Und alles flimmernd überflossen
Von lerchenlauter Juliluft ...
Christian Morgenstern
Das juligelbe Land
Mit dem träumenden Wälderschweigen ...
Gustav Falke
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Paula Dehmel 1862–1918
Ich bin der Juli
Grüß Gott! Erlaubt mir, dass ich sitze.
Ich bin der Juli, spürt ihr die Hitze?
Kaum weiß ich, was ich noch schaffen soll,
die Ähren sind zum Bersten voll;
reif sind die Beeren, die blauen und roten,
saftig sind Rüben und Bohnen und Schoten.
So habe ich ziemlich wenig zu tun,
darf nun ein bisschen im Schatten ruhn.
Duftender Lindenbaum,
rausche den Sommertraum!
Seht ihr die Wolke? Fühlt ihr die Schwüle?
Bald bringt Gewitter Regen und Kühle.
Très Riches Heures, Juillet
Très Riches Heures - Die Brüder von Limburg (Paul, Johan und Herman) waren niederländische Miniaturmaler. Das Stundenbuch des Herzogs von Berry (französisch Les Très Riches Heures du Duc de Berry
bzw. kurz Très Riches Heures) ist das berühmteste illustrierte Manuskript des 15. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein ausgesprochen reichhaltig verziertes Stundenbuch, das 208 Blätter mit 21,5 cm
Breite und 30 cm Höhe enthält, von denen etwa die Hälfte ganzseitig bebildert sind.
Breviarium Grimani, Juli
Breviarium Grimani, Stundenbuch des Domenico Grimani, Das berühmte Breviarium Grimani mit über 1600 durchgehend illuminierten Seiten gilt als eines der schönsten Zeugnisse der flämischen Buchmalerei
des frühen 16. Jahrhunderts. Um 1510-1520 in Brügge und Gent entstanden, waren zahlreiche berühmte Miniaturisten an seiner Entstehung beteiligt, darunter Gerard David, Simon Bening und Gerard
Horenbout.
Joachim Winterfeld von Damerow 1873-1934
Juli
Hart ins Korn der Juli greift,
prüfend mit den heißen, schweren
Fingern, ob nicht ausgereift,
sensenrecht die vollen Ähren.
Tausend Halme neigen sich,
seine Knie zu umspannen,
um die Hand ihm flehentlich
streicheln die gezackten Grannen. —
Ist die Ernte doch verdingt,
Juli läßt sich nicht erweichen,
winkt — und aller Orten klingt
hart das klirrende Sensenstreichen.
Rauschend sinkt das Korn in Schwad,
ist wie gelbe Honigwaben,
dran die Sense wird nicht satt,
blanke Zähne eingegraben.
Und voll heißer Gierde leckt
unermüdlich Rad und Rechen — — —
Leer und hager hingestreckt
starrn die stoppelfahlen Flächen.
Hermann Löns 1866-1914
Juli
Weißglühende Sonne und staubige Luft,
Kopfschmerzen und müde Glieder,
Verstaubt und grau sind Blumen und Blatt,
Verstummt sind Lachen und Lieder.
Ich liege bewegungslos im Gras,
Ein Leichnam mit Fühlen und Denken –
Wann wirst du, launische Dame Natur,
Uns Blitz und Regen schenken?
Ein abgeflatterter Schmetterling
Zuckt neben mir mit den Schwingen,
Ich trete ihn tot – das Leben kann
Ihm doch keine Freude mehr bringen.
Ein saurer, fauliger Schweißgeruch
Steigt auf aus allen Teichen,
Als wollte aus einem entstellten Leib
Das Leichengas entweichen.
Und Gähnen durchzieht die Lebewelt,
Ein Lechzen nach Tod und Ruhe –
Jetzt nagle den Deckel auf den Sarg,
Natur, und schließe die Truhe.
Den armen Menschen zum mindesten
Darfst traumlose Ruhe du geben,
Ein fauler Witz ohne Saft und Kraft
Ist das ganze, menschliche Leben.
Erich Kästner
Der Juli
Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur.
Die Menschheit geht auf Reisen
oder wandert sehr oder wandelt nur.
Und die Bauern vermieten die Natur
zu sehenswerten Preisen.
Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer,
die Platzmusik der Ortsfeuerwehr
und den Blick auf die Kuh auf der Wiese.
Limousinen rasen hin und her
und finden und finden den Weg nicht mehr
zum Verlorenen Paradiese.
Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort
auch die künftigen Brötchen und Brezeln.
Eidechsen zucken von Ort zu Ort.
Und die Wolken führen Regen an Bord
und den spitzen Blitz und das Donnerwort.
Der Mensch treibt Berg- und Wassersport
und hält nicht viel von Rätseln.
Er hält die Welt für ein Bilderbuch
mit Ansichtskartenserien.
Die Landschaft belächelt den lauten Besuch.
Sie weiß Bescheid.
Sie weiß, die Zeit
überdauert sogar die Ferien.
Sie weiß auch: Einen Steinwurf schon
von hier beginnt das Märchen.
Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn,
ruht ein zerzaustes Pärchen.
Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn.
Hier steigen und sinken die Lerchen.
Das Mädchen schläft entzückten Gesichts.
Die Bienen summen zufrieden.
Der Jüngling heißt, immer noch, Taugenichts.
Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts
in den Wald und zieht, durch den Schluß
des Gedichts,
wie in alten Zeiten gen Süden.
Josef Weinheber 1892-1945
Juli
Kornblume blau, Mohn flammig rot:
Im Mittag rauscht das heilige Brot.
Die Linde schneit, die Wachtel schlägt,
der Bauer bang das Wetter wägt.
Die erste Birn bricht Margaret,
drauf überall die Ernt angeht.
Im Schatten steht der Schnitterkrug,
die Magd geht mit dem Ochsenzug.
Der starke Leib, die schwere Fracht:
Im fernen Land ein Donner kracht.
Mög uns der Himmel gnädig sein —
Sankt Jakob, Dank! Das Korn fährt ein.
Wilhelm Müller 1794-1827
Juli
Auf kühlen Bergen, an des Meeres Strande,
Ist dir ein heitrer Gartensitz bereitet,
Nicht allzu eng, auch nicht zu weit verbreitet:
Man liebt sich einzuschränken auf dem Lande.
Ein junger Quell im Bett von weichem Sande
Ist zierlich durch die Gänge hingeleitet,
Bis er betrogen in ein Becken gleitet,
Das ihm versteckt der Blumenhain am Rande.
Da muss er, eingezwängt in schlanker Säule,
Aufsteigen aus dem runden Marmormunde
Und auf der Höhe sich in Schaum zerstäuben.
Das Moosbett winkt zu mittäglicher Weile;
Es schlummert Alles, nur im klaren Grunde
Seh’ ich die goldnen Fischlein Spiele treiben.
Rudolf G. Binding 1867-1938
Juli
Das Lied des hohen Sommers
vom Reifen schwellt das Herz.
Was frommt des späten Kommers
nachzüglerischer Schmerz?
Dass tiefer uns ergreife
des Lebens Glut vom Grund
singt sich das Lied der Reife
von selbst in unserm Mund.
Entfliehe nicht dir selber.
Lass aller Zeit den Flug.
Reif‘ mit dem Korn der Felder.
Des Blühens war genug.
Helene Krüger 1861 - um 1940
Juli
Brütend über Ährenfeldern
liegt der Sonne goldner Glast,
Und am kühlen Weiher träumend
Hält die sieb'nte Schwester Rast.
Sinnend blicken ihre Augen
In die unbewegte Flut,
Mit dem Fächer kühlt sie leise
Ihrer Wangen heiße Glut.
Leer sind ihre schlanken Hände,
All ihr Reichtum ausgestreut,
Und sie harrt des Erntesegens
Den das Jahr der Menschheit beut*.
Auf den Wiesen klingt die Sichel,
Aller Blumen Pracht vergeht,
Wenn Natur mit ihren Früchten
Auf dem Höhepunkte steht.
Ruhvoll reift das Gold der Felder,
Mutter Erdes größter Schatz;
Und der Juli macht der Schwester
Mit der blanken Sichel Platz.
* beuen: veraltete Form von bieten
Christian Morgenstern 1871-1914
Friede
Wie weich sich Form und Farbe binden
In Sommermittags glühem Hauch: –
Das Dorf im Schatten alter Linden,
Ein rötlich Dach, ein Wölkchen Rauch;
Der Bergbach, dessen heitre Eile
Sich glitzernd durch die Wiese webt;
Der Straße laubverhüllte Zeile,
Die ahndevoll zur Ferne strebt;
Und all dies gütig eingeschlossen
Von hoher Felder Gold und Duft;
Und alles flimmernd überflossen
Von lerchenlauter Juliluft ...
Ich schau des Herdrauchs fromme Kreise
Zum hohen Blau erblassend ziehn –
Und meine Seele füllen leise
Des Friedens süße Harmonien.
Theodor Storm 1817-1888
Juli
Klingt im Wind ein Wiegenlied,
Sonne warm herniedersieht,
Seine Ähren senkt das Korn,
Rote Beere schwillt am Dorn,
Schwer von Segen ist die Flur -
Junge Frau, was sinnst du nur?
Hans Böhm 1876-1946
Juli
Mit weißen Wolken Sommertag
Wie himmlisch du mich überblühst!
Es neckt der Wind mit lauem Schlag
Die Sonne wandelt hoch und grüßt.
Im Lindenbaume fällt und steigt
Der Biene dunkler Glockenton.
Geziefer webend mich umgeigt
So hör ich’s tausend Jahre schon.
Und wie die Wärme jubelnd schwillt
Und flimmert über Feld und Au
Da fahr ich mit der Erde mild
Und golden in das Himmelsblau.
Stefan George 1868-1933
Juli-Schwermut
An Ernest Dowson
Blumen des sommers duftet ihr noch so reich:
Ackerwinde im herben saatgeruch
Du ziehst mich nach am dorrenden geländer
Mir ward der stolzen gärten sesam fremd.
Aus dem vergessen lockst du träume: das kind
Auf keuscher scholle rastend des ährengefilds
In ernte-gluten neben nackten schnittern
Bei blanker sichel und versiegtem krug.
Schläfrig schaukelten wespen im mittagslied
Und ihm träufelten auf die gerötete stirn
Durch schwachen schutz der halme-schatten
Des mohnes blätter: breite tropfen blut.
Nichts was mir je war raubt die vergänglichkeit.
Schmachtend wie damals lieg ich in schmachtender flur
Aus mattem munde murmelt es: wie bin ich
Der blumen müd · der schönen blumen müd!
Carl Spitteler 1845-1924
Das blaugrüne Geheimnis oder
der verräterische Kirchturm
Wann wars, daß wir lagen im grünen Gras?
Im Juli ferne.
Was sagtest du, daß du mich habest, was?
"Kein bißchen gerne."
Was blühte dir in den roten Mund?
Mariamargretchen.
Wem meintest du, daß du gleichest im Grund?
"Einem Gartenbeetchen."
Ich sprach: "Ja, was soll ich nun eigentlich Kraut,
Wen Unkraut nennen?"
Wie ein Iltis hast du mich angeschaut.
Nicht zu verkennen.
Wir hatten auf unserm Sommersitz
Vergnüglich gedauert.
Da kam hinterm Hügel ein Kirchturmspitz
Hervorgelauert.
"Ja komm nur, du Frommer! und spionier!
Spitz Nas' und Ohren!
Notiere dir jeden Kuß wegen mir!
Bist stumm geboren.
Was nützt dir der Zeiger im Zifferblatt
Als Stunden zu drehen?
Gut, daß er kein Sprachrohr im Schnabel hat,
Er würd' uns verkrähen."
Und weil einmal Leichtsinn und Würde nicht sehr
Zusammenpassen,
So schnitten wir eben, es war nicht schwer,
Dem Kirchturm Grimassen.
Wir stiegen am Abend voll blauen Glücks
Aus dem grünen Himmel.
Da verfolgt uns der Kirchturm hinterrücks
Mit Glockengebimmel:
"Fürio! ihr Leute! Landjäger herbei!
Weglagerer, Diebe!
Es zünseln, es brenzeln die beiden zwei
Brandstiftende Liebe!"
"Ei, daß dich das Wetter, du Schreihals du!
Der Blitz soll dich treffen!
Uns erst mit erlogener Kirchhofruh
So schändlich zu äffen!"
Was hilfts? jetzt weiß doch die Lästerwelt,
Wie wir es halten.
Drum wollen wir nur um so fester, gelt?
Zusammenhalten.
Gustav Falke 1853-1916
Sommerglück
Blütenschwere Tage
In Düften und Gluten rings,
Mein Herz tanzt wie auf Flügeln
Eines trunkenen Schmetterlings.
Die Rosen über den Mauern,
Der Birnbaum darüber her,
Alles so reich und schwer
In sehnenden Sommerschauern.
Das juligelbe Land
Mit dem träumenden Wälderschweigen
Fern am duftigen Rand,
Darüber die Wolken steigen –
O, wie sag ich nur,
Was alles mein Wünschen ins Weite führt!
Mich hat des Glücks eine leuchtende Spur
Mit zitternder Schwinge berührt.
Robert Reinick 1805-1852
Juli - Badelied
In den Lüften so schwül,
In dem Wasser so kühl;
Wie die Wellen mich laden
D’rin zu schwimmen, zu baden!
Immer frisch, nicht gezaudert,
Wer doch wird so viel fragen!
Wenn die Haut dir auch schaudert,
Bald doch wird dir’s behagen.
Frisch hinein in die Flut!
Nur die Feigen erbeben.
Und mit Lust und mit Mut
Wird die Flut dich beleben.
Johann Georg Jacobi 1740-1814
Juli
Zürnen mit dem Erdenvolke,
Zürnen will der Himmel nicht,
Wenn aus Wetterschwangrer Wolke
Gott mit seinen Kindern spricht.
Bei der Sonne sanftem Licht
Schweigen seine Donner wieder,
Und er blicket freundlich nieder,
Wo sein Strahlenbogen hängt;
Jeder Busch, von ihm getränkt,
Lispelt es; der Vögel Schaar
Singt es freudig uns entgegen,
Dass des Vaters milder Segen
In der dunkeln Wolke war.
Hermann von Gilm zu Rosenegg
Juli
Gesenkten Hauptes in den Wiesenbeeten
Als ahne sie der Sense Todeshieb
Steht silberweiß die Blume der Propheten –
Wahrsagerin, sag' an, hat sie mich lieb?
Und du sagst: Ja! Du lügst, ich will's beweisen:
O schäme dich! so jung, so zart, so licht
Geschaffen, um den Sommertag zu preisen
Und lügen! Denn – sie liebt mich nicht!
Sie liebt mich nicht, denn sprich, Prophetenblume,
Gibt's irgend eine Liebe ohne Schmerz,
Und in der Leidenschaften Heiligthume
Gibt's Raum für den gedankenlosen Scherz?
Sie hat ob meiner Thränen mich gescholten!
Wenn sie mich liebte und die Poesie,
Vielleicht hätt' sie die Thränen mir vergolten,
Doch mich gescholten hätt' sie nie.
Auch du bist traurig: wenn die Sterne wandeln,
Soll man dich weinen sehen, bleiches Bild!
Sprich, würdest du mich auch so hart behandeln,
Wenn ich zu dir mich legte in's Gefild?
Wahrsagerin, gib Antwort auf die Frage,
Gib Antwort, aber diesmal lüge nicht –
Was liegt daran, wenn ich das Glas zerschlage,
Das doch in ihrer Hand zerbricht?
Josef Weinheber 1892-1945
Juli
O du goldnes Meer,
Weg aus heißem Licht,
wie von ungefähr
dämmernd zum Gedicht -
Weg aus weißem Licht
durch die Ähren weit;
Jeder Tag verspricht
tiefte Einsamkeit -
Tiefre Einsamkeit
gibt den Traum zurück,
und das Herz im Leid
ist das Herz im Glück.
Und das Herz im Leid
glüht so wunderbar,
wie ein Goldgeschmeicl
über dunklem Haar -
Über dunklem Haar
in der Morgenfrüh,
eh dies Schwere war
von der Lindenblüh...
Max Dauthendey 1867-1918
Die Dächer im Julitag brüten
Der Sonntag der kug'ligen Linden,
Der hat jetzt abgeblüht,
Sie stehen so still und empfinden
Den Montag in ihrem Gemüt.
Die Dächer im Julitag brüten,
Behüten die Menschen und Ställe.
Die Tauben, die fliegenden Fächer,
Sie flattern zur Brut in die Zelle.
Der Abend, wie dunkle Ratten,
Kommt ohne Laut und Rauschen,
Er stiehlt dir den Freund, deinen Schatten,
Und macht dich argwöhnisch lauschen.
So zwang der Juli die Halm'
Auf jeder Wiese zu Heu,
Vom verliebtesten Frühlingsqualm
Bleibt noch der Duft dir treu.
Hermann Hesse 1877-1962
Julikinder
Wir Kinder im Juli geboren
Lieben den Duft des weißen Jasmin,
Wir wandern an blühenden Gärten hin,
Still und in schwere Träume verloren.
Unser Bruder ist der scharlachene Mohn,
Der brennt in flackernden roten Schauern
Im Ährenfeld und auf den heißen Mauern,
Dann treibt seine Blätter der Wind davon.
Wie eine Julinacht will unser Leben
Traumbeladen seinen Reigen vollenden,
Träumen und heißen Erntefesten ergeben,
Kränze von Ähren und rotem Mohn in den Händen.
Hesse wurde am 2. Juli 1877 in Calw geboren
Else Galen-Gube 1869-1922
Julinächte
Wenn der Goldregen blüht, wenn die Nächte so heiß,
daß ich rastlos mich nicht zu fassen weiß
in der atemberaubenden Schwüle -
sag, weißt du, was ich dann fühle? -
Wenn die Wogen von süßem, berauschenden Duft
mein Zimmer erfüllen, und heiße Luft
mich umflutet, willst du es wissen?
Dann wein ich in meine Kissen.
Wenn der Vollmond hell leuchtend am Himmel steht,
der Pendelschlag langsam, so langsam geht,
ohne kärglichstes Glück mir zu bringen,
dann gilts ein verzweifeltes Ringen.
Ein Ringen der sehnenden Jugendkraft,
ein Ringen begehrender Leidenschaft,
ein Ringen der Glieder, der jungen,
mit toten Erinnerungen.
Max Dauthendey 1867-1918
Juli
Nun ist es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag man nur küssen mag,
Und alle die Rosen, die müssen
Satt duften zu unseren Füssen.
Nun bleibt es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag ich im Himmel lag,
Dort tat man sich paarweise küssen
Und satt lag die Erde zu Füssen.
Nun ist es Sommer Nacht und Tag,
Und Nacht und Tag man nur küssen mag;
Von allen heissen Genüssen
Ist Anfang und Ende das Küssen.
Anna Ritter 1865-1921
Julinächte
Wie ich euch hasse, ihr Nächte voll Duft
Mit dem schweren, trunkenen Odem,
Mit der weichen, sehnsuchtsschwangeren Luft
Und dem schwülen, betäubenden Brodem!
Wo ihr ein einsames Herze wißt,
Da drängt ihr euch ein mit arger List,
Da lockt ihr und schmeichelt, droht und küsst,
Bis es verloren, verdorben ist.
Lieder, die die Sehnsucht sann,
Schleier, die die Sünde spann,
Blumen, die dem Sumpf entblühten,
Flammen, die im Abgrund glühten,
Bringt ihr mit als Hochzeitsgaben,
Schenkt ihr denen,
Die in Thränen
Euch sich hingegeben haben.
Felix Dörmann 1870-1928
Julinacht
Die Mondeslichter rinnen
Aus sterndurchsprengtem Raum
Zur regungslosen Erde,
Die müde atmet kaum.
Wie schlummertrunken schweigen
Die Linden rund umher,
Des Rauschens müde, neigen
Herab sie blütenschwer.
Nur manchmal, traumhaft leise,
Rauscht auf der Wipfel Lied,
Wenn schaurig durchs Geäste
Ein kühler Nachthauch zieht.
Mein Herz ist ruh-umfangen,
Ist weltvergessen still,
Kein Sehnen und Verlangen
Die Brust bewegen will.
Nur manchmal, traumhaft leise,
Durchzieht der alte Schmerz,
Wie Nachtwind durchs Geäste,
Das müdgeliebte Herz.
Karl Stieler 1842-1885
Julinacht
In der Luft, der schwülen, feuchten,
Wogt das Feld, und stürmisch zieh'n
Windesrauschen, Wetterleuchten
Durch den dunklen Himmel hin!
Ferne hallt des Donners Dröhnen,
Und des Lebens ganze Kraft
Klingt aus diesen Wundertönen
Nachtumwölkter Leidenschaft!
Was der Tag an Sonnengluten
Aufgesogen, strömt hier aus,
In den Wolken, auf den Fluten,
In dies weite Grün hinaus!
Und inmitten all' des Webens
Trag' ich stumm die heiße Last,
Die du, Sonne meines Lebens,
In dies Herz ergossen hast!
Carl Busse 1872-1918
Julinacht
Nun wird das Glänzen immer trüber
Und losch schon überm Parke aus,
Durch das Geblätter grüßt herüber
Verdämmernd noch das Schwanenhaus.
Die alten Götter der Hellenen
Schaun, wie von starrem Schlaf gebannt,
Durchs dunkle Laub in weißem Sehnen
Und träumen noch von Griechenland
Es wirft in weite Marmorbecken
Der Springquell seine Strahlen hin,
Noch wiegt sich hier und dort in Hecken
Flüsternd die Blumenkönigin ...
Und fern an weiße Marmorstufen
Plätschern die letzten Wellen sacht,
Und Wasservögel hörst du rufen
Noch manchmal durch die Julinacht.