___________________________________________
Die meisten Grafiken auf dieser Website können durch Anklicken mit der linken Maustaste vergrößert dargestellt werden. Sollte dies nicht funktionieren, steht mir die entsprechende Grafik leider nicht in einer größeren Auflösung zur Verfügung.
Hinter Textstellen in blauer
Farbe verstecken sich Links, entweder zu anderen Seiten dieser Website oder zu externen Sites (z.B. Wikipedia, Youtube ...).
Fred Endrikat 1890-1942
Sprichwörter
Man darf dem Tag nicht vor dem Abend dankbar sein
und soll das Schicksal nicht für alles loben.
Ein Gutes kommt niemals allein,
und alles Unglück kommt von oben.
Die Peitsche liegt im Weine.
Die Wahrheit liegt beim Hund.
Morgenstund hat kurze Beine.
Lügen haben Gold im Mund.
Ein Meister nie alleine bellt.
Vom Himmel fallen keine Hunde.
Dem Glücklichen gehört die Welt.
Dem Mutigen schlägt keine Stunde.
Fred Endrikat (1890-1942)
Gedanken beim steifen Grog
Wo ein Grog ist - da ist auch ein Keller.
Wo eine Zeche - ist auch ein Preller.
Wo ein Tsching - da ist auch ein Bum.
Wo ein Kümmel - da ist auch ein Rum.
Wo ein Mat ist - ist auch ein rose.
Wo ein Wind - ist auch eine Hose.
Wo ein Luv ist - ist auch ein Lee.
Wo ein W - da ist auch ein C.
Wo eine Ana - ist auch die lyse.
Wo eine Kom ist - ist auch die büse.
Wo ein Kauta - da ist auch ein bak.
Wo ein Dudel - da ist auch ein Sack.
Wo ein Säbel - da ist auch die Scheide.
Wo ein Schorf ist - da ist auch die Heide.
Wo ein Labs ist - da ist auch ein kaus.
Wo eine Freude - da ist auch ein Haus.
Wo ein Stein ist - da ist auch ein häger.
Wo ein Schorn - ist auch ein steinfeger.
Wo ein Kampf ist - da ist auch ein Sieg.
Wo eine Jungfer - da ist auch ein Stieg.
Wo ein Amboss - da ist auch ein Hammer.
Wo eine Katze - ist auch ein Jammer.
Wo eine Hexe - da ist auch ein Schuss.
Wo ein Kurz ist - da ist auch ein Schluss.
Nach dem Reichsstrafgesetz
Du hast mir in's Auge gestochen (§ 223),
Hast mir meinen Frieden geraubt (§ 249),
Du hast mir mein Herz gestohlen (§ 242),
Mit Wahnsinn bedroht mein Haupt (§ 241).
Du hast in mir Brand gestiftet (§ 306),
Hast meine Ruhe gestört (§ 360 Ziff. 11),
Hast mich mit Thränen vergiftet (§ 229),
Betrogen mich unerhört (§ 263).
Du hast einen Andern begünstigt (§ 257),
Du hast mir so Vieles verhehlt (§ 258),
Du hast mich durch Liebreiz bestochen,
Als ich Dich zur Liebsten gewählt (§ 109).
Zuerst hast meinem Bewerben
Geleistet Du Widerstand (§ 113),
Dann hieltest Du widerrechtlich
Gefangen Herz und Hand (§ 239).
Oft hast Du um Gnade gebettelt (§ 360 Zisf. 4),
Und manchen Schmuck und Putz
Erpreßt mit gewaltigen Küssen (§ 253)
Aus strafbarem Eigennutz (§ 292).
Du löstest die heiligsten Bande (§ 243 Z. 6, § 250 Z. 2),
Der Untreue klag' ich Dich an (§ 206).
Mit Meineid (§ 153) hast Du zerstört mir
Die ganze Lebens-Bahn (§ 305).
Führ' immer Du heimliche Waffen (§ 367 Ziff. 9),
Mir wird nicht länger bang —
Ich lasse zur Strafe Dich sitzen
Dein ganzes Leben lang (§ 14, § 17).
von Miris
aus: Fliegende Blätter, Bd.46, Nr.1646, S44 f.
Friedrich Theodor von Vischer 1807-1887
Prähistorische Ballade
Ein Ichthyosaur sich wälzte
Am schlammigen, mulstrigen Sumpf.
Ihm war in der Tiefe der Seele
So säuerlich, saurisch und dumpf,
So dämlich, so zäh und so traurig,
So schwer und so bleiern und stumpf;
Er stürzte sich in das Moorbad
Mit platschendem, tappigen Pflumpf.
Da sah er der Ichthyosaurin,
So zart und so rund und so schlank,
Ins schmachtende Eidechsenauge,
Da ward er vor Liebe so krank.
Da zog es ihn hin zu der Holden
Durchs klebrige Urweltgemüs,
Da ward aus dem Ichthyosauren
Der zärtlichste Ichthyosüß.
Joachim Ringelnatz
Kindergebetchen
Erstes
Lieber Gott, ich liege
Im Bett. Ich weiß, ich wiege
Seit gestern fünfunddreißig Pfund.
Halte Pa und Ma gesund.
Ich bin ein armes Zwiebelchen,
Nimm mir das nicht übelchen.
Zweites
Lieber Gott, recht gute Nacht.
Ich hab noch schnell Pipi gemacht,
Damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
Wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.
Nimm meine Worte freundlich hin,
Weil ich schon sehr erwachsen bin.
Drittes
Lieber Gott mit Christussohn,
Ach schenk mir doch ein Grammophon.
Ich bin ein ungezognes Kind,
Weil meine Eltern Säufer sind.
Verzeih mir, daß ich gähne.
Beschütze mich in aller Not,
Mach meine Eltern noch nicht tot
Und schenk der Oma Zähne.
Hanns von Gumppenberg 1866-1928
Schwerer Unglücksfall
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Sitzen neben einander vorm Ururspind
Auf dem Urstuhl, Großmutterstuhl, Mutterstuhl, Stühlchen.
Das Kind spricht: »Ich lob' mir mein Kinderspielchen.«
Die Mutter: »Ich bin so voll Mutterglück.«
Großmutter: »Den Großmutterstrumpf ich strick'.«
Urahne: »Mir ist so urahnungsvoll –«
Da stürzt das Spind mit Donnergeroll!
Erschlagen sind vom Ururspind
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind.
nach Gustav Schwab
Fred Endrikat (1890-1942)
Seufzerfamilie
Ein Seufzer schwebte ganz allein
hoch über einem Birkenhain.
Der Seufzer seufzte tief und schwer:
»O weh, o weh, es quält mich sehr,
dass ich ein männlicher Seufz-er.
Ich wünsche Seelensympathie
mit einer weiblichen Seufz-sie.«
Der Seufzer war so intensiv,
dass er sein Weib ins Leben rief.
Bevor der Mond am Himmel hing,
der Seufz-er die Seufz-sie umfing.
Er herzte sie und küsste sie:
»Du meine einzige Seufz-sie.«
Sie seufzten glücklich alle zwei,
ach, war das eine Seufzerei.
Sie gingen ineinander auf,
und, siehe da - am Morgen drauf
thront auf der Birke als Prinzess
ein kleines, winziges Seufz-es.
Es tönte lieblich durch den Mai
jetzt die Familienseufzerei
wie ein gefühlsharmonisches
Konzert von Seufz-er, -sie und -es.
So war es - so wird's immer sein:
Ein Seufzer kommt niemals allein.