BuchKult
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Und Gott der Herr sprach:

Es ist nicht gut,

dass der Mensch allein sei;

ich will ihm eine Gehilfin machen,

die um ihn sei.

Altes Testament, Das erste Buch Mose - Genesis, 1.Mose 2,18

 

Wer die Einsamkeit fürchtet,

sollte nicht heiraten.

Anton Pawlowitsch Tschechow 1860-1904

 

 

John Atkinson Grimshaw, Autumn Regrets

John Atkinson Grimshaw (1836-1893) war ein englischer Maler.

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Winslow Homer, In Autumn Woods, um 1877
Winslow Homer (1836-1910) war ein US-amerikanischer Zeichner und Maler.
 

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Herbsttag

 

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

Und auf den Fluren laß die Winde los.

 

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;

gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

dränge sie zur Vollendung hin und jage

die letzte Süße in den schweren Wein.

 

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

und wird in den Alleen hin und her

unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

 

 

Istvan Mérö, Autumn in the Park
Istvan Mérö (1873-1938) war ein ungarischer Maler.

A. de Nora 1864-1936

Einsam sein

 

Am Waldrand grasen die Rehe,

Nun fliehn sie flink dahin,

Weil ich vorübergehe –

Sie wissen nicht, wer ich bin.

 

Daß ich nicht kam, zu jagen

Des Waldes scheues Getier,

Nicht, Schrecken und Tod zu tragen

Ins grüne Weidrevier;

 

Daß ich weltabgeschieden

Wie sie, glückseliger wär;

Daß ich wie sie, nur Frieden

Freiheit und Ruhe begehr;

 

Und daß auch mir im Grünen

Kein Fleckchen übrig bleibt,

Aus dem nicht mich, gleich ihnen,

Ein Menschengesicht vertreibt.

 

 

Ivar Arosenius, Man in an Autumn Landscape
Ivar Axel Henrik Arosenius (1878-1909) war ein schwedischer Maler und Bilderbuchautor.
 

Otto Julius Bierbaum 1865-1910

Fühle nur

 

Einsam bist du? Sieh die vielen Sterne

stehn, ein Weltenkranz, ob deinem Haupte,

und die Lindenbäume, Kronenträger,

schicken ihre Düfte dir ins Zimmer.

Fühle nur! Saug ein und gib dich wieder!

Schmähe niemand, schmäh' auch nicht dich selber!

Denk: du darfst auf dieser reichen Erde

durch den sonnenvollen Weltraum fliegen,

und dein Herz gehört auch zu den Sternen,

die ein bißchen Licht und Wärme strahlen.

 

 

 

Elizabeth Forbes, The Leaf
Elizabeth Adela Forbes (1859-1912) war eine kanadische Malerin des Spätimpressionismus und wichtige Vertreterin der Newlyn School, einer Künstlerkolonie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
 

Rudolf Georg Binding 1867-1938

Einsamkeit

 

Mit dir zu wandern, ewiger Wandrer, Wind,

dich anzulachen, Himmel, du lachend Kind,

mit dir heiß spielen, Sonne, du Spielerin,

an dir mich kühlen, Wolke, du Kühlerin,

mit dir zu necken, Bach du im Talgewand,

euch zu umfassen, Felsen am schroffen Stieg,

dich nicht zu lassen, Erde, die lang mir schwieg,

kam ich. – Wer sagt dass ich einsam bin?

Haltet, Eichwipfel, haltet die Wacht.

Denn ich will mit der schönsten Schläferin

zur Ruhe gehen: der Bergesnacht.

 

Frederick McCubbin, Autumn Memories
Frederick McCubbin (1855-1917) war ein australischer Maler.

Heinrich Seidel 1842-1906

Einsamkeit

 

Mondesglanz auf feuchten Wiesen,

Auf dem stillen Nebelsee,

Bäume ragen, dunkle Riesen,

Wo ich einsam sinnend steh!

 

Vogelruf aus thauigen Feldern,

Wasserrauschen fern im Grund,

Tiefes Schweigen in den Wäldern,

Sternenflimmer hoch im Rund.

 

Und mein Blut geht hin und wieder,

Und vorüber rinnt die Zeit,

Schauer senkt sich auf mich nieder

Vor dem Hauch der Einsamkeit.

 

 

George Henry Boughton, Autumn
George Henry Boughton (1833-1905) war ein englisch-US-amerikanischer Landschafts- und Genremaler sowie Illustrator.
 

Johannes Trojan 1837-1915

Einsamkeit

 

Von dem Gewühl des Markts verwirrt,

Schleicht wohl der Mensch sich fort und irrt

Lauschend durch Wildnis, Wald und Öde.

Es graut ihm bald im einsamen Revier,

Baum spricht zu Baum, das Tier ruft nach dem Tier —

Da lüstet's Menschenohr nach Menschenrede.

 

 

Giovanni Boldini,

La passeggiata nel parco, um 1884
Giovanni Boldini (1842-1931) war ein italienisch-französischer Maler des Impressio-nismus. Er war einer der meist gefragten Porträtmaler in der Belle Époque.
 

Gustav Falke 1853-1916

Einsamkeit

 

O Einsamkeit, tiefinnere Einsamkeit!

An deinem stillen Feuer wärm' ich mein Gemüt.

Nur manchmal schrei ich nach Gemeinsamkeit,

ob dort des Lebens rote Rose blüht.

Dann rufst du wieder mich zurück,

o Einsamkeit, zu deinem Glück.

Alleinsamkeit!

 

Jean-Charles Cazin, Solitude
Jean-Charles Cazin (1840-1901) war ein französischer Keramiker, Maler, Stecher und Zeichner.

Friedrich Glauser 1896-1938

Schwarze Mauern

 

Richte schwarze Mauern um dich;

sie werden dir Schutz geben.

Sogar die gelben Strahlen des Mondes

werden zersplittern an ihrer rußigen Farbe.

Mit blutenden Händen werden die Menschen bemalen

den schattenden Hintergrund.

Wie viele Töne singender Herzen verstummen,

wenn die Mauern wachsen

und verfinstern den gelben Abendhimmel.

Nur das Wimmern der Tiere dringt noch zu dir,

das Zischen der Sense durch saftiges Gras.

Richte schwarze Mauern auf um dich

und lass summen die kreisenden Mückenschwärme.

 

James Tissot, Waiting, also known as in the shallows
James Tissot (1836-1902) war ein französischer Maler und Grafiker. Der vor allem für seine Porträts im viktorianischen England der 1870er Jahre bekannte Künstler widmete sich in seinem Spätwerk überwiegend religiösen Themen.
 

Friedrich Nietzsche 1844-1900

Vereinsamt

 

Die Krähen schrein

Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:

Bald wird es schnein –

Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!

 

Nun stehst du starr,

Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!

Was bist du Narr

Vor Winters in die Welt – entflohn?

 

Die Welt – ein Tor

Zu tausend Wüsten stumm und kalt!

Wer das verlor,

Was du verlorst, macht nirgends Halt.

 

Nun stehst du bleich,

Zur Winter-Wanderschaft verflucht,

Dem Rauche gleich,

Der stets nach kältern Himmeln sucht.

 

Flieg, Vogel, schnarr

Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! –

Versteck, du Narr,

Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

 

Die Krähen schrein

Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:

Bald wird es schnein,

Weh dem, der keine Heimat hat!

 

 

 

Edouard Toudouze, Fleurs d'Automne, 1890, Roubaix, Musée de la Piscine
Edouard Toudouze (1848-1907) war ein französischer Maler.
 

Georg Trakl 1887-1914

Der Herbst des Einsamen

 

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,

Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.

Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;

Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.

Gekeltert ist der Wein, die milde Stille

Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

 

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;

Im roten Wald verliert sich eine Herde.

Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;

Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.

Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel

Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

 

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;

In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden

Und Engel treten leise aus den blauen

Augen der Liebenden, die sanfter leiden.

Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,

Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

 

 

 

Vasily Polenov, Woman Walking On A Forest Trail
Vasily Dmitriyevich Polenov (1844-1927) war ein russischer Maler und Pädagoge.

Theodor Däubler 1876-1934

Einsam

 

Ich rufe! Echolos sind alle meine Stimmen.

Das ist ein alter, lauteleerer Wald.

Ich atme ja, doch gar nichts regt sich oder hallt.

Ich lebe, denn ich kann noch lauschen und ergrimmen.

 

Ist das kein Wald? Ist das ein Traumerglimmen?

Ist das der Herbst, der schweigsam weiter wallt?

Das war ein Wald! Ein Wald voll alter Urgewalt.

Dann kam ein Brand, den sah ich immer näher klimmen.

 

Erinnern kann ich mich, erinnern, bloß erinnern.

Mein Wald war tot. Ich lispelte zu fremden Linden,

Und eine Quelle sprudelte in meinem Innern.

 

Nun starr ich in den Traum, das starre Waldgespenst.

Mein Schweigen, ach, ist aber gar nicht unbegrenzt.

Ich kann in keinem Wald das Echo-Schweigen finden.

 

 

 

Winslow Homer, Autumn
Winslow Homer (1836-1910) war ein US-amerikanischer Zeichner und Maler.
 

Michail Wassiljewitsch Nesterow, A Lonely Woman
Michail Wassiljewitsch Nesterow (1862-1942) war ein russischer Maler.Er war ein bedeutender Vertreter des religiösen Symbolismus in der russischen Malerei.

Henri Le Sidaner, Un soir d'automne, 1895, Madrid, Musée Thyssen Bornemisza
Henri Le Sidaner (1862-1939) war ein französischer Maler.

Friedrich Hebbel 1813-1863

Spaziergang am Herbstabend

 

Wenn ich Abends einsam gehe

Und die Blätter fallen sehe,

Finsternisse nieder wallen,

Ferne, fromme Glocken hallen:

 

Ach, wie viele sanfte Bilder,

Immer inniger und milder,

Schatten längst vergangner Zeiten,

Seh' ich dann vorüber gleiten.

 

Was ich in den fernsten Stunden,

Oft nur halb bewußt, empfunden,

Dämmert auf in Seel' und Sinnen,

Mich noch einmal zu umspinnen.

 

Und im inneren Zerfließen

Mein' ich's wieder zu genießen,

Was mich vormals glücklich machte,

Oder mir Vergessen brachte.

 

Doch, dann frag' ich mich mit Beben:

Ist so ganz verarmt dein Leben?

Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,

Sprich, was war es einst dem Herzen?

 

Völlig dunkel ist's geworden,

Schärfer bläs't der Wind aus Norden,

Und dies Blatt, dies kalt benetzte,

Ist vielleicht vom Baum das letzte.

 

Franz Skarbina, In Falling Leaves
Franz Skarbina (1849-1910) war ein Maler des deutschen Impressionismus, Zeichner, Radierer und Illustrator.

Hedwig Lachmann 1865-1918

Unterwegs

 

Ich wandre in der großen Stadt. Ein trüber

Herbstnebelschleier flattert um die Zinnen,

das Tagwerk schwirrt und braust vor meinen Sinnen,

und tausend Menschen gehn an mir vorüber.

 

Ich kenn’ sie nicht. Wer sind die vielen? Tragen

sie in der Brust ein Los wie meins? Und blutet

ihr Herz vielleicht, von mir so unvermutet,

als ihnen fremd ist meines Herzens Schlagen?

 

Der Nebel tropft. Wir alle wandern, wandern.

Von dir zu mir erhellt kein Blitz die Tiefen.

Und wenn wir uns das Wort entgegenriefen –

es stirbt im Wind, und keiner weiß vom andern.

 

Arthur Streeton, Autumn, 1889
Sir Arthur Ernest Streeton (1867-1943) war einer der heute noch bekanntesten australischen Maler.

Klabund 1890–1928

Tempel in der Einsamkeit

 

Heilige Stille, die mich hier umfängt

Wie die Mutter ihren Sohn.

Nur der Glocke und des Stromes Ton

Schwanken sanft, ein Zweig, mit Tau behängt.

 

Dicht am Wasser die Pagode

Überragt den Mond,

Der im Strome trohnt,

Welcher singt wie Pe-ya`s Ode.

 

Schweigen will ich künftig,

Denn die Worte sind wie billige Perlen.

Heilige Fichten! Heilige Erlen!

Schweigen will ich mit Euch künftig!

 

 

 

Léopold Franz Kowalski, Autumn on the Shore of the Lake
Léopold Franz Kowalski (1856-1931) war ein in Frankreich geborener deutscher Maler.
 

Ricarda Huch 1864-1947

Einsamkeit

 

Du neigtest, Herz, dich gern, wie sich die Birke neigt,

Dem Nachbarstamme zu.

Steh aufrecht, wie die Tanne trotzig steigt:

Allein bist du.

 

Wohl strömt ein jedes Ding des eignen Wesens Hauch

Den andern Dingen ein;

Doch will ihr Sehnen überfließen auch,

Sie sind allein.

 

Schlaft ihr umarmt auf einem Kissen, ihr erwacht

Wie Sonnen fern im Raum;

Kaum daß ihr einmal träumt vielleicht bei Nacht

Den gleichen Traum.

 

Sei deine Welt, dein Stern; beglückt, wenn deine Glut

Am goldnen Leben schafft,

Und fordre nichts. Dir ward kein andres Gut

Als deine Kraft.

 

Leo Putz, Herbststurm, 1912
Leo Putz (1869-1940) war ein Tiroler Künstler.

Julius Klever, Autumn Landscape
Yuliy Yulevich (Julius) Klever (1850-1924) war ein russischer Landschaftsmaler mit baltendeutschen Eltern.

Friedrich Rückert 1788-1866

Ich bin der Welt abhanden gekommen ...

 

Ich bin der Welt abhanden gekommen,

Mit der ich sonst viele Zeit verdorben.

Sie hat so lange von mir nichts vernommen,

Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben.

 

Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,

Ob sie mich für gestorben hält.

Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,

Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.

 

Ich bin gestorben dem Weltgewimmel

Und ruh’ in einem stillen Gebiet.

Ich leb’ in mir und meinem Himmel,

In meinem Lieben, in meinem Lied.

 

vertont von Gustav Mahler

 

 

Ich bin der Welt abhanden gekommen ...

Jessye Norman, Zubin Mehta and the New York Philharmonic, 1989

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Philip de László, Falling Leaves, 1895
Philip Alexius de László (eigentlich Fülöp Elek Laub, 1869-1937) war einer der führenden britischen Porträtmaler des frühen 20. Jahrhunderts.

Wilhelm Busch 1832-1908

 

Wenn ich dereinst ganz alt und schwach,

Und 's ist mal ein milder Sommertag,

So hink' ich wohl aus dem kleinen Haus

Bis unter den Lindenbaum hinaus.

Da setz' ich mich denn im Sonnenschein

Einsam und still auf die Bank von Stein,

Denk' an vergangene Zeiten zurücke

Und schreibe mit meiner alten Krücke

Und mit der alten zitternden Hand

Bertha

So vor mir in den Sand.

 

 

 

Marcin Gottlieb, On a Park Bench
Marcin Gottlieb (1867-1936) war ein polnischer Maler.
 

Joachim Ringelnatz 1883-1934

Nachtgalle

 

Weil meine beiden Beine

Erfolglos müde sind

Und weil ich gerade einsam bin,

Wie ein hausierendes Streichholzkind,

Setz ich mich in die Anlagen hin

Und weine.

 

Nun hab ich lange geweint.

Es wird schon Nacht; und mir scheint,

Der liebe Gott sei beschäftigt.

Und das Leben ist - - alles, was es nur gibt:

Wahn, Krautsalat, Kampf oder Seife.

Ich erhebe mich leidlich gekräftigt.

Ich weiß eine Zeitungsfrau, die mich liebt.

Und ich pfeife.

 

Ein querendes Auto tutet. –

Nicht Gold noch Stein waren echt

An dem Ring, den ich gestern gefunden. –

Die nächtliche Straße blutet

Aus tausend Wunden.

Und das ist so recht.

 

Pjotr Nilus, Auf einer Bank am Boulevard, 1895
Pjotr Alexandrowitsch Nilus (1869-1943) war ein ukrainischer Impressionist und Schriftsteller.

Friedrich Nietzsche 1844-1900

Der Einsame

 

Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.

Gehorchen? Nein! Und aber nein — Regieren!

Wer sich nicht schrecklich ist, macht niemand Schrecken:

Und nur wer Schrecken macht, kann andre führen.

Verhasst ist mir’s schon, selber mich zu führen!

Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,

Mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,

In holder Irrnis grüblerisch zu hocken,

Von ferne her mich endlich heimzulocken,

Mich selber zu mir selber — zu verführen.

 

 

 

Byam Shaw, Autumn Time
John Byam Liston Shaw (1872-1919), allgemein bekannt als Byam Shaw, war ein britischer Maler, Illustrator, Designer und Lehrer.
 

Alfred Grünewald 1884-1942

 

Auf den Wegen, die verschneit sind

und im Dämmern dämmerweit sind,

wo die nächtigen Gedanken

des Verlassenen Geleit sind,

triffst du, einsam dich ergehend,

auch Beglückte, die zu zweit sind.

 

Jakub Schikaneder, In der Einsamkeit
Jakub Schikaneder (1855-1924) war ein böhmischer Maler.

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Der Einsame

 

Wie einer, der auf fremden Meeren fuhr,

so bin ich bei den ewig Einheimischen;

die vollen Tage stehn auf ihren Tischen,

mir aber ist die Ferne voll Figur.

 

In mein Gesicht reicht eine Welt herein,

die vielleicht unbewohnt ist wie ein Mond,

sie aber lassen kein Gefühl allein,

und alle ihre Worte sind bewohnt.

 

Die Dinge, die ich weither mit mir nahm,

sehn selten aus, gehalten an das Ihre –:

in ihrer großen Heimat sind sie Tiere,

hier halten sie den Atem an vor Scham.

 

 

Carl Gutherz, Falling Leaves
Carl Gutherz (1844-1907) war ein aus der Schweiz stammender Maler, Teil der Symbolistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert.

Joachim Ringelnatz 1883-1934

 

Dorthin geh, wo die Andern nicht sind,

Weit hinaus in die freie Einsamkeit,

Wo dir Wolken, Berge, Bäume und Wind

Großes reden von Später und Ewigkeit.

 

Und dort schöpfe, fasse und füll dir die Brust,

Daß – kommt einst die Stille zu dir als Braut –

Daß du die Hand ihr gibst in tiefster Lust,

Weil du schon lange mit ihr vertraut.

 

 

 

Antonin Slavíček, In Veltrusy Park
Antonin Slavícek (1870-1910) war ein tschechischer Maler.
 

John Henry Mackay 1864-1933

 

O dies einsame Gehn

Nun schon Stunden so hin ...

Wer sagt, wo ich bin? –

Und was mir geschehn? –

 

Wie der Weg sich verläuft! –

Geh ich recht, geh ich irr?

In der Zweige Gewirr

Die Sonne verträuft.

 

– Wie ihr Licht so entwich

In fliehendem Schein,

Waren beide allein

Wir: der Wald und ich ...

 

 

 

Hugh Cameron, A Lonely Life
Hugh Cameron (1835–1918) war ein schottischer Künstler.

Anna Ritter 1865-1921

Einsamkeit

 

Einsamkeit, ernsthafte Frau,

Tratest einst still in mein Zimmer,

Ach, und ich wollte dich nimmer,

Grüßte dich finster und rauh.

 

Nicktest nur milde dazu,

Ließest dich doch nicht verjagen,

Mußte dich eben ertragen,

Sangest mich heimlich zur Ruh.

 

Sieh, und nun weiß ich genau:

Wolltest du heut von mir scheiden,

Würde ich tief drunter leiden,

Einsamkeit, ernsthafte Frau.

 

Paul Madeline, The road in Diben, 1910
Paul Madeline (1863-1920) war ein französischer Maler.

Ada Christen 1839-1901

Allein!

 

Einsam stand ich auf den Bergen,

Wo der Falke kreischend flog,

Über schneebedecktem Gipfel

Seine stillen Kreise zog.

 

Einsam lag ich auf der Haide

Wenn die Sonne untersank,

Und der dürre glüh'nde Boden

Gierig feuchte Nebel trank.

 

Einsam saß ich oft am Meere,

Dessen alter Klaggesang

Bald wild-zornig, bald süß-traurig,

Bald wie dumpfes Schluchzen klang.

 

Einsam irrt ich durch die Wälder,

Nur die Eul' am Felsenriff

War mein krächzender Gefährte

Und der Wind, der wimmernd pfiff.

 

Einsam litt ich – aber tröstend

War die hehre Einsamkeit –

Nicht allein trug ich mein Elend,

Die Natur verstand mein Leid!

 

Doch allein – so ganz alleine –

Abgrundtief von Euch entfernt,

Fand ich mich in Euren Sälen –

Als ich Euch versteh'n gelernt!

 

Alexander Mann, The Lonely Road
Alexander Mann (1853-1908) war ein schottischer Maler des Spätimpressionismus.

Konrad von Prittwitz-Gaffron 1826-1906

Einsamkeit

 

Nun ist es still da draußen,

Die Wälder rauschen sacht,

Die Ströme murmelnd rinnen,

Es geht ein tiefes Sinnen

Hin durch die tiefe Nacht.

 

Des Windes leises Wehen

Säuselt im hohen Ried;

Die Sterne droben kreisen,

Tönend in ewigen Weisen

Ihr ewig großes Lied.

 

Die Welt ist groß und prächtig

Zu solcher stillen Zeit;

Es schweigt das eigne Denken,

Es will ins All versenken

Sich stumm das eigne Leid.

 

Jakub Schikaneder, Herbsthimmel, nach 1910
Jakub Schikaneder (1855-1924) war ein böhmischer Maler.

Georg Trakl 1887-1914

Ein Herbstabend

 

Das braune Dorf. Ein Dunkles zeigt im Schreiten

Sich oft an Mauern, die im Herbste stehn,

Gestalten: Mann wie Weib, Verstorbene gehn

In kühlen Stuben jener Bett bereiten.

 

Hier spielen Knaben. Schwere Schatten breiten

Sich über braune Jauche. Mägde gehn

Durch feuchte Bläue und bisweilen sehn

Aus Augen sie, erfüllt von Nachtgeläuten.

 

Für Einsames ist eine Schenke da;

Das säumt geduldig unter dunklen Bogen,

Von goldenem Tabaksgewölk umzogen.

 

Doch immer ist das Eigne schwarz und nah.

Der Trunkne sinnt im Schatten alter Bogen

Den wilden Vögeln nach, die ferngezogen.

 

 

Fritz von Uhde, Im Herbst - Die Hirtin im Dachauer Moos
Fritz von Uhde (1848-1911) war ein sächsischer Kavallerieoffizier und Maler.

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Einsamkeit

 

Die Einsamkeit ist wie ein Regen.

Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen:

von Ebenen, die fern sind und entlegen,

geht sie zum Himmel, der sie immer hat.

Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.

 

Regnet hernieder in den Zwitterstunden,

wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen

und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,

enttäuscht und traurig von einander lassen;

und wenn die Menschen, die einander hassen,

in einem Bett zusammen schlafen müssen:

 

dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen ...

 

Adrien Moreau-Neret, Dreaming away
Adrien Moreau-Neret (1860-1940) war ein französischer Maler.

Friedrich Rückert 1788-1866

Waldstille

 

Tief im Walde saß ich,

Und die Welt vergaß ich,

Die nie mein gedacht;

Mich in mich versenkt’ ich,

Und mein Sinnen lenkt’ ich

In des Daseins Schacht.

 

Welt, ich dein vergessen?

Erst dich recht besessen

Hab’ ich fern von dir.

Wo du mir geschwunden,

Hab’ ich dich gefunden

Inniger in mir.

 

Draußen im Gewirre

Kann man werden irre,

Welt, an sich und dir;

Fern von deinem Rauschen

Kann ich dich belauschen

In mir selber hier.

 

 

Max Nonnenbruch, Stiller Winkel, 1909
Max Nonnenbruch (1857-1922) war ein deutscher Maler der Münchner Schule, des Neoklassizismus und des Symbolismus.
 

Franz Werfel 1890-1945

Einsamkeit

 

Ich warf von mir die Arzeneien,

Die hold betäubenden der Städte,

Die kühlen Salben, die Verbände

Riß ich herab im öden Haus.

Nun wühlt, nun frißt das nackte Feuer.

Ich weine oft. Ich kann nicht schlafen.

Und halt die unbekannte Wunde

Dem Arzt entgegen, der sie kennt.

 

Ich tötete die tausend Stimmen,

Die hold betäubenden der Städte,

Auch nicht die Stimme der Geliebten

Ließ ich zu mir ins öde Haus.

Wohl flüstern rings die starken Geister,

Sie werden nicht mein Ohr verführen.

Es lauscht der feinsten Stimme Gottes,

Daß sie mir sage, wer ich bin.

 

Ich löschte aus die tausend Lichter,

Die hold betäubenden der Städte,

Selbst vor des Mondes Wolken-Ahnung

Verhängte ich das tote Haus.

Nun tilg ich hinter meinen Lidern

Die letzten Zuckungen der Farbe,

Und nachtverfallen will ich finden

Den Schimmer Wahrheit in mir selbst.

 


Edvard Peterssen, Andante, Herbstabend bei Ask, Ringerike

Edvard Frederik Petersen (1841-1911) war ein dänischer Maler.

Wang Wei 699-759

In einer Herbstnacht einsam sitzend

 

Einsam sitzend, bekümmert ob der grauen Schläfen,

Im leeren Zimmer ersehn ich die zweite Nachtwache.

Wilde Beeren fallen im Rauschen des Regens,

Unter der Lampe zirpt eine Heuschrecke.

Des Schopfs Ergrauen ist schließlich unumkehrbar,

Das Lebenselixier hat niemand je zustandegebracht,

Wer wissen will, was Krankheit und Alter überwindet,

Der muß sich allein dem Ungeborenen widmen.

 

 

Mary Cassatt, Autumn
Mary Stevenson Cassatt (1844-1926) war eine US-amerikanische Grafikerin und Malerin des Impressionismus.

Anton Wildgans 1882-1932

Tiefer Blick

 

O, du kannst einsam sein, dass Gott erbarm

Und es dich mitten in dem Fliegenschwarm

Der Menschen jäh befällt wie Scham und Grauen!

Und manchmal musst du vor den Spiegel gehn

Und voller Angst nach deinem Bilde sehn,

Um in ein Antlitz, das dich kennt, zu schauen.

 

Und Freunde kannst du haben, Weib und Kind,

Und so allein sein wie ein Baum im Wind,

Der zitternd steht auf namenloser Heide;

Und mit den Freunden hast du viel verbracht,

Und mit dem Weibe schläfst du jede Nacht,

Und jenes Kind ist deiner Seele Weide.

 

Sie aber fassen deine Rede kaum,

Als sprächest du aus einem irren Traum,

Der nicht Bewandtnis hat in ihrem Leben;

Zu deiner Freude sind sie fremd und kühl,

Für deine Drangsal ohne Mitgefühl,

Neugier ist alles, was sie zögernd geben.

 

Da wirst du selbst dir mählich unbekannt

Und wie ein minderer Komödiant,

Der jede Miene einlernt und Gebärde;

Nur manchmal hörst du’s rauschen innerlich

Und hältst erschrocken inne: „Bin das ich?“ –

So einsam kann man sein auf Gottes Erde.

 

Alfred Thörne, Building in an Autumn Landscape
Sven Alfred Thörne (1850-1916) war ein schwedischer Landschafts-, Genre- und Porträtmaler.

Christian Morgenstern 1871-1914

Das Knie

 

Ein Knie geht einsam durch die Welt.

Es ist ein Knie, sonst nichts!

Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt!

Es ist ein Knie, sonst nichts.

 

Im Kriege ward einmal ein Mann

erschossen um und um.

Das Knie allein blieb unverletzt –

als wär’s ein Heiligtum.

 

Seitdem geht’s einsam durch die Welt.

Es ist ein Knie, sonst nichts.

Es ist kein Baum, es ist kein Zelt.

Es ist ein Knie sonst nichts.

 

 

Isaak Lewitan, Autumn Day, Sokolniki, 1879
Isaak Iljitsch Lewitan (1860-1900) war einer der bedeutendsten russischen Maler des Realismus.

Wilhelm Busch 1832-1908

Der Einsame

 

Wer einsam ist, der hat es gut,

Weil keiner da, der ihm was tut.

Ihn stört in seinem Lustrevier

Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,

Und niemand gibt ihm weise Lehren,

Die gut gemeint und bös zu hören.

Der Welt entronnen, geht er still

In Filzpantoffeln, wann er will.

Sogar im Schlafrock wandelt er

Bequem den ganzen Tag umher.

Er kennt kein weibliches Verbot,

Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.

Geschützt vor fremden Späherblicken,

Kann er sich selbst die Hose flicken.

Liebt er Musik, so darf er flöten,

Um angenehm die Zeit zu töten,

Und laut und kräftig darf er prusten,

Und ohne Rücksicht darf er husten,

Und allgemach vergißt man seiner.

Nur allerhöchstens fragt mal einer:

Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,

Ich dachte längst, er wäre tot.

Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,

Läßt sich das Glück nicht schöner malen.

Worauf denn auch der Satz beruht:

Wer einsam ist, der hat es gut.

 

Valentin Serow, Herbst Domotkanovo, 1892
Valentin Aleksandrovich Serow (1865-1911) war ein russischer Maler, Grafiker und Porträtmaler.Er gilt als ein Vertreter der russischen Jugendstilmalerei.

Carl Spitzweg 1808-1885

 

Oft is mir kommen so in Sinn:

I möcht a Klausner wer'n!

Adje, du schöne Welt, fahr hin,

Will nix mehr von dir hör'n!

 

 

 

Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

BuchKult

Franz Dewes

fjdewes@buchkult-dewes.de

 

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