Friedrich Rückert 1788-1866
Meiner lieben Schwiegertochter Alma
Weihnachten 1865
Zeitungsbringerin,
Fliegenwedelschwingerin,
Fehllose Jägerin,
Treffliche Totschlägerin,
Liebe Beleberin,
Kleinmutes Heberin,
Sorgenabwenderin,
Trostredespenderin,
Leidens Abfragerin,
Besserungswahrsagerin,
Leisanschweberin,
Arzeneigeberin,
Stundenmahnerin,
Zeitvertreibsanbahnerin,
Temperaturspürerin,
Feuernachschürerin,
Witterungskünderin,
Lampendochtanzünderin,
Morgenbegrüßerin,
Abendrastversüßerin,
Nachtvorleserin,
Bücheramtsverweserin,
Allzeitunterhalterin,
Gesprächsstoffsentfalterin,
Wunschablauscherin,
Dienstrollentauscherin,
Allesbeschickerin,
Allesüberblickerin,
Allesbestreiterin,
Krankenkostbereiterin,
Festgabebedenkerin,
Weihnachtsentenschenkerin,
Engelverwenderin,
Enkelzuspruchsenderin,
Ordnerin, Schmückerin,
Kopfkissenrückerin,
Pfeifenkopfstopferin,
Flaschenpfropfentpfropferin,
Schlummerbecherfüllerin,
Kalter Knie Umhüllerin,
Nachtruhanwünscherin,
Wenn ich wachensmatt bin,
Heimlich schwach schachmatt bin,
Treue Mitträgerin
Mitpflegerin
Neben deiner Schwägerin,
Schwiegerkind, Söhnerin,
Versöhnerin, Beschönerin,
Unbelohnt Taglöhnerin,
Allzeit frohe Frönerin,
Liebliche Verwöhnerin:
Nimm dies Liebeszeichen hin,
Wie ich dir dankbar bin.
Theodor Fontane 1819-1898
Zum 24. Dezember 1890
Noch einmal ein Weihnachtsfest,
immer kleiner wird der Rest,
aber nehm ich so die Summe,
alles Grade, alles Krumme,
alles Falsche, alles Rechte,
alles Gute, alles Schlechte –
rechnet sich aus all dem Braus
doch ein richtig Leben raus.
Und dies können ist das Beste
wohl bei diesem Wiegenfeste.
Paula Dehmel 1862-1918
Weihnachtsschnee
Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf,
es riecht nach Weihnachtstorten;
Knecht Ruprecht steht am Himmelsherd
und backt die feinsten Sorten.
Ihr Kinder, sperrt die Augen auf,
sonst nehmt den Operngucker:
die große Himmelsbüchse, seht,
tut Ruprecht ganz voll Zucker.
Er streut – die Kuchen sind schon voll –
er streut – na, das wird munter:
er schüttelt die Büchse und streut und streut
den ganzen Zucker runter.
Ihr Kinder, sperrt die Mäulchen auf,
schnell! Zucker schneit es heute!
Fangt auf, holt Schüsseln! – Ihr glaubt es nicht?
Ihr seid ungläubige Leute!
Kurt Tucholsky 1890-1935
Weihnachten
Nikolaus der Gute
kommt mit einer Rute,
greift in seinen vollen Sack –
dir ein Päckchen – mir ein Pack.
Ruth Maria kriegt ein Buch
und ein Baumwolltaschentuch,
Noske einen Ehrensäbel
und ein Buch vom alten Bebel,
sozusagen zur Erheiterung,
zur Gelehrsamkeitserweiterung ...
Marloh kriegt ein Kaiserbild
und nen blanken Ehrenschild.
Oberst Reinhard kriegt zum Hohn
die gesetzliche Pension ...
Tante Lo, die, wie ihr wisst,
immer, immer müde ist,
kriegt von mir ein dickes Kissen. –
Und auch hinter die Kulissen
kommt der gute Weihnachtsmann:
Nimmt sich mancher Leute an,
schenkt da einen ganzen Sack
guten alten Kunstgeschmack.
Schenkt der Orska alle Rollen
Wedekinder, kesse Bollen –
(Hosenrollen mag sie nicht:
dabei sieht man nur Gesicht ...).
Der kriegt eine Bauerntruhe,
Fräulein Hippel neue Schuhe,
jener hält die liebste Hand –
Und das Land? Und das Land?
Bitt ich dich, so sehr ich kann:
Schenk ihm Ruhe – lieber Weihnachtsmann!
Anna Ancher, Plucking the Christmas Goose, Currently in Statens Museum for Kunst, Copenhagen
Anna Kirstine Brøndum Ancher, geb. Brøndum (1859-1935) war eine dänische Malerin des Impressionismus. Sie war eine Skagen-Malerin und ist als einzige der bekannten Künstlergemeinschaft tatsächlich in
Skagen geboren.
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
Der armen Kinder Weihnachtslied
Hört, schöne Herrn und Frauen,
Die ihr im Lichte seid:
Wir kommen aus dem Grauen,
Dem Lande Not und Leid;
Weh tun uns unsre Füße
Und unsre Herzen weh,
Doch kam uns eine süße
Botschaft aus Eis und Schnee.
Es ist ein Licht erglommen,
Und uns auch gilt sein Schein.
Wir habens wohl vernommen:
Das Christkind ist gekommen
Und soll auch uns gekommen sein.
Drum gehn wir zu den Orten,
Die hell erleuchtet sind,
Und klopfen an die Pforten:
Ist hier das Christuskind?
Es hat wohl nicht gefunden
Den Weg in unsre Nacht,
Drum haben wir mit wunden
Füßen uns aufgemacht,
Daß wir ihm unsre frommen
Herzen und Bitten weihn.
Wir habens wohl vernommen:
Das Christkind ist gekommen
Und soll auch uns gekommen sein.
So laßt es uns erschauen,
Die ihr im Lichte seid!
Wir kommen aus dem Grauen,
Dem Lande Not und Leid;
Wir kommen mit wunden Füßen,
Doch sind wir trostgemut:
Wenn wir das Christkind grüßen,
Wird alles, alles gut.
Der Stern, der heut erglommen,
Gibt allen seinen Schein:
Das Christkind ist gekommen! -
Die ihr es aufgenommen,
O, laßt auch uns zu Gaste sein!
Adelheid Humperdinck-Wette 1858-1916
Weihnachten
Leise weht's durch alle Lande
wie ein Gruß vom Sternenzelt,
schlinget neue Liebesbande
um die ganze weite Welt.
Jedes Herz mit starkem Triebe
ist zu Opfern froh bereit,
denn es naht das Fest der Liebe,
denn es naht die Weihnachtszeit.
Und schon hat mit tausend Sternen
sich des Himmels Glanz entfacht,
leise tönt aus Himmelsfernen
Weihgesang der heil'gen Nacht.
Hell aus jedem Fenster strahlet
wundersam des Christbaums Licht,
und der Freude Schimmer malet
sich auf jedem Angesicht.
Lichte Himmelsboten schweben
ungeseh'n von Haus zu Haus;
selig Nehmen, selig Geben
geht von ihrer Mitte aus.
O willkommen, Weihnachtsabend,
allen Menschen, groß und klein!
Friedebringend, froh und labend
mögst du allen Herzen sein!
Ferdinand von Saar 1833-1906
Christnacht
Wieder mit Flügeln, aus Sternen gewoben,
Senkst du herab dich, o heilige Nacht;
Was durch Jahrhunderte alles zerstoben –
Du noch bewahrst deine leuchtende Pracht!
Ging auch der Welt schon der Heiland verloren,
Der sich dem Dunkel der Zeiten entrang,
Wird er doch immer auf's neue geboren,
Nahst du, Geweihte, dem irdischen Drang.
Selig durchschauernd kindliche Herzen,
Bist du des Glaubens süßester Rest;
Fröhlich begangen bei flammenden Kerzen,
Bist du das schönste, das menschlichste Fest.
Leerend das Füllhorn beglückender Liebe,
Schwebst von Geschlecht zu Geschlecht du vertraut –
Wo ist die Brust, die verschlossen dir bliebe,
Nicht dich begrüßte mit innigstem Laut?
Und so klingt heut' noch das Wort von der Lippe,
Das einst in Bethlehem preisend erklang,
Strahlet noch immer die liebliche Krippe –
Tönt aus der Ferne der Hirten Gesang...
Was auch im Sturme der Zeiten zerstoben –
Senke herab dich in ewiger Pracht,
Leuchtende du, aus Sternen gewoben,
Frohe, harzduftende, heilige Nacht!
Theodor Storm 1817-1888
Weihnachtslied
Vom Himmel bis in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken,
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstiller Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich nieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn,
Es sinkt auf meine Augenlider,
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.
Karl Stieler 1842-1885
In der Christnacht
Oh Winterwaldnacht, stumm und hehr
mit deinen eisumglänzten Zweigen,
lautlos und pfadlos, schneelastschwer,
wie ist es groß, dein stolzes Schweigen.
Es blickt der Vollmond klar und kalt,
in tausend funkelharte Ketten
sind festgeschmiedet Berg und Wald,
nichts kann von diesem Bann erretten.
Der Vogel fällt, der Wind bricht ein,
der Quell versiegt, die Fichten beben,
so kämpft den großen Kampf ums Sein
ein tausendfaches, banges Leben.
Nur in den Dörfern traut und sacht
da läuten heut' zur Welt hienieden
die Weihnachtsglocken durch die Nacht
das Wunderlied vom ewigen Frieden.
Wilhelm Lobsien 1872-1947
Am Abend vor Weihnachten
Dämmerstille Nebelfelder,
Schneedurchglänzte Einsamkeit,
Und ein wunderbarer weicher
Weihnachtsfriede weit und breit.
Nur mitunter, windverloren,
Zieht ein Rauschen durch die Welt.
Und ein leises Glockenklingen
Wandert übers stille Feld.
Und dich grüßen alle Wunder,
Die am lauten Tag geruht,
Und dein Herz singt Kinderlieder,
Und dein Sinn wird fromm und gut.
Und dein Blick ist voller Leuchten,
Längst Entschlaf'nes ist erwacht ...
Und so gehst du durch die stille
Wunderweiche Winternacht.
Theodor Storm 1817-1888
Weihnachtsabend
Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus,
Weihnachten war's; durch alle Gassen scholl
Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.
Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
Drang mir ein heiser Stimmlein an das Ohr:
»Kauft, lieber Herr!« Ein magres Händchen hielt
Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
Ich schrak empor, und beim Laternenschein
Sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
Wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
Erkannt ich im Vorübertreiben nicht.
Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
Noch immer hört ich, mühsam, wie es schien:
»Kauft, lieber Herr!« den Ruf ohn Unterlaß
Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.
Und ich? - War's Ungeschick, war es die Scham,
Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh meine Hand zu meiner Börse kam,
Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.
Doch als ich endlich war mit mir allein,
Erfaßte mich die Angst im Herzen so,
Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein
Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.
Annette von Droste-Hülshoff 1797-1848
Am Weihnachtstag
Still ist die Nacht; in seinem Zelt geborgen,
der Schriftgelehrte späht mit finstren Sorgen,
wann Judas mächtiger Tyrann erscheint;
den Vorhang lüftet er, nachstarrend lange
dem Stern, der gleitet über Äthers Wange,
wie Freudenzähre, die der Himmel weint.
Und fern vom Zelte über einem Stalle,
da ist's, als ob aufs nied're Dach er falle;
in tausend Radien sein Licht er gießt.
Ein Meteor, so dachte der Gelehrte,
als langsam er zu seinen Büchern kehrte.
O weißt du, wen das nied're Dach umschließt?
In einer Krippe ruht ein neugeboren
und schlummernd Kindlein; wie im Traum verloren
die Mutter knieet, schlichter Mann rückt tief erschüttert
das Lager ihnen; seine Rechte zittert
dem Schleier nahe um den Mantel noch.
Und an der Türe steh'n geringe Leute,
mühsel'ge Hirten, doch die ersten heute,
und in den Lüften klingt es süß und lind,
verlor'ne Töne von der Engel Liede:
"Dem Höchsten Ehr' und allen Menschen Friede,
die eines guten Willens sind."
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Weihnachten
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit.
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
schöne Blumen der Vergangenheit.
Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
dass die kleinste Welt die größte ist.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874
Weihnachten
Zwar ist das Jahr an Festen reich,
Doch ist kein Fest dem Feste gleich,
Worauf wir Kinder Jahr aus Jahr ein
Stets harren in süßer Lust und Pein.
O schöne, herrliche Weihnachtszeit,
Was bringst du Lust und Fröhlichkeit!
Wenn der heilige Christ in jedem Haus
Theilt seine lieben Gaben aus.
Und ist das Häuschen noch so klein,
So kommt der heilige Christ hinein,
Und Alle sind ihm lieb wie die Seinen,
Die Armen und Reichen, die Großen und Kleinen.
Der heilige Christ an Alle denkt,
Ein Jedes wird von ihm beschenkt.
Drum laßt uns freu'n und dankbar sein!
Er denkt auch unser, mein und dein.
Friedrich Rückert 1788-1866
Des fremden Kindes heiliger Christ
Es lauft ein fremdes Kind
Am Abend vor Weihnachten
Durch eine Stadt geschwind,
Die Lichter zu betrachten,
Die angezündet sind.
Es steht vor jedem Haus
Und sieht die hellen Räume,
Die drinnen schaun heraus,
Die lampenvollen Bäume;
Weh wird's ihm überaus.
Das Kindlein weint und spricht:
"Ein jedes Kind hat heute
Ein Bäumchen und ein Licht
Und hat dran seine Freude,
Nur bloß ich armes nicht.
An der Geschwister Hand
Als ich daheim gesessen,
Hat es mir auch gebrannt;
Doch hier bin ich vergessen
In diesem fremden Land.
Lässt mich denn niemand ein
Und gönnt mir auch ein Fleckchen?
In all den Häuserreih'n
Ist denn für mich kein Eckchen,
Und wär' es noch so klein?
Lässt mich denn niemand ein?
Ich will ja selbst nichts haben,
Ich will ja nur am Schein
Der fremden Weihnachtsgaben
Mich laben ganz allein."
Es klopft an Tür und Tor,
An Fenster und an Laden;
Doch niemand tritt hervor,
Das Kindlein einzuladen,
Sie haben drin kein Ohr.
Ein jeder Vater lenkt
Den Sinn auf seine Kinder;
Die Mutter sie beschenkt,
Denkt sonst nichts mehr noch minder;
Ans Kindlein niemand denkt.
"O, lieber heil'ger Christ!
Nicht Mutter und nicht Vater
Hab' ich, wenn du's nicht bist;
O, sei du mein Berater,
Weil man mich hier vergisst!"
Das Kindlein reibt die Hand,
Sie ist von Frost erstarret;
Es kriecht in sein Gewand,
Und in dem Gässlein harret,
Den Blick hinaus gewandt.
Da kommt mit einem Licht
Durchs Gässlein hergewallet
Im weißen Kleide schlicht
Ein ander Kind; - wie schallet
Es lieblich, da es spricht:
"Ich bin der heil'ge Christ,
War auch ein Kind vordessen,
Wie du ein Kindlein bist;
Ich will dich nicht vergessen,
Wenn alles dich vergisst.
Ich bin mit meinem Wort
Bei allen gleichermaßen;
Ich biete meinen Hort
So gut hier auf den Straßen
Wie in den Zimmern dort.
Ich will dir deinen Baum,
Fremd Kind, hier lassen schimmern
Auf diesem offnen Raum,
So schön, dass die in Zimmern
So schön sein sollen kaum."
Da deutet mit der Hand
Christkindlein auf zum Himmel,
Und droben leuchtend stand
Ein Baum voll Sterngewimmel
Vielästig ausgespannt.
So fern und doch so nah',
Wie funkelten die Kerzen!
Wie ward dem Kindlein da,
Dem fremden, still zu Herzen,
Das seinen Christbaum sah!
Es ward ihm wie ein Traum;
Da langten hergebogen
Englein herab vom Baum
Zum Kindlein, das sie zogen
Hinauf zum lichten Raum.
Das fremde Kindlein ist,
Zur Heimat nun gekehret
Bei seinem heil'gen Christ;
Und was hier wird bescheret,
Es dorten leicht vergisst.
Emanuel Geibel 1815-1884
Weihnacht
Wie bewegt mich wundersam
Euer Hall, ihr Weihnachtsglocken,
Die ihr kündet mit Frohlocken,
Dass zur Welt die Gnade kam.
Überm Hause schien der Stern,
Und in Lilien stand die Krippe,
Wo der Engel reine Lippe
Hosianna sang dem Herrn.
Herz, und was geschah vordem,
Dir zum Heil erneut sich's heute:
Dies gedämpfte Festgeläute
Ruft auch dich nach Bethlehem.
Mit den Hirten darfst du ziehn,
Mit den Königen aus Osten
Und in ihrer Schar getrosten
Muts vor deinem Heiland knien.
Hast du Gold nicht und Rubin,
Weihrauch nicht und Myrrhenblüte:
Schütt' aus innerstem Gemüte
Deine Sehnsucht vor ihm hin!
Sieh, die Händchen zart und lind
Streckt er aus, zum Born der Gnaden,
Die da Kinder sind, zu laden,
Komm! Und sei auch du ein Kind!
Friedrich Hebbel 1813-1863
Die Weihe der Nacht
Nächtliche Stille!
Heilige Fülle,
Wie von göttlichem Segen schwer,
Säuselt aus ewiger Ferne daher.
Was da lebte,
Was auf engem Kreise
Auf in's Weit'ste strebte,
Sanft und leise
Sank es in sich selbst zurück
Und quillt auf in unbewusstem Glück.
Und von allen Sternen nieder
Strömt ein wunderbarer Segen,
Dass die müden Kräfte wieder
Sich in neuer Frische regen,
Und aus seinen Finsternissen
Tritt der Herr, so weit er kann,
Und die Fäden, die zerrissen,
Knüpft er alle wieder an.
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929
Weihnacht
Weihnachtsgeläute
Im nächtigen Wind ...
Wer weiß, wo heute
Die Glocken sind,
Die Töne von damals sind?
Die lebenden Töne
Verflogener Jahr'
Mit kindischer Schöne
Und duftendem Haar,
Mit tannenduftigem Haar,
Mit Lippen und Locken
Von Träumen schwer? ...
Und wo kommen die Glocken
Von heute her,
Die wandernden heute her?
Die kommenden Tage,
Die wehn da vorbei.
Wer hörts, ob Klage,
Ob lachender Mai,
Ob blühender, glühender Mai? ...
Ludwig Thoma 1867-1921
Christmette
So wissen wir, dass Jesus Christ
In einem Stall geboren ist
Zu Bethlehem bei kalter Nacht.
Kein Reicher hat nicht aufgemacht.
Die lagen all im weichen Bett.
Dass auf der harten Liegerstätt'
Das Kindlein in der Krippe fror,
Kam ihnen nicht betrübsam vor.
Sie hielten es für gar gering,
Wie dass es kleinen Leuten ging.
Was geht sie heut' das Wunder an?
Nur Armen ward es kundgetan.
Robert Eduard Prutz 1816-1872
Christnacht
Heil'ge Nacht, auf Engelsschwingen
nahst du leise dich der Welt,
und die Glocken hör' ich klingen,
und die Fenster sind erhellt.
Selbst die Hütte trieft von Segen,
und der Kindlein froher Dank
jauchzt dem Himmelskind entgegen,
und ihr Stammeln wird Gesang.
Mit der Fülle süßer Lieder,
mit dem Glanz um Tal und Höh'n,
Heil'ge Nacht, so kehrst du wieder,
wie die Welt dich einst gesehn,
da die Palmen lauter rauschten,
und, versenkt in Dämmerung,
Erd' und Himmel Worte tauschten,
Worte der Verkündigung.
Da, mit Purpur übergossen,
aufgetan von Gottes Hand,
alle Himmel sich erschlossen,
glänzend über Meer und Land;
da, den Frieden zu verkünden,
sich der Engel niederschwang,
auf den Höhen, in den Gründen
die Verheißung wiederklang;
Da, der Jungfrau Sohn zu dienen,
Fürsten aus dem Morgenland
in der Hirten Kreis erschienen,
Gold und Myrrhen in der Hand!
Da mit seligem Entzücken
sich die Mutter niederbog,
sinnend aus des Kindes Blicken
nie gefühlte Freude zog.
Heil'ge Nacht, mit tausend Kerzen
steigst du feierlich herauf,
o, so geh' in unsern Herzen,
Stern des Lebens, geh' uns auf!
Schau, im Himmel und auf Erden
glänzt der Liebe Rosenschein:
Friede soll's noch einmal werden
und die Liebe König sein!
Max Dauthendey 1867-1918
Weihnachten
Die eisige Straße mit Schienengeleisen,
Die Häusermasse in steinernen Reih'n,
Der Schnee in Haufen, geisterweißen,
Und der Tag, der blasse, mit kurzem Schein.
Der Kirchtüre Flügel sich stumm bewegen,
Die Menschen wie Schatten zur Türspalte gehn;
Bekreuzen die Brust, kaum dass sie sich regen,
Als grüßen sie jemand, den sie nur sehn.
Ein Kindlein aus Wachs, auf Moos und Watten,
Umgeben von Mutter und Hirten und Stall,
Umgeben vom Kommen und Gehen der Schatten,
Liegt da wie im Mittelpunkte des All.
Und Puppen als Könige, aus goldnen Papieren,
Und Mohren bei Palmen, aus Federn gedreht,
Sie kamen auf kleinen und hölzernen Tieren,
Knien tausend und tausend Jahr im Gebet.
Sie neigen sich vor den brennenden Kerzen;
Als ob im Arm jedem ein Kindlein schlief,
Siehst du sie atmen mit behutsamen Herzen
Und lauschen, ob das Kind sie beim Namen rief.
Hugo Salus 1866-1929
Christabend
Christabend war's. Ich träumte durch die Gassen,
vom Weihnachtsglanz mein Herz durchglüh'n zu lassen.
Mein Herz war fromm, als ob durch jede Flocke
das Bluten einer wunden Seele stockt.
»Frieden auf Erden und den Menschen allen
Glückseligkeit und stilles Wohlgefallen!«
Da, wie ich ging, zerstörte meine Träume
ein Haufen unverkaufter Weihnachtsbäume.
Sie lagen auf dem Pflaster da, vergessen
und schneebedeckt, als wär ihr Grün vermessen,
als schämten sie sich ihrer hellen Farben,
die doch so gern, um heut zu leuchten, starben.
Gleich einer Gauklerschar, im Wald erfroren,
die tief im Schnee den Weg ins Dorf verloren,
so lagen sie und sah'n aus ihrem Dunkel
rings in den Fenstern strahlendes Gefunkel.
Sie lagen da wie unerfülltes Sehnen,
erträumter Schimmer, ausgelöscht durch Tränen,
wie Leid, das wirr um die Erlösung betet,
wie Kinderjauchzen, das der Hunger tötet.
Sie lagen da, verschüchtert und verbittert,
vom Frost des Elends bis in Mark durchzittert,
den Glanz verfluchend, gleich Millionen Seelen,
in denen heut die Friedenslichter fehlen.
Theodor Storm 1817-1888
Weihnachten
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fern her Kirchenglocken
mich lieblich heimatlich verlocken
in märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
anbetend, staunend muß ich stehn;
es sinkt auf meine Augenlider
ein goldner Kindertraum hernieder,
ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.
Gustav Falke 1853-1916
Weihnacht
Zeit der Weihnacht, immer wieder
rührst du an mein altes Herz,
führst es fromm zurück
in sein früh’stes Glück,
kinderheimatwärts.
Sterne leuchten über Städte,
über Dörfer rings im Land.
Heilig still und weiß
liegt die Welt im Kreis
unter Gottes Hand.
Kinder singen vor den Türen:
"Stille Nacht, heilige Nacht!"
Durch die Scheiben bricht
hell ein Strom von Licht,
aller Glanz erwacht.
Und von Turm zu Turm ein Grüßen,
und von Herz zu Herz ein Sinn,
und die Liebe hält
aller Welt
ihre beiden Hände hin.
Joseph Freiherr von Eichendorff 1788-1857
Weihnachten
Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh' ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in's freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!
Ernst Moritz Arndt 1769-1860
Gebet eines kleinen Knaben an den heiligen Christ
Du lieber heil'ger frommer Christ,
Der für uns Kinder kommen ist,
Damit wir sollen weiß und rein
Und rechte Kinder Gottes sein,
Du Licht vom lieben Gott gesandt
In unser dunkles Erdenland,
Du Himmelskind und Himmelschein,
Damit wir sollen himmlisch sein:
Du lieber heil'ger frommer Christ,
Weil heute dein Geburtstag ist,
Drum ist auf Erden weit und breit,
Bei allen Kindern frohe Zeit.
O segne mich! ich bin noch klein,
O mache mir den Busen rein!
O bade mir die Seele hell
In deinem reichen Himmelsquell!
Daß ich wie Engel Gottes sei
In Demut und in Liebe treu,
Daß ich dein bleibe für und für,
Du heil'ger Christ, das schenke mir!
Theodor Storm 1817-1888
Weihnachtsabend
An die hellen Fenster kommt er gegangen
Und schaut in des Zimmers Raum;
Die Kinder alle tanzten und sangen
Um den brennenden Weihnachtsbaum.
Da pocht ihm das Herz, daß es will zerspringen;
»Oh«, ruft er, »laßt mich hinein!
Was Frommes, was Fröhliches will ich euch singen
Zu dem hellen Kerzenschein.«
Und die Kinder kommen, die Kinder ziehen
Zur Schwelle den nächtlichen Gast;
Still grüßen die Alten, die Jungen umknien
Ihn scheu in geschäftiger Hast.
Und er singt: »Weit glänzen da draußen die Lande
Und locken den Knaben hinaus;
Mit klopfender Brust, im Reisegewande
Verläßt er das Vaterhaus.
Da trägt ihn des Lebens breitere Welle –
Wie war so weit die Welt!
Und es findet sich mancher gute Geselle,
Der's treulich mit ihm hält.
Tief bräunt ihm die Sonne die Blüte der Wangen,
Und der Bart umsprosset das Kinn;
Den Knaben, der blond in die Welt gegangen,
Wohl nimmer erkennet ihr ihn.
Aus goldenen und aus blauen Reben
Es mundet ihm jeder Wein;
Und dreister greift er in das Leben
Und in die Saiten ein.
Und für manche Dirne mit schwarzen Locken
Im Herzen findet er Raum; –
Da klingen durch das Land die Glocken,
Ihm war's wie ein alter Traum.
Wohin er kam, die Kinder sangen,
Die Kinder weit und breit;
Die Kerzen brannten, die Stimmlein klangen,
Das war die Weihnachtszeit.
Da fühlte er, daß er ein Mann geworden;
Hier gehörte er nicht dazu.
Hinter den blauen Bergen im Norden
Ließ ihm die Heimat nicht Ruh.
An die hellen Fenster kam er gegangen
Und schaut' in des Zimmers Raum;
Die Schwestern und Brüder tanzten und sangen
Um den brennenden Weihnachtsbaum.« –
Da war es, als würden lebendig die Lieder
Und nahe, der eben noch fern;
Sie blicken ihn an und blicken wieder;
Schon haben ihn alle so gern.
Nicht länger kann er das Herz bezwingen,
Er breitet die Arme aus:
»Oh, schließet mich ein in das Preisen und Singen,
Ich bin ja der Sohn vom Haus!«
Paul Richter 1873-1945
Geschichte eines Pfefferkuchenmannes
Es war einmal ein Pfefferkuchenmann,
von Wuchse, groß und mächtig,
und was seinen innern Wert betraf,
so sagte der Bäcker: “Prächtig”.
Auf dieses glänzende Zeugnis hin
erstand ihn der Onkel Heller
und stellte ihn seinem Patenkind,
dem Fritz, auf den Weihnachtsteller.
Doch kaum war mit dem Pfefferkuchenmann
der Fritz ins Gespräch gekommen,
da hatte er schon – aus Höflichkeit –
die Mütze ihm abgenommen.
Als schlafen ging der Pfefferkuchenmann,
da bog er sich krumm vor Schmerze:
an der linken Seite fehlte fast ganz
sein stolzes Rosinenherze!
Als Fritz tags drauf den Pfefferkuchenmann,
besuchte, ganz früh und alleine,
da fehlten, o Schreck, dem armen Kerl
ein Arm schon und beide Beine!
Und wo einst saß am Pfefferkuchenmann
die mächtige Habichtsnase,
da war ein Loch! Und er weinte still
eine bräunliche Sirupblase.
Von nun an nahm der Pfefferkuchenmann
ein reißendes, schreckliches Ende:
Das letzte Stückchen kam schließlich durch Tausch
in Schwester Margeretchens Hände.
Die kochte als sorgfältige Hausfrau draus
für ihre hungrige Puppe
auf ihrem neuen Spiritusherd
eine kräftige, leckere Suppe.
Und das geschah dem Pfefferkuchenmann,
den einst so viele bewundert
in seiner Schönheit bei Bäcker Schmidt,
im Jahre neunzehnhundert.
Gustav Falke 1853-1916
Nun leuchten wieder die Weihnachtskerzen
Nun leuchten wieder die Weihnachtskerzen
und wecken Freude in allen Herzen.
Ihr lieben Eltern, in diesen Tagen,
was sollen wir singen, was sollen wir sagen?
Wir wollen euch wünschen zum heiligen Feste
vom Schönen das Schönste, vom Guten das Beste!
Wir wollen euch danken für alle Gaben
und wollen euch immer noch lieber haben.
Anna Ritter 1865-1921
Vom Christkind
Denkt Euch, ich habe das Christkind gesehn!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit rot gefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh;
denn es trug einen Sack,
der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, Ihr Schelmenpack -
denkt ihr, er wäre offen, der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss was Schönes drin;
es roch so nach Äpfeln und Nüssen.
Emil Weber 1877-1944
Christkinds getreuer Knecht
Von grünen Tannen dicht umstellt
liegt still ein Haus am End der Welt.
Darinnen haust auf seine Art
ein alter Mann mit langem Bart.
Wenns Winter wird, da gibts zu tun
nicht mal am Abend kann er ruhn
und wenns die ersten Flocken schneit
dann schmunzelt er: "Bald ists so weit".
Und eines Abends schwebt ganz sacht
ein Engel nieder durch die Nacht,
er schwebt umglänzt vom goldnen Schein
aufs Häuschen zu und geht hinein.
"He, Alter", ruft er "sei bereit
Dezember ists und Weihnachtszeit".
Der Alte streicht den langen Bart
und spricht: "Ich bin bereit zur Fahrt."
"Längst fertig sind die Sachen all
der Esel wartet schon im Stall."
Der große, graue, dick vom ruhn
bekommt nun tüchtig was zu tun.
Drei große Säcke bis zum Rand
gefüllt, so gehts ins Menschenland.
Drei Tage drauf klopfts bei Euch an,
Du kriegst nen Schreck - der Weihnachtsmann.
Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832
Bäume leuchtend
Bäume leuchtend, Bäume blendend,
Überall das Süße spendend.
In dem Glanze sich bewegend,
Alt und junges Herz erregend –
Solch ein Fest ist uns bescheret.
Mancher Gaben Schmuck verehret;
Staunend schaun wir auf und nieder,
Hin und Her und immer wieder.
Aber, Fürst, wenn dir’s begegnet
Und ein Abend so dich segnet,
Dass als Lichter, dass als Flammen
Von dir glänzten all zusammen
Alles, was du ausgerichtet,
Alle, die sich dir verpflichtet:
Mit erhöhten Geistesblicken
Fühltest herrliches Entzücken.
Jakob Loewenberg 1856-1929
Weihnachten bei den Großeltern
Heut abend, als wir zu euch gingen,
da war in der Luft ein leises Klingen,
da war ein Rauschen, man wußt’ nicht woher,
als ob man in einem Tannenwald wär,
da huschte vorüber und ging nicht aus
ein heimliches Leuchten von Haus zu Haus.
Der Mond kam über die Dächer gesprungen:
„Wohin noch so spät, ihr kleinen Jungen?
Ihr müßt ja zu Bett, was fällt euch ein?“
und lachte uns an mit vollem Schein.
Da lachten wir wieder: „Du alter Klöner,
heut abend ist alles anders und schöner.
Und glaubst du’s nicht, kannst mit uns gehen,
da wirst du ein blaues Wunder sehn.“
Da sprang er leuchtend uns voran,
bei diesem Hause hielt er an.
Wir gingen hinein mit froher Begier,
und Klingen und Rauschen und Leuchten ist hier.
Arno Holz 1863-1929
Und wieder nun lässt aus dem Dunkeln
Die Weihnacht ihre Sterne funkeln!
Die Engel im Himmel hört man sich küssen
Und die ganze Welt riecht nach Pfeffernüssen ...
So heimlich war es die letzten Wochen,
Die Häuser nach Mehl und Honig rochen,
Die Dächer lagen dick verschneit
Und fern, noch fern schien die schöne Zeit.
Man dachte an sie kaum dann und wann.
Mutter teigte die Kuchen an
Und Vater, dem mehr der Lehnstuhl taugte,
Sass daneben und las und rauchte.
Da plötzlich, eh man sich's versah,
Mit einem Mal war sie wieder da.
Mitten im Zimmer steht nun der Baum!
Man reibt sich die Augen und glaubt es kaum ...
Die Ketten schaukeln, die Lichter wehn,
Herrgott, was giebt's da nicht alles zu sehn!
Die kleinen Kügelchen und hier
Die niedlichen Krönchen aus Goldpapier!
Und an all den grünen, glitzernden Schnürchen
All die unzähligen, kleinen Figürchen:
Mohren, Schlittschuhläufer und Schwälbchen,
Elephanten und kleine Kälbchen,
Schornsteinfeger und trommelnde Hasen,
Dicke Kerle mit rothen Nasen,
Reiche Hunde und arme Schlucker
Und Alles, Alles aus purem Zucker!
Fortsetzung unten
Fortsetzung, Arno Holz
Ein alter Herr mit weissen Bäffchen
Hängt grade unter einem Aeffchen.
Und hier gar schält sich aus seinem Ei
Ein kleiner, geflügelter Nackedei.
Und oben, oben erst in der Krone!!
Da hängt eine wirkliche, gelbe Kanone
Und ein Husarenleutnant mit silbernen Tressen –
Ich glaube wahrhaftig, man kann ihn essen!
In den offenen Mäulerchen ihre Finger,
Stehn um den Tisch die kleinen Dinger,
Und um die Wette mit den Kerzen
Puppern vor Freuden ihre Herzen.
Ihre grossen, blauen Augen leuchten,
Indess die unsern sich leise feuchten.
Wir sind ja leider schon längst »erwachsen«,
Uns dreht sich die Welt um andre Achsen
Und zwar zumeist um unser Büreau.
Ach, nicht wie früher mehr macht uns froh
Aus Zinkblech eine Eisenbahn,
Ein kleines Schweinchen aus Marzipan.
Eine Blechtrompete gefiel uns einst sehr,
Der Reichstag interessirt uns heut mehr;
Auch sind wir verliebt in die Regeldetri
Und spielen natürlich auch Lotterie.
Uns quälen tausend Siebensachen.
Mit einem Wort, um es kurz zu machen,
Wir sind grosse, verständige, vernünftige Leute!
Nur eben heute nicht, heute, heute!
Ueber uns kommt es wie ein Traum,
Ist nicht die Welt heut ein einziger Baum,
An dem Millionen Kerzen schaukeln?
Alte Erinnerungen gaukeln
Aus fernen Zeiten an uns vorüber
Und jede klagt: Hinüber, hinüber!
Und ein altes Lied fällt uns wieder ein:
O selig, o selig, ein Kind noch zu sein.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Vom Schenken
Schenke groß oder klein,
aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten die Gabe wiegen,
sei dein Gewissen rein.
Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
was in dir wohnt
an Meinung, Geschmack und Humor,
so dass die eigene Freude zuvor
dich reichlich belohnt.
Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
dass dein Geschenk –
Du selber bist.
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Die hohen Tannen
Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.
Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.
Christian Morgenstern 1871-1914
Ein Weihnachtslied
Wintersonnenwende!
Nacht ist nun zu Ende!
Schenkest, göttliches Gestirn,
neu dein Herz an Tal und Firn!
O der teuren Brände!
Hebet hoch die Hände!
Lasset uns die Gute loben!
Liebe, Liebe, Dir da droben!
Wintersonnenwende!
Nacht hat nun ein Ende!
Tag hebt an, goldgoldner Tag,
Blühn und Glühn und Lerchenschlag!
O du Schlummers Wende!
O du Kummers Ende!