BuchKult
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Blüh auf, gefrorner Christ,

der Mai steht vor der Tür!

Du bleibest ewig tot,

blühst du nicht jetzt und hier.

Angelus Silesius 1624-1677

 

 

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Très Riches Heures, Mai
Très Riches Heures - Die Brüder von Limburg (Paul, Johan und Herman) waren niederländische Miniaturmaler.Das Stundenbuch des Herzogs von Berry (französisch Les Très Riches Heures du Duc de Berry bzw. kurz Très Riches Heures) ist das berühmteste illustrierte Manuskript des 15. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein ausgesprochen reichhaltig verziertes Stundenbuch, das 208 Blätter mit 21,5 cm Breite und 30 cm Höhe enthält, von denen etwa die Hälfte ganzseitig bebildert sind.
 

Erich Kästner

Der Mai

        

Im Galarock des heiteren Verschwenders,

ein Blumenzepter in der schmalen Hand,

fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders,

aus seiner Kutsche grüßend, über Land.

 

Es überblüht sich, er braucht nur zu winken.

Er winkt! Und rollt durch einen Farbenhain.

Blaumeisen flattern ihm voraus und Finken.

Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein.

 

Die Apfelbäume hinterm Zaun erröten.

Die Birken machen einen grünen Knicks.

Die Drosseln spielen, auf ganz kleinen Flöten,

das Scherzo aus der Symphonie des Glücks.

 

Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle.

Wir ziehn den Hut. Die Kutsche rollt vorbei.

Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle.

O, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!

 

Melancholie und Freude sind wohl Schwestern.

Und aus den Zweigen fällt verblühter Schnee.

Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern.

Auch Glück kann weh tun. Auch der Mai tut weh.

 

Er nickt uns zu und ruft: "Ich komm ja wieder!"

Aus Himmelblau wird langsam Abendgold.

Er grüßt die Hügel, und er winkt dem Flieder.

Er lächelt. Lächelt. Und die Kutsche rollt.

 

 

 

Francisco de Goya, Der Maibaum, um 1786-1787
Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828) war ein spanischer Maler und Grafiker des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts
 

Heinrich Seidel 1842-1906

Frühkonzert im Mai

 

Die Lerche steigt am Morgen

Noch vor der Sonne auf -

In Dämmerschein verborgen

Schwebt singend sie hinauf.

Sie badet ihr Gefieder

Im ersten Morgenstrahl

Und stürzt sich jauchzend nieder

Ins grüne Wiesenthal.

 

Was hat der Fink zu schlagen

Auf seinem grünen Ast?

Er hat nicht viel zu sagen,

Doch sagt er’s ohne Rast

Die Schwalbe gar im Fluge

Singt hell ihr krauses Lied.

Dieweil der Staar, der kluge,

Die Silbertöne zieht.

 

Die Nachtigall im Flieder

Sang schon die ganze Nacht,

Nun jauchzet sie schon wieder,

Da kaum der Tag erwacht.

Wie drängt in Frühlingstagen

Sich Liebe, Lust und Leid -

Es ist nicht auszusagen

In dieser kurzen Zeit!

 

In jungen Blüthenzweigen

Da rieseln fröhlich hin

Wie Pfeifen und wie Geigen

Grasmücken-Melodien.

Es tönt vom Erlenhage

Mit weichem Flötenklang

Wie eine sanfte Frage

Des Fitis holder Sang.

 

Es jauchzt von allen Ästen,

Aus jedem Busch hervor -

Klingt manches nicht zum besten,

Es macht sich doch im Chor.

Denn horch nur - welch ein Schwätzen

Im Schilfrohr, welch Geknarr -

Halb klingt’s wie Sichelwetzen

Und halb wie Froschgequarr!

 

Es brüllt im Sumpf die Dommel

Von Frühlingslust erfasst,

Der Specht rührt seine Trommel

Auf einem dürren Ast.

Der Storch im Wiesengrunde

Will auch nicht müssig sein,

Als dritter nun im Bunde

Fällt er mit Klappern ein.

 

Dem frühlingstrunknen Ohre

Erscheint auch dieses schön -

Zu einem frohen Chore

Schwillt all dies Lustgetön,

Und seine Klänge schweben

Empor zum Himmelszelt!

"Wie herrlich ist das Leben

Auf dieser schönen Welt!"

 

Dem frühlingstrunknen Ohre

Erscheint auch dieses schön -

Zu einem frohen Chore

Schwillt all dies Lustgetön,

Und seine Klänge schweben

Empor zum Himmelszelt!

"Wie herrlich ist das Leben

Auf dieser schönen Welt!"

 

 

Anonym, Tanz um den Maibaum, ca. 1792-93

Josef Weinheber 1892-1945

Mai

 

Die Schwalbe flitzt im Sonnenglast,

der Brunnen rauscht dem jungen Gast,

der Zeiger an der Sonnenuhr

malt an die Kirchturmwand die Spur.

So wächst das Jahr mit Lust und Mühn:

Sankt Urban, laß die Reben blühn!

Schon rührt sich neu der Wein im Faß,

die Quetsche tönt zum Kirmesbaß.

Sind erst vorbei die strengen Herrn

Pankraz, Servaz, dann tanzt man gern,

wo auf dem Platz der Maibaum steht,

dem süßer Wind die Bänder dreht.

 

 

 

Simon Benning, Hennessy hours, May - Labours of the months
Simon Bening (1483-1561), auch Simon Bennik, war ein flämischer Miniaturenmaler und Illustrator. Er gilt als einer der bedeutenden Künstler seines Fachs.
 

Otto Julius Bierbaum 1865-1910

 

Im Mai sind alle Blätter grün,

im Mai sind alle Kater kühn.

Drum wer ein Herz hat, faßt sich eins,

und wer sich keins faßt, hat auch keins.

 

 

 

Breviarium Grimani,

Mai
Breviarium Grimani, Stundenbuch des Domenico Grimani, Das berühmte Breviarium Grimani mit über 1600 durchgehend illuminierten Seiten gilt als eines der schönsten Zeugnisse der flämischen Buchmalerei des frühen 16. Jahrhunderts. Um 1510-1520 in Brügge und Gent entstanden, waren zahlreiche berühmte Miniaturisten an seiner Entstehung beteiligt, darunter Gerard David, Simon Bening und Gerard Horenbout.
 

Ludwig Uhland 1787-1862

Maientau

 

Auf den Wald und auf die Wiese,

Mit dem ersten Morgengrau,

Träuft ein Quell vom Paradiese,

Leiser, frischer Maientau;

Was den Mai zum Heiligtume

Jeder süßen Wonne schafft,

Schmelz der Blätter, Glanz der Blume,

Würz und Duft, ist seine Kraft.

 

Wenn den Tau die Muschel trinket,

Wird in ihr ein Perlenstrauß;

Wenn er in den Eichstamm sinket,

Werden Honigbienen draus;

Wenn der Vogel auf dem Reise

Kaum damit den Schnabel netzt,

Lernet er die helle Weise,

Die den ernsten Wald ergetzt.

 

Mit dem Tau der Maienglocken

Wascht die Jungfrau ihr Gesicht,

Badet sie die goldnen Locken,

Und sie glänzt von Himmelslicht;

Selbst ein Auge, rot geweinet,

Labt sich mit den Tropfen gern,

Bis ihm freundlich niederscheinet,

Taugetränkt, der Morgenstern.

 

Sink denn auch auf mich hernieder,

Balsam du für jeden Schmerz!

Netz auch mir die Augenlider!

Tränke mir mein dürstend Herz!

Gib mir Jugend, Sangeswonne,

Himmlischer Gebilde Schau,

Stärke mir den Blick zur Sonne,

Leiser, frischer Maientau!

 

 

Ciclo dei mesi, Maggio, Trento, Castello del Buonconsiglio, Torre del'Aquila

Ludwig Thoma 1867-1921

Mai

 

Was uns der schöne Frühling tut,

Ist lauter Lieb und Wonne.

Den Mädeln wird es so zumut

Wie Katzen in der Sonne.

 

Sie schnurren rings um uns herum,

Sie lächeln und sie schmeicheln,

Man fühlt was wie ein Fluidum,

Man muss die Tierchen streicheln.

 

Und kommt man auch nur leis daran,

So ist 's um uns geschehen,

Dem Frühling und dem Baldrian

Kann keiner widerstehen.

 

Herr Kirchenrat, Sie schweigen still!

Es lässt sich nicht vermeiden.

Wenn Gott die Sache selbst nicht will,

muss er die Kater schneiden.

 

 

Eugène Grasset,

La Belle Jardinière, Mai, 1896
Eugène Samuel Grasset (1845-1917) war ein schweizerisch-französischer Bildhauer, Maler und Illustrator der Belle Époque und Wegbereiter des Jugendstils.

Konrad Weichberger 1877-1948

Gartenlokal

 

Zu Kaffee, zu Kuchen, zu Biere

im Mai, im schönen Mai,

Ziehen alle viere:

Vat-, Mutter, der Bräut’gam, Marei.

 

Der Bräut’gam in hellen Hosen;

Die Falte vor Neuheit starrt.

Marei in den tadellosen

Kaiserbart vernarrt.

 

Die Alten folgen, und reden

Von Kunden, die nicht bezahlt,

Und übers Geschäft, und jeden,

Der grade vorüberstrahlt.

 

Zum Garten treibt sie die Hitze,

Wo andre Familien sind,

Dass hier der Bräutigam sitze

Bei Vater, Mutter und Kind.

 

Sie bleiben bei Kaffee und Biere

Bis dreiviertel sieben dort.

Dann gehen alle viere

Langsam wieder fort.

 

 

John Collier, Queen Guinevere's Maying, 1900
John Collier (1850-1934) war ein britischer Schriftsteller und Maler im Stil der Präraffaeliten.
 

Paul Ernst 1866-1933

Auf dem Hof

 

Sonnenschein fällt in das letzte Sprühen des Mairegens.

Der neue Leiterwagen dampft in die Sonne.

Ein Tropfen blitzt.

Unter ihm,

in einer kleinen Lache,

blauer Himmel und weiße Wölkchen.

 

Herbert Wilson Foster, The Procession of the May Queen
Herbert Wilson Foster (1846–1929) war ein britischer Maler.

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Eine alte Weide trauert

 

Eine alte Weide trauert

dürr und fühllos in den Mai,

eine alte Hütte kauert

grau und einsam hart dabei.

 

War ein Nest einst in der Weide,

in der Hütt' ein Glück zuhaus,

Winter kam und Weh,

und beide blieben aus.

 

William Holman Hunt, May Morning on Magdalen College, Oxford, Ancient Annual Ceremony
William Holman Hunt (1827-1910) war ein britischer Maler und einer der Gründer der Gruppe der Präraffaeliten.

Kurt Tucholsky 1890-1935

Unter dem Pseudonym Theobald Tiger

Der erste Mai

 

Ich falle lyrisch in die Saiten,

klim plum – es sprießt im Blumentopf.

Der Lenz rumort in diesen Zeiten

auch in dem ernsten Denkerkopf.

Ists recht, wenn ich ein Liedlein quarre?

So komm, du Trösterin, herbei,

du buntbewimpelte Gitarre –

am ersten Mai!

 

Der Tag, da jene bunte Rotte

klim plum – voll Freuden Mordio schrie,

scheint heute fern.

Dem Rachegotte

bleibt treu die alte Kompagnie.

Wer im August so sehr versessen

gewesen ist auf Kriegsgeschrei,

den wollen wir doch nicht vergessen

am ersten Mai!

 

Wir haben nun bei freien Eiern

klim plum – den neuen Feiertag.

Wir dürfen endlich jenen feiern,

den nie kein guter Landrat mag.

Doch müßt ihr stets Programme stammeln?

Laßt uns, was auch gewesen sei,

zu neuer Arbeit Kräfte sammeln

am ersten Mai!

 

So horch, Auguste meiner Seele,

wie süß mein Lied die Luft durchzieht!

Was ich mir hier herunterquäle,

kommt aus dem weichesten Gemid.

Und was wir brauchen an Moneten,

verdienst du mit der Filmerei –:

So laß uns in die Ehe treten

am ersten Mai!

Klim plum!

Am ersten Mai!

 

 

 

Knut Ekvall,

Die ersten Maiglöckchen, Die Gartenlaube, 1873
Knut Ekvall (1843-1912) war ein schwedischer Maler.

Autor unbekannt, 1873

Die ersten Maiglöckchen

 

"Ei, was fand ich! Mama sieh'!

Blümlein! Und wer brachte die?"

 

Süßer Schelm, die bracht' der Frühling,

Schmückte prangend rings die Welt –

Und du stiehlst ihm seine Blüthen,

Kleiner Tollpatsch, Springinsfeld?

 

"Sag' – Herr Frühling, wer ist der?

Das ist wohl ein großer Herr?"

 

Mächt'ger Herrscher ist Herr Frühling;

Ihm gehört die weite Flur,

Und wer ihn bestiehlt, den straft er –

Horch! Da kommt er – warte nur!

 

"Ist Herr Frühling böse? Sprich!

Mama, o dann fürcht' ich mich!"

 

Thränen? Nein, Du sollst nicht weinen!

An mein Herz, Du liebes Kind!

Hörst Du? In den Zweigen leise

Spricht Herr Frühling aus dem Wind.

 

"Sag' mir, was Herr Frühling spricht!

Mamachen, er zürnt doch nicht?"

 

Meine Blumen, spricht er, sollst du

Kecklich tragen an dem Hut

Und dir merken, daß Herr Frühling

Freundlich ist und mild und gut.

 

"Mama, ruf' ihn her zu mir!

Geb' ihm gleich ein Küßchen hier."

 

Alle Kinder hat er gerne,

Ist ja ewig selbst ein Kind,

Doppelt gerne, wenn sie immer

Frisch und gut und fröhlich sind.

 

Théophile-Louis Deyrolle, May song
Théophile-Louis Deyrolle (1844-1923) war ein französischer Maler, Illustrator und Keramiker.

Josef Weinheber 1892-1945

Mai

 

Welch leises Glücklichsein mein Innres wiegt! -

Ich lieg im jungen Maigras tief im Wald,

in Halm und Blüten selig eingeschmiegt.

 

Kaum, daß ein Laut durchs tiefe Schweigen schallt. -

Die Seele träumt und sehnt sich wunderlich

den Wolken nach, die fern ins Blau geballt

 

und wünscht zu ihrem Glück nichts andres sich

als so ein Fleckchen Blau im stillen Wald,

und träumt den Wolken nach und denkt an dich.

 

Francis Hayman, Country Dances Round a Maypole
Francis Hayman (1708-1776) war ein britischer Maler.

Otto Julius Bierbaum 1865-1910

Mai-Wunsch

 

Wie lieblich hat sichs eingemait!

Die Erde schwimmt in Blüten.

Das ist die höchst willkommne Zeit,

Die alles will begüten.

Nun werden die härtesten Herzen gelinder,

Wir laufen ins Grüne wie lachende Kinder,

Nun werden wir töricht und werden gescheit.

 

So geht es jedes liebe Jahr:

Wird man im Winter trübe,

So ists im Maimond wunderbar,

Als ob sich alles hübe.

Es fliehen die Wolken der Seele in Ballen,

Es will uns das Leben nun wieder gefallen,

Wir fühlen, wie töricht das Trübesein war.

 

Drum singen wir dem ersten Mai

Nach altem Brauch Willkommen.

Er mache alle Herzen frei

Und möge allen frommen.

Insonderheit soll er verliebten Leuten

Auch heuer die seligsten Stunden bedeuten.

Das ist unser Mai-Wunsch. Amen! Es sei!

 

William Collins, May Day
William Collins (1788-1847) war ein englischer Landschafts- und Genremaler.

Friedrich Wilhelm August Schmidt 1764-1838

Maifreude

 

An Henrietten

 

Fort Liebchen mit dem Winterpelz!

Der West umliebelt dich.

Konzert ertönt im Birkgehölz

Bei'm frühen Vogelstrich.

Und täglich färbt der Wiese Schmelz,

Die Heide frischer sich. –

 

O sieh! wie froh am Lindenbast

Die Wickelraupe kriecht!

Der Schillebold* vom Narbenast

Des Birnbaums niederfliegt!

Und dieser Blüte Dunenquast

Des Frühlings Odem wiegt!

 

Mit ausgespannten Flügeln schifft

Der Schwan auf unsrer Spree.

Der Wasserblümchen Lenzgedüft

Umhaucht den Unkensee;

Und auf der weichen Gänsetrift

Sprießt Wegewart und Klee,

 

Wie Alles, Alles weit und breit,

Vom linden Schmeichelwind

Mit Wonneblüten überstreut,

An warmer Sonne minnt!

Vom Storche bis zum Spatz sich freut,

Vom Karpfen bis zum Stint!

 

Weh dem, der itzt bei Städtertand

Den Mai verlieren muß! –

Komm, komm nach unsrer Quelle Rand,

Umkränzt von Cytisus,

Zu ruh'n an grüner Heckenwand

Bei Els' und Wassernuß.

 

*Schillebold = Libelle

 

Francisco de Goya, El árbol de mayo
Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828) war ein spanischer Maler und Grafiker des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts

Wilhelm Busch 1832-1908

Sei mir gegrüßt, du lieber Mai

 

Sei mir gegrüßt, du lieber Mai,

mit Laub und Blüten mancherlei!

Seid mir gegrüßt, ihr lieben Bienen,

vom Morgensonnenstrahl beschienen!

Wie fliegt ihr munter ein und aus

in Imker Dralles Bienenhaus

und seid zu dieser Morgenzeit

so früh schon voller Tätigkeit.

Für Diebe ist hier nichts zu machen,

denn vor dem Tore stehn die Wachen.

Und all´ die wacker´n Handwerksleute

die hauen, messen stillvergnügt,

bis daß die Seite sich zur Seite

schön sechsgeeckt zusammenfügt.

Schau! Bienenlieschen in der Frühe

bringt Staub und Kehricht vor die Tür;

Ja! Reinlichkeit macht viele Mühe,

doch später macht sie auch Pläsier.

 

Pieter Bruegel der Jüngere, St. George's Kermis with the Dance around the Maypole
Pieter Bruegel der Jüngere (1564-1638), genannt de Helse Brueghel oder Höllenbrueghel, war ein brabantischer Genremaler.

Anton Wildgans 1881-1932

Mai

 

In allen Gärten blüht der Mai,

Die Sonne steht in seinem Solde,

Der Himmel, blau und wolkenfrei,

Ist ganz durchwirkt von ihrem Golde.

 

Die alten Häuser in der Stadt

Lächeln mit blinkenden Fassaden,

Und seine weiße Plache hat

Der allerkleinste Krämerladen.

 

Und in den Straßen bunter Schwarm

In leichten lichten Frühlingstrachten,

Die ganze Welt geht Arm in Arm

Und will vor lauter Lust verschmachten.

 

Die Mädchen tragen frei den Hals

Bis zu den Brüstlein unterm Mieder,

Sogar die Pfützen allenfalls

Spiegeln den blauen Himmel wieder...

 

Was tatst denn Du die lange Frist,

Mensch mit den bleichen Wangen,

Der Du verschneit gewesen bist -?

Was tatst Du denn die lange Frist,

Um diesen Frühling zu empfangen?!

 

Johann Lingelbach, A Village Festival, Peasants Merrymaking Outside an Inn, Frühe 1650er, Nottingham City Museums & Galleries
Johann(es) Lingelbach (1622-1674) war ein deutscher Maler.

Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832

Mai

 

Leichte Silberwolken schweben

Durch die erst erwärmten Lüfte,

Mild, von Schimmer sanft umgeben,

Blickt die Sonne durch die Düfte.

Leise wallt und drängt die Welle

Sich am reichen Ufer hin,

Und wie reingewaschen helle,

Schwankend hin und her und hin,

Spiegelt sich das junge Grün.

 

Still ist Luft und Lüftchen stille;

Was bewegt mir das Gezweige?

Schwüle Liebe dieser Fülle,

Von den Bäumen durchs Gesträuche.

Nun der Blick auf einmal helle,

Sieh! der Bübchen Flatterschar,

Das bewegt und regt so schnelle,

Wie der Morgen sie gebar,

Flügelhaft sich Paar und Paar.

 

Fangen an, das Dach zu flechten-

Wer bedürfte dieser Hütte?

Und wie Zimmrer, die gerechten,

Bank und Tischchen in der Mitte!

 

Und so bin ich noch verwundert,

Sonne sinkt, ich fühl es kaum;

Und nun führen aber hundert

Mir das Liebchen in den Raum,

Tag und Abend, welch ein Traum!

 

 

Maurice Brazil Prendergast, Maypole, c.1903
Maurice Brazil Prendergast (1858-1924) war ein US-amerikanischer Aquarellist des Post-Impressionismus.
 

Kurt Tucholsky 1890-1935

Sehnsucht nach der Sehnsucht

 

Erst wollte ich mich dir in Keuschheit nahn.

Die Kette schmolz.

Ich bin doch schließlich, schließlich auch ein Mann,

und nicht von Holz.

 

Der Mai ist da. Der Vogel Pirol pfeift.

Es geht was um.

Und wer sich dies und wer sich das verkneift,

der ist schön dumm.

 

Denn mit der Seelenfreundschaft – liebste Frau,

hier dies Gedicht

zeigt mir und Ihnen treffend und genau:

es geht ja nicht.

 

Es geht nicht, wenn die linde Luft weht und

die Amsel singt –

wir brauchen alle einen roten Mund,

der uns beschwingt.

 

Wir brauchen alle etwas, das das Blut

rasch vorwärtstreibt –

es dichtet sich doch noch einmal so gut,

wenn man beweibt.

 

Doch heller noch tönt meiner Leier Klang,

wenn du versagst,

was ich entbehrte öde Jahre lang –

wenn du nicht magst.

 

So süß ist keine Liebesmelodie,

so frisch kein Bad,

so freundlich keine kleine Brust wie die,

die man nicht hat.

 

Die Wirklichkeit hat es noch nie gekonnt,

weil sie nichts hält.

Und strahlend überschleiert mir dein Blond

die ganze Welt.

 

Rose Mary Barton, Hyde Park, May, 1893
Rose Mary Barton (1856-1929) war eine anglo-irische Künstlerin

Johannes Trojan 1837-1915

An den Mai

 

Lieber Mai, sei uns willkommen

In dem Tal und auf der Höh!

Endlich hast du weggenommen

Selbst vom Bergeshaupt den Schnee.

Blumen streust du auf die Triften,

Bunte Sternlein, hold zu schaun,

Und die Lerchen in den Lüften

Singen Lieder voll Vertraun.

Nun vorbei das bange Schweigen,

Hebt sich ringsum heller Schall,

Und zuletzt von blühnden Zweigen

Singst auch du, o Nachtigall!

Keiner harten Stürme Wüten

Schreckt mehr das begrünte Feld;

Vöglein lockt es schon zum Brüten -

Mai, du kommst mit deinen Blüten,

Und aufs neu ist jung die Welt.

 

Ach, was war das für ein Leiden,

Als uns Winter hielt im Bann!

Und er wollte gar nicht scheiden

Und er hielt noch immer an.

Alles still in Näh und Ferne,

Alles starr in eis'ger Pracht,

Von dem Himmel kalte Sterne

Sahn hernieder in der Nacht.

Aber neuen Lebens Fülle

Regt sich jetzt mit Jubelton,

Ihrer Knospen grüne Hülle

Sprengen frühe Röslein schon.

Froh dem Lenz den Gruß zu bieten,

Drängt das Volk sich allerwärts;

Blumen nicken von den Hüten,

Mai, du kommst mit deinen Blüten,

Und aufs neu ist jung das Herz.

 

Randolph Caldecott, May Day
Randolph Caldecott (1846-1886) war ein britischer Illustrator, Maler und Modelleur.

Klabund

Erster Mai in Zürich

 

Die Fahnen singen hoch im Überschwang,

Die Pauken knallen dumpfer wie Kanonen,

Da ziehen sie im murmelnden Gesang,

Die in den Kellern feucht wie Schwämme wohnen.

 

Die Mäuseohren sind in Furcht gespitzt,

sie schleppen Nelken in gegornen Händen.

Ein Frauenschoss lockt filzig und verschwitzt,

Und Kinder springen leicht von ihren Lenden.

 

Plakate schweben bunt wie Schmetterlinge,

Und dreimal Friede funkelt süss und rot.

Sein Holzbein schwingt ein zahmer Zwerg als Klinge,

Die jedem Schädel mit Vernichtung droht.

 

Und viele Herren mit gestreckten Bäuchen

Lächeln verfressen, weil die Sonne scheint.

Blaublumen neigen sich aus den Gesträuchen,

Ein Apfelbaum die rosa Blüten weint.

 

Der See trompetet. Und die Berge blasen.

Ein erst Gewitter fällt aus Gottes Hand

Gleich einem goldnen Ball. Wie scheue Hasen

Hoppeln sie bräunlich durch der Städte Land.

 

Pál Szinyei Merse, Picknick im Mai, 1873, Ungarische Nationalgalerie
Pál Szinyei Merse (1845-1920), auch Paul Merse von Szinyei, war ein ungarischer Maler.

Joseph Victor von Scheffel 1826-1886

 

Schöner Monat Mai, wie gräßlich

Sind dem Kater deine Stunden,

Des Gesanges Höllenqualen

Hab' ich nie so tief empfunden.

 

Aus den Zweigen, aus den Büschen

Tönt der Vögel Tirilieren,

Weit und breit hör' ich die Menschheit

Wie im Taglohn musizieren.

 

In der Küche singt die Köchin,

Ist auch sie von Lieb' betöret?

Und sie singet aus der Fistel,

Daß die Seele sich empöret.

 

Weiter aufwärts will ich flüchten,

Auf zum luftigen Balkone,

Wehe! – aus dem Garten schallt der

Blonden Nachbarin Kanzone.

 

Unterm Dache selber find' ich

Die gestörte Ruh' nicht wieder,

Nebenan wohnt ein Poet, er

Trillert seine eignen Lieder.

 

Und verzweifelt will ich jetzo

In des Kellers Tiefen steigen,

Ach! – da tanzt man in der Hausflur,

Tanzt zu Dudelsack und Geigen.

 

Harmlos Volk! In Selbstbetäubung

Werdet ihr noch lyrisch tollen,

Wenn vernichtend schon des Ostens

Tragisch dumpfe Donner rollen!

 

aus: Der Trompeter von Säkkingen

 

 

Isaak Lewitan, Das erste Grün - Mai
Isaak Iljitsch Lewitan (1860-1900) war einer der bedeutendsten russischen Maler des Realismus.

Josef Weinheber 1892-1945

Mai

 

Du, Tag für Tag mit hold- und holdern Lichtern

bunt betreßt.

Gott wandelt unter reichen, großen

Bäumen. Immer wieder

flammt ein Fest.

 

Es lebt das Lächeln auf in schmalen

Greisenangesichtern.

Böser Stein,

mit Haß befleckt, schmiegt sich in kühlen Flieder

und wird rein.

 

Die Abende sind aufgeschlossen,

weit und gut.

Sie fallen in den Schmelz der Blüten nieder,

wie in schöne Schalen

dunkle Flut.

 

 

 

Józef Mehoffer, Slonce majowe, Sun in May
Józef Mehoffer (1869-1946) war ein polnischer Maler und Graphiker und einer der führenden Vertreter der Kunstrichtung Junges Polen.
 

Wilhelm Busch 1832-1908

Frühlingslied

 

In der Laube von Syringen,

Oh, wie ist der Abend fein.

Brüder, laßt die Gläser klingen,

Angefüllt, mit Maienwein.

 

Heija, der frische Mai,

Er bringt uns mancherlei.

Das Schönste aber hier auf Erden

Ist lieben und geliebt zu werden.

Heija, im frischen Mai.

 

Über uns die lieben Sterne

Blinken hell und frohgemut,

denn sie sehen schon von ferne,

auch hier unten geht es gut.

 

Wer sich jetzt bei trüben Kerzen

Der Gelehrsamkeit befleißt,

Diesem wünschen wir von Herzen,

daß er bald Professor heißt.

 

Wer als Wein- und Weiberhasser

jedermann im Wege steht,

Der genieße Brot und Wasser,

Bis er endlich in sich geht.

 

Wem vielleicht sein altes Hannchen

Irgendwie abhanden kam,

Nur getrost, es gab schon manchen,

Der ein neues Hannchen nahm.

 

Also, eh der Mai zu Ende,

Aufgeschaut und umgeblickt,

Keiner, der nicht eine fände,

Die ihn an ihr Herze drückt.

 

Jahre steigen auf und nieder;

Aber, wenn der Lenz erblüht,

Dann, ihr Brüder, immer wieder

Töne unser Jubellied.

 

Heija, der frische Mai,

Er bringt uns mancherlei,

Das Schönste aber hier auf Erden

Ist lieben und geliebt zu werden,

 

Heija, im frischen Mai.

 

George Clausen, Garden in May
George Clausen (1852-1844) war ein britischer Künstler, der mit Öl und Aquarell, Radierung, Mezzotinta, Trockenpunkt und gelegentlich Lithografien arbeitete.
 

Theodor Storm 1817-1888

Im Maien

 

Ach! Im Maien

Im Frühlingsüberschwange

Fühlt ein jedes Hundeherz

Sich getrieben von dem Drange,

Ohne Ruh

A-hu! A-hu!

Von der Liebe süßem Schmerz.

 

Milder werden ihre Sitten;

Es ergreift Melancholie

Alle, die vergeblich bitten.

Darum du

A-hu! A-hu!

Hundedame, höre sie!

 

Fühlst du keine jener Schwächen,

Die das Herrenvolk verehrt?

O! das muß sich einmal rächen!

Nur so zu!

A-hu! A-hu!

Auch der Mops hat seinen Wert.

 

Eh du's meinst, vergeht die Jugend;

Und mit der du so gegeizt,

Gerne gäbst du deine Tugend,

Alte Kuh!

A-hu! A-hu!

Die dann keinen Pinscher reizt.

 

Mädchen! sieh an diesen Hunden,

Was auch unsere Wünsche sind!

Hast du wen im Mai gefunden,

O so tu!

A-h ! A-hu!

Alles, was er will, mein Kind!

 

Maria Oakey Dewing, Garden in May, 1895, Smithsonian American Art Museum
Maria Oakey Dewing (1845-1927) war eine US-amerikanische Malerin und die Ehefrau von Thomas Dewing.

Jakob Michael Reinhold Lenz 1708-1754

Wo bist du itzt

 

Wo bist du itzt, mein unvergeßlich Mädchen,

Wo singst du itzt?

Wo lacht die Flur, wo triumphiert das Städtchen,

Das dich besitzt?

 

Seit du entfernt, will keine Sonne scheinen,

Und es vereint

Der Himmel sich, dir zärtlich nachzuweinen,

Mit deinem Freund.

 

All unsre Lust ist fort mit dir gezogen,

Still überall

Ist Stadt und Feld. Dir nach ist sie geflogen,

Die Nachtigall.

 

O komm zurück! Schon rufen Hirt und Heerden

Dich bang herbei.

Komm bald zurück! Sonst wird es Winter werden

Im Monat Mai.

 

 

 

John Ritchie,

The May Queen
John Ritchie (1846?-1875) war ein britischer Maler.
 

Kristan Von Hamle, Mitte 13. Jahrhundert

Der Frauen Preis

 

Da kommt der Mai mit Schalle!

Die Vögel singen alle;

In farbenreichem Kleide

Strahlt zauberisch die Haide.

Doch scheint ihr Glanz verblichen,

O Frau'n, mit euch verglichen.

Ihr sed so himmlisch gut,

So frei von falschem Muth,

Ihr süßen Minniglichen;

Ein Kuß von eurem Munde

Labt in des Herzens Grunde,

Mehr noch von Armen, schön und blank,

Ein williger Umfang.

 

Wer Tugend liebt und Ehre,

Der merke sich die Lehre,

"Er soll zu allen Zeiten

Der Frauen Lob verbreiten." -

Manch wonniglicher Segen

Beginnt wohl sein zu pflegen,

Wenn er sie fröhlich grüßt

Und fein die Rede süßt,

Nie kalt und nie verwegen.

Wenn rothe Lippen lachen

Muß alle Trauer schwachen;

Des holden Augenspieles Fund

Macht Herzen lieblich wund.

 

O Jubel, euch zu dienen!

Zwei Lippen wie Rubinen,

Zwei zarte Rosenwängel

Und Blicke wie die Engel

Muß jeder gerne schauen

Und eurer Huld vertrauen. -

Vor alle, was da lebt,

Und höchsten Ruhm erstrebt,

Ziemt euch der Rang, o Frauen!

Mit hunderttausend Munden

Kann Niemand würdig kunden

Und singen, was mein Lieb erhob:

Der Frauen Werth und Lob.

 

 

 

Herbert Gustave Schmalz, Queen of the May
Herbert Gustave Schmalz, ab 1918 Herbert Carmichael (1856-1935) war ein britischer Maler, der den Präraffaeliten zugerechnet wird.
 

John Förste 1889-1941

Berliner Mai

 

Die Mörder gehen jetzt mit durchweg sanften Blicken,

Und Straßenecken-Mädchen niesen laut.

Sonne glänzt speckig über Geldverdiener-Rücken,

O Welt, vom Auto aus, wie schön bist du gebaut!

 

Kaugummis fliegen hinter wohlgeformten Beinen,

Denn wer modern-verliebt ist, wird mitunter frech,

Vom Waldrand her quakt’s von Gesangvereinen,

Und die im Dickicht hängen, hatten eben Pech.

 

 

 

Theo van Hoytema, De maanden 1902 - Mei
Theo van Hoytema, Theodorus van Hoytema oder Hoijtema (1863-1917) war ein niederländischer Maler, Lithograph und Illustrator, der sich der Darstellung von Vögeln widmete.
 

Josef Weinheber 1892-1945

Abend im Mai

 

Tausend an tausend

Opferkerzen

 

Opfer der Liebe, brennende Kerzen

leuchten die jungen Kastanientriebe

auf in samtenes Blau.

 

Sacht

steigt aus grünübersponnenem Bau

schmaler Rauch

inden süßen Frieden.

Oben im Blau

hält der Mond wie ein silberner Hauch

Wacht

über das Blühn hienieden.

 

Still, o, still - -

Nur vom Tal

verlorenes Läuten.

Was es nur will -?

Sehnsuchtsherz, Herz voll Qual

und voll dunkeler Einsamkeiten,

zögerst noch?

Gib Dich doch,

gib Dich den friedvollen Weiten!

 

William John Hennessy, The Flowers of May
William John Hennessy (1839-1917) war ein irischer Maler.

Ab hier wird’s ungemütlich, Gedichte und Bilder werden asynchron: nicht jeder Mai war Grund zur Freude und nicht alle Dichter konnten dem Mai nur Freudiges und Liebliches abgewinnen. In der Lyrik findet dies seinen Niederschlag, in der bildenden Kunst nicht, denn was unterscheidet einen kalt-verregneten Maitag von einem im Juli, August oder September?

 

Alfred Arthur Sisley, A May Morning in Moret, 1886
Alfred Arthur Sisley (1839-1899) war ein englischer Maler des Impressionismus, der in Frankreich lebte und wirkte.

Lebrecht Dreves 1816-1870

Kalter Mai

 

Die Welt ist anders, als man meint;

O glaub' nicht, daß es Frühling sei

Weil hell die Sonn' in's Fenster scheint,

Erlogen ist der ganze Mai.

 

Die Sonne lockt gedankenlos

Den Keim aus seinem dunklen Haus,

Erfriert der Keim dann rettungslos,

Macht sich die Sonne nichts daraus.

 

O trau' der falschen Wärme nicht,

Die Sonne ist aus Eis gemacht,

Sie hat ein liebes Angesicht,

Es ist entzückend, wenn sie lacht.

 

Doch sauge keinen süßen Schmerz

Aus ihren hellen Blicken ein,

Die Sonne scheint ja nur zum Scherz,

Nimm nicht für Wahrheit ihren Schein.

 

Seh' nicht dein junges Leben d'ran,

Erlogen ist der ganze Mai,

Die Sonne sieht dich liebend an,

Allein ihr Herz ist nicht dabei.

 

Konstantin Juon, May Morning
Konstantin Fjodorowitsch Juon (1875-1958) war ein russisch-sowjetischer Maler, Bühnenbildner und Kunsttheoretiker.

Julius Rodenberg 1831-1914

Der schlimme Mai

 

1856

 

Euch, arme Blüthen, nur bedaur' ich,

Daß ihr entsprossen diesem Mai,

Der kalt und frostig, trüb und schaurig

Euch zarten Wesen ging vorbei.

 

Was habt Ihr nun von eurem Leben,

Was von des Daseins bester Zeit?

Nur kurze Frist war euch gegeben,

Und schon seid ihr in's Thal verschneit.

 

Was soll denn nun dem moderfeuchten

Gesträuch der Sommer noch verleihn?

Im Herbst wird keine Frucht uns leuchten,

Und in der Winternacht kein Wein.

 

O schlimmer Mai, der du die Blüthen

So rasch zerstäubt, so bald zerknickt,

Und Seelen, die voll Sehnsucht glühten,

In ihrem ersten Traum erstickt:

 

Fortan soll Niemand an Dich glauben,

Verrausche flüchtig mit dem Jahr!

Es soll sich Dein in dunklen Lauben

Nie mehr erfreun ein liebend Paar.

 

Kein Herz soll sich an Dir erwärmen,

Kein Busen schlage Dir entzückt;

Kein Mädchen soll mehr für Dich schwärmen,

Wenn sie die ersten Veilchen pflückt.

 

Kein Lied soll mehr zu Deinem Preise

Von trunknen Sängerlippen wehn;

Gleich einer längst verklungnen Weise

Soll, schnöder Mai, Dein Lob vergeh'n!

 

Stanislaw Zukowski, Old Manor, Mai
Stanislaw Zukowski (1873–1944) war ein polnischer Impressionist.

Gustav Falke 1853-1916

An den Mai

 

Schäm dich Gesell! Kein Sonnenschein?

Und du stellst dich als Mai hier ein?

Du bist der rechte Tröster nicht!

Wer mag dein garstig Angesicht

Noch länger sehn? Geh reisen!

Schon reift dein Bruder uns heran,

Der Juni, der wird unser Mann,

Und wird sich hold erweisen.

 

Sieh da! Ein blanker Sonnenstrahl!

So bist du doch nicht ganz entherzt

Und lächelst auch einmal?

Doch lieber Freund, es ist verscherzt!

Das ist kein Mai, der sich bedenkt

Und tropfenweise sich verschenkt,

Ein Mai muss aus dem Vollen fließen,

Wir müssen ihn wie Wein genießen

Und wie in seligem Rausche sein,

Pack ein!

 

 

Christian Kröner, In the Beautiful Month of May
Johann Christian Kröner (1838-1911) war ein deutscher Jagd- und Landschaftsmaler, Radierer und Zeichner.

Ludwig Thoma 1867-1921

Erster Mai

 

Ja, das war ein erster Mai!

Dreckig waren alle Straßen,

Auch der Wind hat kalt geblasen,

So, als wenn es Winter sei.

 

Unsre junge Mädchenschar

Trug verstärkte Unterhosen,

Und es konnte wohl erbosen,

Wem es etwa lästig war.

 

Nichts von Spitzen oder Mull!

Und von den Naturgenüssen

Hat man sich enthalten müssen,

Denn es war fast unter Null.

 

Alle haben sich geschont,

Die sonst gerne unterliegen,

Um nicht den Katarrh zu kriegen.

Und das heißt man Wonnemond!

 

 

Emil Zschimmer, Mai-Abend im Tieftal Erfurt, 1885
Emil Zschimmer (1842-1917) war ein deutscher Maler und Kunstpädagoge.

Georg Flad, Ein Maitag, 1897
Georg Flad (1853-1913) war ein deutscher Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule.

Max Herrmann-Neiße 1886-1941

Neues Mailied

 

(zum Mitsingen)

 

1

Der Mai ist zum Kotzen,

am Tag ist er zu heiß:

als wollte er protzen,

bringt er uns in Schweiß.

Sinkt der Abend hernieder,

friert man in seinem dünnen Rock

und sehnt sich schon wieder

nach Heizung und Grog.

 

2

Der Mai ist zum Speien,

die Bowlen schlagen aus.

Du latschest im Freien

und kehrst kaputt nach Haus,

hast zerrissene Sohlen,

im Bauche eine Wut

und was man sonst noch holen

sich im Mailüfterl tut.

 

3

Der Mai ist für Narren

ein Bluff und ein Trick,

die Dummen erharren

im Mai sich das Glück.

Der Geizhals spielt Genießer,

die Pärchen werden wild.

Die ältesten Spießer

stelln ein kitschiges Bild.

 

4

Der Mai macht sich mausig,

ein richtiger Ramschbasar.

Es tut, ach, herztausig

das dümmste Dromedar.

Das Maiblumengelbe,

der Stempel weißer Saft:

’s ist jedes Jahr dasselbe

und nicht sehr dauerhaft.

 

5

Das ist noch das Beste,

dass bald zerplatzt die Poesie;

die schäbigen Reste

verbraucht die Ansichtskarten-Industrie.

Die Pärchen dort glotzen

noch fort mit koloriertem Angesicht.

Der Mai ist zum Kotzen!

Doch was, was ist es nicht?

 

 

 

Maikäfer, Die Gartenlaube, 1879

Rudolf Presber 1868-1935

Dichter Rauhbein

 

Ich traf ihn im ›Roten Schweinskopf‹ beim Bier,

Dort sprach er mit Unverblümtheit.

Nur leider – betrunken schien er mir

Von Alkohol und Berühmtheit.

 

Flaumbärtige Bursche hockten dabei

Mit blaugetrunkenen Schmissen

Und gröhlten bei jeder Wutzerei,

Wie von der Kuh gebissen.

 

Dann lauschten sie wieder mit blödem Gesicht

Dem grimmigen Renommieren

Und rauchten Zigarren noch lange nicht

So schlecht wie ihre Manieren.

 

Er aber schaut stolz in dem Kreis sich um

Und richtet – ob je ichs vergesse! –

Ein grausames Privatissimum

Gratis an meine Adresse:

 

"Der Mensch soll brav als gesteigertes Vieh

Im Buch der Historie lesen:

Es gab auf Erden kein mächtig Genie,

Das nicht auch ein Flegel gewesen.

 

Drum ist meine Muse kein zimperlich Weib,

Wie auf alten griechischen Vasen;

Sie hat die robustesten Knochen im Leib

Und putzt sich am Ärmel die Nasen.

 

Sie ist die frechste Dirne der Stadt;

Doch mich kanns nur erheitern,

Wenn sie struppiges Haar auf dem Kopfe hat

Und Wanzen in ihren Kleidern.

 

Schmachtlappen und Zierbengeln bin ich fatal

Den Seufzgergigerln ein Grausen;

Ich rekle als einziges Original

Mich unter geölten Banausen.

 

Ich spuck auf die Liebe, ich schimpf auf den Mai,

Berühmt als Rauhbein und Knote.

Und dieses" – er rülpste – "ich bin so frei,

Ist meine persönliche Note."

 

 

 

Willard Leroy Metcalf, May Night, 1906
Willard Leroy Metcalf (1858-1925) war ein amerikanischer Maler.
 

Gunnar Hallström, Walpurgis Night, Birka, 1904
Gunnar August Hallström (1875-1943) war ein schwedischer Künstler.

Emil Claar 1842-1930

Der letzte Mai

 

Heut ist der allerletzte Mai

Und der schöne Frühling vorbei.

Wie gut, daß der Mensch nicht weiß, nicht sieht,

An welchem Tag sein Frühling entflieht!

 

 

Franz Xaver Winterhalter, 1.Mai 1851
Franz Xaver Winterhalter (1805-1873) war ein deutscher Maler.

 

Olga

Wisinger-Florian, Der Mai, 1885
Olga Wisinger-Florian (1844-1926) war eine österreichische Malerin des Impressionismus.
 

 

 

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Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

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