BuchKult
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Bettet doch alte Menschen weich und warm und lasset sie recht genießen, denn weiter vermögen sie nichts mehr; und beschert ihnen gerade im Lebens-Dezember und in ihren längsten Nächten Weihnachtsfeiertage und Christbäume: sie sind ja auch Kinder, ja Zurückwachsende.

Jean Paul 1763-1825

 

In einer so beschaffenen Welt gleicht der, welcher viel an sich selber hat, der hellen, warmen, lustigen Weihnachtsstube, mitten im Schnee und Eise der Dezembernacht.

Arthur Schopenhauer 1788-1860

 

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Albert Edelfelt, December Day
Albert Gustaf Aristides Edelfelt (1854-1905) war ein finnlandschwedischer Maler und Graphiker.

Heinrich Hoffmann 1809-1894

Dezember

 

Er ist der letzte von zwölf Brüdern,

Des Jahres Pforte schließt er zu.

Was du gewonnen hast an Gütern

Und was verloren, zähle du!

Doch wäge strenger und besonnen,

Und schließ genaue Rechnung ab,

Was du an Weisheit hast gewonnen,

Und was an Torheit sich ergab.

 

 

Breviarium Grimani, Dezember
Breviarium Grimani, Stundenbuch des Domenico Grimani, Das berühmte Breviarium Grimani mit über 1600 durchgehend illuminierten Seiten gilt als eines der schönsten Zeugnisse der flämischen Buchmalerei des frühen 16. Jahrhunderts.
 

 

Très Riches Heures, Décembre
Très Riches Heures - Die Brüder von Limburg (Paul, Johan und Herman) waren niederländische Miniaturmaler. Das Stundenbuch des Herzogs von Berry (französisch Les Très Riches Heures du Duc de Berry bzw. kurz Très Riches Heures) ist das berühmteste illustrierte Manuskript des 15. Jahrhunderts.

 

Ciclo dei mesi, 12 dicembre 2, Trento, Castello del Buonconsiglio, Torre del'Aquila

Erich Kästner 1899-1974

Dezember

 

Das Jahr ward alt. Hat dünnes Haar.

Ist gar nicht sehr gesund.

Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.

Kennt gar die letzte Stund.

 

Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.

Ruht beides unterm Schnee.

Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.

Und Wehmut tut halt weh.

 

Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.

Nichts bleibt. Und nichts vergeht.

Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.

Nützt nichts, dass man’s versteht.

 

Und wieder stapft der Nikolaus

durch jeden Kindertraum.

Und wieder blüht in jedem Haus

der goldengrüne Baum.

 

Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,

wie hold Christbäume blühn.

Hast nun den Weihnachtsmann gespielt

und glaubst nicht mehr an ihn.

 

Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.

Dann dröhnt das Erz und spricht:

„Das Jahr kennt seinen letzten Tag,

und du kennst deinen nicht.“

 

 

Da Costa hours - Dezember Schwein-Schlachten
Das Stundenbuch von Da Costa ist ein illuminiertes Stundenbuch von 1515, das sich jetzt in der Morgan Library and Museum in New York befindet.
 

 

Wolfgang Kilian, Die Zwölff Monadt des Jarres, 1617, 12 December
Wolfgang Kilian (1581-1663) war ein deutscher Kupferstecher und Verleger.

Dr. Owlglass* 1873-1945

Im Dezember

 

So kurz der Tag, das Herz so eng!

Die arme Seele packt ein Grauen.

Ich klettere ins Souterrain,

um mich nach Hilfe umzuschauen.

 

In einer dunklen Ecke stehn

beziehungsweise besser: liegen

der Glasgemäße zirka zehn,

in sich gekehrt, verstaubt, verschwiegen.

 

Die Stillen hab’ ich stets gemocht,

so untertags wie mitternächtig.

Wer schwatzend auf sich selber pocht,

ist mir von vornherein verdächtig.

 

Steig’ heute drum mit mir ans Licht,

aus Erlau du im Ungarlande!

Wir reden nicht und deuten nicht.

Wir schweigen — aber mit Verstände.

 

Wir schließen innigen Kontakt,

ich und der alte rote Heune,

bis er und ich ins Nichts versackt...

Nun sind es leider bloß noch neune!

 

*dt. Eulenspiegel, eigentlich Hans Erich Blaich

 

Peter Candid, December, aus Die Monate, Kupferstich
Peter Candid (um 1548 - 1628; auch Pietro Candid; eigentlich Pieter de Witte, lat. Petrus Candidus) war ein flämischer Maler und Grafiker, der in Florenz und in München wirkte.

 

Jan Gerritsz Sweelink, December
Jan Gerritsz Sweelink (ca.1601-1660) war ein niederländischer Zeichner.

Egidius Sadeler, December
Egidius Sadeler (auch Aegidius Sadeler; * um 1570-1629) war ein flämischer Maler und Kupferstecher am Hofe Rudolf II. in Prag.

Hans Sachs 1494-1576

Christmon, der 12 monat

 

December so nendt man mich eh.

Ich bring gar kalt wind, eiß und schnee.

Gar wol thun peltz und warme stuben.

Auff dem eyß da schleiffen die buben.

ie burger faren auff dem schlitten.

Die bawren sich der rotseck nieten,

Füllen mit würsten weib und kinder,

Stechen darnieder sew und rinder,

Die sie ein-saltzen und auff-hangen,

Darmit die erndt sie erlangen.

Hecht ißt man inn dem monat gern,

Wiewol sie dir den peutel lern.

Lucia bringt die lengsten nacht,

Da sich umbwendt die sunn mit macht.

Und wenn es legt ein newen schnee,

So gschicht füchsen und hasen wee.

Die bawren mit knechten und buben

Die machen viel tieffer wolffs-gruben.

Thome so hebt man auff die recht.

Der grossen weck freut sich manch knecht.

Die sunn geht in des stainpocks horn.

Welch kind wirt in der zeit geborn,

Ist schwartz und praun von angsicht gar,

Hat weyte augen, ein krauß har,

Ein dicken hals, ein hohe prust,

Eins grossen leibs und mager sust,

Klein schenckel, doch von sinnen gütig,

Weibisch, unstet und wanckelmütig.

Rodt und schwartz seine farben send.

So hat das zeit-register end.

 

 

Joachim von Sandrart der Ältere,

Der Monat Dezember
Joachim von Sandrart der Ältere (1606-1688) war ein deutscher Maler, Kupferstecher, Kunsthistoriker und Übersetzer.
 

 

Hans Thoma, Dezember, aus: Festkalender
Hans Thoma (1839-1924) war ein deutscher Maler und Grafiker.

Georg Philipp Harsdörffer 1607-1658

Lied - Von dem Christmonat

 

Das Aug der Welt ist dieser Zeit

entfernet weit /

und muß fast alles frieren;

das Feld ist wie ein alter Greiß

voll weisses Eiß;

die Kräfften sich verlieren.

Der weisse Schnee bedeckt den Klee;

ein hartes Dach

bebrückt den Bach /

den Winter zu vollführen.

 

Doch wendet sich der Sonnenschein

und tritt gleich ein

in deß Steinbockes Zeichen.

Dadurch sie wieder kehrt zurück;

mit schwachem Blick

wird sie nun zu uns weichen.

Es wächst die Kält /

das Feur erhält

die armen Leut in Winters Zeit /

den Frühling zu erreichen.

 

Indem die Sonne nordwärts geht

und ferne steht /

so wollen wir uns freuen:

Die Sonne der Gerechtigkeit ist nun nicht weit /

wann wir die Sünd bereuen.

Das Jesulein

wil bey uns seyn;

die heilge Nacht hat Heil gebracht!

wenn wir uns nur erneuen.

 

Deß Feldes Wollen-weisses

Kleid verhüllt die Weid/

das Menschen-Volck zu lehren:

daß ihnen gleiche weisse Tracht

in guter Acht

der Höchste wil bescheren.

Das Erden-Land

ist Spott und Schand /

Gott wird behend

und sonder End

das Leid in Freude kehren!

 

Inzwischen preiset Gottes Sohn/

den Gnaden Thron /

der sich zu uns geneiget:

Es ist der Heiland jeder Seel /

Immanuel: der kan die Feinde beugen.

Steht Er uns bey /

so sind wir frey

von aller Noth. Ja!

in dem Tod

wird Er uns Gnad erzeigen!

 

George Clausen, December
George Clausen (1852-1944) war ein britischer Künstler, der mit Öl und Aquarell, Radierung, Mezzotinta, Trockenpunkt und gelegentlich Lithografien arbeitete.

Karl Röttger 1877-1942

Des Wunders lächelnd staunend, das geschah

 

Des Wunders lächelnd staunend, das geschah,

Stand ich am Morgen leise fröstelnd, sah

Die Heide blitzend, funkelnd, übersät;

Als die Dezembersonne mild und spät

Hinter den Kiefern aufstieg ... Silberblinken,

Glitzern und Blitzen aller Nähe, Weite

Im Winterlicht ... Und bronzen ein Geläute

Vom Dorf her: – Morgenglocken; – und ein Winken

Des Horizontes blauzart; fernklar, fein:

Wie hingehaucht. Und eine Stille dann

Fing durch das Strahlende zu wandern an,

Und fand auf weißen Wegen sich allein. ...

O, ganz allein.

 

Luigi Loir, The Seine in december
François-Joseph Luigi Loir (1845-1916) war ein französischer Maler, der durch die Darstellung alltäglicher Szenen des Pariser Lebens aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert berühmt wurde.

Franz Grillparzer 1791-1872

Dezemberlied

 

Harter Winter, streng und rauch,

Winter, sei willkommen!

Nimmst du viel, so gibst du auch,

Das heißt nichts genommen!

 

Zwar am Äußern übst du Raub,

Zier scheint dir geringe,

Eis dein Schmuck, und fallend Laub

Deine Schmetterlinge,

 

Rabe deine Nachtigall,

Schnee dein Blütenstäuben,

Deine Blumen, traurig all

Auf gefrornen Scheiben.

 

Doch der Raub der Formenwelt

Kleidet das Gemüte,

Wenn die äußere zerfällt,

Treibt das Innere Blüte.

 

Die Gedanken, die der Mai

Locket in die Weite,

Flattern heimwärts kältescheu

Zu der Feuerseite.

 

Sammlung, jene Götterbraut,

Mutter alles Großen,

Steigt herab auf deinen Laut,

Segenübergossen.

 

Und der Busen fühlt ihr Wehn,

Hebt sich ihr entgegen,

Lässt in Keim und Knospen sehn,

Was sonst wüst gelegen.

 

Wer denn heißt dich Würger nur?

Du flichst Lebenskränze,

Und die Winter der Natur

Sind der Geister Lenze!

 

 

Samuel John Birch, December
Samuel John Birch (1869-1955) war ein britischer Maler des Spätimpres-sionismus

Hermann Lingg 1820-1905

Dezember

 

Wenn über Wege, tief verschneit,

der Schlitten lustig rennt,

im Spätjahr, in der Dämmerzeit,

die Wochen im Advent,

wenn aus dem Schnee das junge Reh

sich Kräuter sucht und Moose,

blüht unverdorrt im Frost noch fort

die weisse Weihnachtsrose.

 

Kein Blümchen sonst auf weiter Flur;

in ihrem Dornenkleid

nur sie, die nied're Distel nur,

trotzt allem Winterleid.

Das macht, sie will erwarten still

bis sich die Sonne wendet,

damit sie weiss, dass Schnee und Eis

auch diesmal wieder endet.

 

Doch ist's geschehn, nimmt fühlbar kaum

der Nächte Dunkel ab,

dann sinkt mit einem Hoffnungstraum

auch sie zurück ins Grab.

Nun schläft sie gern; sie hat von fern

des Frühlingsgruss vernommen,

und o wie bald wird glanzumwallt

er sie zu wecken kommen.

 

Ivan Veltz, Beginning of Winter
Ivan Avgustovich Veltz (1866-1926) war ein russischer Maler.

Karl Gottlieb Lappe 1773-1843

Dezember-Abend

 

Blut trank der Mond und taucht herauf

Aus rotem Wogenbrennen,

Den heute freudelosen Lauf,

Gejagt vom Sturm zu rennen.

 

Tiefblau und grau, wie Asche fahl,

Mit ausgewischten Farben,

Hängt tot und leer der Wolkensaal,

Dem alle Sterne starben.

 

Da flammt's empor, gespensterhaft,

Graß, wie Kometenruten.

Doch rasch von Wirbeln fortgerafft,

Erblassen Licht und Gluten.

Frostkönig übt Despotenmacht,

Will seinen Thron nicht teilen. --

Lass dich die herbe Winternacht

Im Freien nicht ereilen.

 

Fleuch an der Hütte trauten Herd,

Wo lust'ge Lohen prasseln,

Wann's draußen wie mit Rädern fährt,

Und alle Scheiben rasseln. --

Wer weiß ein Märchen, schaurigschön,

Dass sich die Haare sträuben?

Den Fensterlärm, das Dachgedröhn'

Erwünscht zu übertäuben.

 

August Allebé, December
August Allebé (1838-1927) war ein niederländischer Künstler und Lehrer.

Edvard Diriks, Desemberdag ved Drøbak, Nasjonalmuseet
Karl Edvard Diriks (1855-1930) war ein norwegischer Maler.

Georg Bötticher 1849-1918

Dezember

 

Der schönste Monat doch im Jahr

Bleibt der Dezember, das ist klar.

Was gibt es, das uns mehr erfreut,

als die geliebte Weihnachtszeit?

 

Die Klingel tönt: es glänzt der Baum,

die Kinder stehen wie im Traum . . .

O schöne Nacht, o sel`ge Nacht,

die uns den heiligen Christ gebracht!

 

Paul Cornoyer, December, Gloucester
Paul Cornoyer (1864-1923) war ein amerikanischer Maler.

Josef Weinheber 1892-1945

Dezember

 

Im Stall bei Esel, Ochs und Rind

zur Nacht geboren ward das Kind.

Und wieder still wie ehedem

der Stern leucht' über Bethlehem.

Gott in der Höh sei Preis und Ehr,

und Fried den Menschen weit umher.

Gevatter, schlachte du ein Schwein,

back Honigbrot, fahr auf den Wein

und heiz die Stuben nach Gebühr,

daß uns das Kindlein ja nicht frier!

Wir feierns mit bei Trunk und Schmaus:

Die Glock schlägt zwölf — Das Jahr ist aus.

 

 

 

December, aus Sarah Williams, Through the year with birds and poets, Lee and Shepard, 1900

Ernst Blass 1890-1939

Dezembermarsch

 

Die Gartengänge hauchen dunkle Schatten.

Feucht und beklemmend ist die Abendluft.

Man räuspert sich und schlägt den Kragen hoch.

 

Schon vor drei Jahren kamst du in die Gruft

Von denen fort, die dich gekannt noch hatten.

 

Wir kannten uns als kleine Sekundaner.

Der Duft des Winters ätzt und ist ein Mahner.

Im Blick den Widerglanz des Sonnenstrahls

Sprachst du vom Tode, ... längs des Spreekanals.

 

Und schwatztest angstlos schwere Träumerein

Und dumpf und immer gütig im Gewähren ...

Ein Fahrrad führten oft die Hände dein.

Mein Leben kann noch viele Stunden währen.

 

Franz Melchers, Het jaar - December
Franz Melchers (1868-1944) ein niederländischer Maler, Designer und Kupferstecher deutscher Herkunft, der hauptsächlich in Belgien und den Niederlanden Karriere machte.

Rudolf G. Binding 1867-1938

Dezember

 

In kurzen Tagen sacht,

durch langer Nächte Macht

wird still zum End gebracht

    jährliche Bahn.

 

Doch Liebe endet nicht.

Noch in der Dunkelschicht

sucht sie das neue Licht –

    hebt neu sie an.

 

 

Willem de Gheyn, Les mois de l'année, Décembre
Guilliam (Guillaume; Willem) de Gheyn (Gein; Geyn) (1610 - nach 1650) war ein niederländischer Kupferstecher, Zeichner und Maler.
 

 

Les Douze mois de l'année, Décembre
 

Josef Weinheber 1892-1945

Dezember

 

Es riecht nach Sterben. In den schwarzen Baum

fällt stumm, unheimlich stumm, ein Krähenflug.

Der Himmel ist ein müder alter Mann

mit einer Stirn, darauf der bleiche Traum

von drüben steht.

Tief geht durch allen Raum

ein Beben wie ein letzter Atemzug -

Dann hebt die große Ruhe an.

 

1917

 

Ivan Veltz, Beginning of Winter
Ivan Avgustovich Veltz (1866-1926) war ein russischer Maler.

 

Theodor Kittelsen, Months of the Year - December
Theodor Severin Kittelsen (1857-1914) war ein norwegischer Künstler.

Heinrich Freimuth 1836-895

An den 21. Dezember

 

Dir sing' ich den Hymnus, du kürzester Tag,

Den der Schöpfer im Zorn sich erdacht haben mag!

Du Däumling des Jahrs, du verpfuschter Gesell,

Eine spanne nur hoch ist dein Jammergestell,

Und schleppst einen nachtschwarzen Mantel dazu,

— Meiner Seel'! — der schier dreimal so lang ist als du;

Und doch sei willkommen! Den Bürgern der Erden

Ja rufst du: „Es kann nun nicht finst'rer mehr werden!"

 

Sie all', die dich schelten, verstehen dich nicht —

Dir schimmert durchs grämliche Angesicht,

Durch die graue, verrunzelte, schmutzige Haut

Line sonnige Welt, von Azur umblaut!

Komm', laß dich segnen und benedei'n;

Was hinter dir kommt, lassen gern wir herein;

Romin', laß dich begrüßen aus Humpen und Bowlen;

Was vor dir war — der T — soll's holen!

 

Denn vor dir war Welken von Blumen und Laub,

Am wonnigen Licht der alljährliche Raub;

Die Sonne erstarret zu goldenem Eis;

Die Sänger gehetzt von Dach und Reis;

Vom sturme im Wald, von der Hippe im Feld

Zum Grabe gemäht diese herrliche Welt!

O über das endlose Abschiednehmen!

O über des einsamen Herzens Grämen!

 

Doch hinter dir kommt der Weihnachtsbaum,

Der ewig grünende Hoffnungstraum —

Und hinter dir kommt das neue Jahr:

Mach's unser bestes Hoffen wahr!

Und hinter dir kommt die goldene Zeit,

Da grünen die Gräber im Lande weit,

Da blühen die Blumen, da steigen die Ähren,

Da heilen die Wunden, die tiefen, die schweren.

 

Drum dir diesen Hymnus, du Däumling von, Jahr,

Des Acht mir beständig am teuersten war!

Langweil'ger Geselle, so komm' denn hervor,

Du bringst mir ja wieder den alten Humor:

"Es kann nun nicht finst'rer mehr werden!" — Juchhei!

Drauf schmett're ich selig die Lampe entzwei;

Drauf grüß' ich dich einsam aus duftender Vowle:

Was vor dir war — daß der T — es hole!

 

 

Theo van Hoytema, De maanden, 1902, December
Theo van Hoytema, Theodorus van Hoytema oder Hoijtema (1863-1917) war ein niederländischer Maler, Lithograph und Illustrator, der sich der Darstellung von Vögeln widmete.
 

 

Eugène Grasset, La Belle Jardinière, 1896, Decembre
Eugène Samuel Grasset (1845-1917) war ein schweizerisch-französischer Bildhauer, Maler und Illustrator der Belle Époque und Wegbereiter des Jugendstils.
 

Johanna Baltz 1849-1918

Wintersonnenwende

 

Nun geht das alte Jahr zu Ende;

Die Zeit der Wintersonnenwende

Hüllt Feld und Wald in lichtes Weiß.

Die Tannen frühlingsgrün nur ragen,

Doch ihre stolzen Häupter tragen

Ein flimmernd Diadem von Eis.

 

Es sinkt die Nacht; die Stunden rinnen,

Die ihren dunkeln Mantel spinnen;

Kein Stern hält heute treue Wacht;

Die Eichenwipfel weh’n im Sturme,

Und durch den Wald vom nahen Thurme

Dröhnt laut es zwölfmal: – Mitternacht!

 

Da legt es sich, da raunt’s, da flüstert’s!

Da schleicht’s, da springt es und da knistert’s!

Die Sonnenwende übt ihr Recht.

Lebendig werden Busch und Hecken,

Es schlüpft aus mancherlei Verstecken

Der Zwerge winziges Geschlecht.

 

Die Grubenlämpchen glühn und flimmern;

Den Wald, o Wunder! hat ihr Schimmern

verwandelt in ein Feenreich.

Wo eben mitternächtig Dunkel,

Herrscht zauberhaftes Glanzgefunkel,

Sich spiegelnd im beeisten Teich.

 

Hier spielt’s in feinen Birkenzweigen,

Die zierlich erdenwärts sich neigen,

Wie farbenbunter Demantglanz.

Dort sprüht es bläulich aus dem Moose,

Roth, wie der Kelch der wilden Rose

Flammt in dem Gras ein Purpurkranz.

 

Wo zack’gen Eises nur ein Glöckchen,

Wo weißen Schnees nur ein Flöckchen,

Bricht tausendfacher Glanz hervor.

Und horch! der Wundernacht zum Preise

Tönt durch den Wald die frohe Weise

Des Zwergenvölkchens muntrer Chor:

 

„Hei, längste Nacht! Hei, Sonnenwende!

Gesellen, rührt Euch, seid behende,

Weihnachten naht, der Liebe Fest!

Ihm tönet Preis von allen Zungen,

Zu uns auch ist herabgedrungen

Der Jubelgruß aus Ost und West!

 

Schafft Tannen her zu Weihnachtsbäumen,

Davon die jungen Herzen träumen,

Und Beeren roth vom Stacheldorn!

Auch Moos fürs Kripplein bringt zur Stelle;

Bald tönt Knecht Ruprechts Silberschelle,

Die Säumigen bedroht sein Zorn!

 

Christkindlein setzt ihn uns zum Meister,

Alljährlich ruft die kleinen Geister

Er aus verborgnem Felsennest.

Hei, längste Nacht! Hei, Sonnenwende!

Gesellen, rührt Euch, seid behende –

Weihnachten naht, der Liebe Fest!“ –

 

Das ist ein Bücken, Klettern, Biegen!

Es klingt die Axt, die Späne fliegen;

Sie gönnen sich nicht Rast, noch Ruh.

Und bei der Arbeit, welch Frohlocken!

Rothkehlchen schauen unerschrocken

Dem Liebeswerk der Zwerge zu.

 

Und wißt, die haben’s ausgeplaudert!

Ich aber habe nicht gezaudert

Und schildert’s Euch in Bild und Lied.

Das biet’, Ihr lieben guten Leute,

Ich Euch als Weihnachtsgabe heute –

Doch sagt nicht, daß ich’s Euch verrieth!

 

aus: Die Gartenlaube 1888/49

 

 

Joseph J. Gould, Lippincott's December, 1895
Joseph J. Gould (1880-1935) war ein US-amerikanischer Künstler.
 

 

December, 1922, New York Public Library

 

Edward Penfield, Harper’s Christmas, December 1894
Edward Penfield (1866-1925) war ein amerikanischer Illustrator.

Jakob Schiff 1852-1901

Winter-Sonnwend-Fest

 

Nun bedeckt der Schnee die Fluren weit und breit;

Der Wald, das Feld, der Garten sind verschneit,

Ein Leichentuch liegt auf der Erde.

Doch wissen wir, darunter formt sich still

Die Pflanze, die zum Lichte dringen will,

Und hofft, dass holder Frühling kommen werde.

 

Ringsum herrscht Friede. Froher Festestraum

Weht durch die Welt. Den trauten Tannenbaum

Ziert Lichterschmuck und Liebesspende.

Horch – Glockenklang! Ein würdiger Choral

Schwebt sanft verhallend über Berg und Tal –

Das ist die Zeit der Wintersonnenwende!

 

Du müdes Menschenherz, vom Leid erfasst,

Aufstöhnend unter bittrer Sorgen Last,

Du sollst dich nicht verloren wähnen!

Schon keimt der Trost, der künftig dich beglückt,

Die Liebe waltet, die den Lenz dir schmückt:

Ein Freudensonnenstrahl trinkt deine Tränen.

 

Verzage nicht! Sei stark und fasse Mut!

Gewiss, es wird noch alles, alles gut,

Und jeder Kummer hat ein Ende!

Die Hoffnung gießt, das wahre Weihnachtskind,

In alle Seelenwunden Balsam lind

zur Wonnezeit der Wintersonnenwende!

 

Ester Almqvist, The Sawmill, December sun, 1914, Malmö Art Museum
Ester Dorothea Almqvist (1869-1934) war eine schwedische Künstlerin, die eine Pionierin der expressionistischen Malerei in Schweden war.

Albert Gottschalk, La Citadelle en décembre, 1884, Copenhagen, Statens Museum for Kunst
Albert Gottschalk (1866-1906) war ein dänischer Maler.

Christian Morgenstern 1871-1914

Ein Weihnachtslied

 

Wintersonnenwende!

Nacht ist nun zu Ende!

Schenkest, göttliches Gestirn,

neu dein Herz an Tal und Firn!

 

O der teuren Brände!

Hebet hoch die Hände!

Lasset uns die Gute loben!

Liebe, Liebe, Dir da droben!

 

Wintersonnenwende!

Nacht hat nun ein Ende!

Tag hebt an, goldgoldner Tag,

Blühn und Glühn und Lerchenschlag!

 

O du Schlummers Wende!

O du Kummers Ende!

 

Paul Cornoyer, December, Gloucester
Paul Cornoyer (1864-1923) war ein amerikanischer Maler.

Ernst Lissauer 1882-1927

Nach der Wintersonnenwende

 

Dann kommt ein Tag, du bist wie aufgewacht,

Vorüber ist die längste Nacht,

Du fühlst wie Frühling an die Augen wehen,

Von neuem hebst du an zu sehen,

Es ist noch nichts geschehen,

Und doch ist dir, du habest viel vollbracht.

 

Adalbert Holzer, Des Jahres letzte Stunde, Künstler-AK
Adalbert Holzer (1881-1966) war ein deutscher Maler.

Richard von Schaukal 1874-1942

Am letzten Tage des Jahres

 

Gehst zu Ende, trübes Jahr,

schwindest zu den grauen Müttern,

deren scharrendes Erschüttern

dich zu karger Frist gebar.

 

Und auf den gelähmten Schwingen

lastet dir gehäuftes Leid,

dauernde Vergangenheit,

der wir nimmer uns entringen.

 

Aber schon ein schwacher Schein

hinter dem gebückten Rücken

nimmt uns, nie genug zu drücken,

gern betörte Hoffer ein.

 

 

Olga

Wisinger-Florian, December, 1894, Wien, Musée Léopold Collection privée
Olga Wisinger-Florian (1844-1926) war eine österreichische Malerin des Impressionismus.

Georg Heym 1887-1912

Mitte des Winters

 

Das Jahr geht zornig aus. Und kleine Tage

Sind viel verstreut wie Hütten in den Winter.

Und Nächte ohne Leuchten, ohne Stunden,

Und grauer Morgen ungewisser Bilder.

 

Sommerzeit, Herbstzeit, alles geht vorüber,

Und brauner Tod hat jede Frucht ergriffen.

Und andre kalte Sterne sind im Dunkel,

Die wir zuvor nicht sahn vom Dach der Schiffe.

 

Weglos ist jedes Leben. Und verworren

Ein jeder Pfad. Und keiner weiß das Ende,

Und wer da suchet, daß er Einen fände,

Der sieht ihn stumm und schüttelnd leere Hände.

 

Alfred Sisley, Between Veneux and By - December Morning, 1882
Alfred Arthur Sisley (1839-1899) war ein englischer Maler des Impressionismus, der in Frankreich lebte und wirkte.
 

Else Lasker-Schüler 1869-1945

Letzter Abend im Jahr

 

Es ist so dunkel heut,

Man kann kaum in den Abend sehen.

Ein Lichtchen loht,

Verspieltes Himmelchen spielt Abendrot

Und weigert sich, in seine Seligkeit zu gehen.

- So alt wird jedes Jahr die Zeit.

Und die vorangegangene verwandelte der Tod.

 

Mein Herz blieb ganz für sich

Und fand auf Erden keinen Trost.

Und bin ich auch des Mondes Ebenich,

Geleitetest auch du im vorigen Leben mich,

Und sah ich auch den blausten Himmel im Gottost.

 

O Gott, wie kann der Mensch verstehen

- Das Weltall spaltet sich doch nicht -,

Warum der Mensch haltlos vom Menschtum bricht,

Sich wieder sammeln muß im höheren Geschehen.

 

Willi Geissler, Sylvesterkarpfen in Berlin
Wilhelm „Willi“ Geissler (1848-1928) war ein deutscher Maler, Graphiker und Lithograf.
 

Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

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fjdewes@buchkult-dewes.de

 

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