Nach Hause kommen, das ist es,
was das Kind von Bethlehem
allen schenken will,
die weinen, wachen und wandern
auf dieser Erde.
Friedrich v. Bodelschwingh 1831-1910
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Unbekannter Autor aus dem Mittelalter
Es ist ein Reis entsprungen
Es ist ein Reis (Ros') entsprungen
Aus einer Wurzel zart.
Wie uns die Alten sungen,
Aus Jesse kam die Art
Und hat ein Blümlein bracht,
Mitten im kalten Winter,
Wohl zu der halben Nacht.
Das Röslein das ich meine,
Davon Jesaias sagt:
Ist Maria, die Reine,
Die uns das Blümlein bracht.
Aus Gottes ew'gen Rat
Hat sie ein Kind geboren
Und blieb ein' reine Magd.
Den Hirten auf dem Felde
Verkünd't das englisch' Heer,
Wie zur selbigen Stunde
Christus geboren wär'
Zu Bethle'm in der Stadt,
Da sie das Kindlein finden,
Wie ihn'n der Engel g'sagt.
Das Blümelein so kleine,
Das duftet uns so süß,
Mit seinem hellen Scheine
Vertreibt's die Finsternis.
Wahr' Mensch und wahrer Gott,
Hilf uns aus allem Leide,
Rettet von Sünd' und Tod.
Wir bitten dich von Herzen,
O Heiland, edles Kind,
Durch alle deine Schmerzen,
Wann wir fahren dahin
Aus diesem Jammertal,
Du wollest uns geleiten
Bis in der Engel Saal.
O Jesu, bis zum Scheiden
Aus diesem Jammertal
Laß Dein Hilf uns geleiten
Hin in den Freudensaal,
In Deines Vaters Reich,
Da wir Dich ewig loben.
O Gott, uns das verleih.
Klabund 1890-1928
Weihnacht
Ich bin der Tischler Josef,
Meine Frau, die heißet Marie.
Wir finden kein' Arbeit und Herberg'
Im kalten Winter allhie.
Habens der Herr Wirt vom goldnen Stern
Nicht ein Unterkunft für mein Weib?
Einen halbeten Kreuzer zahlert ich gern,
Zu betten den schwangren Leib. –
Ich hab kein Bett für Bettelleut;
Doch scherts euch nur in den Stall.
Gevatter Ochs und Base Kuh
Werden empfangen euch wohl. –
Wir danken dem Herrn Wirt für seine Gnad
Und für die warme Stub.
Der Himmel lohns euch und unser Kind,
Seis Madel oder Bub.
Marie, Marie, was schreist du so sehr? –
Ach Josef, es sein die Wehn.
Bald wirst du den elfenbeinernen Turm,
Das süßeste Wunder sehn. –
Der Josef Hebamme und Bader war
Und hob den lieben Sohn
Aus seiner Mutter dunklem Reich
Auf seinen strohernen Thron.
Da lag er im Stroh. Die Mutter so froh
Sagt Vater Unserm den Dank.
Und Ochs und Esel und Pferd und Hund
Standen fromm dabei.
Aber die Katze sprang auf die Streu
Und wärmte zur Nacht das Kind. –
Davon die Katzen noch heutigen Tags
Maria die liebsten Tiere sind.
Mary Fairchild Low, Christmas Eve in the Studio, Ausschnitt
Mary Fairchild Low (auch Mary Louise Fairchild oder Mary Fairchild MacMonnies) (1858-1946) war eine amerikanische Malerin.Sie lebte mehrere Jahre in Frankreich, wo sie in der Künstlerkolonie Giverny
zahlreiche Werke im Stil des Impressionismus malte.
Hermann Hesse 1877-1962
Weihnachten
Ich sehn' mich so nach einem Land
der Ruhe und Geborgenheit
Ich glaub', ich hab's einmal gekannt,
als ich den Sternenhimmel weit
und klar vor meinen Augen sah,
unendlich großes Weltenall.
Und etwas dann mit mir geschah:
Ich ahnte, spürte auf einmal,
daß alles: Sterne, Berg und Tal,
ob ferne Länder, fremdes Volk,
sei es der Mond, sei's Sonnnenstrahl,
daß Regen, Schnee und jede Wolk,
daß all das in mir drin ich find,
verkleinert, einmalig und schön
Ich muß gar nicht zu jedem hin,
ich spür das Schwingen, spür die Tön'
ein's jeden Dinges, nah und fern,
wenn ich mich öffne und werd' still
in Ehrfurcht vor dem großen Herrn,
der all dies schuf und halten will.
Ich glaube, daß war der Moment,
den sicher jeder von euch kennt,
in dem der Mensch zur Lieb' bereit:
Ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!
Eduard Mörike 1804-1875
Frankfurter Brenten
Mandeln erstlich, rat ich dir,
Nimm drei Pfunde, besser vier
(Im Verhältnis nach Belieben);
Diese werden nun gestoßen
Und mit ordinärem Rosen-
Wasser feinstens abgerieben.
Je aufs Pfund Mandeln akkurat
Drei Vierling Zucker ohne Gnad.
Denselben in den Mörsel bring,
Hierauf ihn durch ein Haarsieb schwing!
Von deinen irdenen Gefäßen
Sollst du mir dann ein Ding erlesen, –
Was man sonst eine Kachel nennt;
Doch sei sie neu zu diesem End!
Drein füllen wir den ganzen Plunder
Und legen frische Kohlen unter.
Jetzt rühr und rühr ohn' Unterlaß,
Bis sich verdicken will die Mass',
Und rührst du eine Stunde voll:
Am eingetauchten Finger soll
Das Kleinste nicht mehr hängen bleiben;
So lange müssen wir es treiben.
Nun aber bringe das Gebrodel
In eine Schüssel (der Poet,
Weil ihm der Reim vor allem geht,
Will schlechterdings hier einen Model,
Indes der Koch auf ersterer besteht)!
Darinne drücks zusammen gut;
Und so hat es über Nacht geruht,
Sollst dus durchkneten Stück für Stück,
Auswellen messerrückendick.
(Je weniger Mehl du streuest ein,
Um desto besser wird es sein).
Alsdann in Formen sei's geprägt,
Wie man bei Weingebacknem pflegt;
Zuletzt, - das wird der Sache frommen,
Den Bäcker scharf in Pflicht genommen,
Daß sie schön gelb vom Ofen kommen!
Kurt Tucholsky 1890-1935
Großstadt-Weihnachten
Nun senkt sich wieder auf die heim’schen Fluren
die Weihenacht! die Weihenacht!
Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren,
wir kriegens jetzo freundlich dargebracht.
Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen?
Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie.
Sie schenkt ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen,
den Aschenbecher aus Emalch glasé.
Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen
auf einen stillen heiligen Grammophon.
Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen
den Schlips, die Puppe und das Lexikohn,
Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen,
voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn,
dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen:
»Ach ja, son Christfest is doch ooch janz scheen!«
Und frohgelaunt spricht er vom ›Weihnachtswetter‹,
mag es nun regnen oder mag es schnein,
Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter,
die trächtig sind von süßen Plauderein.
So trifft denn nur auf eitel Glück hienieden
in dieser Residenz Christkindleins Flug?
Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden …
»Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.«
Max von Schenkendorf 1783-1817
Am Weihnachtsabend
Aachen 1814
Willkommen, trautes Dämmerlicht!
Willkommen, Mondenschein!
Ihr bleibt getreu, verlaßt mich nicht,
Sonst bin ich ganz allein.
»Wie magst du klagen undankbar,
Und merkst nicht was geschieht,
Und grüßest nicht das Friedensjahr,
Das heute frisch erblüht?
Es ist ja frohe Weihnachtszeit,
Engleins- und Kindleins Lust;
Verbanne Streit und Herzeleid
Nur schnell aus deiner Brust.«
Das ist es ja, das ist es ja,
Das einzig, was mich quält;
Wol denk ich, was vordem geschah
Und was mir heute fehlt.
Nicht mag ich zu dem hellen Stern,
Nicht auf zum Himmel schau'n,
Es ziehet mich in weite Fern'
Wol fort nach andern Au'n.
Zu meinem Hof, zu meinem Haus,
Zu ihr, der keine gleicht,
Die Gabe mir und Blumenstrauß
Zum Feste sonst gereicht.
O Hausfrau, schön und fromm und mild,
Die jede Tugend schmückt,
Und du, mein Muttergottesbild,
Nach dem sie sinnend blickt,
Und du, viel süßes, liebes Kind,
Das uns der Herr geschenkt,
Das, wie die Mutter still gesinnt,
Des fernen Wand'rers denkt.
Ich grüß euch, ihr geliebten Drei,
Dich grüß ich, kleine Welt,
In der mein Herz und meine Treu
Sich gar zu wohl gefällt.
Wie krank ich bin und einsam hier,
Mir träumt vom Wiedersehn,
Von unserm Haus, - da wollen wir
Noch manches Fest begehn.
Willkommen, süße Weihnachtslust,
O wunderbarer Schein!
Vom Himmel zeuch in meine Brust
Und nimm sie gänzlich ein.
Jakob Loewenberg 1856-1929
Weihnachten bei den Großeltern
Heut abend, als wir zu euch gingen,
da war in der Luft ein leises Klingen,
da war ein Rauschen, man wußt’ nicht woher,
als ob man in einem Tannenwald wär,
da huschte vorüber und ging nicht aus
ein heimliches Leuchten von Haus zu Haus.
Der Mond kam über die Dächer gesprungen:
„Wohin noch so spät, ihr kleinen Jungen?
Ihr müßt ja zu Bett, was fällt euch ein?“
und lachte uns an mit vollem Schein.
Da lachten wir wieder: „Du alter Klöner,
heut abend ist alles anders und schöner.
Und glaubst du’s nicht, kannst mit uns gehen,
da wirst du ein blaues Wunder sehn.“
Da sprang er leuchtend uns voran,
bei diesem Hause hielt er an.
Wir gingen hinein mit froher Begier,
und Klingen und Rauschen und Leuchten ist hier.
Friedrich Rückert 1788-1866
Meiner lieben Schwiegertochter Alma
Weihnachten 1865
Zeitungsbringerin,
Fliegenwedelschwingerin,
Fehllose Jägerin,
Treffliche Totschlägerin,
Liebe Beleberin,
Kleinmutes Heberin,
Sorgenabwenderin,
Trostredespenderin,
Leidens Abfragerin,
Besserungswahrsagerin,
Leisanschweberin,
Arzeneigeberin,
Stundenmahnerin,
Zeitvertreibsanbahnerin,
Temperaturspürerin,
Feuernachschürerin,
Witterungskünderin,
Lampendochtanzünderin,
Morgenbegrüßerin,
Abendrastversüßerin,
Nachtvorleserin,
Bücheramtsverweserin,
Allzeitunterhalterin,
Gesprächsstoffsentfalterin,
Wunschablauscherin,
Dienstrollentauscherin,
Allesbeschickerin,
Allesüberblickerin,
Allesbestreiterin,
Krankenkostbereiterin,
Festgabebedenkerin,
Weihnachtsentenschenkerin,
Engelverwenderin,
Enkelzuspruchsenderin,
Ordnerin, Schmückerin,
Kopfkissenrückerin,
Pfeifenkopfstopferin,
Flaschenpfropfentpfropferin,
Schlummerbecherfüllerin,
Kalter Knie Umhüllerin,
Nachtruhanwünscherin,
Wenn ich wachensmatt bin,
Heimlich schwach schachmatt bin,
Treue Mitträgerin
Mitpflegerin
Neben deiner Schwägerin,
Schwiegerkind, Söhnerin,
Versöhnerin, Beschönerin,
Unbelohnt Taglöhnerin,
Allzeit frohe Frönerin,
Liebliche Verwöhnerin:
Nimm dies Liebeszeichen hin,
Wie ich dir dankbar bin.
Theodor Fontane 1819-1898
Die Christnacht
I
Auf dem weißgedeckten Tische
Prangt der grüne Weihnachtsbaum,
Trägt im buntesten Gemische
Kerzen, Gold- und Silberschaum.
Vor dem Tische steht ein Knabe,
Blickt die Schätze hastig an.
Ob vielleicht die Weihnachtsgabe
Ihm das Herz erfreuen kann.
Aber nichts will ihm gefallen,
Selbst das Schönste dünkt ihm Tand,
Und er weint, weil an dem allen
Nicht sein Herz Befried'gung fand.
„Mutter, einzig gute Mutter,
Sieh mich nicht so traurig an;
Will ja länger nicht mehr weinen.
Hat es dir doch weh getan!
Ach, du fragst: ,Woher die Tränen?' -
Alles, alles, was mich quält.
Ist, das mich ein heißes Sehnen
Nach - ich weiß nicht was - beseelt."
II
Auf der weißbeschneiten Erde
Steht an eines Friedhofs Saum
Eine Fichte, wunderprächtig.
Wie ein ries'ger Weihnachtsbaum.
Tausend helle Kerzen flimmern
Über ihm am Himmelsraum,
Und des blassen Mondes Schimmern
Ist des Christbaums Silberschaum.
Vor der Fichte, - auf dem Grabe
Seiner Braut, das sie bewacht -
Kniet nach manchem Jahr der Knabe,
Wieder, in der Christusnacht.
„Gott der Liebe! - hier am Grabe
Hast du endlich dich bewährt.
Hast als schönste Weihnachtsgabe
Endlich Tränen mir beschert.
Mir, dem du so viel genommen.
Dem ja alles, alles fehlt.
Das ihn, wenn die Tränen kommen,
Heißer Dank für dich beseelt."
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Vom Schenken
Schenke groß oder klein,
aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten die Gabe wiegen,
sei dein Gewissen rein.
Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
was in dir wohnt
an Meinung, Geschmack und Humor,
so dass die eigene Freude zuvor
dich reichlich belohnt.
Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
dass dein Geschenk –
Du selber bist.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Der Weihnachtsmann
Morgen kommt der Weihnachtsmann,
Kommt mit seinen Gaben.
Trommel, Pfeife und Gewehr,
Fahn und Säbel und noch mehr,
Ja ein ganzes Kriegesheer,
Möcht' ich gerne haben.
Bring' uns, lieber Weihnachtsmann,
Bring' auch morgen, bringe,
Musketier und Grenadier,
Zottelbär und Panthertier,
Ross und Esel, Schaf und Stier,
Lauter schöne Dinge.
Doch du weißt ja unsern Wunsch,
Kennest unsere Herzen.
Kinder, Vater und Mama,
Auch sogar der Großpapa,
Alle, alle sind wir da,
Warten dein mit Schmerzen.
Paula Dehmel 1862-1918
Weihnachtsschnee
Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf,
es riecht nach Weihnachtstorten;
Knecht Ruprecht steht am Himmelsherd
und backt die feinsten Sorten.
Ihr Kinder, sperrt die Augen auf,
sonst nehmt den Operngucker:
die große Himmelsbüchse, seht,
tut Ruprecht ganz voll Zucker.
Er streut – die Kuchen sind schon voll –
er streut – na, das wird munter:
er schüttelt die Büchse und streut und streut
den ganzen Zucker runter.
Ihr Kinder, sperrt die Mäulchen auf,
schnell! Zucker schneit es heute!
Fangt auf, holt Schüsseln! – Ihr glaubt es nicht?
Ihr seid ungläubige Leute!
Anna Ritter 1865-1921
Vom Christkind
Denkt Euch, ich habe das Christkind gesehn!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit rot gefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh;
denn es trug einen Sack,
der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, Ihr Schelmenpack -
denkt ihr, er wäre offen, der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss was Schönes drin;
es roch so nach Äpfeln und Nüssen.
Anna Ritter 1865-1921
Christkindchen
Wo die Zweige am dichtesten hangen,
die Wege am tiefsten verschneit,
da ist um die Dämmerzeit
im Walde das Christkind gegangen.
Es musste sich wacker plagen,
denn einen riesigen Sack
hat's meilenweit huckepack
auf den schmächtigen Schultern getragen.
Zwei spielende Häschen saßen
geduckt am schneeigen Rain.
Die traf solch blendender Schein,
dass sie das Spielen vergaßen.
Doch das Eichhorn hob schnuppernd die Ohren
und suchte die halbe Nacht,
ob das Christkind von all seiner Pracht
nicht ein einziges Nüsschen verloren.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874
Nussknacker
Nussknacker, Du machst ein grimmig Gesicht —
Ich aber, ich fürchte vor Dir mich nicht:
Ich weiß, Du meinst es gut mit mir,
Drum bring ich meine Nüsse Dir.
Ich weiß, Du bist ein Meister im Knacken:
Du kannst mit deinen dicken Backen
Gar hübsch die harten Nüsse packen
Und weißt sie vortrefflich aufzuknacken.
Nußknacker, drum bitt ich ich, bitt ich Dich,
Hast bessere Zähn als ich, Zähn als ich,
O knacke nur, knacke nur immerzu!
Ich will Dir zu Ehren
Die Kerne verzehren.
O knacke nur, knack knack knack! immerzu!
Ei, welch ein braver Kerl bist Du!
Wilhelm Busch 1832-1908
Der Stern
Hätt einer auch fast mehr Verstand
als wie die drei Weisen aus Morgenland
und ließe sich dünken, er wär wohl nie
dem Sternlein nachgereist wie sie;
dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest
seine Lichtlein wonniglich scheinen lässt,
fällt auch auf sein verständig Gesicht,
er mag es merken oder nicht,
ein freundlicher Strahl
des Wundersterns von dazumal.
Arno Holz 1863-1929
Und wieder nun lässt aus dem Dunkeln
Die Weihnacht ihre Sterne funkeln!
Die Engel im Himmel hört man sich küssen
Und die ganze Welt riecht nach Pfeffernüssen ...
So heimlich war es die letzten Wochen,
Die Häuser nach Mehl und Honig rochen,
Die Dächer lagen dick verschneit
Und fern, noch fern schien die schöne Zeit.
Man dachte an sie kaum dann und wann.
Mutter teigte die Kuchen an
Und Vater, dem mehr der Lehnstuhl taugte,
Sass daneben und las und rauchte.
Da plötzlich, eh man sich's versah,
Mit einem Mal war sie wieder da.
Mitten im Zimmer steht nun der Baum!
Man reibt sich die Augen und glaubt es kaum ...
Die Ketten schaukeln, die Lichter wehn,
Herrgott, was giebt's da nicht alles zu sehn!
Die kleinen Kügelchen und hier
Die niedlichen Krönchen aus Goldpapier!
Und an all den grünen, glitzernden Schnürchen
All die unzähligen, kleinen Figürchen:
Mohren, Schlittschuhläufer und Schwälbchen,
Elephanten und kleine Kälbchen,
Schornsteinfeger und trommelnde Hasen,
Dicke Kerle mit rothen Nasen,
Reiche Hunde und arme Schlucker
Und Alles, Alles aus purem Zucker!
Ein alter Herr mit weissen Bäffchen
Hängt grade unter einem Aeffchen.
Und hier gar schält sich aus seinem Ei
Ein kleiner, geflügelter Nackedei.
Und oben, oben erst in der Krone!!
Da hängt eine wirkliche, gelbe Kanone
Und ein Husarenleutnant mit silbernen Tressen –
Ich glaube wahrhaftig, man kann ihn essen!
In den offenen Mäulerchen ihre Finger,
Stehn um den Tisch die kleinen Dinger,
Und um die Wette mit den Kerzen
Puppern vor Freuden ihre Herzen.
Ihre grossen, blauen Augen leuchten,
Indess die unsern sich leise feuchten.
Wir sind ja leider schon längst »erwachsen«,
Uns dreht sich die Welt um andre Achsen
Und zwar zumeist um unser Büreau.
Ach, nicht wie früher mehr macht uns froh
Aus Zinkblech eine Eisenbahn,
Ein kleines Schweinchen aus Marzipan.
Eine Blechtrompete gefiel uns einst sehr,
Der Reichstag interessirt uns heut mehr;
Auch sind wir verliebt in die Regeldetri
Und spielen natürlich auch Lotterie.
Uns quälen tausend Siebensachen.
Mit einem Wort, um es kurz zu machen,
Wir sind grosse, verständige, vernünftige Leute!
Nur eben heute nicht, heute, heute!
Ueber uns kommt es wie ein Traum,
Ist nicht die Welt heut ein einziger Baum,
An dem Millionen Kerzen schaukeln?
Alte Erinnerungen gaukeln
Aus fernen Zeiten an uns vorüber
Und jede klagt: Hinüber, hinüber!
Und ein altes Lied fällt uns wieder ein:
O selig, o selig, ein Kind noch zu sein.
Else Lasker-Schüler 1869-1945
Weihnacht
Einmal kommst du zu mir in der Abendstunde
Aus meinem Lieblingssterne weich entrückt
Das ersehnte Liebeswort im Munde
Zündet meine weißen Lichte an.
Alle Zweige warten schon geschmückt.
»Wann« – ich frage seit ich dir begegnet – »wann?«
Einen Engel schnitt ich mir aus deinem goldenen Haare
Und den Traum, der mir so früh zerrann.
O ich liebe dich, ich liebe dich,
Ich liebe dich!
Hörst du, ich liebe dich – – –
Und unsere Liebe wandelt schon Kometenjahre,
Bevor du mich erkanntest und ich dich.
Theodor Storm 1817-1888
Weihnachten
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fern her Kirchenglocken
mich lieblich heimatlich verlocken
in märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
anbetend, staunend muß ich stehn;
es sinkt auf meine Augenlider
ein goldner Kindertraum hernieder,
ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.
Hermann Lingg 1820-1905
Weihnachtsgedicht
Für euch, o Kinder, blüht das Fest der Feste,
Was bringt's wohl diesmal? Welch ein Meer von Licht?
Könnt ihr's erwarten? Wisst, das Allerbeste,
Das habt ihr schon. Das ist's: ihr wisst's noch nicht.
Was wir zum Spiel, was wir zum Ernst euch geben,
als reine Freude gebt ihr’s uns zurück.
Das ist das Beste, dass es eurem Leben
noch Wahrheit ist und ungetrübtes Glück.
Noch goldne Früchte trägt an seinen Zweigen
Für euch der Tannbaum, der im Wintergraun
Und einsam steht im Wald mit ernstem Schweigen,
Auf den die goldnen Sterne niederschaun.
Ein ganzes Jahr mit vielen, vielen Tagen
Erglänzt an dieses Tages Widerschein.
Mög' jeder Ernst euch goldne Früchte tragen
Und jedes Spiel euch lehren, froh zu sein.
Paul Richter 1873-1945
Geschichte eines Pfefferkuchenmannes
Es war einmal ein Pfefferkuchenmann,
von Wuchse, groß und mächtig,
und was seinen innern Wert betraf,
so sagte der Bäcker: “Prächtig”.
Auf dieses glänzende Zeugnis hin
erstand ihn der Onkel Heller
und stellte ihn seinem Patenkind,
dem Fritz, auf den Weihnachtsteller.
Doch kaum war mit dem Pfefferkuchenmann
der Fritz ins Gespräch gekommen,
da hatte er schon – aus Höflichkeit –
die Mütze ihm abgenommen.
Als schlafen ging der Pfefferkuchenmann,
da bog er sich krumm vor Schmerze:
an der linken Seite fehlte fast ganz
sein stolzes Rosinenherze!
Als Fritz tags drauf den Pfefferkuchenmann,
besuchte, ganz früh und alleine,
da fehlten, o Schreck, dem armen Kerl
ein Arm schon und beide Beine!
Und wo einst saß am Pfefferkuchenmann
die mächtige Habichtsnase,
da war ein Loch! Und er weinte still
eine bräunliche Sirupblase.
Von nun an nahm der Pfefferkuchenmann
ein reißendes, schreckliches Ende:
Das letzte Stückchen kam schließlich durch Tausch
in Schwester Margeretchens Hände.
Die kochte als sorgfältige Hausfrau draus
für ihre hungrige Puppe
auf ihrem neuen Spiritusherd
eine kräftige, leckere Suppe.
Und das geschah dem Pfefferkuchenmann,
den einst so viele bewundert
in seiner Schönheit bei Bäcker Schmidt,
im Jahre neunzehnhundert.
Gustav Falke 1853-1916
Nun leuchten wieder die Weihnachtskerzen
Nun leuchten wieder die Weihnachtskerzen
und wecken Freude in allen Herzen.
Ihr lieben Eltern, in diesen Tagen,
was sollen wir singen, was sollen wir sagen?
Wir wollen euch wünschen zum heiligen Feste
vom Schönen das Schönste, vom Guten das Beste!
Wir wollen euch danken für alle Gaben
und wollen euch immer noch lieber haben.
Ada Christen 1939-1901
Hörst auch du die leisen Stimmen
Hörst auch du die leisen Stimmen
aus den bunten Kerzlein dringen?
Die vergeßenen Gebete
aus den Tannenzweiglein singen?
Hörst auch du das schüchternfrohe,
helle Kinderlachen klingen?
Schaust auch du den stillen Engel
mit den reinen, weißen Schwingen?...
Schaust auch du dich selber wieder
fern und fremd nur wie im Traume?
Grüßt auch dich mit Märchenaugen
deine Kindheit aus dem Baume?...
Anna Ritter 1865-1921
Weihnachten
Weißer Flöckchen Schwebefall,
Stille Klarheit überall,
Glockenklang und Schellenklingen,
Mäulchen, die vom Christkind singen,
Flammen, die von grünen Zweigen
Gläubig, strahlend aufwärts steigen,
Und im tiefsten Herzen drinnen
Ein Erinnern, ein Besinnen …
Neige dich, mein Herz, und bete,
Daß das Christkind zu dir trete,
Auch in deiner Schwachheit Gründen
Eine Flamme zu entzünden,
Die das Ringen Deiner Tage
Gläubig strahlend aufwärts trage.
Wilhelm Lobsien 1872-1947
Am Abend vor Weihnachten
Dämmerstille Nebelfelder,
Schneedurchglänzte Einsamkeit,
Und ein wunderbarer weicher
Weihnachtsfriede weit und breit.
Nur mitunter, windverloren,
Zieht ein Rauschen durch die Welt.
Und ein leises Glockenklingen
Wandert übers stille Feld.
Und dich grüßen alle Wunder,
Die am lauten Tag geruht,
Und dein Herz singt Kinderlieder,
Und dein Sinn wird fromm und gut.
Und dein Blick ist voller Leuchten,
Längst Entschlaf'nes ist erwacht ...
Und so gehst du durch die stille
Wunderweiche Winternacht.
Moritz Gottlieb Saphir 1795-1858
Am Heiligen Abend
Der Tag verschließt
die reiche Farbenquelle
und Dämmerung macht dem Heiligen Abend Raum.
Ein milder Streif
aus rosenroter Helle
fasst fern die Berge ein
in purpur Saum.
Die Nacht,
sie breitet ihren weichen Schleier
rings um die Erd,
wie um ein schlafend Kind.
Und wie ein Priester geht
zu hoher Tempelfeier
so schreitet still der Mond
durch Nacht und Wind.
Auf Erden auch
da glühen tausend Herzen
und bunte Lichter brennen überall.
Und Liebe strömet aus den offenen Herzen,
vergessen ist des Lebens Kampf und Qual.
Vergessen sind die Tränen grauer Stunden,
vergessen Krankheit, Sorge bittere Not.
Das Kind des Himmels
hat den Weg zu uns gefunden
und mit ihm kam
das neue Morgenrot.
Geh nie von uns
und mach uns stark für alles.
Für alles,
ob in Krankheit, Leid und Schmerz.
Mög uns das Kind des Himmels
Frieden schenken
und trösten
manch gequältes Menschenherz.
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Es gibt so wunderweiße Nächte
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929
Weihnacht
Weihnachtsgeläute
Im nächtigen Wind ...
Wer weiß, wo heute
Die Glocken sind,
Die Töne von damals sind?
Die lebenden Töne
Verflogener Jahr'
Mit kindischer Schöne
Und duftendem Haar,
Mit tannenduftigem Haar,
Mit Lippen und Locken
Von Träumen schwer? ...
Und wo kommen die Glocken
Von heute her,
Die wandernden heute her?
Die kommenden Tage,
Die wehn da vorbei.
Wer hörts, ob Klage,
Ob lachender Mai,
Ob blühender, glühender Mai? ...
Andreas Gryphius 1616-1664
Über die Geburt Jesu
Nacht, mehr denn lichte Nacht! Nacht, Lichter als der Tag!
Nacht, heller als die Sonn, in der das Licht geboren,
Das Gott, der Licht, in Licht wohnhaftig, ihm erkoren!
O Nacht, die alle Nächt und Tage trotzen mag!
O freudenreiche Nacht, in welcher Ach und Klag
Und Finsternis und, was sich auf die Welt verschworen,
Und Furcht und Höllen-Angst und Schrecken ward verloren!
Der Himmel bricht, doch fällt nunmehr kein Donnerschlag.
Der Zeit und Nächte schuf, ist diese Nacht ankommen
Und hat das Recht der Zeit und Fleisch an sich genommen
Und unser Fleisch und Zeit der Ewigkeit vermacht.
Der Jammer trübe Nacht, die schwarze Nacht der Sünden,
Des Grabes Dunkelheit muß durch die Nacht verschwinden.
Nacht, Lichter als der Tag! Nacht, mehr denn lichte Nacht!
Robert Eduard Prutz 1816-1872
Christnacht
Heil'ge Nacht, auf Engelsschwingen
nahst du leise dich der Welt,
und die Glocken hör' ich klingen,
und die Fenster sind erhellt.
Selbst die Hütte trieft von Segen,
und der Kindlein froher Dank
jauchzt dem Himmelskind entgegen,
und ihr Stammeln wird Gesang.
Mit der Fülle süßer Lieder,
mit dem Glanz um Tal und Höh'n,
Heil'ge Nacht, so kehrst du wieder,
wie die Welt dich einst gesehn,
da die Palmen lauter rauschten,
und, versenkt in Dämmerung,
Erd' und Himmel Worte tauschten,
Worte der Verkündigung.
Da, mit Purpur übergossen,
aufgetan von Gottes Hand,
alle Himmel sich erschlossen,
glänzend über Meer und Land;
da, den Frieden zu verkünden,
sich der Engel niederschwang,
auf den Höhen, in den Gründen
die Verheißung wiederklang;
Da, der Jungfrau Sohn zu dienen,
Fürsten aus dem Morgenland
in der Hirten Kreis erschienen,
Gold und Myrrhen in der Hand!
Da mit seligem Entzücken
sich die Mutter niederbog,
sinnend aus des Kindes Blicken
nie gefühlte Freude zog.
Heil'ge Nacht, mit tausend Kerzen
steigst du feierlich herauf,
o, so geh' in unsern Herzen,
Stern des Lebens, geh' uns auf!
Schau, im Himmel und auf Erden
glänzt der Liebe Rosenschein:
Friede soll's noch einmal werden
und die Liebe König sein!
Franz Hecker, Weihnachtsabend
Franz Hecker (1870-1944) war ein deutscher Maler und Graphiker. Seine Ausbildung erhielt er von 1890 bis 1893 an der Kunstakademie Düsseldorf, an der er unter anderem Fritz Overbeck, Otto Modersohn
und Heinrich Vogeler kennenlernte und seither oft die Künstlerkolonie Worpswede besuchte.
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
Der armen Kinder Weihnachtslied
Hört, schöne Herrn und Frauen,
Die ihr im Lichte seid:
Wir kommen aus dem Grauen,
Dem Lande Not und Leid;
Weh tun uns unsre Füße
Und unsre Herzen weh,
Doch kam uns eine süße
Botschaft aus Eis und Schnee.
Es ist ein Licht erglommen,
Und uns auch gilt sein Schein.
Wir habens wohl vernommen:
Das Christkind ist gekommen
Und soll auch uns gekommen sein.
Drum gehn wir zu den Orten,
Die hell erleuchtet sind,
Und klopfen an die Pforten:
Ist hier das Christuskind?
Es hat wohl nicht gefunden
Den Weg in unsre Nacht,
Drum haben wir mit wunden
Füßen uns aufgemacht,
Daß wir ihm unsre frommen
Herzen und Bitten weihn.
Wir habens wohl vernommen:
Das Christkind ist gekommen
Und soll auch uns gekommen sein.
So laßt es uns erschauen,
Die ihr im Lichte seid!
Wir kommen aus dem Grauen,
Dem Lande Not und Leid;
Wir kommen mit wunden Füßen,
Doch sind wir trostgemut:
Wenn wir das Christkind grüßen,
Wird alles, alles gut.
Der Stern, der heut erglommen,
Gibt allen seinen Schein:
Das Christkind ist gekommen! -
Die ihr es aufgenommen,
O, laßt auch uns zu Gaste sein!
Joseph Freiherr von Eichendorff 1788-1857
Weihnachten
Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh' ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in's freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!
Friedrich Rudolph Ludwig von Canit 1654-1699
Christus in der Krippen
Das Kind, das dort in Heu und Stroh verstecket lieget,
Und dem das tumme Vieh aus seiner Wiegen frißt,
Ist grösser als die Welt, weil es Gott selber ist,
Der über Höll' und Tod in seiner Armuth sieget.
Was mag die Ursach seyn, daß Er so schlecht erschienen?
Es könnt ihm ja ein Thron seyn von Saphir bereit,
Sein Lager mit dem Glantz der Sternen überstreut,
Warum bedient Ihn nicht ein Heer von Cherubinen?
Kaum findet sich ein Raum den Heyland zu bewirthen;
Die Krippe wird sein Bett', ein Stall ist sein Pallast;
Wenn Er die keusche Brust der Mutter hat umfaßt,
So hält Er sein Bancket, sein Hoff besteht aus Hirten.
Ihr Grossen, die ihr euch als Götter laßt verehren,
Die ihr von eurem Stuhl aus Diamanten blitzt,
Und, eurer Meinung nach, dem Himmel näher sitzt,
Als die, so Menschen sind, diß will euch etwas lehren:
Der Höchste spottet hier der Güter dieser Erde,
Die offt ein Sterblicher für seinen Himmel hält,
Und zeiget euch dabey, daß, wenn es ihm gefällt,
Der Purpur uns zu Heu, und Heu zu Purpur, werde.
Friedrich Hebbel 1813-1863
Die Weihe der Nacht
Nächtliche Stille!
Heilige Fülle,
Wie von göttlichem Segen schwer,
Säuselt aus ewiger Ferne daher.
Was da lebte,
Was auf engem Kreise
Auf in's Weit'ste strebte,
Sanft und leise
Sank es in sich selbst zurück
Und quillt auf in unbewusstem Glück.
Und von allen Sternen nieder
Strömt ein wunderbarer Segen,
Dass die müden Kräfte wieder
Sich in neuer Frische regen,
Und aus seinen Finsternissen
Tritt der Herr, so weit er kann,
Und die Fäden, die zerrissen,
Knüpft er alle wieder an.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Weihnachten
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit.
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
schöne Blumen der Vergangenheit.
Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
dass die kleinste Welt die größte ist.
Philipp Nicolai 1556-1608
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
Wach auf du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde!
Sie rufen uns mit hellem Munde:
Wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräut'gam kommt,
Steht auf, die Lampen nehmt!
Halleluja!
Macht euch bereit zu der Hochzeit;
Ihr müsset ihm entgegengehn!
Zion hört die Wächter singen,
Das Herz tut ihr vor Freude springen,
Sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,
Von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig;
Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
Nun komm, du werte Kron,
Herr Jesu, Gottes Sohn!
Hosianna!
Wir folgen all zum Freudensaal
Und halten mit das Abendmahl.
Gloria sei dir gesungen
Mit Menschen- und mit Engelzungen,
Mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf Perlen sind die Tore,
An deiner Stadt; wir stehn im Chore
Der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug hat je gespürt,
Kein Ohr hat mehr gehört
Solche Freude.
Deß sind wir froh! jo! jo! jo!
Ewig in dulci jubilo!
Friedrich Rückert 1788-1866
Einladung auf Weihnachten
Jeder kann sich die Welt betrachten
Zur Lenzfeier auf seine Weise,
Aber das Winterfest Weihnachten
Ist gemacht für Familienkreise.
Da nun solch einen Kreis du missest,
Sei geladen in meinen frommen,
Daß du unter den Kindern wissest,
Wozu Christ in die Welt gekommen.
Laß dich nicht reun die wenigen Meilen,
Durch Windweben ein rüstiger Schreiter;
Um die festliche Luft zu theilen,
Reist man im kältern Schweden noch weiter.
Wenig fördert beim spärlichen Lichte
Jetzt die Arbeit, die volles fodert.
Bring, wie du pflegst, uns eine Geschichte,
Daß der Kamin uns heller lodert.
Komm aus der Still’, um im Saus und Brause
Mich zu trösten von all den Buben,
Die mir der Winter hält in der Klause,
Daß eng werden die weiten Stuben.
Theile des häuslichen Glücks Genüsse,
Sieh, vom geputzten Zweige der Tannen
Wie sie schlagen die goldnen Nüsse;
Wenn du genug hast, gehst du von dannen.
Aber ich muß, in Fessel geschlagen,
Des erlösenden Frühlings warten,
Um mit gutem Gewissen zu sagen:
Marscht nun, Buben, und lärmet im Garten!
Friedrich von Spee 1591–1635
Ein kurtz Poëtisch Christ-Gedicht,
vom Ochß, vnd Eselein bey der Krippen
1.
Der Wind auff lären strassen
Streckt auß die flügel sein:
Streicht hin gar scharpff ohn massen/
Zur Bethlems krippen ein;
Er bru ilet hin/ vnd wider
Der fliegend winter-bott/
Greifft an die gleich/ vnd glieder
Dem frisch vermenschten Gott.
2.
Ach/ ach/ laß ab von brausen/
Laß ab/ du schnöder wind:
Laß ab von kaltem sausen/
Vnd schon dem schönen kind.
Vielmehr du deine Schwingen
Zerschlag im wilden Meer/
Alda dich satt magst ringen
Kehr nur nit wider her.
3.
Mit dir nun muß ich kosen/
Mit dir/ O Joseph mein/
Daß futter misch mit rosen
Dem Ochß/ vnd Eselein/
Mach deinen frommen Thieren
So lieblichs misch-gemüß/
Bald/ bald/ ohn zeit verlieren/
Mach jhn den athem süß.
4.
Drauff blaset her/ jhr beyden/
Mit süssem Rosen-wind;
Ochß/ Esel wol bescheiden/
Vnd wärmets nacket kind.
Ach blaset her/ vnd hauchet/
Ahà/ ahà/ ahà.
Fort/ fort/ euch weidlich brauchet/
Ahà/ ahà/ ahà.
Theodor Fontane 1819-1898
Ruhig sein...
Ruhig sein, nicht ärgern, nicht kränken,
Ist das allerbeste Schenken;
Aber mit diesem Pfefferkuchen
Will ich es noch mal versuchen.