Max Herrmann-Neiße 1886-1941
Gebet um Frieden
Laß Dich diesmal, Gott, erweichen
von den bangenden Gebeten,
aus den fernen Himmelreichen
sichtbarlich hervorzutreten
und gebiete Halt dem Morden,
gib den Zweifelnden ein Zeichen!
Deine Welt ist toll geworden;
laß Dich diesmal, Gott, erweichen!
Laß den Haß das Spiel verlieren,
mach' die Kriegerischen milde!
Schenk' den Menschen und den Tieren
wieder friedliche Gefilde,
wo sie ihr Geschick erleben,
günstige und schwere Stunden,
dem Natürlichen ergeben
und an keinen Wahn gebunden!
Laß den Frevel nicht geschehen,
die Verwüstung Deiner Erde!
Laß Dich bei den Deinen sehen
als Beschützer Deiner Herde,
laß die Ställe nicht zerstören
und die Weide nicht vergehen!
Höre, wie wir Dich beschwören:
laß das Schlimmste nicht geschehen!
Soll der Schrecken ohne Ende
Tag und Nacht zur Hölle machen?
Deine Friedensengel sende,
unsre Wege zu bewachen!
Die Vertrautheit Deiner Sterne
leuchte unserm Traumentrinnen!
Alle Drohungen entferne,
laß den Morgen gut beginnen!
Laß uns Deine Hand erreichen,
die uns aus den Wirren löse!
Laß die dunklen Wolken weichen
und verstummen das Getöse,
daß wir endlich Dich erkennen,
und sich Deiner Liebe Zeichen
kann in unsre Herzen brennen!
Laß Dich diesmal, Gott, erreichen!
Max Herrmann-Neiße 1886-1941
Gebet um Frieden
Mein Gott, bewahre mir im Stillen
des Seelenfriedens Heiligtum,
laß nicht dem Würger seinen Willen
und gib dem Krieger keinen Ruhm,
o wolle gnädiglich erhören
der Schwachen furchtsames Gebet
und laß den Bösen nicht zerstören,
was unter Deinem Schutze steht!
Auf Erden läßt sich leidlich leben,
und jeder wird einmal bedacht.
Dem Widersacher zu vergeben,
belohnt mit sanftem Schlaf die Nacht;
das Gute, nicht das Schlimme suchen,
ist, was das Menschenherz befreit,
und, wenn wir unserm Los nicht fluchen,
wird es zum Glück der Ewigkeit.
Vergiß die Hoffart von uns allen
und zieh uns nicht zur Rechenschaft,
o laß uns durch das Schwert nicht fallen!
Gib meinem Glauben wieder Kraft,
den Hang zum Haß zu überwinden
und meinen Feinden zu verzeihn,
mich mit dem Nachteil abzufinden
und in der Not getrost zu sein!
Auf alles will ich gern verzichten,
wird unsrer Welt der Mord erspart,
will abseits meine Lieder dichten,
die dann kein Buch mehr aufbewahrt,
will namenlos verschollen bleiben,
von jedem Freunde weit getrennt,
den Meinen keinen Brief mehr schreiben,
ein Fremdling sein, den keiner kennt.
Doch, Gott, gib Vollmacht nicht dem Tode,
verwüstend ungehemmt zu sein,
sei nicht die grausame Pagode,
unnahbar unsrer Herzenspein,
laß uns noch einmal Atem schöpfen
und harmlos unsre Wege gehn,
laß wieder über unsern Köpfen
den Stern des Ewigen Friedens stehn!
Ein weiteres „Gebet um Frieden“ von Max Herrmann-Neiße findet sich weiter unten.
für alle, die es nicht mehr wissen,
und alle, die es noch nicht wissen,
SO sieht Krieg aus
Zwei Links zu dem Foto