BuchKult
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Und Gott der Herr sprach:

Es ist nicht gut,

dass der Mensch allein sei;

ich will ihm eine Gehilfin machen,

die um ihn sei.

Altes Testament, Das erste Buch Mose - Genesis, 1.Mose 2,18

 

Wer die Einsamkeit fürchtet,

sollte nicht heiraten.

Anton Pawlowitsch Tschechow 1860-1904

 

 

John Atkinson Grimshaw, Autumn Regrets

John Atkinson Grimshaw (1836-1893) war ein englischer Maler.

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Rainer Maria Rilke 1875-1926

Herbsttag

 

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

Und auf den Fluren laß die Winde los.

 

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;

gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

dränge sie zur Vollendung hin und jage

die letzte Süße in den schweren Wein.

 

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

und wird in den Alleen hin und her

unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

 

 

 

Winslow Homer, In Autumn Woods, um 1877
Winslow Homer (1836-1910) war ein US-amerikanischer Zeichner und Maler.
 

Frida Schanz 1859-1944

Allein

 

Farblose Herbstestage!

Ich bin allein, allein.

Trüb tönt des Sturmes Klage,

der Regen rauscht darein.

 

Verhüllt, mit müden Sohlen,

naht sternenlos die Nacht;

es stirbt der Tag verstohlen,

der keinen froh gemacht.

 

Im Herd verglühn die Reiser;

nur über Wand und Schrein

irrt ein verlorner, leiser,

blassroter Flammenschein.

 

Die Uhr im Erkerzimmer

hebt aus zu heisrem Schlag.

Wie gern schied ich für immer

mit dir, du fahler Tag!

 

Istvan Mérö, Autumn in the Park
Istvan Mérö (1873-1938) war ein ungarischer Maler.

Charlotte von Ahlefeld 1777-1849

Im Herbst

 

Wie mit Flor bezogen ist der Himmel,

Graue Nebel sinken feucht und schwer,

Und der Raben hungriges Gewimmel

Zieht auf Stoppelfeldern hin und her.

 

Blätter rauschen auf den öden Wegen,

Die ich froh und glücklich einst betrat;

Rauhe Lüfte hauchen mir entgegen,

Und durchschaueren die Wintersaat.

 

Ringsumher ist jede Spur verschwunden

Von des Sommers Lieblichkeit und Lust.

Nur in tiefen, unheilbaren Wunden

Regt sich noch sein Bild in meiner Brust.

 

Nur die Hoffnung hebt durch frische Farben

Die verblichne, freudenleere Welt;

Sammelt auch auf öden Fluren Garben,

Die sie in der Zukunft Felder stellt.

 

Und der Schwermuth schauerliche Nächte

Hellt uns oft ihr goldner Himmelsschein;

Freundlich führt uns ihre milde Rechte

In das Reich der Fantasieen ein.

 

Tön' auch mir mit Deinem Schmeichelworte,

Hoffnung, Frieden in das bange Herz;

Kränze windend um der Zukunft Pforte,

Deute Du der Sehnsucht ihren Schmerz.

 

Und wenn einst der Sommer wiederkehret,

Lass in seinem frischbelebten Grün

Jede Freude, die mein Herz entbehret,

Mir im Glück des Wiedersehens blühn.

 

 

Ivar Arosenius, Man in an Autumn Landscape
Ivar Axel Henrik Arosenius (1878-1909) war ein schwedischer Maler und Bilderbuchautor.
 

Emmy Ball-Hennings 1885-1948

Klage im Wald

 

Wo es am innigsten blüht, blüht die Lust.

Was weinst du, weil du leben mußt?

Was singst du, weil du stirbst, mein Herz?

Wo es am innigsten blüht, blüht der Schmerz.

 

O Blühen im Tode, im Tode Blühen!

O bebender Wald im letzten Glühen!

Was leuchtet dein Blättermeer im Herbst?

Damit du die Ewigkeit ererbst?

 

Was brennt deine Schönheit im Versinken?

O all dein buntes Farbenwinken.

Wie macht es mich weinen ...?

Es will mir scheinen,

 

Als versängest du dein Blut im Vergehen.

Deine flammenden Blätter, die weich zur Erde wehen.

Singen Liebe im Sterben.

Leiser noch wirst du werben.

 

O still, verschweige dich, schweige bald.

Es geht ein Weinen durch den Wald ...

 

 

Elizabeth Forbes, The Leaf
Elizabeth Adela Forbes (1859-1912) war eine kanadische Malerin des Spätimpressionismus und wichtige Vertreterin der Newlyn School, einer Künstlerkolonie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
 

Emil Claar 1842-1930

Ich liebte dich

 

Ich liebte dich, drum kaum beachtet

Verrann der Lenz. – Kühl ist die Welt.

Nun kommt der Herbst – mir scheint es nachtet

Auf jedem Weg – der Nebel fällt.

 

Ich liebte dich – drum hast du selber

Verdreifacht meines Herzens Not. –

Die Blätter werden immer gelber,

Nun kommt der Herbst – nun kommt der Tod.

 

 

Frederick McCubbin, Autumn Memories
Frederick McCubbin (1855-1917) war ein australischer Maler.

Heinrich Seidel 1842-1906

Einsamkeit

 

Mondesglanz auf feuchten Wiesen,

Auf dem stillen Nebelsee,

Bäume ragen, dunkle Riesen,

Wo ich einsam sinnend steh!

 

Vogelruf aus thauigen Feldern,

Wasserrauschen fern im Grund,

Tiefes Schweigen in den Wäldern,

Sternenflimmer hoch im Rund.

 

Und mein Blut geht hin und wieder,

Und vorüber rinnt die Zeit,

Schauer senkt sich auf mich nieder

Vor dem Hauch der Einsamkeit.

 

 

George Henry Boughton, Autumn
George Henry Boughton (1833-1905) war ein englisch-US-amerikanischer Landschafts- und Genremaler sowie Illustrator.
 

Johannes Trojan 1837-1915

Einsamkeit

 

Von dem Gewühl des Markts verwirrt,

Schleicht wohl der Mensch sich fort und irrt

Lauschend durch Wildnis, Wald und Öde.

Es graut ihm bald im einsamen Revier,

Baum spricht zu Baum, das Tier ruft nach dem Tier —

Da lüstet's Menschenohr nach Menschenrede.

 

 

Giovanni Boldini,

La passeggiata nel parco, um 1884
Giovanni Boldini (1842-1931) war ein italienisch-französischer Maler des Impressio-nismus. Er war einer der meist gefragten Porträtmaler in der Belle Époque.
 

Ida von Conring 1855-1928

Herbst

 

Der Herbst ist da mit seinen rauen Winden,

Er ist gekommen, eh du es gedacht.

Du sahst des Sommers zarte Blüten schwinden,

Sahst Blätter welken, fallen, über Nacht,

Und Alles ruft dir ernst und mahnend zu:

O Menschenkind, einst wirst auch scheiden du!

 

Sieh‘, wie der Sonne letzter matter Schimmer,

Ein falber Goldstrahl, durch die Wipfel floss,

Ist’s noch das mächt’ge Taggestirn, das vormals

Die heißen Flammenpfeile niederschoss?

Wie Abschiedsgrüßen winkt ihr Strahl dir her:

Auch du wirst gehn, und Scheiden ist so schwer.

 

Auch du wirst scheiden – ob in Jugendprangen

Ob, wenn dein Haupt der Schnee des Alters bleicht –

Ob du auf Dornenpfaden bist gegangen,

Ob dir ein lichter Traum dein Dasein däucht –

Dir kommt der Herbst, wie heute der Natur,

Auch du wirst ruhen, wart ein Weilchen nur!

 

So wie die grünen Blätter sich entfärben,

Und erdenwärts im kalten Hauche wehn,

So wirst auch du einst altern, welken, sterben –

Und friedlich schlummern bis zum Auferstehn.

Bis licht in deinen tiefen Schlummer fällt

Ein Frühlingsstrahl, der nicht von dieser Welt.

 

Jean-Charles Cazin, Solitude
Jean-Charles Cazin (1840-1901) war ein französischer Keramiker, Maler, Stecher und Zeichner.

Richard Dehmel 1863-1920

Mein Wald

 

Der Herbst stürmt seine Tänze.

Durch dürre Blätter muß ich gehn;

in meinen Wald.

 

In meinem lieben Wald,

wo nicht ein Baum mein eigen ist,

gehn fremde Leute durch den Wind

und sagen: es ist kalt.

 

Und da steht auch mein Stein,

auf dem ich manchmal sitze,

wenn mein Herz stürmt.

 

James Tissot, Waiting, also known as in the shallows
James Tissot (1836-1902) war ein französischer Maler und Grafiker. Der vor allem für seine Porträts im viktorianischen England der 1870er Jahre bekannte Künstler widmete sich in seinem Spätwerk überwiegend religiösen Themen.
 

Friedrich Nietzsche 1844-1900

Vereinsamt

 

Die Krähen schrein

Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:

Bald wird es schnein –

Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!

 

Nun stehst du starr,

Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!

Was bist du Narr

Vor Winters in die Welt – entflohn?

 

Die Welt – ein Tor

Zu tausend Wüsten stumm und kalt!

Wer das verlor,

Was du verlorst, macht nirgends Halt.

 

Nun stehst du bleich,

Zur Winter-Wanderschaft verflucht,

Dem Rauche gleich,

Der stets nach kältern Himmeln sucht.

 

Flieg, Vogel, schnarr

Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! –

Versteck, du Narr,

Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

 

Die Krähen schrein

Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:

Bald wird es schnein,

Weh dem, der keine Heimat hat!

 

 

 

Edouard Toudouze, Fleurs d'Automne, 1890, Roubaix, Musée de la Piscine
Edouard Toudouze (1848-1907) war ein französischer Maler.
 

Georg Trakl 1887-1914

Der Herbst des Einsamen

 

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,

Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.

Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;

Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.

Gekeltert ist der Wein, die milde Stille

Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

 

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;

Im roten Wald verliert sich eine Herde.

Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;

Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.

Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel

Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

 

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;

In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden

Und Engel treten leise aus den blauen

Augen der Liebenden, die sanfter leiden.

Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,

Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

 

 

 

Vasily Polenov, Woman Walking On A Forest Trail
Vasily Dmitriyevich Polenov (1844-1927) war ein russischer Maler und Pädagoge.

Theodor Däubler 1876-1934

Einsam

 

Ich rufe! Echolos sind alle meine Stimmen.

Das ist ein alter, lauteleerer Wald.

Ich atme ja, doch gar nichts regt sich oder hallt.

Ich lebe, denn ich kann noch lauschen und ergrimmen.

 

Ist das kein Wald? Ist das ein Traumerglimmen?

Ist das der Herbst, der schweigsam weiter wallt?

Das war ein Wald! Ein Wald voll alter Urgewalt.

Dann kam ein Brand, den sah ich immer näher klimmen.

 

Erinnern kann ich mich, erinnern, bloß erinnern.

Mein Wald war tot. Ich lispelte zu fremden Linden,

Und eine Quelle sprudelte in meinem Innern.

 

Nun starr ich in den Traum, das starre Waldgespenst.

Mein Schweigen, ach, ist aber gar nicht unbegrenzt.

Ich kann in keinem Wald das Echo-Schweigen finden.

 

 

 

Winslow Homer, Autumn
Winslow Homer (1836-1910) war ein US-amerikanischer Zeichner und Maler.
 

Richard Dehmel 1863-1920

Stiller Gang

 

Der Abend graut, Herbstfeuer brennen.

Über den Stoppeln geht der Rauch entzwei.

Kaum ist mein Weg noch zu erkennen.

Bald kommt die Nacht; ich muß mich trennen.

Ein Käfer surrt an meinem Ohr vorbei.

Vorbei.

 

 

Michail Wassiljewitsch Nesterow, A Lonely Woman
Michail Wassiljewitsch Nesterow (1862-1942) war ein russischer Maler.Er war ein bedeutender Vertreter des religiösen Symbolismus in der russischen Malerei.

Joseph Freiherr von Eichendorff 1788-1857

Herbstweh

 

So still in den Feldern allen,

Der Garten ist lange verblüht,

Man hört nur flüsternd die Blätter fallen,

Die Erde schläfert – – ich bin so müd.

 

Es schüttelt die welken Blätter der Wald,

Mich friert, ich bin schon alt,

Bald kommt der Winter und fällt der Schnee,

Bedeckt den Garten und mich und alles, alles Weh.

 

Henri Le Sidaner, Un soir d'automne, 1895, Madrid, Musée Thyssen Bornemisza
Henri Le Sidaner (1862-1939) war ein französischer Maler.

Friedrich Hebbel 1813-1863

Spaziergang am Herbstabend

 

Wenn ich Abends einsam gehe

Und die Blätter fallen sehe,

Finsternisse nieder wallen,

Ferne, fromme Glocken hallen:

 

Ach, wie viele sanfte Bilder,

Immer inniger und milder,

Schatten längst vergangner Zeiten,

Seh' ich dann vorüber gleiten.

 

Was ich in den fernsten Stunden,

Oft nur halb bewußt, empfunden,

Dämmert auf in Seel' und Sinnen,

Mich noch einmal zu umspinnen.

 

Und im inneren Zerfließen

Mein' ich's wieder zu genießen,

Was mich vormals glücklich machte,

Oder mir Vergessen brachte.

 

Doch, dann frag' ich mich mit Beben:

Ist so ganz verarmt dein Leben?

Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,

Sprich, was war es einst dem Herzen?

 

Völlig dunkel ist's geworden,

Schärfer bläs't der Wind aus Norden,

Und dies Blatt, dies kalt benetzte,

Ist vielleicht vom Baum das letzte.

 

Franz Skarbina, In Falling Leaves
Franz Skarbina (1849-1910) war ein Maler des deutschen Impressionismus, Zeichner, Radierer und Illustrator.

Hedwig Lachmann 1865-1918

Unterwegs

 

Ich wandre in der großen Stadt. Ein trüber

Herbstnebelschleier flattert um die Zinnen,

das Tagwerk schwirrt und braust vor meinen Sinnen,

und tausend Menschen gehn an mir vorüber.

 

Ich kenn’ sie nicht. Wer sind die vielen? Tragen

sie in der Brust ein Los wie meins? Und blutet

ihr Herz vielleicht, von mir so unvermutet,

als ihnen fremd ist meines Herzens Schlagen?

 

Der Nebel tropft. Wir alle wandern, wandern.

Von dir zu mir erhellt kein Blitz die Tiefen.

Und wenn wir uns das Wort entgegenriefen –

es stirbt im Wind, und keiner weiß vom andern.

 

Arthur Streeton, Autumn, 1889
Sir Arthur Ernest Streeton (1867-1943) war einer der heute noch bekanntesten australischen Maler.

Cäsar Flaischlen 1864-1920

Laß sterben, was sterben will

 

Laß sterben, was sterben will, und schleppe

dich mit ihm nicht müde! Du zwingst es doch

nicht mehr zum Leben und zu der frohen Freude

eines Sommers! Es hat die Kraft nicht mehr,

dein Mitleid, deine Liebe dir zu danken, und zerrt

dich selber nur in seinen Herbst!

Laß sterben drum, was sterben will ...

und ohne Klage!

 

 

 

Léopold Franz Kowalski, Autumn on the Shore of the Lake
Léopold Franz Kowalski (1856-1931) war ein in Frankreich geborener deutscher Maler.
 

Martin Greif 1839-1911

Am herbstlichen Seeufer

 

Düstere Wogen

Kommen gezogen

Seufzend heran –

Einsamer Tage

Herbstliche Klage

Kündet sich an!

 

 

 

Leo Putz, Herbststurm, 1912
Leo Putz (1869-1940) war ein Tiroler Künstler.

Georg Philipp Harsdörffer 1607-1658

Der Herbst

 

Nun heben an zu klagen die Hügel, Tal und Feld,

Es bringt viel Missbehagen des rauhen Windes Kält',

Es fallen falbe Blätter

Und schweben in der Luft;

Denn Schnee und Winterwetter

Der Nordenstürmer ruft.

 

Die reifen Früchte fallen, wenn man sie nicht nimmt ab,

Die alten Menschen wallen hin zu dem alten Grab.

Das, was hat zugenommen

Bis auf gewisse Zeit,

Muss zu dem Ende kommen

In dieser Eitelkeit.

 

Wann wir die Äxte sehen den Bäumen angesetzt,

So ist es bald geschehen, dass er, dadurch verletzt,

Zu der entfärbten Erden

Sich neigend bricht und kracht,

Und muss er endlich werden

Dem Feuer zugebracht.

 

So müssen auch die alle, so sind ohn' gute Frucht,

Sich fürchten vor dem Falle, das ist die Menschensucht.

Und wie der Baum gefället,

So liegt er fort und fort;

Der Böse wird gestellet

Dort in den Jammerort.

 

So lasset uns bedenken bei dieser Herbsteszeit,

Wie alle Ding' erkranken und zu dem Tod bereit.

Dass wir noch länger leben,

Dass Alles nicht ist aus,

Hat Gottes Gnad' gegeben

Hier in dem Erdenhaus.

 

Julius Klever, Autumn Landscape
Yuliy Yulevich (Julius) Klever (1850-1924) war ein russischer Landschaftsmaler mit baltendeutschen Eltern.

Gerhart Hauptmann 1862-1946

Der Herbstwind heult

 

Der Herbstwind heult, die Blätter jagen,

vom Sturm gescheucht, durch kalte Luft.

Die hüllenlosen Bäume ragen,

Denkmäler einer Totengruft.

 

Des Sommers Gluten blass verlodern,

von Wolkenmassen ausgedrückt,

die Sonne selbst scheint zu vermodern,

vom bleichen Tode angeblickt.

 

Es trieft aus nassen Ästen nieder,

Verwesung birgt ein jeder Hauch.

Und, Quelle meiner jungen Lieder,

Verwesung, scheint es, naht dir auch.

 

Mein Innres krampft sich jäh zusammen,

mein Auge ist von Schleiern schwer,

denn jene tiefgenährten Flammen

des Herzens leichten ihm nicht mehr.

 

Aus Wolken, die am Himmel schwimmen,

ein Tränenstrom in meinen taut,

und alles will zusammenstimmen

in einen einzigen Sterbelaut.

 

Philip de László, Falling Leaves, 1895
Philip Alexius de László (eigentlich Fülöp Elek Laub, 1869-1937) war einer der führenden britischen Porträtmaler des frühen 20. Jahrhunderts.

Georg Heym 1887-1912

Im Herbst

 

Wir lieben das Vergehende und Müde,

Den letzten Glanz im Abendlande,

Den Traurigen und Schönen,

Als verschiede

Mit ihm auch unsre Jugend ewig.

 

Und manche Blätter von den Zweigen gleiten

Dir auf das Haar, noch zitternd leise,

Als wollten sie in Golde sich bereiten

Ein Grabtuch und in Schönheit sterben.

 

 

 

Marcin Gottlieb, On a Park Bench
Marcin Gottlieb (1867-1936) war ein polnischer Maler.
 

Arno Holz 1863-1929

In welken Kronen

 

In welken Kronen

wiegt sich … der Herbst.

 

Purpurne Blätter schweben,

schwanken … schaukeln,

trägkreiseln,

fallen.

 

Nebel webt schon,

Krähen krächzen.

 

Stare sammeln sich

… Drosseln … ziehen

… Wildgänse wandern.

 

Noch einmal,

kühlblass, müde

scheint die … Sonne.

 

Am stillen See,

auf der kleinen Brücke,

über das alte, krumme, morschmoosige Balkengeländer gelehnt,

unter den dunklen,

riesigen, schlangenbunt sich verästelnden Platanen,

versunken,

einsam … lange,

stehe ich,

starre … und … träume

in ein

gespiegeltes, seltsam fantastisches,

wie unirdisches,

märchenhaftes, zauberhaftes

Paradies!

 

Pjotr Nilus, Auf einer Bank am Boulevard, 1895
Pjotr Alexandrowitsch Nilus (1869-1943) war ein ukrainischer Impressionist und Schriftsteller.

 

Byam Shaw, Autumn Time
John Byam Liston Shaw (1872-1919), allgemein bekannt als Byam Shaw, war ein britischer Maler, Illustrator, Designer und Lehrer.
 

Friedrich Kayssler 1874-1945

Herbst

 

Die Sonne scheint so matt in diesen Tag.

Die Wege sind so still.

So still, als schriee jedes dürre Blatt,

wenn es die leise Pfote meines Hundes trat.

Und ich? Noch stiller als dies alles,

dumpf und fremd mir selbst,

unhörbar schleichend neben mir.

 

Jakub Schikaneder, In der Einsamkeit
Jakub Schikaneder (1855-1924) war ein böhmischer Maler.

Hans Leifhelm 1891-1947

Herbstelegie

 

Schon zerblättert Mais im Wind,

Schon geht sirrend die Sense durchs Feld,

Aus dem Walde der Elsterruf gellt,

Wenn der nebelnde Morgen beginnt.

Und die Sonne kommt blutig herauf

Aus den kämpfenden Tiefen der Nacht,

Wo das lautlose Wintertier wacht

Und sich anschickt zum eisigen Lauf.

 

Doch der Tag will noch einmal erblühn,

Dieses Tal hält noch sommerlich Rast,

Eh das prangende Leben verblaßt,

Eh die Steinnelken purpurn versprühn.

Oh du Mittag am glühenden Rain,

Wenn die Grille den Geistertakt spinnt,

Wenn die Weinbeere drängend verrinnt,

Wenn die Eidechse zuckt im Gestein.

 

Aus der Ferne das Windrad erklingt

Wie Musik im verlassenen Land,

Immerzu als ein tönendes Band,

Das den fliehenden Sommer umschlingt.

In verträumter Kadenz perlt der Klang

Wie ein Lied aus vergessener Zeit,

Hügel ab, hügelan, nah und weit,

Wandert magischen Echos Gesang.

 

Frühe Dämmerung grenzenlos fällt,

Grüne Schlange entflieht in den Wald,

Glück und Leid sinken hin ohne Halt,

Unter Herbststernen wandelt die Welt.

In den Farben des Untergangs brennt

Des Gebirges opalener Kreis,

Bis der Reif alles deckt still und weiß,

Bis das Herz keine Stätte mehr kennt.

 

 

Carl Gutherz, Falling Leaves
Carl Gutherz (1844-1907) war ein aus der Schweiz stammender Maler, Teil der Symbolistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert.

Nikolaus Lenau 1802-1850

Herbstentschluß

 

Trübe Wolken, Herbstestluft,

Einsam wandl' ich meine Straßen,

Welkes Laub, kein Vogel ruft –

Ach, wie stille! wie verlassen!

 

Todeskühl der Winter naht;

Wo sind, Wälder, eure Wonnen?

Fluren, eurer voller Saat

Goldne Wellen sind verronnen!

 

Es ist worden kühl und spät,

Nebel auf der Wiese weidet,

Durch die öden Haine weht

Heimweh, – alles flieht und scheidet.

 

Herz, vernimmst du diesen Klang

Von den felsentstürzten Bächen?

Zeit gewesen wär' es lang,

Daß wir ernsthaft uns besprächen!

 

Herz, du hast dir selber oft

Weh getan und hast es andern,

Weil du hast geliebt, gehofft;

Nun ist's aus, wir müssen wandern!

 

Auf die Reise will ich fest

Ein dich schließen und verwahren,

Draussen mag ein linder West

Oder Sturm vorüberfahren;

 

Daß wir unserem letzten Gang

Schweigsam wandeln und alleine,

Daß auf unserm Grabeshang

Niemand als der Regen weine!

 

 

 

Antonin Slavíček, In Veltrusy Park
Antonin Slavícek (1870-1910) war ein tschechischer Maler.
 

Nikolaus Lenau 1802-1850

Herbstlied

 

Ja, ja, ihr lauten Raben

Hoch in der kühlen Luft,

's geht wieder ans Begraben,

Ihr flattert um die Gruft!

 

Die Wälder sind gestorben,

Hier, dort ein leeres Nest;

Die Wiesen sind verdorben;

O kurzes Freudenfest!

 

Ich wandre hin und stiere

In diese trübe Ruh,

Ich bin allein und friere

Und hör euch Raben zu.

 

Auch mir ist Herbst, und leiser

Trag ich den Berg hinab

Mein Bündel dürre Reiser,

Die mir das Leben gab.

 

Einst sah ich Blüten prangen

An meinem Reiserbund,

Und schöne Lieder klangen

Im Laub, das fiel zu Grund.

 

Die Bürde muß ich tragen

Zum letzten Augenblick;

Den Freunden nachzuklagen,

Ist herbstliches Geschick.

 

Soll mit dem Rest ich geizen

Und mit dem Reisig froh

Mir meinen Winter heizen?

Ihr Raben, meint ihr so?

 

Erinnerungen schärfen

Mir nur des Winters Weh;

Ich möchte lieber werfen

Mein Bündel in den Schnee.

 

 

Hugh Cameron, A Lonely Life
Hugh Cameron (1835–1918) war ein schottischer Künstler.

Hermann von Lingg 1820-1905

Herbstabend

 

Durchs Stoppelfeld auf Nebelstreifen

Weht traurig kalt Novemberwind;

Dort wankt am Wald mit Reisighäufen

Ein armes Weib und führt ihr Kind.

 

Dort sucht man die vergessne Traube,

Dort pflückt man Schleh' und Hagebutt.

Im Hofe pickt die wilde Taube

Ein Körnchen noch aus Stroh und Schutt.

 

Und hier, gebeugt auf müden Füßen,

Kehrt Einer heim, arm und allein,

Um noch zum letztenmal zu grüßen

Die letzte Seele, die noch sein.

 

Paul Madeline, The road in Diben, 1910
Paul Madeline (1863-1920) war ein französischer Maler.

Selma Meerbaum-Eisinger 1924-1942

Herbst

 

Der Regen spinnt

Sein graues Lied

Von Sehnsucht und

Von schwerem Weh.

 

Von Träumen blind

Alleinseins müd

Bin ich ein Hund

Und – geh'.

 

Verloschnes Gold

Und toter Traum

Von Liebe sieht

Mich an und schweigt.

 

Und um mich rollt

Schillernder Schaum –

Die Sehnsucht zieht

Und – geigt.

 

Der Herbst ist da

Und weint mich an

Mit Augen, die

Erloschen sind.

 

Ich weiß, er sah:

Das Glück verrann,

Zwang mich ins Knie

Und – ging.

 

 

Alexander Mann, The Lonely Road
Alexander Mann (1853-1908) war ein schottischer Maler des Spätimpressionismus.

Anna Ritter 1865-1921

Im Herbst

 

Schon färbt der Wein sich roth,

Der Herbst will kommen,

Die Trauben hangen leuchtend am Spalier,

Und in den Wegen liegt das Laub gesät.

Du sprichst von Liebe, doch es klingt beklommen,

Du fühlst wohl selbst: die Werbung kommt zu spät,

Denn auch in uns ist lang der Sommer todt.

 

Dort, wo der Weg sich theilt,

Wo in die Weiden

Der Sonne letzte, rothe Gluth sich hängt,

Und uns Erinnerung grüßt von jener Bank,

Dort laß uns tapfer von einander scheiden.

Nein - nicht in Thränen, Freund, in stillem Dank,

Daß uns der späte Sonnenstrahl ereilt!

 

Jakub Schikaneder, Herbsthimmel, nach 1910
Jakub Schikaneder (1855-1924) war ein böhmischer Maler.

Georg Trakl 1887-1914

Ein Herbstabend

 

Das braune Dorf. Ein Dunkles zeigt im Schreiten

Sich oft an Mauern, die im Herbste stehn,

Gestalten: Mann wie Weib, Verstorbene gehn

In kühlen Stuben jener Bett bereiten.

 

Hier spielen Knaben. Schwere Schatten breiten

Sich über braune Jauche. Mägde gehn

Durch feuchte Bläue und bisweilen sehn

Aus Augen sie, erfüllt von Nachtgeläuten.

 

Für Einsames ist eine Schenke da;

Das säumt geduldig unter dunklen Bogen,

Von goldenem Tabaksgewölk umzogen.

 

Doch immer ist das Eigne schwarz und nah.

Der Trunkne sinnt im Schatten alter Bogen

Den wilden Vögeln nach, die ferngezogen.

 

 

Fritz von Uhde, Im Herbst - Die Hirtin im Dachauer Moos
Fritz von Uhde (1848-1911) war ein sächsischer Kavallerieoffizier und Maler.

Adrien Moreau-Neret, Dreaming away
Adrien Moreau-Neret (1860-1940) war ein französischer Maler.

Ludwig Uhland 1787-1862

Zu meinen Füßen sinkt ein Blatt

 

Zu meinen Füßen sinkt ein Blatt,

Der Sonne müd, des Regens satt;

Als dieses Blatt war grün und neu,

Hatt ich noch Eltern, lieb und treu.

 

O wie vergänglich ist ein Laub,

Des Frühlings Kind, des Herbstes Raub!

Doch hat dies Laub, das niederbebt,

Mir so viel Liebes überlebt.

 

 

Max Nonnenbruch, Stiller Winkel, 1909
Max Nonnenbruch (1857-1922) war ein deutscher Maler der Münchner Schule, des Neoklassizismus und des Symbolismus.
 

Georg Trakl 1887-1914

Ein Herbstabend

 

An Karl Röck

 

Das braune Dorf. Ein Dunkles zeigt im Schreiten

Sich oft an Mauern, die im Herbste stehn,

Gestalten: Mann wie Weib, Verstorbene gehn

In kühlen Stuben jener Bett bereiten.

 

Hier spielen Knaben. Schwere Schatten breiten

Sich über braune Jauche. Mägde gehn

Durch feuchte Bläue und bisweilen sehn

Aus Augen sie, erfüllt von Nachtgeläuten.

 

Für Einsames ist eine Schenke da;

Das säumt geduldig unter dunklen Bogen,

Von goldenem Tabaksgewölk umzogen.

 

Doch immer ist das Eigne schwarz und nah.

Der Trunkne sinnt im Schatten alter Bogen

Den wilden Vögeln nach, die ferngezogen.

 

 


Edvard Peterssen, Andante, Herbstabend bei Ask, Ringerike

Edvard Frederik Petersen (1841-1911) war ein dänischer Maler.

Wang Wei 699-759

In einer Herbstnacht einsam sitzend

 

Einsam sitzend, bekümmert ob der grauen Schläfen,

Im leeren Zimmer ersehn ich die zweite Nachtwache.

Wilde Beeren fallen im Rauschen des Regens,

Unter der Lampe zirpt eine Heuschrecke.

Des Schopfs Ergrauen ist schließlich unumkehrbar,

Das Lebenselixier hat niemand je zustandegebracht,

Wer wissen will, was Krankheit und Alter überwindet,

Der muß sich allein dem Ungeborenen widmen.

 

 

Mary Cassatt, Autumn
Mary Stevenson Cassatt (1844-1926) war eine US-amerikanische Grafikerin und Malerin des Impressionismus.

Georg Trakl 1887-1914

Melancholie des Abends

 

Der Wald, der sich verstorben breitet –

Und Schatten sind um ihn, wie Hecken.

Das Wild kommt zitternd aus Verstecken,

Indes ein Bach ganz leise gleitet

 

Und Farnen folgt aus alten Steinen

Und silbern glänzt aus Laubgewinden.

Man hört ihn bald in schwarzen Schlünden –

Vielleicht, daß auch schon Sterne scheinen.

 

Der dunkle Plan scheint ohne Maßen,

Verstreute Dörfer, Sumpf und Weiher,

Und etwas täuscht dir vor ein Feuer.

Ein kalter Glanz huscht über Straßen.

 

Am Himmel ahnet man Bewegung,

Ein Heer von wilden Vögeln wandern

Nach jenen Ländern, schönen, andern.

Es steigt und sinkt des Rohres Regung.

 

 

Isaak Lewitan, Autumn Day, Sokolniki, 1879
Isaak Iljitsch Lewitan (1860-1900) war einer der bedeutendsten russischen Maler des Realismus.

Wilhelm Busch 1832-1908

Der Einsame

 

Wer einsam ist, der hat es gut,

Weil keiner da, der ihm was tut.

Ihn stört in seinem Lustrevier

Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,

Und niemand gibt ihm weise Lehren,

Die gut gemeint und bös zu hören.

Der Welt entronnen, geht er still

In Filzpantoffeln, wann er will.

Sogar im Schlafrock wandelt er

Bequem den ganzen Tag umher.

Er kennt kein weibliches Verbot,

Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.

Geschützt vor fremden Späherblicken,

Kann er sich selbst die Hose flicken.

Liebt er Musik, so darf er flöten,

Um angenehm die Zeit zu töten,

Und laut und kräftig darf er prusten,

Und ohne Rücksicht darf er husten,

Und allgemach vergißt man seiner.

Nur allerhöchstens fragt mal einer:

Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,

Ich dachte längst, er wäre tot.

Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,

Läßt sich das Glück nicht schöner malen.

Worauf denn auch der Satz beruht:

Wer einsam ist, der hat es gut.

 

Valentin Serow, Herbst Domotkanovo, 1892
Valentin Aleksandrovich Serow (1865-1911) war ein russischer Maler, Grafiker und Porträtmaler.Er gilt als ein Vertreter der russischen Jugendstilmalerei.

Carl Spitzweg 1808-1885

 

Oft is mir kommen so in Sinn:

I möcht a Klausner wer'n!

Adje, du schöne Welt, fahr hin,

Will nix mehr von dir hör'n!

 

 

 

Das gefährlichste

Möbelstück ist die

›Lange Bank‹,
das gefährlichste

Instrument die

›Alte Leier‹.
Abraham a Sancta Clara

Wer Trinken, Rauchen und Sex aufgibt,

lebt auch nicht länger.

Es kommt ihm nur so vor.
Sigmund Freud

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.
Gustav Mahler

Was wir brauchen,

sind ein paar verrückte Leute;

seht euch an,

wohin uns die Normalen gebracht haben.
George Bernard Shaw

Der Kluge lernt aus allem
und von jedem,
der Normale aus
seinen Erfahrungen und
der Dumme
weiß alles besser.
Sokrates
Es ist schon alles gesagt,
nur noch nicht von allen.
Karl Valentin

Um ernst zu sein,

genügt Dummheit,

während zur Heiterkeit

ein großer Verstand unerläßlich ist.
William Shakespeare

Blüte edelsten Gemütes
ist die Rücksicht;
doch zuzeiten
sind erfrischend

wie Gewitter
goldne Rücksichtslosigkeiten.

Theodor Storm

BuchKult

Franz Dewes

fjdewes@buchkult-dewes.de

 

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