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Die Gedichte dieser Seite entstammen dem o.g. Allerseelenbüchlein.
Aller Seelen
Für jedes Grab ein Kerzenlicht!
So will's der Aller-Seelen-Tag;
Doch klagen dürft ihr dann auch nicht,
Wenn's heller wird, als mancher mag.
Für jedes Grab ein Blumenstrauß.
Ein frommer Brauch voll Liebeshuld.
Doch sticht nun wo ein Dorn heraus,
Ertragt's! Es ist nicht meine Schuld.
Pastoren-Gräber
Ein Pfarrer
Du predigst vor leeren Bänken,
Dein Küster war die Langeweil.
Um eine Herde satt zu tränken,
Ward Wasser dir genug zuteil;
Doch brauchtest du dich nur zu zeigen,
Da rissen alle Schafe aus.
Bewahr' nur jetzt ein tiefes Schweigen,
Den Kirchhof treibst du sonst nach Haus!
Pastoren-Gräber
Pfarrer - Ein vierter
Wo du erschienst, da mußten andre schweigen,
Wie einem Pächter, war das Wort dein eigen.
Von einer Weisheitsquelle mag man etwa sprechen,
Von einem Weisheitsborne wissen alle,
Doch deine Weisheit kam in tiefen Bächen,
Aus Wolkenbrüchen und im Wasserfalle.
Es war ein Glück, daß du nicht bliebst am Leben,
Denn eine Weisheitssündflut hätte es gegeben.
Ein Heidenmissionar
Du hast Mohren getauft und Juden bekehrt,
Indianern das Wort des Erlösers gelehrt;
Zu Hause dann halfst du in blinder Wut
Den Glaubenshaß schüren zu heller Glut.
O wärst du doch bei den Deinen geblieben,
Und hättest nicht den Export betrieben
Von christlicher Liebe und christlichen Worten!
Sie wären vielleicht nicht so rar geworden.
Ein Armenpfleger
Es liegt ein Vater hier der Armen,
Ein Herz voll Liebe, voll Erbarmen;
Zumal den Frauen war er mild gesinnt,
Und nahte bittend ihm ein schönes Kind,
So war er gern bereit zu Liebesgaben,
Zu größern oft, als man sie wollte haben.
Den Häßlichen und Alten freilich blieb
Nichts übrig mehr von so viel Menschenlieb'.
Sein Namen lebt in denen, die ihn kennen,
Und Vater wird ihn heimlich mancher nennen.
Fromme Leute
Ein Frommer
Beim Kirchenliede warst du stets der Lauteste,
Mit Bibelsprüchen warst du der Vertrauteste,
Im Händefalten ganz ein Unvergleichlicher,
Im Augendrehen gar ein Unerreichlicher;
Das alles war die Frömmigkeit des Leibes nur,
Geübt zum Zweck des Zeitvertreibes nur.
Zu was nur deine Seele oben taugen kann,
Wo sie den Schnickschnack alle gar nicht brauchen kann?
Fromme Leute
Ein dritter
Du gingst zur Kirche und zum Tisch des Herrn,
Du zahltest deine Steuern auf die Stund',
Von Trunk und Händeln bliebst du sorglich fern,
Den Armen gabst du, das war allen kund;
Kurzum du warst ein frommer Mann im Leben,
– Und doch ein ganzer schlechter Kerl daneben.
Advokatengräber
Erstes
Dein Tod allein eröffnet den Klienten
Die Aussicht ihren Rechtstreit zu beenden,
Denn deine Seele hatt' ein zwiefach Haus;
Sie wohnte in dem Leib und in den Akten.
Erst als sie jenen in die Lade packten,
Ging diesen das papierne Leben aus.
Advokatengräber
Drittes
Du wolltest von Naturrecht nie was wissen,
Dir galt vom Rechte das Geschriebne nur.
Was half's? du hast dich dennoch fügen müssen
Dem letzten Rechtspruch der Natur.
Vor allem eins schien dir der ärgste Hohn,
Man weigert dir die Appellation.
Ein streitbarer Mann
Prozesse waren dir die Lust des Lebens,
Prozesse dir das höchste Ziel des Strebens,
Und als dein letzter Rechtstreit war entschieden,
Da rafft dich hin der ungewohnte Frieden.
In Todesängsten wolltest du vergehen,
Ein Freund sprach flüsternd dir den Trost in's Ohr:
»Sei ruhig! Wie man sagt, so stehen
Dir chemische Prozesse jetzt bevor.« –
»Prozesse, Ha!« – O süße Seelenspeisung!
Du starbst im Herzen tröstliche Verheißung.
Ein Virtuos
Du warst auf dem Klavier
Ein wahres Wundertier.
Es klagten darum die Leute:
Zehn Finger begräbt man heute.
Im Rest' bis auf die Hand
War weder Sinn noch Verstand.
Eine Ehefrau
Mein Gott! Was hat der Mann für einen Stein
Der lieben, guten Frau auf's Grab gesetzt!
Wie muß die Trennung schwer gewesen sein,
Und wie sein Herz zerrissen, ja zerfetzt!
Nur ruhig, ruhig! Was ihr übertreibt!
Er tat es nur, daß sie hübsch unten bleibt.
Eine andere Ehefrau
Sein Liebstes hat der Mann hierher,
Hier hat er seinen Schatz begraben,
Und würde, wenn's gegangen wär,
Vor Jahren schon getan dies haben.
Frau X
Du hieltest deinen Schnabel nie im Zügel,
Und deine scharfe Zunge war nicht faul.
Es wächst auf deinem stillen Grabeshügel
Symbolisch jetzt das Löwenmaul.
Ein Vielseitiger
Der Malerei warst du ergeben
Und auch der Tonkunst sehr beflissen.
Was du nun wirklich warst im Leben,
Ich weiß es nicht und kann's nicht wissen.
Die Sänger sagten: Ja! Zum Malen
Da hatte er ein groß Geschick;
Die Maler aber, die empfahlen
Dein schön Talent für die Musik.
Ein leichter Tod
Entschlafen bist du; – und wohl recht gemach.
Im Leben warst du nie vollkommen wach.
Ein Schulmeister
Daß alte Liebe nimmer rostet,
An deinem Grabe wird es klar.
Wie mancher Rücken hat gekostet
Das Holz, das dir das liebste war!
Der Hasel war die Wünschelrute,
Die du nach Geistesschätzen frugst,
Und die voll treuem Glaubensmute
Du stets in strengen Händen trugst.
Jetzt ruhst du aus von deinem Wirken,
Doch bliebst du treu dem alten Brauch;
Nicht unter Eichen, Fichten, Birken,
Du schläfst bei einem Haselstrauch.
Der tote Onkel
Dein Neffe hätte dir dem lieben
Herrn Onkel gern auf's Grab geschrieben:
»Was ist der Mensch ein töricht Kind,
Den Tod zu scheuen, der doch jeden faßt!
Es stirbt sich, wenn es sein muß, so geschwind;
Die leben bleiben, tragen schwere Last.
Die Qual des Schmerzes ist so klein den Sterbenden,
Die Qual des Wartens, ach! so groß den Erbenden.«
Ein Geizhals
Jetzt endlich hast du, was du erstrebtest,
So lange du lebtest.
Du brauchst nicht Schuster, nicht Schneider,
Kein Holz, kein Licht, keine Kleider,
Nicht Speise, nicht Trank,
Keinen Arzt, wenn du krank.
Eins nur war leider nicht umsonst zu haben:
Du hättest so gern noch dich selbst begraben!
Ein Feinschmecker
Auf deinem Grab steht eine Urne da.
Was soll der Topf aus Marmor dir und leer?
Ja, wenn darin ein paté aux foies gras,
Ein vol au vent, ein poulet roti wär,
Du würdest mitternachts herauf dich wagen,
Um solchen Schatz an sichern Ort zu tragen.
Herr Schmatzer
Er starb bei einem Mittagsmahl,
Als man die besten Bissen kaute,
Und in ihm trug man aus dem Saal
Manch Leckerstückchen, manches unverdaute.
Hier liegt der Leib, ein fein Gericht,
An dem gemeine Würmer nagen.
Die Seel'? Nein! die verließ ihn nicht,
Die weint betrübt auf dem verlass'nen Magen.
Der Trinker
Unsterblichkeit! O Wahn! Hier unten haben
Sie Leib und Geist verscharrt von dir.
Es liegt ein ganzer Keller hier begraben;
Der Geist des halben Rheingau's schlummert hier.
Ein Pflastertreter
Du hattest nichts zu tun dein Leben lang,
Und stöhntest immer in Geschäftigkeit;
Du warst ein Virtuos im Müßiggang,
Und hattest stets zu allem keine Zeit.
So wundr' ich mich, wie du die freien Stunden
Zum Sterben wirklich doch zuletzt gefunden.
Ein Diplomat
Du warst ein feiner Diplomat;
Dir galt das Wort mehr als die Tat,
Und auch das Wort war dir nur eigen
Zum Reden nicht, nur zum Verschweigen.
Früg einer jetzt dich: Herr Baron,
Sie faulen wohl dort unten schon?
Du sagtest wohl: der Leib, die Exzellenz,
Hat bei der Majestät geheime Audienz;
Der Königin Mutter Erde, die ihn rief,
Gibt er soeben sein Akkreditiv.
Wirklicher Geheimer
(Character indelebilis)
Ein großes Tier in unserm kleinen Staat
War dieser »Wirkliche Geheime Rat«.
So etwas stirbt nicht. Merkt es euch und wißt,
Daß er jetzt wirklicher geheimer Unrat ist.
Ein Mann in Würden
Du warst ein Mann in Amt und Würden
Just wie der Esel in der Mühl',
Nur trugst du nicht so schwere Bürden,
Und hattest weit mehr Selbstgefühl.
Nur einmal warst du tiefverständig,
Du starbst und gingst zur ewigen Ruh'.
Es staunte alle Welt unbändig,
Man hielt dich für zu dumm dazu.
Sein Bruder
Von Toten wird gar oft gelogen,
Ich finde dies recht ungezogen;
Jedoch die gröbste Lüge, die ich je vernommen,
Ist über dich mir zu Gehör gekommen.
Es sagte einer frech und dreist,
Und einer, der dich kannte gut im Leben,
Du hättest eben deinen Geist,
Den Geist, bedenke! hätt'st du aufgegeben.
Ein Herr Landstand
Du warst des Landes rüstiger Vertreter,
Und hattest einen derben guten Tritt;
Und galt's zu treten, nun da wüßt' ein jeder:
Das ist der Mann, der tritt auf alles mit!
So hast du wohl die Grabschrift dir erworben:
Es liegt ein Volksvertreter hier gestorben.
Ein Außerordentlicher
Nach dem Französischen
Wenn du die Grabschrift für dein gutes Geld
Bei einem Dichter eigens dir bestellt,
Er hätte, ohne viel zu übertreiben,
Sie etwa also können schreiben:
»O Wandrer, steh' und wein' an diesem Hügel!
Hier ist ein Schatz, ein wahrer Tugendspiegel,
Hier ist ein Mann, wie wenige, begraben,
Ein Mann im Glanz der schönsten Geistesgaben,
Ein Licht des Wissens und ein Stern der Tage,
Der Armen Vater, Tröster jeder Klage,
Das Muster eines Bürgers liegt allda,
Et cetera, et cetera!
Mehr kann ich nicht zu dem Gesagten fügen;
– Für zwanzig Taler kann man mehr nicht lügen.«
Ein Malkontenter (Unzufriedener)
Es war der Sommer dir nicht heiß genug,
Und winters war der Schnee nicht weiß genug,
Das Wasser schien dir nicht gehörig naß,
Der Mond nicht groß genug und viel zu blaß,
Der Tag zu blau, die Nacht zu schwarz getuscht,
Kurzum, die Wirtschaft ganz total verpfuscht.
Wie schade, daß dich Gott beim Bau der Welt
Als Schöpfungsrat nicht einst hat angestellt!
Jetzt bist du dort und kannst ihm alles sagen:
Er merkt sich's schon für neue Weltauflagen.
Die hier veröffentlichten Gedichte sind eine Auswahl aus
Heinrich Hoffmanns Allerseelenbüchlein.
Den gesamten Text können Sie hier lesen.
https://www.projekt-gutenberg.org/hoffmanh/allersel/chap001.html
Arm und Reich
Das eine Grab in Marmor stolz geschmückt,
Das andere leer, dem Boden gleich gedrückt;
Auch hier noch auf der Erde arm und reich;
Drei Spatenstiche tiefer, alles gleich.
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