O süßer Herbst, was ist lieblicher, als deine Schritte im Tal? Was ist herrlicher, als dein Wandel auf den Hügeln? [...] Der September ist die Zeit, Gedichte zu machen, und aus dem Leben ein Gedicht.
Wilhelm Raabe 1831-1910
Der September ist der Mai des Herbstes.
Deutsches Sprichwort
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Très Riches Heures, Septembre
Très Riches Heures - Die Brüder von Limburg (Paul, Johan und Herman) waren niederländische Miniaturmaler. Das Stundenbuch des Herzogs von Berry (französisch Les Très Riches Heures du Duc de Berry
bzw. kurz Très Riches Heures) ist das berühmteste illustrierte Manuskript des 15. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein ausgesprochen reichhaltig verziertes Stundenbuch, das 208 Blätter mit 21,5 cm
Breite und 30 cm Höhe enthält, von denen etwa die Hälfte ganzseitig bebildert sind.
Breviarium Grimani, September
Breviarium Grimani, Stundenbuch des Domenico Grimani. Das berühmte Breviarium Grimani mit über 1600 durchgehend illuminierten Seiten gilt als eines der schönsten Zeugnisse der flämischen Buchmalerei
des frühen 16. Jahrhunderts. Um 1510-1520 in Brügge und Gent entstanden, waren zahlreiche berühmte Miniaturisten an seiner Entstehung beteiligt, darunter Gerard David, Simon Bening und Gerard
Horenbout.
Erich Kästner 1899-1974
Der September
Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.
Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.
Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.
Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sind sie wohl nicht fromm genug.
Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.
Cäsar Otto Hugo Flaischlen 1864-1920
Das ist nicht Sommer mehr, das ist September ... Herbst:
diese großen weichen Wolken am Himmel,
diese feinen weißen Spinnwebschleier in der Ferne
und hinter den Gärten mit den Sonnenblumen
der ringelnde Rauch aufglimmender Krautfeuer ...
und diese süße weiche Müdigkeit und diese
frohe ruhige Stille überall und trotzdem wieder
diese frische, satte, erntefreudige, herbe Kraft ...
das ist nicht Sommer ... das ist Herbst.
Hermann Hesse 1877-1962
Höhe des Sommers
Das Blau der Ferne klärt sich schon
Vergeistigt und gelichtet
Zu jenem süßen Zauberton,
Den nur September dichtet.
Der reife Sommer über Nacht
Will sich zum Feste färben,
Da alles in Vollendung lacht
Und willig ist zu sterben.
Entreiß dich, Seele nun der Zeit,
Entreiß dich deiner Sorgen
Und mache dich zum Flug bereit
In den ersehnten Morgen.
Gustav Falke 1853-1916
September
Der Dornbusch prangt im Schmuck der roten Beeren,
Die Dahlien in ihrer bunten Pracht,
Und Sonnenblumen mit den Strahlenspeeren
Stehn stolz wie goldne Ritter auf der Wacht.
Die Wespe nascht um gelbe Butterbirnen,
Die Äpfel leuchten rot im Laub und glühn
Den Wangen gleich der muntren Bauerdirnen,
Die sich im Klee mit ihren Sicheln mühn.
Noch hauchen Rosen ihre süßen Düfte,
Und freuen Falter sich im Sonnenschein,
Und schießen Schwalben durch die lauen Lüfte,
Als könnt des Sommerspiels kein Ende sein.
Nur ab und an, kaum dass der Wind die Äste
Des Baumes rührt, löst leise sich ein Blatt,
Wie sich ein stiller Gast vom späten Feste
Heimlich nach Hause stiehlt, müde und satt.
Dr. Owlglaß 1873-1945
September
Gleich einer Riesenbärenraupe,
die sich einpuppen will,
borstig und milchig-blau,
kriecht der Tannenwald über den Hügelrücken.
Nur zwei, drei Föhrenwipfel ragen heraus
und halten nachbarlich Zwiesprache
mit den weißen, gleitenden Lämmerwölkchen.
«Jaja», sagen sie, «nun wär’s also wieder so weit:
Stoppelfelder, wohin du schaust.
Und die Sonne so lind und die Luft so klar...»
«Und die Stille so tief!» summt’s von oben herab.
«Träumen - schwimmen - verschwimmen...»
«Hört ihr», fragen die einsamen Wipfel,
«hört ihr nicht doch schon, da ihr ja näher seid,
Gott auf der Orgel für sich präludieren?»
«Noch hören wir’s nicht, noch ahnen wir’s erst.
Aber morgen vielleicht oder übermorgen
wird aus Licht und blauer Ferne Musik,
so wehmütig süß wie sonst nimmer im Jahr —
die lässt uns selig ins Nichts zerfließen.»
«Ja!» rufen die einsamen Wipfel frohlockend.
— doch dem Vorspiel folgt rauschend die Fuge,
wenn die Erzengel feurig die Blasbälge treten...
Dann rauschen wir mit im unendlichen Chor!“
Eduard Mörike 1804-1875
Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt.
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt.
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
Hermann Hesse 1877-1962
Mittag im September
Es hält der blaue Tag
Für eine Stunde auf der Höhe Rast.
Sein Licht hält jedes Ding umfaßt,
Wie man's in Träumen sehen mag:
Daß schattenlos die Welt,
In Blau und Gold gewiegt,
In lauter Duft und reifem Frieden liegt.
- Wenn auf dies Bild ein Schatten fällt! -
Kaum hast du es gedacht,
So ist die goldene Stunde
Aus ihrem leichten Traum erwacht,
Und bleicher wird, indes sie stiller lacht,
Und kühler wird die Sonne in der Runde.
Kurt Tucholsky als Theobald Tiger 1890-1935
Berliner Herbst
Für Paul Graetz
Denn, so um 'm September rum,
denn kriejn se wacklije Beene –
die Fliejen nämlich. Denn rummeln se so
und machen sich janz kleene.
Nee –
fliejn wolln se nich mehr.
Wenn se schon so ankomm, 'n bisken benaut ...
denn krabbeln se so anne Scheihm;
oda se summ noch 'n bisken laut,
aba mehrschtens lassen ses bleihm ...
Nee –
fliejn wolln se nich mehr.
Wenn se denn kriechen, falln se beinah um.
Un denn wern se nochmal heita,
denn rappeln se sich ooch nochmal hoch,
un denn jehts noch 'n Sticksken weita –
Aba fliejn ... fliejn wolln die nich mehr.
Die andan von Somma sind nu ooch nich mehr da.
Na, nu wissen se – nu is zu Ende.
Manche, mit so jelbe Eia an Bauch,
die brumm een so über de Hände ...
A richtich fliejn wolln se nich mehr.
Na, und denn finnste se morjens frieh,
da liejen se denn so hinta
de Fenstern rum. Denn sind se dot.
Und wir jehn denn ooch in 'n Winta.
Wie alt bist du eijentlich –?
– »Ick? Achtunnfürzich.«
– »Kommst heut ahmt mit, nach unsan Lokal –?«
– »Allemal.«
Hermann von Gilm zu Rosenegg 1812-1864
September
Wie sind die Menschen thöricht und verblendet!
Sie möchten uns gern trennen, wie du weißt,
Da hab' ich meine Geister ausgesendet –
Was wissen diese Menschen denn vom Geist?
Ich war bei dir in süßer Waldeskühle,
Die frisches Roth auf deine Wangen warf,
Ich kränkte mich im neidischen Gefühle,
Daß dich die Rose küssen darf.
Die schnelle Ziege klimmt zur fetten Weide,
Die Erdbeer' lächelt roth zu dir empor,
Ein sanfter Südwind spielt mit deinem Kleide
Und sagt dir meine Grüße in das Ohr,
Dein Auge ruht auf Berg und Thal und Hügel
Und trinkt sich satt am frischen Alpengrün
O daß ich nicht der Wind mit seinem Flügel
Daß ich nicht Wald und Rose bin!
Ich war bei dir auf jenem steilen Pfade
Zum Wallfahrtsort, mein Arm hat dich geführt;
Sie sagen, oben sei ein Bild der Gnade,
Das Wunder wirkt, vom Menschenherz gerührt;
Ich kniete neben dir im Kirchenstuhle,
Zum Gnadenbilde sah ich andachtsvoll
Und betete, daß es die Leidensschule
Der Liebe mir verkürzen soll.
Ricarda Huch 1864-1947
Herbst
September sitzt auf einer hohlen Weide,
Spritzt Seifenblasen in die laue Luft;
Die Sonne sinkt; aus brauner Heide
steigt Ambraduft
Als triebe Wind sie, ziehn die leichten Bälle
Im goldnen Schaum wie Segel von Opal,
Darüber schwebt in seidener Helle
Der Himmelssaal.
Auf fernen Tennen stampft der Erntereigen,
Im Takt der Drescher schwingt der starre Saum.
Handörgelein und Baß der Geigen
Summt süß im Raum.
Gottfried Keller 1819-1890
Die kleine Passion
Der sonnige Duft, Semptemberluft,
sie wehten ein Mücklein mir aufs Buch.
Das suchte sich die Ruhegruft
und fern vom Wald sein Leichentuch.
Vier Flügelein von Seiden fein
trug's auf dem Rücken zart,
drin man im Regenbogenschein
spielendes Licht gewahrt!
Hellgrün das schlanke Leibchen war,
hellgrün der Füßchen dreifach Paar,
und auf dem Köpfchen wundersam
saß ein Federbüschchen stramm;
die Äuglein wie ein goldnes Erz
glänzten mir in das tiefste Herz.
Dies zierliche und manierliche Wesen
hatt' sich zu Gruft und Leichentuch
das glänzende Papier erlesen,
darin ich las, ein dichterliches Buch;
so ließ den Band ich aufgeschlagen
und sah erstaunt dem Sterben zu,
wie langsam, langsam ohne Klagen
das Tierlein kam zu seiner Ruh.
Drei Tage ging es müd und matt
umher auf dem Papiere;
die Flügelein von Seide fein,
sie glänzten alle viere.
Am vierten Tage stand es still
gerade auf dem Wörtlein "will"!
Gar tapfer stand's auf selbem Raum,
hob je ein Füßchen wie im Traum;
am fünften Tage legt' es sich,
doch noch am sechsten regt' es sich;
am siebten endlich siegt' der Tod,
da war zu Ende seine Not.
Nun ruht im Buch sein leicht Gebein,
mög' uns sein Frieden eigen sein!
Christian Morgenstern 1871-1914
Septembertag
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit,
die dich befreit, zugleich sie dich bedrängt;
wenn das kristallene Gewand der Wahrheit
sein kühler Geist um Wald und Berge hängt.
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit ...
Josef Weinheber 1892-1945
September
Agyd bläst in des Herbstes Horn.
Die Beere schwankt am Brombeerdorn.
Der Apfel fällt mit leisem Laut,
großauf am Bach die Distel blaut.
Die Schwalbe zieht, der Wanderschuh
treibt dunkel einer Heimat zu.
Gekühlte Tage, klar und schön,
mit braunem Laub und weißen Höhn:
Wie lange noch? Der Abend fällt,
Flurfeuer glimmt, Rauchnebel schwelt.
Nachhaus zu gehn, ist wohlgetan.
Sankt Michael, zünd die Lampe an!
Rudolf Georg Binding 1867-1938
September
Trunken steht nun der Baum.
Rundum gestützt trägt sein Schoß
tausend Früchte des Jahrs.
Liebe des Sommers war groß.
Tropft auch der Seim aus der Frucht,
klopft auch der Apfel ins Gras –
keine des Blühens im Mai,
keiner der Liebe vergaß.
Reife, reife auch du,
Liebe, in uns wie der Saft
der in der reifenden Frucht
Keim neuen Lebens erschafft.
Heinrich Seidel 1842-1906
Im September
Wir wollen in den Nussbusch gehn
Und dort einmal zum Rechten sehn.
Das Eichhorn und der Häher
Sind arge Nüssespäher,
Der Buntspecht und die Haselmaus,
Die lieben auch den Nusskernschmaus!
Sie nagen und sie zwicken,
Sie hacken und sie picken,
Und wer nicht kommt zur rechten Zeit,
Geht, wie ihr wisst, der Mahlzeit queit.
Wir wollen in den Garten gehen
Und dort einmal zum Rechten sehn.
Zur Nachtzeit war es windig!
Nun seht nur her! Was find ich
Im sand'gen Steig, im grünen Gras,
Bald hier, bald dort? Was ist denn das?
Aepfel mit rothen Stirnen
Und goldgestreifte Birnen!
Und dort beim Eierpflaumenbaum ...
O seht nur hin! Man glaubt es kaum!
Wir wollen an den Zaun hin gehn
Und dort einmal zum Rechten sehn.
Was steht denn gleich dahinter?
O seht, zwei arme Kinder!
Sie ladet hinter ihrem Haus
Kein Garten ein zu frohem Schmaus.
Da sollte man doch denken:
Heut' giebt's was zu verschenken!
Und merkt ihr erst, wie wohl das thut,
Da schmeckt es euch noch mal so gut.
Gottfried Benn 1886-1956
Tag, der den Sommer endet
Tag, der den Sommer endet,
Herz, dem das Zeichen fiel.
Die Flammen sind versendet,
die Fluten und das Spiel.
Die Bilder werden blasser,
entrücken sich der Zeit.
Wohl spiegelt sie noch ein Wasser,
doch auch dies Wasser ist weit.
Du hast eine Schlacht erfahren,
trägst noch ihr Stürmen, ihr Fliehn,
indessen die Schwärme, die Scharen,
die Heere weiterziehn.
Rosen und Waffenspanner,
Pfeile und Flammen weit –;
die Zeichen sinken, die Banner –;
Unwiderbringlichkeit.
Georg Trakl 1887-1914
Landschaft (zweite Fassung)
Septemberabend; traurig tönen die dunklen Rufe der Hirten
Durch das dämmernde Dorf; Feuer sprüht in der Schmiede.
Gewaltig bäumt sich ein schwarzes Pferd;
die hyazinthenen Locken der Magd
Haschen nach der Inbrunst seiner purpurnen Nüstern.
Leise erstarrt am Saum des Waldes der Schrei der Hirschkuh
Und die gelben Blumen des Herbstes
Neigen sich sprachlos über das blaue Antlitz des Teichs.
In roter Flamme verbrannte ein Baum;
aufflattern mit dunklen Gesichtern die Fledermäuse.
Cäsar Flaischlen 1864-1920
Ende
Verträumt und müde wie ein Schmetterling im September
taumelt der Sommer das Gelände entlang.
Altweiberfäden wirren sich um seine zerrissenen Flügel
und die Blumen, die noch blühen, haben keinen Honig mehr.
Am Hochwald drüben, hinter dem die Sonne glutet,
lauert die Nacht, gleich einer großen Spinne,
und wie ein engmaschiges Netz
hängt sie die Dämmerung vor das verflackernde Abendrot,
nach dem der Schmetterling seinen Flug nimmt.