Anonym
Ein alt Totenlied
So fährt im Herbst der Abendwind
Wohl über die breite Heide
Und reißt die Blumen ab geschwind
Zu unserm tiefen Leide.
Verschwunden unserm Angesicht
Sieht man gar bald die Stätte nicht,
Wo Gras und Blumen gestanden.
Nun fliehe denn aus euerm Sinn
Das traurige Seufzen und Klagen hin
Und ziehet eure Straßen.
Denk wohl dabei, es währt nicht lang,
So wird man uns bei Sang und Klang
Gleichfalls der Erde lassen.
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Theodor Fontane 1819-1898
Herbstmorgen
Die Wolken ziehn, wie Trauergäste,
Den Mond still – abwärts zu geleiten;
Der Wind durchfegt die starren Äste,
Und sucht ein Blatt aus beßren Zeiten.
Schon flattern in der Luft die Raben,
Des Winters unheilvolle Boten;
Bald wird er tief in Schnee begraben
Die Erde, seinen großen Toten.
Ein Bach läuft hastig mir zur Seite,
Es bangt ihn vor des Eises Ketten;
Drum stürzt er fort und sucht das Weite,
Als könnt' ihm Flucht das Leben retten.
Da mocht' ich länger nicht inmitten
So todesnaher Öde weilen;
Es trieb mich fort, mit hast'gen Schritten
Dem flücht'gen Bache nachzueilen.
Martin Greif 1839-1911
Herbstgefühl
Wie ferne Tritte hörst du's schallen,
Doch weit umher ist nichts zu sehn,
Als wie die Blätter träumend fallen
Und rauschend mit dem Wind verwehn.
Es dringt hervor wie leise Klagen,
Die immer neuem Schmerz entstehn,
Wie Wehruf aus entschwundnen Tagen,
Wie stetes Kommen und Vergehn.
Du hörst, wie durch der Bäume Gipfel
Die Stunden unaufhaltsam gehn,
Der Nebel regnet in die Wipfel,
Du weinst, und kannst es nicht verstehn.
Cäsar Flaischlen 1864-1920
Ich bin nicht mehr als ein rinnender Traum
Ich bin nicht mehr als ein Blatt am Baum,
Als ein Tropfen im fallenden Regen,
Nicht mehr als ein Sonnenflimmerflaum,
Ein Mondlichtschein in Waldgehegen ...
Oder sommerentlang
Ein Vogelklang,
Ein Schmetterling am Heidehang ...
Ein Wölkchen, das der nächste Wind
Spurlos ins Abendrot verrinnt ...
Und all meine Lust und all mein Leid,
Es ist nur die Lust, es ist nur das Leid
Eines kurzen rinnenden Traumes ...
Es ist nur die Lust, es ist nur das Leid
Eines Mondlichtscheins auf einsamen Wegen,
Eines Rufes im Ried,
Eines Vogellieds
In grünen Waldgehegen ...
Es ist nur die Lust, es ist nur das Leid
Eines Schmetterlings, der zur Sommerzeit
An blühenden Hängen flügelt
Und den der Herbst früh oder spät
Spurlos über die Heide verweht ...
Theodor Fontane 1819-1898
Barbara Allen
Es war im Herbst, im bunten Herbst,
Wenn die rotgelben Blätter fallen,
Da wurde John Graham vor Liebe krank,
Vor Liebe zu Barbara Allen.
Seine Läufer liefen hinab in die Stadt
Und suchten, bis sie gefunden:
“Ach unser Herr ist krank nach dir,
Komm Lady, und mach' ihn gesunden.”
Die Lady schritt zum Schloß hinan,
Schritt über die marmornen Stufen,
Sie trat ans Bett, sie sah ihn an:
“John Graham, du ließest mich rufen.”
“Ich ließ dich rufen, ich bin im Herbst
Und die rotgelben Blätter fallen,
Hast du kein letztes Wort für mich?
Ich sterbe, Barbara Allen.”
“John Graham, ich hab' ein letztes Wort,
Du warst mein All und Eines;
Du teiltest Pfänder und Bänder aus,
Mir aber gönntest du keines.
John Graham, und ob du mich lieben magst,
Ich weiß, ich hatte dich lieber,
Ich sah nach dir, du lachtest mich an
Und gingest lachend vorüber.
Wir haben gewechselt, ich und du,
Die Sprossen der Liebesleiter,
Du bist nun unten, du hast es gewollt
Ich aber bin oben und heiter.”
Sie ging zurück. Eine Meil' oder zwei,
Da hörte sie Glocken schallen;
Sie sprach: Die Glocken klingen für ihn,
Für ihn und für Barbara Allen.
“Liebe Mutter mach ein Bett für mich,
Unter Weiden und Eschen geborgen;
John Graham ist heute gestorben um mich
Und ich sterbe um ihn morgen.”
Betty Paoli 1814-1894
Im Herbst
Durch Novemberlüfte schauernd
Strömen Regengüsse nieder;
Da verstummen, scheu und trauernd,
In der Seele mir die Lieder.
Vögeln gleich, die in so kalten
Regentagen, statt zu singen,
Fröstelnd die durchnäßten Schwingen
Lang und stumm zusammenfalten.
Hermann Allmers 1821-1902
Spätherbst
Der graue Nebel tropft so still
Herab auf Feld und Wald und Heide,
Als ob der Himmel weinen will
In übergroßem Leide.
Die Blumen wollen nicht mehr blühn,
Die Vöglein schweigen in den Hainen,
Es starb sogar das letzte Grün,
Da mag er auch wohl weinen.
Wilhelm Popp 1870-1938
Spätherbst
Fahlgrau verdämmert der Tag…
Nebel in flatternden Stücken,
will mir die Brust bedrücken,
Furcht regt sich im Föhrenschlag.
Und schon nahet der Sturm,
Herbst beugt die greisen Bäume, –
in meine dumpfen Träume
zittern die Glocken vom Turm.
Schall und verworrener Klang
aus dem Häusergewimmel;
Dampf quillt zum nächtlichen Himmel
in aufstrebendem Drang.
Dunkel schleicht mir ins Herz,
Wolken ballen sich dichter –
Aber drüben die Lichter
winken mir heimatwärts.
Max Dauthendey 1867-1918
Vergänglichkeit
Nun spinnen sich die Tage ein,
Nicht einer will mehr freundlich sein,
Sie müssen sich alle besinnen
Auf eine Hand voll Sonnenschein
Und gehen dürftig von hinnen,
Wie Wasser im Sande verrinnen.
Die Menschen wandern hinterdrein,
Still einzeln, oder still zu zwein,
Und sehen die Blätter verfliegen
In alle vier Wände hinein.
Sie möchten im Sonnenschein liegen
Und müssen sich fröstelnd schmiegen.
So war es tausend Jahr und mehr,
Mit Blindheit kommt der Herbst daher.
Gern will ihn keiner sehen,
Er macht ja alle Wege leer.
Er muß zur Seite gehen
Und muß um Mitleid flehen.
Und so geht's tausend Jahre fort.
Vergänglichkeit, Du müdes Wort,
Du lösest ab die Tage,
Du duldest weder Zeit noch Ort,
Machst Wirklichkeit zur Sage,
Den Liebesrausch zur Klage.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Herbst im Fluss
Der Strom trug das ins Wasser gestreute
Laub der Bäume fort.
Ich dachte an alte Leute
Die auswandern ohne ein Klagewort.
Die Blätter treiben und trudeln,
Gewendet von Winden und Strudeln
Gezügig, und sinken dann still.
Wie jeder, der Großes erlebte,
Als er an Größerem bebte,
Schließlich tief ausruhen will.
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Ende des Herbstes
Ich sehe seit einer Zeit,
Wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
Und tötet und tut Leid.
Von Mal zu Mal sind all
Die Gärten nicht dieselben;
Von der gilbenden zu der gelben
Langsamem Verfall:
Wie war der Weg mir weit.
Jetzt bin ich schon bei den leeren
Und schaue durch die Alleen.
Fast bis zu den fernsten Meeren
Kann ich den ernsten schweren
Verwehrenden Himmel sehn.
Heinrich Heine 1797-1856
Spätherbstnebel, kalte Träume
Spätherbstnebel, kalte Träume,
Überfroren Berg und Tal,
Sturm entblättert schon die Bäume,
Und sie schaun gespenstisch kahl.
Nur ein einz'ger, traurig schweigsam
Einz'ger Baum steht unentlaubt,
Feucht von Wehmutstränen gleichsam,
Schüttelt er sein grünes Haupt.
Ach, mein Herz gleicht dieser Wildnis,
Und der Baum, den ich dort schau
Sommergrün, das ist dein Bildnis,
Vielgeliebte, schöne Frau!
Friedrich Rückert 1788-1866
Herbsthauch
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
Im Blätterfallen
Da nun die Blätter fallen,
O weh, wie fahl,
Fühl' ich, wie alt ich worden bin.
Das macht mir Qual.
Die Sonne scheint. Ach, Sonne,
Wie bist du kalt.
Einst war der Herbst mir auch ein Lied.
Jetzt bin ich alt.
Georg Busse-Palma 1876-1915
Unnütz
Was der Frühling säte,
kommt im Herbst zur Mahd –
Es ist spät geworden,
und die Ernte naht.
Ich auch hör' am Wege,
wegmüd' und verstaubt,
Sang und Sichelschläge
über meinem Haupt.
Mähst du auch der Heide
unnütz Kraut und Strauch,
Herr der Ernte, schneide
dann mich auch…
Charles Edouard Duboc 1822-1910
Ruhetag
Wohin ich trete, dürres Laub,
Des Herbstes hingeworfner Raub –
Nicht nahm er's mit, ihm ward's zu viel:
Nun treibt damit der Wind sein Spiel.
Doch bald hat's auch vor Diesem Ruh',
Es kommt der Schnee und deckt es zu:
Wer nur das End' erwarten mag,
Der findet seinen Ruhetag.
Théodore Rousseau, Under the Birches, Evening
Etienne Pierre Théodore Rousseau (1812-1867) war ein französischer Landschaftsmaler und Bruder des weniger bekannten Malers Philippe Rousseau. Er war Gründer der Schule von Barbizon, in der sich die
ersten Freilichtmaler zusammenfanden. Sein Werk ist dem Realismus zuzuordnen.
Ferdinand von Saar 1833-1906
Landschaft im Spätherbst
Über kahle, fahle Hügel
Streicht der Dämm'rung kühler Flügel;
Dunkel, wie erstarrte Träume,
Steh'n im Thal entlaubt die Bäume.
Tiefe Stille, tiefes Lauschen:
Keine Welle hörst du rauschen,
Keine Stimme hörst du klingen,
Dir des Lebens Gruß zu bringen.
Nur als stummes Bild der Gnade
Siehst du dort am stein'gen Pfade,
Von des Kreuzes Holz getragen,
Durch die Nacht den Heiland ragen.
Max Dauthendey 1867-1918
Schatten am Herzen
So bin ich denn hin in die Welt gegangen,
In den Herbst, wo die Winde sich Blätter fangen,
Und langen Nächten entgegen.
Doch immer sah ich auf allen Wegen
Ein Weib mit Blicken, mit bangen,
Die blieben wie Schatten am Herzen mir hangen,
Und fielen zur Erde wie weinender Regen.
Nikolaus Lenau 1802-1850
Herbstgefühl
Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer, rauh und kalt,
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.
Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.
An den Bäumen, welk und matt,
Schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;
Immer dichter fällt es, will
mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.
Wilfried von der Neun 1826-1916
Wieder fällt der Waldschmuck nieder
Wieder fällt der Waldschmuck nieder,
Wieder schweigen Waldeslieder;
Todvergess'ner Mensch, o sage,
Wieviel brauchst du Herbstestage,
Deines Lebens Ernst zu fassen
Und das Schimmernde zu lassen?
Theodor Fontane 1819-1898
Spätherbst
Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,
Reseden und Astern sind im Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,
Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.
Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt!
Banne die Sorge, genieße, was frommt,
Eh' Stille, Schnee und Winter kommt.
Klabund 1890–1928
Die letzte Kornblume
Sie ging, den Weg zu kürzen, übers Feld.
Es war gemäht. Die Ähren eingefahren.
Die braunen Stoppeln stachen in die Luft,
Als hätte sich der Erdgott schlecht rasiert.
Sie ging und ging. Und plötzlich traf sie
Auf die letzte blaue Blume dieses Sommers.
Sie sah die Blume an. Die Blume sie. Und beide dachten
(Sofern die Menschen denken können, dachte die Blume...)
Dachten ganz das gleiche:
Du bist die letzte Blüte dieses Sommers,
Du blühst, von lauter totem Gras umgeben.
Dich hat der Sensenmann verschont,
Damit ein letzter lauer Blütenduft
Über die abgestorbene Erde wehe –
Sie bückte sich. Und brach die blaue Blume.
Sie rupfte alle Blütenblätter einzeln:
Er liebt mich – liebt mich nicht – er liebt mich... nicht. –
Die blauen Blütenfetzen flatterten
Wie Himmelsfetzen über braune Stoppeln.
Ihr Auge glänzte feucht – vom Abendtau,
Der kühl und silbern auf die Felder fiel
Wie aus des Mondes Silberhorn geschüttet.
Max Dauthendey 1867-1918
Als siehst Du in ein Buch hinein
Als siehst Du in ein Buch hinein,
Und des blassen Papieres heller Schein
Liegt Dir im Gesicht, und bleich wie Stein
Wird Deine Stirn von des Buches Licht.
So gehst Du im Herbst den Weg, den hellen.
Die Bäume stehen wie wächserne Zellen,
Durchsichtig wie Körbe, lose geflochten,
Vom Licht durchflackert an allen Stellen;
Sie sind gleich Kerzen mit langen Dochten.
Und bleich beschienen von fremden Schmerzen,
Geht jeder unter den Bäumen hin,
Bleich, als trägt er die Last von Eisen und Erzen,
Und liest erblaßt des Lebens Sinn.
Emil von Schoenaich-Carolath 1852-1908
Nebeltag
Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen,
es senkt der Herbst die graue Schlußgardine;
vom Garten, der einst Rosenpracht getragen,
dringt Grabesduft verblühter Balsamine.
Ein letztes Ideal ward mir zerschlagen,
Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;
indessen Schauer überm Parke jagen,
pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine.
Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden
sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne
noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel.
Denn alle Wonnen, die begehret werden,
die Welt, der Ruhm, die Frauen und die Sterne,
sie wärmen nicht und sind im Grunde dunkel.
Gustav Sack 1885-1916
Der Herbst
So komm, du wilder West,
und sing geheimnisvoll und runenkundig
in meinen Kiefern und Wacholderbüschen
das uralt düstere Jahreslied des Todes!
Und reiß aus meinem Herz des Sommers Freuden,
reiß sie gleich müd gewordenen Blättern ab,
auf daß mein Fuß sie raschelnd von sich stoße.
So wie von jenem Ahorn taumelnd dort
die schwarzgefleckten Blätter landwärts wirbeln,
laß all des Sommers gaukelnde Gestalten
zu krausen Scharen windgewiegt
ins graue Land Vergessenheit hinflattern!
Und dann, oh West, oh wilder West,
saug aus des Weltmeers weitgeebbten Brüsten
dir Sturmeskräfte hoch und schleudere mich
hohnlachend jenen Spukgestalten nach
und brause, laut aus vollen Lungen tobend,
über das Sommerglück, das du zerstört!
Georg Heym 1887-1912
Winterwärts
Eben noch goldiger Maienglanz,
Heute schon fallender Blätter Tanz.
Müde senkt sich der welke Mohn,
Leise taumeln die Flocken schon.
Und ein großes Schweigen
Hüllt die Welten ein.
Tod mit seiner Geigen
Schreitet auf dem Rain.
Emanuel Geibel 1815-1884
Es schleicht um Busch und Halde
Es schleicht um Busch und Halde
Der Sonnenstrahl so matt,
Im herbstlich stillen Walde
Fällt langsam Blatt um Blatt.
Die Welt versinkt in Todesruh',
Was ist's denn mehr? Auch du, auch du,
Mein Herz, du findest balde
Die rechte Lagerstatt.
Du brachst am Lebenssteige
Die Früchte, die er bot,
Der Jugend Rosenzweige,
Der Minne Himmelsbrot.
Doch endlich wird des Windes Raub
Die letzte Lieb, das letzte Laub -
So neige dich, o neige
Dich lächelnd in den Tod.
Guido Zernatto 1903-1943
Vor dem ersten Schnee
Auf dem braunen Acker drüben
Liegen jetzt in weißen Haufen
Als die letzte Frucht im Jahre
Rüben.
Und der alte Gaul geht schneller,
Weil ihn keine Fliegen beißen,
Auch der Most, gepreßt schon, liegt im
Keller.
Vor dem Hause und dahinter
Türmt sich schon das grobgespaltne
Buchenholz für einen langen
Winter.
Und kein Acker und kein Garten
Braucht jetzt Arbeit oder Pflege,
Oh, wir können ruhig auf den Winter
warten.
Karl von Gerok 1815-1890
Herbst-Gefühl
Müder Glanz der Sonne!
Blasses Himmelblau!
Von verklungner Wonne
Träumet still die Au.
An der letzten Rose
Löset lebenssatt
Sich das letzte lose,
Bleiche Blumenblatt!
Goldenes Entfärben
Schleicht sich durch den Hain!
Auch Vergeh'n und Sterben
Däucht mir süß zu sein.
Heinrich Heine 1797-1856
Verdroßnen Sinn im kalten Herzen hegend ...
Verdroßnen Sinn im kalten Herzen hegend,
Reis ich verdrießlich durch die kalte Welt,
Zu Ende geht der Herbst, ein Nebel hält
Feuchteingehüllt die abgestorbne Gegend.
Die Winde pfeifen, hin und her bewegend
Das rote Laub, das von den Bäumen fällt,
Es seufzt der Wald, es dampft das kahle Feld,
Nun kommt das Schlimmste noch – es regent.
Emil Claar 1842-1930
Findling
Es war ein trüber Abend
Zwischen Herbst und Winter,
Regen strömte und strömte
Vermischt mit zerfließenden Flocken
Zeitigen Schnees,
Und eisiger Windhauch klatschte
Das rotbraune Laub des wilden Weins
Ans Gittertor –
Da standst du vor meinem Hause,
Nachdem du mir lange nachgeschlichen,
Scheu und doch hoffend,
Stumm und doch bittend.
Ich nickte dir zu,
Ich blickte dich an,
Und sah einen schlanken, biegsamen
Schwarzen Jäger,
Stammend aus schottischem Hochgebirge,
Durchnäßt und erschöpft,
Niederkauern vor mir.
Vordringliche Rippen zeugten
Von schwerer Entbehrung
Und ich erwog:
Wie lange du schon so heimatlos
Umhergeirrt in den fremden Straßen,
Und sagte: Komm!
Und du kamst.
Theodor Däubler 1876-1934
Herbst
Der erste Schnee liegt leuchtend auf den Bergen,
Die schwarzen Vögel wuchten funkelnd auf,
Die Welt wird ihren Schmerz nicht mehr verbergen.
Das Dasein silbert hin im Sterbenslauf.
Die Jäger knallen, was noch atmet, nieder.
Das tote Jahr vermacht uns einen Rausch,
Wir Menschen hoffen sinnlos immer wieder,
Der Wein umnebelt uns beim schlechten Tausch.
Der reife Herbst beginnt die Trauben zu durchblauen,
Der Wind verwebt in Wipfeln Licht und Liebe,
Die guten Blumen, die verwundert aufwärtsschauen,
Erzählen unsern Wunsch: wenn alles traumhaft bliebe!
Gib mir die Hand, Geduld, Geduld, wir werden warten.
Bemerkst du nicht, wie Blatt auf Blatt vom Himmel fällt?
Bestärke unsern Händedruck im Laubengarten:
Wir wollen warten, wenn Geduld uns fromm erhält.
Geduld, Geduld, wir halten dich mit weißen Händen.
Verwelkt und rot zerblättert das Kastanienlaub.
So warten wir, es steigt ein Stern aus Blätterwänden.
Der Wind ist weg, die Bäume werden taub.
Christian Morgenstern 1871-1914
Durch manchen Herbst des Leidens
Durch manchen Herbst des Leidens
mußt du, Herz,
eh dich die letzte goldne Sichel mäht.
Schon späht
ihr blankes Erz
nach deinem dunklen Blut.
Wie bald, so ruht,
verströmend Gold,
es, Abendröten gleich
in jenem Reich
des Ewigen Abends,
welcher Friede heißt!
O süßer Geist
der Nächte,
sei mir hold!
Max Dauthendey 1867-1918
Unsere Toten
Nebel filtert um die Felderrunden, um die brachen,
Und von Nebeln wird das Fenster grau umwunden.
Die sonst nur in unsern Träumen nachts am Bett erwachen,
Unsere Toten, die des Hauses Ausweg leis gefunden,
Kommen herbsttags mit den Nebeln in die Türen, in die Stunden.
Unsere Toten, die nur lächeln, nicht mehr lachen,
Wollen jetzt im Grauen abgebrochene Gespräche weiterführen.
Wollen mit den Nebeln Wangen und Dein Kinn anrühren.
Ihre Arme sind Gedanken, und Du kannst die Toten näher spüren,
Näher jetzt als damals, wo sie noch vom gleichen Glase mit Dir tranken.
Alle Toten können, ohne Ende, liebend die Geschlechter führen,
Und sie gehen aus und ein, wie die Nebel durch geschlossene Türen.
Erich Mühsam 1878-1934
Angst packt mich an
Angst packt mich an,
Denn ich ahne, es nahen Tage
voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir! –
Wenn die Blätter im Herbst ersterben
und sich die Flüsse trüber färben
und sich die Wolken ineinander schieben –
dann komm, du, komm!
Schütze mich –
stütze mich –
faß meine Hand an.
Hilf mir lieben!
Konrad Weiß 1880-1940
Vor dem Winter
Kein Himmel in der Frühe,
nach halben Schritten wird es still,
und wie das Blatt vom Baume fiel,
verzuckt ein Lichtlein ohne Will,
grämt sich und hat nicht Mühe.
Es will der Tag nicht raten.
Als löste sich von unserm Mund
das Blatt, so sind die Worte wund.
Im Nebel rinnen Stund um Stund,
verrinnen unsere Taten.
Allein in letzter Höhe
steht noch ein Blatt und zittert bald.
Und wird im Sterben voll Gestalt;
ein Wind als wie ein Messer kalt
nimmt auch das letzte Blatt.