Die Flucht nach Ägypten ist eine Erzählung aus der Kindheit Jesu, die im Matthäusevangelium (Mt 2,13) und außerkanonischen Evangelien überliefert ist-
Die Flucht nach Ägypten, Matthäus 2
13 Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, siehe, da erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. 14 Da stand Josef auf und floh in der Nacht mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. 15 Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.
Das Pseudo-Matthäus-Evangelium ist ein apokryphes Evangelium, das sich mit Einzelheiten der Kindheit Jesu bis zum Alter von 12 Jahren befasst. Der Gattung nach ist es somit genauer ein Kindheitsevangelium. Es handelt sich dabei vor allem um Ausschmückungen von Themen, die in den Evangelien nach Matthäus und Lukas nur kurz berichtet werden.
17.1.
Als Herodes sah, daß die Magier mit ihm ihr Spiel getrieben hatten, entbrannte sein Herz vor Zorn. Er schickte Häscher auf alle Straßen, um sie zu verhaften und umzubringen.
Als er sie überhaupt nicht ausfindig machen konnte, schickte er Schergen nach Betlehem und ließ alle Kinder von zwei Jahren und jünger ermorden, entsprechend der Zeit, die er von den Magiern erfragt hatte.
17.2.
Einen Tag, bevor das geschehen sollte, wurde Josef im Schlaf von einem Engel des Herrn ermahnt, der ihm sagte: "Nimm Maria und das Kind, und zieh auf einer abgelegenen Straße nach Ägypten!" Josef aber machte sich auf den Weg, wie ihm der Engel geboten hatte.
Albrecht Dürer, Die Flucht nach Ägypten,
aus Die sieben Schmerzen Mariä, Mitteltafel
Albrecht Dürer (1471-1528) der Jüngere (auch Duerer) war ein deutscher Maler, Grafiker, Mathematiker und Kunsttheoretiker.Mit seinen Gemälden, Zeichnungen, Kupferstichen und Holzschnitten zählt er zu
den herausragenden Vertretern der Renaissance.
18.1.
Als sie an eine Höhle kamen und in ihr rasten wollten, stieg Maria vom Lasttier, setzte sich nieder und nahm Jesus auf den Schoß.
In der Begleitung Josefs waren drei Knaben und bei Maria ein Mädchen, die die Reise mitmachten. Und siehe, plötzlich kamen aus der Höhle viele Drachen, vor deren Anblick die Kinder vor bangem Entsetzen laut aufschrien.
Da stieg Jesus vom Schoß seiner Mutter herab und stellte sich vor den Drachen auf seine Füße. Sie aber fielen huldigend vor ihm nieder, und nach dieser Huldigung entfernten sie sich.
Da ging in Erfüllung, was der Prophet David voraussagte: "Lobt den Herrn, ihr Drachen der Erde, Drachen und alle Abgründe!"
18.2.
Das Jesuskind selbst aber ging vor den Drachen einher und gebot ihnen, daß sie keinem Menschen etwas antaten. Doch Maria und Josef befürchteten sehr, das Kind könnte von den Drachen verletzt werden.
Jesus sagte zu ihnen: "Habt keine Furcht, und zieht nicht in Betracht, daß ich ein Kind bin! Ich bin nämlich immer schon vollkommen gewesen und bin es; alle wilden Tiere der Wälder müssen vor mir zahm werden."
19.1.
Gleicherweise huldigten ihm Löwen und Panther und begleiteten ihn in der Wüste. Wohin Maria und Josef auch gingen, schritten sie ihnen voran, zeigten den Weg und neigten wiederum die Köpfe zur Huldigung vor Jesus.
Am ersten Tag, da Maria die Löwen und die verschiedenen Arten wilder Tiere um sich herum laufen sah, hatte sie große Furcht.
Das Jesuskind schaute ihr mit frohem Blick ins Gesicht und sagte: "Fürchte dich nicht, Mutter! Sie eilen nicht herbei, um dir Gewalt anzutun, sondern kommen, um ihre Gunst zu bezeigen." Durch diese Worte nahm er die Furcht aus ihren Herzen.
19.2.
Die Löwen aber schritten mit ihnen einher, zusammen mit Ochsen, Eseln und den Packtieren, die ihnen trugen, was sie benötigten. Und sie fügten niemand ein Leid zu, obgleich sie mit ihnen zusammenblieben. Vielmehr waren sie zahm unter den Schafen und Widdern, die sie aus Judäa mitgeführt hatten und bei sich behielten.
Unter Wölfen gingen sie einher und hatten keine Furcht. Kein Tier wurde von einem anderen verletzt. Da ging in Erfüllung, was durch den Propheten gesagt worden war: "Die Wölfe weiden mit den Lämmern. Löwe und Ochse fressen zusammen Stroh."
Sie hatten zwei Ochsen und einen Lastwagen, in dem sie das Notwendige transportierten. Die Löwen wiesen ihnen den Weg.
20.1.
Am dritten Tag ihrer Reise geschah es, daß Maria von der allzu großen Sonnenglut in der Wüste müde wurde, und als sie einen Palmbaum sah, sprach sie zu Josef: "Ich möchte in seinem Schatten ein wenig ausruhen."
Josef aber führte sie eilends zu der Palme und ließ sie von dem Lasttier absteigen. Als Maria sich niedergelassen hatte, schaute sie zur Krone der Palme hinauf und sah sie voller Früchte.
Sie sagte zu Josef: "Wenn es möglich ist, möchte ich gern von den Früchten der Palme haben." Josef sprach zu ihr: "Es wundert mich, daß du dies sagst, weil du sehen kannst, wie hoch die Palme ist, und daß du trotzdem darüber nachdenkst, von den Palmfrüchten zu essen.
Ich denke eher über unseren Wassermangel nach, da uns das Wasser in den Schläuchen zur Neige geht und wir nichts haben, womit wir uns und die Lasttiere erfrischen könnten."
20.2.
Da sagte das Jesuskind, das mit fröhlicher Miene auf dem Schoß seiner Mutter saß, zu der Palme: "Neige dich, Baum, und erfrische meine Mutter mit deinen Früchten!"
Und sogleich auf diesen Ruf neigte die Palme ihre Krone bis zu den Füßen Marias, und man sammelte von ihr Früchte, an denen sich alle gütlich taten.
Als man alle Früchte von der Palme geerntet hatte, blieb sie in geneigter Stellung in der Erwartung, sich auf Befehl dessen wieder aufzurichten, auf dessen Geheiß sie sich geneigt hatte.
Da sprach Jesus zu ihr: "Richte dich auf, Palme, und komm wieder zu Kräften! Sei Genossin meiner Bäume, die im Paradies meines Vaters stehen! Öffne aber unter deinen Wurzeln eine Wasserader die in der Erde verborgen ist, und aus ihr sollen Wasser fließen, um unseren Durst zu stillen!"
Sogleich richtete die Palme sich auf, und an ihren Wurzeln begannen ganz klare, frische und ganz süße Wasserquellen zu sprudeln. Als sie aber die Wasserquellen sahen, freuten sie sich ungemein. Sie löschten den Durst zusammen mit allen Lasttieren und Menschen und sagten Gott Dank.
21.
Am nächsten Tag zogen sie von dort weiter, und zu der Stunde, als sie sich auf den Weg machten, wandte sich Jesus um und sagte zu der Palme: "Dieses Vorrecht gebe ich dir, Palme, daß einer von deinen Zweigen von meinen Engeln weggetragen und im Paradies meines Vaters eingepflanzt wird.
Diesen Segen will ich auf dich übertragen, daß alle, die in einem Wettstreit siegen, die Zusage erhalten: Ihr habt die Siegespalme erlangt."
Als er dies sagte, siehe, da erschien ein Engel des Herrn, blieb über dem Palmbaum stehen, nahm einen von seinen Zweigen und flog zum Himmel, den Zweig in seiner Hand haltend.
Als sie dies sahen, fielen sie auf ihr Angesicht und waren wie tot. Jesus redete sie an und sagte: "Warum erfaßt Furcht eure Herzen? Wißt ihr nicht, daß diese Palme, die ich ins Paradies tragen ließ, für alle Heiligen am Ort der Erfrischung bereitstehen wird, wie sie für uns in der Wüste bereitstand?" Und sie erhoben sich alle, von Freude erfüllt.
22.
Als sie weiterzogen, sagte Josef zu ihm: "Herr, diese Hitze brät uns allzusehr. Wenn es dir recht. ist, wollen wir den Weg am Meer entlang nehmen. Dann konnen wir die Küstenstädte durchwandern und uns Ruhe gönnen."
Jesus sagte: "Hab keine Furcht, Josef! Ich werde den Weg für euch abkürzen; dann könnt ihr den Weg, für den ihr dreißig Tage braucht, an diesem einen Tag zurücklegen." Während sie so redeten, siehe, da erblickten sie schon die Berge Ägyptens und seine Städte.
Pseudo-Matthäusevangelium Quelle