem Leben

noch Wahrheit ist und ungetrübtes Glück.

 

Noch goldne Früchte trägt an seinen Zweigen

Für euch der Tannbaum, der im Wintergraun

Und einsam steht im Wald mit ernstem Schweigen,

Auf den die goldnen Sterne niederschaun.

 

Ein ganzes Jahr mit vielen, vielen Tagen

Erglänzt an dieses Tages Widerschein.

Mög' jeder Ernst euch goldne Früchte tragen

Und jedes Spiel euch lehren, froh zu sein.

 

 

Albert Ludovici jr., Christmas Fancy Dress
Albert Ludovici jr. (1852-1932) war ein britischer Maler.

Paul Richter 1873-1945

Geschichte eines Pfefferkuchenmannes

 

Es war einmal ein Pfefferkuchenmann,

von Wuchse, groß und mächtig,

und was seinen innern Wert betraf,

so sagte der Bäcker: “Prächtig”.

 

Auf dieses glänzende Zeugnis hin

erstand ihn der Onkel Heller

und stellte ihn seinem Patenkind,

dem Fritz, auf den Weihnachtsteller.

 

Doch kaum war mit dem Pfefferkuchenmann

der Fritz ins Gespräch gekommen,

da hatte er schon – aus Höflichkeit –

die Mütze ihm abgenommen.

 

Als schlafen ging der Pfefferkuchenmann,

da bog er sich krumm vor Schmerze:

an der linken Seite fehlte fast ganz

sein stolzes Rosinenherze!

 

Als Fritz tags drauf den Pfefferkuchenmann,

besuchte, ganz früh und alleine,

da fehlten, o Schreck, dem armen Kerl

ein Arm schon und beide Beine!

 

Und wo einst saß am Pfefferkuchenmann

die mächtige Habichtsnase,

da war ein Loch! Und er weinte still

eine bräunliche Sirupblase.

 

Von nun an nahm der Pfefferkuchenmann

ein reißendes, schreckliches Ende:

Das letzte Stückchen kam schließlich durch Tausch

in Schwester Margeretchens Hände.

 

Die kochte als sorgfältige Hausfrau draus

für ihre hungrige Puppe

auf ihrem neuen Spiritusherd

eine kräftige, leckere Suppe.

 

Und das geschah dem Pfefferkuchenmann,

den einst so viele bewundert

in seiner Schönheit bei Bäcker Schmidt,

im Jahre neunzehnhundert.

 

 

Daniel Maclise, Merry Christmas in the Baron's Hall
Daniel Maclise (1806-1870) war ein irischer Historienmaler , Literatur- und Porträtmaler und Illustrator, der die meiste Zeit seines Lebens in London, England, arbeitete.
 

Gustav Falke 1853-1916

Nun leuchten wieder die Weihnachtskerzen

 

Nun leuchten wieder die Weihnachtskerzen

und wecken Freude in allen Herzen.

Ihr lieben Eltern, in diesen Tagen,

was sollen wir singen, was sollen wir sagen?

Wir wollen euch wünschen zum heiligen Feste

vom Schönen das Schönste, vom Guten das Beste!

Wir wollen euch danken für alle Gaben

und wollen euch immer noch lieber haben.

 

 

 

Sarah Stilwell Weber, The Fairy Of The Christmas Tree
Sarah Stilwell Weber (11878-1939) war eine amerikanische Illustratorin.
 

Ada Christen 1939-1901

Hörst auch du die leisen Stimmen

 

Hörst auch du die leisen Stimmen

aus den bunten Kerzlein dringen?

Die vergeßenen Gebete

aus den Tannenzweiglein singen?

Hörst auch du das schüchternfrohe,

helle Kinderlachen klingen?

Schaust auch du den stillen Engel

mit den reinen, weißen Schwingen?...

Schaust auch du dich selber wieder

fern und fremd nur wie im Traume?

Grüßt auch dich mit Märchenaugen

deine Kindheit aus dem Baume?...

 

Mykola Pymonenko, Sternsinger
Mykola Kornylijowytsch Pymonenko (1862-1912) war ein ukrainischer Maler der Russischen Avantgarde,[1] Schöpfer zahlreicher Genrebilder,[2] und Teilnehmer der russischen künstlerischen Bewegung der Peredwischniki.

Anna Ritter 1865-1921

Weihnachten

 

Weißer Flöckchen Schwebefall,

Stille Klarheit überall,

Glockenklang und Schellenklingen,

Mäulchen, die vom Christkind singen,

Flammen, die von grünen Zweigen

Gläubig, strahlend aufwärts steigen,

Und im tiefsten Herzen drinnen

Ein Erinnern, ein Besinnen …

 

Neige dich, mein Herz, und bete,

Daß das Christkind zu dir trete,

Auch in deiner Schwachheit Gründen

Eine Flamme zu entzünden,

Die das Ringen Deiner Tage

Gläubig strahlend aufwärts trage.

 

 

 

Ernst Ferdinand Oehme, Stille Nacht, Meißen im Winter, Dresden, Gemälde Galerie Neue Meister Albertinum
Ernst Ferdinand Oehme (1797-1855) war ein der deutschen Romantik zuzurechnender Maler.
 

Wilhelm Lobsien 1872-1947

Am Abend vor Weihnachten

 

Dämmerstille Nebelfelder,

Schneedurchglänzte Einsamkeit,

Und ein wunderbarer weicher

Weihnachtsfriede weit und breit.

 

Nur mitunter, windverloren,

Zieht ein Rauschen durch die Welt.

Und ein leises Glockenklingen

Wandert übers stille Feld.

 

Und dich grüßen alle Wunder,

Die am lauten Tag geruht,

Und dein Herz singt Kinderlieder,

Und dein Sinn wird fromm und gut.

 

Und dein Blick ist voller Leuchten,

Längst Entschlaf'nes ist erwacht ...

Und so gehst du durch die stille

Wunderweiche Winternacht.

 

George Inness, Christmas Eve
George Inness (1825-1894) war ein amerikanischer tonalistischer Maler.

Moritz Gottlieb Saphir 1795-1858

Am Heiligen Abend

 

Der Tag verschließt

die reiche Farbenquelle

und Dämmerung macht dem Heiligen Abend Raum.

Ein milder Streif

aus rosenroter Helle

fasst fern die Berge ein

in purpur Saum.

Die Nacht,

sie breitet ihren weichen Schleier

rings um die Erd,

wie um ein schlafend Kind.

Und wie ein Priester geht

zu hoher Tempelfeier

so schreitet still der Mond

durch Nacht und Wind.

Auf Erden auch

da glühen tausend Herzen

und bunte Lichter brennen überall.

Und Liebe strömet aus den offenen Herzen,

vergessen ist des Lebens Kampf und Qual.

Vergessen sind die Tränen grauer Stunden,

vergessen Krankheit, Sorge bittere Not.

Das Kind des Himmels

hat den Weg zu uns gefunden

und mit ihm kam

das neue Morgenrot.

Geh nie von uns

und mach uns stark für alles.

Für alles,

ob in Krankheit, Leid und Schmerz.

Mög uns das Kind des Himmels

Frieden schenken

und trösten

manch gequältes Menschenherz.

 

 

John Everett Millais, Christmas Eve
Sir John Everett Millais (1829-189) war ein britischer Maler aus dem Kreis der Präraffaeliten.
 

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Es gibt so wunderweiße Nächte

 

Es gibt so wunderweiße Nächte,

drin alle Dinge Silber sind.

Da schimmert mancher Stern so lind,

als ob er fromme Hirten brächte

zu einem neuen Jesuskind.

Weit wie mit dichtem Demantstaube

bestreut, erscheinen Flur und Flut,

und in die Herzen, traumgemut,

steigt ein kapellenloser Glaube,

der leise seine Wunder tut.

 

 

Hans Andersen Brendekilde, Juleaften uden for Frue Kirke
Hans Andersen Brendekilde (1857-1942) war ein dänischer Maler.
 

Hugo von Hofmannsthal 1874-1929

Weihnacht

 

Weihnachtsgeläute

Im nächtigen Wind ...

Wer weiß, wo heute

Die Glocken sind,

Die Töne von damals sind?

 

Die lebenden Töne

Verflogener Jahr'

Mit kindischer Schöne

Und duftendem Haar,

Mit tannenduftigem Haar,

 

Mit Lippen und Locken

Von Träumen schwer? ...

Und wo kommen die Glocken

Von heute her,

Die wandernden heute her?

 

Die kommenden Tage,

Die wehn da vorbei.

Wer hörts, ob Klage,

Ob lachender Mai,

Ob blühender, glühender Mai? ...

 

 

Stepan Kolesnikov, Christmas Eve
Stepan Fedorovitch Kolesnikoff (1879-1955) war ein realistischer Maler, der in Russland geboren wurde und den größten Teil seines Lebens in Serbien verbrachte.

Andreas Gryphius 1616-1664

Über die Geburt Jesu

 

Nacht, mehr denn lichte Nacht! Nacht, Lichter als der Tag!

Nacht, heller als die Sonn, in der das Licht geboren,

Das Gott, der Licht, in Licht wohnhaftig, ihm erkoren!

O Nacht, die alle Nächt und Tage trotzen mag!

 

O freudenreiche Nacht, in welcher Ach und Klag

Und Finsternis und, was sich auf die Welt verschworen,

Und Furcht und Höllen-Angst und Schrecken ward verloren!

Der Himmel bricht, doch fällt nunmehr kein Donnerschlag.

 

Der Zeit und Nächte schuf, ist diese Nacht ankommen

Und hat das Recht der Zeit und Fleisch an sich genommen

Und unser Fleisch und Zeit der Ewigkeit vermacht.

 

Der Jammer trübe Nacht, die schwarze Nacht der Sünden,

Des Grabes Dunkelheit muß durch die Nacht verschwinden.

Nacht, Lichter als der Tag! Nacht, mehr denn lichte Nacht!

 

 

Clarence Gagnon, Christmas Mass, 1933
Clarence Gagnon (1881–1942) war ein kanadischer Maler.

Robert Eduard Prutz 1816-1872

Christnacht

 

Heil'ge Nacht, auf Engelsschwingen

nahst du leise dich der Welt,

und die Glocken hör' ich klingen,

und die Fenster sind erhellt.

Selbst die Hütte trieft von Segen,

und der Kindlein froher Dank

jauchzt dem Himmelskind entgegen,

und ihr Stammeln wird Gesang.

 

Mit der Fülle süßer Lieder,

mit dem Glanz um Tal und Höh'n,

Heil'ge Nacht, so kehrst du wieder,

wie die Welt dich einst gesehn,

da die Palmen lauter rauschten,

und, versenkt in Dämmerung,

Erd' und Himmel Worte tauschten,

Worte der Verkündigung.

 

Da, mit Purpur übergossen,

aufgetan von Gottes Hand,

alle Himmel sich erschlossen,

glänzend über Meer und Land;

da, den Frieden zu verkünden,

sich der Engel niederschwang,

auf den Höhen, in den Gründen

die Verheißung wiederklang;

 

Da, der Jungfrau Sohn zu dienen,

Fürsten aus dem Morgenland

in der Hirten Kreis erschienen,

Gold und Myrrhen in der Hand!

Da mit seligem Entzücken

sich die Mutter niederbog,

sinnend aus des Kindes Blicken

nie gefühlte Freude zog.

 

Heil'ge Nacht, mit tausend Kerzen

steigst du feierlich herauf,

o, so geh' in unsern Herzen,

Stern des Lebens, geh' uns auf!

Schau, im Himmel und auf Erden

glänzt der Liebe Rosenschein:

Friede soll's noch einmal werden

und die Liebe König sein!

 

Franz Hecker, Weihnachtsabend
Franz Hecker (1870-1944) war ein deutscher Maler und Graphiker. Seine Ausbildung erhielt er von 1890 bis 1893 an der Kunstakademie Düsseldorf, an der er unter anderem Fritz Overbeck, Otto Modersohn und Heinrich Vogeler kennenlernte und seither oft die Künstlerkolonie Worpswede besuchte.

Otto Julius Bierbaum 1865-1910

Der armen Kinder Weihnachtslied

 

Hört, schöne Herrn und Frauen,

Die ihr im Lichte seid:

Wir kommen aus dem Grauen,

Dem Lande Not und Leid;

Weh tun uns unsre Füße

Und unsre Herzen weh,

Doch kam uns eine süße

Botschaft aus Eis und Schnee.

Es ist ein Licht erglommen,

Und uns auch gilt sein Schein.

Wir habens wohl vernommen:

Das Christkind ist gekommen

Und soll auch uns gekommen sein.

 

Drum gehn wir zu den Orten,

Die hell erleuchtet sind,

Und klopfen an die Pforten:

Ist hier das Christuskind?

Es hat wohl nicht gefunden

Den Weg in unsre Nacht,

Drum haben wir mit wunden

Füßen uns aufgemacht,

Daß wir ihm unsre frommen

Herzen und Bitten weihn.

Wir habens wohl vernommen:

Das Christkind ist gekommen

Und soll auch uns gekommen sein.

 

So laßt es uns erschauen,

Die ihr im Lichte seid!

Wir kommen aus dem Grauen,

Dem Lande Not und Leid;

Wir kommen mit wunden Füßen,

Doch sind wir trostgemut:

Wenn wir das Christkind grüßen,

Wird alles, alles gut.

Der Stern, der heut erglommen,

Gibt allen seinen Schein:

Das Christkind ist gekommen! -

Die ihr es aufgenommen,

O, laßt auch uns zu Gaste sein!

 

Armand Guéry, Midnight Mass, Christmas Night in Bertincourt, Champagne
Armand Guéry (1853-1912) war ein französischer Künstler.

Joseph Freiherr von Eichendorff 1788-1857

Weihnachten

 

Markt und Straßen stehn verlassen,

Still erleuchtet jedes Haus,

Sinnend geh' ich durch die Gassen,

Alles sieht so festlich aus.

 

An den Fenstern haben Frauen

Buntes Spielzeug fromm geschmückt,

Tausend Kindlein stehn und schauen,

Sind so wunderstill beglückt.

 

Und ich wandre aus den Mauern

Bis hinaus in's freie Feld,

Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!

Wie so weit und still die Welt!

 

Sterne hoch die Kreise schlingen,

Aus des Schneees Einsamkeit

Steigt's wie wunderbares Singen –

O du gnadenreiche Zeit!

 

 

Firmin Baes, Weihnachtsszene
Firmin Baes (1874-1943) war ein belgischer Maler, Pastellkünstler, Zeichner und Druckdesigner.

Friedrich Rudolph Ludwig von Canit 1654-1699

Christus in der Krippen

 

Das Kind, das dort in Heu und Stroh verstecket lieget,

Und dem das tumme Vieh aus seiner Wiegen frißt,

Ist grösser als die Welt, weil es Gott selber ist,

Der über Höll' und Tod in seiner Armuth sieget.

Was mag die Ursach seyn, daß Er so schlecht erschienen?

Es könnt ihm ja ein Thron seyn von Saphir bereit,

Sein Lager mit dem Glantz der Sternen überstreut,

Warum bedient Ihn nicht ein Heer von Cherubinen?

Kaum findet sich ein Raum den Heyland zu bewirthen;

Die Krippe wird sein Bett', ein Stall ist sein Pallast;

Wenn Er die keusche Brust der Mutter hat umfaßt,

So hält Er sein Bancket, sein Hoff besteht aus Hirten.

Ihr Grossen, die ihr euch als Götter laßt verehren,

Die ihr von eurem Stuhl aus Diamanten blitzt,

Und, eurer Meinung nach, dem Himmel näher sitzt,

Als die, so Menschen sind, diß will euch etwas lehren:

Der Höchste spottet hier der Güter dieser Erde,

Die offt ein Sterblicher für seinen Himmel hält,

Und zeiget euch dabey, daß, wenn es ihm gefällt,

Der Purpur uns zu Heu, und Heu zu Purpur, werde.

 

 

Frits Thaulow, Christmas Midnight Mass
Frits Thaulow, eigentlich Johan Frederik Thaulow (1847-1906), war ein norwegischer Maler des 19. Jahrhunderts.

Friedrich Hebbel 1813-1863

Die Weihe der Nacht

 

Nächtliche Stille!

Heilige Fülle,

Wie von göttlichem Segen schwer,

Säuselt aus ewiger Ferne daher.

 

Was da lebte,

Was auf engem Kreise

Auf in's Weit'ste strebte,

Sanft und leise

Sank es in sich selbst zurück

 

Und quillt auf in unbewusstem Glück.

 

Und von allen Sternen nieder

Strömt ein wunderbarer Segen,

Dass die müden Kräfte wieder

Sich in neuer Frische regen,

Und aus seinen Finsternissen

Tritt der Herr, so weit er kann,

Und die Fäden, die zerrissen,

Knüpft er alle wieder an.

 

John Henry Twachtman, Der Weihnachtsbaum
John Henry Twachtman (1853-1902) war ein amerikanischer Maler und Radierer des Impressionismus.

Joachim Ringelnatz 1883-1934

Weihnachten

 

Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,

mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit.

Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle

schöne Blumen der Vergangenheit.

 

Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,

und das alte Lied von Gott und Christ

bebt durch Seelen und verkündet leise,

dass die kleinste Welt die größte ist.

 

 

Jenny Nyström, Returning from Church on Christmas Morning.
Jenny Nyström-Stoopendaal (1854–1946) war eine schwedische Malerin und Grafikerin.

Philipp Nicolai 1556-1608

Wachet auf, ruft uns die Stimme

 

Wachet auf, ruft uns die Stimme

Der Wächter sehr hoch auf der Zinne,

Wach auf du Stadt Jerusalem!

Mitternacht heißt diese Stunde!

Sie rufen uns mit hellem Munde:

Wo seid ihr klugen Jungfrauen?

Wohlauf, der Bräut'gam kommt,

Steht auf, die Lampen nehmt!

Halleluja!

Macht euch bereit zu der Hochzeit;

Ihr müsset ihm entgegengehn!

 

Zion hört die Wächter singen,

Das Herz tut ihr vor Freude springen,

Sie wachet und steht eilend auf.

Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,

Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig;

Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.

Nun komm, du werte Kron,

Herr Jesu, Gottes Sohn!

Hosianna!

Wir folgen all zum Freudensaal

Und halten mit das Abendmahl.

 

Gloria sei dir gesungen

Mit Menschen- und mit Engelzungen,

Mit Harfen und mit Zimbeln schön.

Von zwölf Perlen sind die Tore,

An deiner Stadt; wir stehn im Chore

Der Engel hoch um deinen Thron.

Kein Aug hat je gespürt,

Kein Ohr hat mehr gehört

Solche Freude.

Deß sind wir froh! jo! jo! jo!

Ewig in dulci jubilo!

 

Richard Püttner, Weihnachtsmorgen, Die Gartenlaube, 1880
Richard Püttner (1842-1913) war ein deutscher Zeichner und Illustrator.

Friedrich Rückert 1788-1866

Einladung auf Weihnachten

 

Jeder kann sich die Welt betrachten

Zur Lenzfeier auf seine Weise,

Aber das Winterfest Weihnachten

Ist gemacht für Familienkreise.

 

Da nun solch einen Kreis du missest,

Sei geladen in meinen frommen,

Daß du unter den Kindern wissest,

Wozu Christ in die Welt gekommen.

 

Laß dich nicht reun die wenigen Meilen,

Durch Windweben ein rüstiger Schreiter;

Um die festliche Luft zu theilen,

Reist man im kältern Schweden noch weiter.

 

Wenig fördert beim spärlichen Lichte

Jetzt die Arbeit, die volles fodert.

Bring, wie du pflegst, uns eine Geschichte,

Daß der Kamin uns heller lodert.

 

Komm aus der Still’, um im Saus und Brause

Mich zu trösten von all den Buben,

Die mir der Winter hält in der Klause,

Daß eng werden die weiten Stuben.

 

Theile des häuslichen Glücks Genüsse,

Sieh, vom geputzten Zweige der Tannen

Wie sie schlagen die goldnen Nüsse;

Wenn du genug hast, gehst du von dannen.

 

Aber ich muß, in Fessel geschlagen,

Des erlösenden Frühlings warten,

Um mit gutem Gewissen zu sagen:

Marscht nun, Buben, und lärmet im Garten!

 

Ferdinand Georg Waldmüller, Christmas Morning
Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865) war einer der bedeutendsten österreichischen Maler in der Biedermeierzeit.

Friedrich von Spee 1591–1635

Ein kurtz Poëtisch Christ-Gedicht,

vom Ochß, vnd Eselein bey der Krippen

 

1.

 

Der Wind auff lären strassen

Streckt auß die flügel sein:

Streicht hin gar scharpff ohn massen/

Zur Bethlems krippen ein;

Er bru ilet hin/ vnd wider

Der fliegend winter-bott/

Greifft an die gleich/ vnd glieder

Dem frisch vermenschten Gott.

 

2.

 

Ach/ ach/ laß ab von brausen/

Laß ab/ du schnöder wind:

Laß ab von kaltem sausen/

Vnd schon dem schönen kind.

Vielmehr du deine Schwingen

Zerschlag im wilden Meer/

Alda dich satt magst ringen

Kehr nur nit wider her.

 

3.

 

Mit dir nun muß ich kosen/

Mit dir/ O Joseph mein/

Daß futter misch mit rosen

Dem Ochß/ vnd Eselein/

Mach deinen frommen Thieren

So lieblichs misch-gemüß/

Bald/ bald/ ohn zeit verlieren/

Mach jhn den athem süß.

 

4.

 

Drauff blaset her/ jhr beyden/

Mit süssem Rosen-wind;

Ochß/ Esel wol bescheiden/

Vnd wärmets nacket kind.

Ach blaset her/ vnd hauchet/

Ahà/ ahà/ ahà.

Fort/ fort/ euch weidlich brauchet/

Ahà/ ahà/ ahà.

 

John Ritchie, Christmas Day
John Ritchie (1828–1905) war ein britischer Maler.

Theodor Fontane 1819-1898

Ruhig sein...

 

Ruhig sein, nicht ärgern, nicht kränken,

Ist das allerbeste Schenken;

Aber mit diesem Pfefferkuchen

Will ich es noch mal versuchen.

 

 

 

Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

BuchKult

Franz Dewes

fjdewes@buchkult-dewes.de

 

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