Nur dem Einsamen offenbart sich die
Heiligkeit wogender Felder,
die durchglüht sind von purpurnem Mohne.
Hans Gaefgen 1894-1939, deutscher Lyriker
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Hermann Löns 1866-1914
Mohnblumen
Mit roten Feldmohnblumen
Hatt’ ich dein Haar geschmückt,
Die roten Blumenblätter
Die sind nun alle zerdrückt.
Du bist zu mir gekommen
Beim Abendsonnenschein,
Und als die Nacht hereinbrach,
Da ließest du mich allein.
Ich höre die Stille rauschen
Und sehe die Dunkelheit sprühn,
Vor meinen träumenden Augen
Purpurne Mohnblumen blühn.
Georg Trakl 1887-1914
Sommer
Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.
Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
Erstirbt im Feld.
Nimmer regt sich das Laub
Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.
Stille leuchtet die Kerze
Im dunklen Zimmer;
Eine silberne Hand
Löschte sie aus.
Windstille, sternlose Nacht.
Ludwig Uhland 1787-1862
Der Mohn
Wie dort, gewiegt von Westen,
Des Mohnes Blüte glänzt!
Die Blume, die am besten
Des Traumgotts Schläfe kränzt;
Bald purpurhell, als spiele
Der Abendröte Schein,
Bald weiß und bleich, als fiele
Des Mondes Schimmer ein.
Zur Warnung hört ich sagen,
Daß, der im Mohne schlief,
Hinunter ward getragen
In Träume, schwer und tief;
Dem Wachen selbst geblieben
Sei irren Wahnes Spur,
Die Nahen und die Lieben
Halt' er für Schemen nur.
In meiner Tage Morgen,
Da lag auch ich einmal,
Von Blumen ganz verborgen,
In einem schönen Tal.
Sie dufteten so milde!
Da ward, ich fühlt es kaum,
Das Leben mir zum Bilde,
Das Wirkliche zum Traum.
Seitdem ist mir beständig,
Als w'r es so nur recht,
Mein Bild der Welt lebendig,
Mein Traum nur wahr und echt;
Die Schatten, die ich sehe,
Sie sind wie Sterne klar.
O Mohn der Dichtung! wehe
Ums Haupt mir immerdar!
Fred Endrikat 1890-1942
Weltanschauung
Der Sommer färbt die Äpfel rot,
die Trauben und die Beeren.
Der Mohn in Farbenflammen loht,
sein Leuchten zu entzünden droht
die strahlend gelben Ähren.
Nur Farbenpracht, wohin man schaut,
wohin man hört, ein Klingen.
Der weite Sommerhimmel blaut,
in lichten Höhen jubelnd laut
die kleinen Lerchen singen.
Der Maulwurf in der Erde gräbt,
weiß nichts von diesen Dingen.
Er hat das Schöne nie erlebt.
Der Finsterling nach unten strebt
und wühlt nach Engerlingen.
Es findet jeder, wie er kann,
auf seine Art Erbauung.
Schaut man die Welt von oben an –
von unten – so hat jedermann
die beste Weltanschauung.
Karl Friedrich von Gerok 1815-1890
Blühender Mohn
Blaue, linde
Sommerwinde,
Wiegt mein Mohnfeld leicht und leis,
Daß die blanken
Blüten schwanken,
Rosenrot und lilienweiß!
Junisonne,
Sommerwonne
Stehn auf ihrer Höhe schon,
Deiner Fahnen
Leises Mahnen,
Wohl vernehm' ich's, bunter Mohn!
Sinnend steh' ich,
Träumend seh' ich
Weit ins Land vom Wiesensaum:
Winde weben,
Blüten beben
- Und das Leben ist ein Traum. -
Gustav Falke 1853-1916
Das Mohnfeld
Es war einmal, ich weiß nicht wann
Und weiß nicht wo. Vielleicht ein Traum.
Ich trat aus einem schwarzen Tann
An einen stillen Wiesensaum.
Und auf der stillen Wiese stand
Rings Mohn bei Mohn und unbewegt,
Und war bis an den fernsten Rand
Der rote Teppich hingelegt.
Und auf dem roten Teppich lag,
Von tausend Blumen angeblickt,
Ein schöner, müder Sommertag,
Im ersten Schlummer eingenickt.
Ein Hase kam im Sprung. Erschreckt
Hat er sich tief ins Kraut geduckt,
Bis an die Löffel zugedeckt,
Nur einer hat herausgeguckt.
Kein Hauch. Kein Laut. Ein Vogelflug
Bewegte kaum die Abendluft.
Ich sah kaum, wie der Flügel schlug,
Ein schwarzer Strich im Dämmerduft.
Es war einmal, ich weiß nicht wo.
Ein Traum vielleicht. Lang ist es her.
Ich seh nur noch, und immer so,
Das stille, rote Blumenmeer.
Friedrich Hebbel 1813-1863
Ein Weizenfeld
Weil es die Ähre verschmäht, sich mit der Farbe zu zieren,
Hat die Natur ihr den Mohn dicht an die Seite gestellt;
Jener hat sie die Kraft vertraut, den Menschen zu nähren,
Diesem verlieh sie den Reiz, welcher sein Auge erfreut.
Jene frage drum nicht: Wo sprießen dir nützliche Körner?
Oder dieser: Wo trägst du den erquicklichen Schmuck?
Wenn die eine uns fehlte, so könnten wir freilich nicht leben,
Aber wir möchten es nicht, wäre der andre nicht da!
François Villon 1431-1464
Im Sommer war das Gras so tief,
Daß jeder Wind daran vorüberlief.
Ich habe da dein Blut gespürt
Und wie es heiß zu mir herüberrann.
Du hast nur mein Gesicht berührt.
Da starb er einfach hin, der harte Mann,
Weils solche Liebe nicht mehr gibt...
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.
Im Feld den ganzen Sommer war
Der rote Mohn so rot nicht wie dein Haar.
Jetzt wird es abgemäht, das Gras,
Die bunten Blumen welken auch dahin.
Und wenn der rote Mohn so blaß
Geworden ist, dann hat es keinen Sinn,
Daß es noch weiße Wolken gibt...
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.
Du sagst, daß es bald Kinder gibt,
Wenn man sich in dein rotes Haar verliebt,
So rot wie Mohn, so weiß wie Schnee.
Im Herbst da kehren viele Kinder ein,
Warum solls auch bei uns nicht sein?
Du bleibst im Winter auch mein rotes Reh,
Und wenn es tausend schönere gibt...
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.
Stefan George 1868-1933
Juli-Schwermut
An Ernest Dowson
Blumen des sommers duftet ihr noch so reich:
Ackerwinde im herben saatgeruch
Du ziehst mich nach am dorrenden geländer
Mir ward der stolzen gärten sesam fremd.
Aus dem vergessen lockst du träume: das kind
Auf keuscher scholle rastend des ährengefilds
In ernte-gluten neben nackten schnittern
Bei blanker sichel und versiegtem krug.
Schläfrig schaukelten wespen im mittagslied
Und ihm träufelten auf die gerötete stirn
Durch schwachen schutz der halme-schatten
Des mohnes blätter: breite tropfen blut.
Nichts was mir je war raubt die vergänglichkeit.
Schmachtend wie damals lieg ich in schmachtender flur
Aus mattem munde murmelt es: wie bin ich
Der blumen müd · der schönen blumen müd!
Max Dauthendey 1867-1918
Dort wucherte Mohn
Wir gingen in helle Kornfelder hinein.
Dort wucherte Mohn rotfleckig am Rain,
Fein klingen dort Ähren dem Ohr Melodein
Und wiegen die Köpfe leise und träge,
Und heiße Dinge liegen am Wege.
Nicht Körner allein im Kornfeld gedeihn,
Mohnrote Flecken, die lecken am Blut,
Die können im Feld ein Brennen anstecken;
Wir haben geküßt und nicht ausgeruht.
Antonie Jüngst 1843-1918
Roter Mohn
Rotflammender Mohn den Hag entlang,
Rotflammender Mohn am Hügelhang,
Wohin auch das Auge sich wendet, loht
Es hüben und drüben in leuchtendem Rot.
Die brennende Sonne des Juli lacht
Aus strahlendem Blau herab auf die Fracht;
Ihr Kuß hat die schlummernden Knospen geweckt,
Die taufrische Halde mit Blüten bedeckt.
Und wenn nun ein flüchtiger Windhauch nur
Mit heimlichem Flüstern bestreicht die Flur,
Da fährt sie empor, ein hin und her
In purpurnen Wogen wallendes Meer.
Das letzte Gekräusel verzittert am Saum
Des Waldes, gleich wonnigem Morgentraum,
Und leise nickend grüßt Berg und Tal
Rotflammend der Mohn im Mittagsstrahl.
Else Galen-Gube 1869-1922
Roter Mohn
Der Wald steht grün. Die Wiese ist mit Blüten
so reich besät wie dort das Aehrenfeld
mit rotem Mohn – dem vollen, lichtdurchglühten.
Es strotzt im Frühlingsschmuck die ganze Welt;
rings um mich her ein üppig Blühen, Prangen,
voll von Begehrlichkeiten und Lichtverlangen.
Hoch steht das Gras, gewiegt vom Windesfächeln.
Ganz still-verträumt seh ich den Halmen zu,
um meine Lippen spielt ein mattes Lächeln.
Der Wind küßt meine Stirn – warum nicht Du? . . . .
O du, o du, daß jetzt in dieser Stunde
dein Arm mich nicht umschlungen hält im Mohn,
daß heiße Küsse nicht von deinem Munde
auf meinen sehnsuchtsoffnen Lippen lohn! . . . . . .
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
Wenn im Sommer der rote Mohn
Wenn im Sommer der rote Mohn
wieder glüht im gelben Korn,
wenn des Finken süßer Ton
wieder lockt im Hagedorn,
wenn es wieder weit und breit
feierklar und fruchtstill ist,
dann erfüllt sich uns die Zeit,
die mit vollen Massen misst.
Dann verebbt, was uns bedroht,
dann verweht, was uns bedrückt,
über dem Schlangenkopf der Not
ist das Sonnenschwert gezückt.
Glaube nur, es wird geschehn!
Wende nicht den Blick zurück!
Wenn die Sommerwinde wehn,
werden wir in Rosen gehn,
und die Sonne lacht uns Glück!
Theobald Nöthig 1841-1900
Juninacht
Sterne künden die Nacht.
Glänzend wie Schwanengefieder
senkt sie zur Erde sich nieder.
Liebchen habe nun acht!
Rings wie Nebel empor
heben sich Zaubergestalten.
Nymphen jetzt Zwiegespräch halten,
zärtlich seufzend im Rohr.
Oberon ruft zum Tanz;
Elfen umfangen sich lüstern.
Horch, in den Zweigen das Flüstern!
Sieh, im Grase der Glanz!
Mohn blüht feurig im Korn,
wo sie im Reigen sich drehen.
Schleier wie Spinngeweb weben
früh an Distel und Dorn.
Tauiger Hauch küßt wach
blühende Rosen und Reben,
läßt ihren Wohlgeruch schweben,
bräutlich dir ins Gemach.
Küsse, küsse auch mich!
Liebchen, es bangt meine Seele,
daß mir der Geisterfürst stehle
als Titania dich.
Josef Weinheber 1892-1945
Mohn
Am Grund die Toten ruhen gut.
Ihr Schlaf geht auf in stummer Glut,
dunkel, Blut aus Blut.
Im hohen Korn der lohe Schoß
empfängt den Sturm in Schauern groß.
Offen, brach und bloß.
Es rauscht vom Blute rund und rot.
Der Same ruht, schon reift das Brot
unsrer Erdennot.
Carl Wolff 1884-1938
Mohn
Lodernd in Schönheit,
flackernd in brennender Glut,
rot wie die Sinne,
heiß wie rauschendes Blut
sehe ich rings deine taumelnden Flammen loh'n,
blühender Mohn!
Ferne im Norden, zwischen der Straßen Grau,
weiß ich eine schöne und kalte Frau.
Meiner Sehnsucht purpurne Flügel
gleiten zu ihr über Täler und Hügel,
möchten sie tragen auf diese Auen,
auf deiner jauchzenden Schönheit Thron,
glühender Mohn!
Und ich weiß, deine wogenden Flammen
schlügen um ihre erwachenden Sinne
siegend zusammen.
Und sie würde sich taumelnd und trunken,
ganz in Licht und Duft versunken
in deine Blüten legen müssen —
und mich küssen.
Emil Claar 1842-1930
Dunkles Gefühl
Ich lag unter blühendem Baume,
Wie unter prächtigem Zelt –
Und sah in wachem Traum
Blitzen, die Axt, die ihn fällt.
In Golde prangten die Saaten,
In Purpur dazwischen der Mohn –
Ich hörte die Schnitter, die nahten,
Ich sah die Sichel schon.
Und nachts, da hab' ich vernommen
Im Hause schleichenden Tritt –
Vier schwarze Männer kommen
Und nehmen mich schweigend mit.
John McCrae 1872-1918
In Flanders Fields
In Flanders fields the poppies blow;
Between the crosses, row on row
That mark our place; and in the sky
The larks still bravely singing fly,
Scarce heard amidst the guns below.
We are the Dead. Short days ago
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved and were loved, and now we lie
In Flanders fields.
Take up our quarrel with the foe:
To you from falling hands we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields.
Auf Flanderns Feldern
Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn
Zwischen den Kreuzen, Reihe um Reihe,
Die unseren Platz markieren; und am Himmel
Fliegen die Lerchen noch immer tapfer singend
Unten zwischen den Kanonen kaum gehört.
Wir sind die Toten. Vor wenigen Tagen noch
Lebten wir, fühlten den Morgen und sahen den leuchtenden Sonnenuntergang,
Liebten und wurden geliebt, und nun liegen wir
Auf Flanderns Feldern.
Nehmt auf unseren Streit mit dem Feind:
Aus sinkender Hand werfen wir Euch
Die Fackel zu, die Eure sei, sie hoch zu halten.
Brecht Ihr den Bund mit uns, die wir sterben
So werden wir nicht schlafen, obgleich Mohn wächst
Auf Flanderns Feldern.
In Flanders Fields (deutsch Auf Flanderns Feldern) ist eines der bekanntesten englischsprachigen Gedichte über den Ersten Weltkrieg. Es wurde am 3. Mai 1915 von dem kanadischen Lieutenant Colonel John McCrae verfasst, dessen Freund am Vortag bei einem Granatenangriff in der Zweiten Flandernschlacht bei Ypern gefallen war. (Wikipedia)
Detlef von Liliencron 1844-1909
Tod in Ähren
Im Weizenfeld, in Korn und Mohn,
liegt ein Soldat, unaufgefunden,
zwei Tage schon, zwei Nächte schon,
mit schweren Wunden, unverbunden,
durstüberquält und fieberwild,
im Todeskampf den Kopf erhoben.
Ein letzter Traum, ein letztes Bild,
sein brechend Auge schlägt nach oben.
Die Sense rauscht im Ährenfeld,
er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden.
Ade, ade du Heimatwelt -
und beugt das Haupt und ist verschieden.