Wenn einer einen blütenreichen Frühling
und einen satten Herbst erlebt,
so muß er sich doch eingestehen,
daß es schön ist, Mensch zu sein.
Kumagai Naoyoshi 1782-1862
Die meisten Grafiken können durch Anklicken mit der linken Maustaste vergrößert dargestellt werden.
Hinter Textstellen in blauer
Farbe verstecken sich Links, entweder zu anderen Seiten dieser Website oder zu externen Sites (z.B. Wikipedia, Youtube ...).
... als wie ein Bild,
das goldne Pracht umschwebet. …
Hölderlin, Der Herbst
... Herbst du sollst mich Haushalt lehren,
Zu entbehren, zu begehren, ...
Clemens Brentano, aus: Lieb und Leid im leichten Leben
Luise von Milbacher, Herbstliches Stillleben, 1899
Luise von Milbacher (1845-?) studierte als eine der ersten Frauen an der eigens für Mädchen und Frauen von Franz Pönninger 1874 in Wien gegründeten “Allgemeine Zeichenschule für Frauen und Mädchen”.
Die Künstlerin betätigte sich vor allem als Genre- und Stillebenmalerein.
Georg Flegel, Allegory of Autumn, 1593, Slovak National Gallery
Georg Flegel (1566-1638) war ein bedeutender Stilllebenmaler des frühen 17. Jahrhunderts. Ab den Achtzigerjahren des 16. Jahrhunderts arbeitete er als „Bildstaffierer“ in der Linzer Werkstatt des
niederländischen Malers Lucas van Valckenborch. Seine Aufgabe war es, großformatige Gemälde von Tafelgesellschaften oder Marktszenen mit Früchten, Gemüse und Blumen auszustaffieren.
... zärtliches Wort liegt wieder brach. …
Ringelnatz, Herbstliche Wege
Neben dem Frühling ist der Herbst die wohl meist gemalte und bedichtete Jahreszeit. Beides sind Zeiten des Wandels, des Übergangs. Der Frühling bedeutet den Wechsel von Dunkelheit und Kälte des Winters hin zu Licht und Wärme und ist damit meist mit positiven Emotionen wie Freude, Hoffnung, Zuversicht verknüpft. Der Herbst jedoch führt vom Licht ins Dunkel, von der Wärme in die Kälte. Die mit ihm korrelierenden Gefühle sind allerdings nicht so eindeutig wie beim Frühling. Schwermut und Wehmut stehen durchaus positive Empfindungen gegenüber wie Befriedigung beispielsweise über eine gute Ernte, freudige Erwartung, die Ergebnisse der Anstrengungen in Frühling und Sommer nun genießen zu können, der neue Wein, Obst und Gemüse aus Garten und Feld. Und dann auch noch die Begeisterung über das prächtige Naturschauspiel der Verfärbung der Wälder!!!
Aber auch dieses Schauspiel hat ein Ende und wenn das letzte Blatt gefallen ist, Regen und Nebel das Erscheinungsbild unserer visuellen Umwelt bestimmen, ist für viele die Zeit der Niedergeschlagenheit, des Überdrusses, des Weltschmerzes gekommen. Das Sterben in der Natur zwingt den Menschen, sich mit seiner eigenen Endlichkeit zu beschäftigen. Gedenktage wie Allerheiligen, Allerseelen und Totensonntag mit ihren Ritualen tun das ihre, uns das Memento Mori (lat.: Sei dir der Sterblichkeit bewusst) vor Augen zu halten.
Dem entspricht auch die literarische Analogie des Herbstes mit der menschlichen Lebenszeit des Alters und der Todeserwartung. Zahlreiche Gedichte zeugen von Betrübnis, Angst, Trauer aber auch von Todessehnsucht.
1. Der Frühherbst bzw. der Spätsommer. Altweibersommer (oder muss das heute Senior*Innensommer im woken Sprachgebrauch der Selbstgefälligen und -gerechten heißen) oder der amerikanische Indian Summer (das ist mittlerweile sicher auch schon rassistische Entgleisung – ist mir aber auch egal) sind die sprachlichen Bilder dieser Phase. Angenehme Temperaturen, Sonnenschein und die beginnende Verfärbung der Bäume und Sträucher sind die äußeren Erfahrungen der Zeit. Bilder und Gedichte beschäftigen sich mit den noch anstehenden Ernten (Wein, Gemüse, Äpfel, und Kartoffeln - letzteren sind eigene umfangreiche Präsentationen gewidmet), dem Einbringen der Ernte, dem Sammeln von Pilzen und Brennholz für den Winter, dem Nachklingen des Sommers.
2. Der goldene Herbst. Die Maler befassen sich mit der Farbexplosion der Wälder, teils in kontrastreichen Kompositionen der Grundfarben, teils in sehr nuancierten Variationen bestimmter Farbtöne. Die beigefügten Gedichte geben die Ambivalenz der herbstlichen Empfindungen wieder.
3. Der Spätherbst. Die Bilder zeigen leere ausgeräumte Landschaften, Erdfarben sind beinahe allein-herrschend, Bäume und Sträucher zeigen sich als Gerippe, Skelette. Alles atmet Verwesung. Die Lyrik beinhaltet die erwähnten Gefühle: Trauer um verlorene Liebe, um verlorene Menschen, Weltschmerz, Melancholie, Depression, Angst. Nur wenige lösen sich aus der Zeit und sehen, dass der Zerfall Bedingung für neues Leben ist.
4. ... wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben ... Alleinsein und Einsamkeit im Herbst. Die Textzeile aus Rilkes Gedicht Herbsttag steht für das menschliche Empfinden im Herbst. Nach den Freuden des Sommers, die meist in Gemeinschaft und Geselligkeit genossen wurden, erfolgt die Rückbesinnung auf das eigene Selbst und seine Endlichkeit, das Nachdenken über die Beziehung zum Anderen. Viele Bilder illustrieren diesen Prozess, zeigen Menschen allein/einsam in Wäldern und Parks.
5. Ernten & sammeln Die Getreide-Ernte ist bereits abgeschlossen, nun geht es an die Ernte von Obst und Gemüse und das Sammeln von Beeren, Nüssen und Pilzen. Äpfeln und Kartoffeln sind eigene Seiten gewidmet (s.u.).
6.- 8. Äpfel Der Frühherbst ist die Zeit der Apfelernte. Äpfel waren lange Zeit (neben verschiedenen Trockenfrüchten) das einzige Obst, das den Menschen im Winter zum Verzehr bereitstand. Entsprechend groß ist die Anzahl von Bildern und Gedichten. Die Sortierung in Kategorien bezieht sich lediglich auf die Bilder, die Gedichte und Gedanken sind den Bildern eher willkürlich beigestellt.
Noch Wichtiger als die Apfelernte war für die Menschen die Ernte des wichtigsten Grundnahrungsmittels Europas: die Kartoffel.
9. Das Pflanzen der Kartoffel. Das Anpflanzen oder Setzen der Kartoffel ist selbstverständlich keine Arbeit, die im Herbst sondern im Frühjahr getätigt wird.
10. Kartoffelernte 1 Die Ernte war – wie die meisten Bilder zeigen - traditionell hauptsächlich die Arbeit von Frauen, Kinder und Alten.
14. Kartoffeln – Der Rest. Hier sind Kartoffel-Stillleben, Bilder von Kartoffel-Essern und –Händlern zu finden, außerdem Darstellungen von geschichtlichen Ereignissen rund um die Kartoffel. Und am Ende wird’s auch noch lustig.
Es gibt eine Stille des Herbstes
bis in die Farben hinein.
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929
Der Herbst,
der der Erde die Blätter wieder zuzählt,
die sie dem Sommer geliehen hat.
Georg Christoph Lichtenberg 1742-1799
Stürme des Herbstes, wilde, wüste Gesellen,
wie lieb ich euch!
Ihr wettert zusammen,
was morsch und welk ist,
und macht Bresche für die Entschiedenheit,
den klaren, reinlichen Winter.
Emil Gött 1864-1908
Ich ziehe deshalb den Herbst dem Frühjahr vor,
weil das Auge im Herbst den Himmel,
im Frühjahr aber die Erde sucht.
◊◊◊
Es wird Herbst, die Vögel ziehn fort,
nicht weil sie sich rar machen wollen,
nein, nur damit du ihrer nicht überdrüssig würdest.
Der Wald legt seinen Schmuck ab,
nur um im nächsten Jahr neu zu erstehen,
dich zu erfreuen....
Søren Kierkegaard 1813-1855
... Stets wird auch Ruhm erwerben
Der Herbst, vorausgesetzt,
Daß er mit vollen Körben
Uns Aug und Mund ergötzt.
Indes durch leises Tupfen
Gemahnt er uns bereits:
Bald, Kinder, kommt der Schnupfen
Und 's Gripperl seinerseits. ...
Wilhelm Busch, aus: Zum Geburtstag im Juni
Der Winter ist die Sünd',
Die Buße Frühlingszeit,
Der Sommer Gnadenstand,
Der Herbst Vollkommenheit.
Angelus Silesius 1624-1677
Im Herbst steht in den Gärten die Stille,
für die wir keine Zeit haben.
Victor Auburtin 1870-1928
Vier Klassiker der japanischen Haiku-Dichtung
Bashô 1643-1694
Auf blattlosem Ast
Sitzt allein eine Krähe
Herbstlicher Abend.
◊
Im Sturm des Herbstes
Zerbrochen und so traurig
Der Maulbeerstrauch dort.
◊
Wildschweine sogar
Werden weggeweht
Herbststurm
◊
Niemand
Geht diesen Weg
Im Spätherbst
◊
Der Stein des
Felsengebirges
Schimmert weißer
Im Herbstwind
◊◊◊
Yosa Buson 1715-1783
Auch die Einsamkeit
Ist manchmal etwas Schönes -
Ah, der Herbstabend!
◊◊◊
Kobayashi Issa 1763-1827
Als Muschelschale
Kommt aus den Bergen heraus
Der Mond des Herbstes!
◊◊◊
Shibata Zeshin, Herbstgras im Mondlicht (linkes Paneel)
Shibata Zeshin (1807-1891) war ein japanischer Maler der späten Tokugawa- und frühen Meiji-Zeit.
Shiki 1867-1912
Auch der Mond ist da -
Chrysanthemen, gelb und weiß -
Herbstes Ende naht.
◊
Wie der Herbstwind weht!
Doch wir beide leben noch,
beide, du und ich.
◊
Vor dem Tod!
Doch noch laut
Herbstzikaden.
◊◊◊