Paul Ernst Köhler 1880-1914
Sommerabend
Ob das des Sommerabends Wesen ist?
Die offene Seele lauscht dem dunklen Lied,
Das eine Nachtigall vor Sehnsucht weint,
Und eine Grille geigt verliebt im Ried.
Ich hauche: Kommt denn niemand, der mich küßt?
Ob das des Sommerabends Wesen ist? …
Die Liebe lockt: "Gib dich mir ganz! Gib! Gib!" …
Der letzte Laut erstirbt. Heimlich geeint
Hat sich der Liebste traulich mit dem Lieb …
Zu mir allein kommt niemand, der mich küßt.
Heinrich Heine 1797-1856
Dämmernd liegt der Sommerabend
Über Wald und grünen Wiesen;
Goldner Mond, im blauen Himmel,
Strahlt herunter, duftig labend.
An dem Bache zirpt die Grille,
Und es regt sich in dem Wasser,
Und der Wandrer hört ein Plätschern
Und ein Atmen in der Stille.
Dorten an dem Bach alleine,
Badet sich die schöne Elfe;
Arm und Nacken, weiß und lieblich,
Schimmern in dem Mondenscheine.
Friedrich Theodor von Vischer 1807-1887
Pastors Abendspaziergang
Das Abendroth brennt an des Himmels Saum,
Ich schlendre so, als wie im halben Traum,
Zum Dorf hinaus auf grünem Wiesenwege
Am Wald hinunter, wie ich täglich pflege.
Rings auf der Wiese wimmelt es und schafft,
Vom frischen Heu kommt mit gewürz'ger Kraft
Ein süßer Duft auf kühler Lüfte Wogen,
Mein alter Liebling, zu mir hergezogen.
Roth, Blau und Gold, ein ganzes Farbenreich,
Betrachtet sich im spiegelhellen Teich,
Wild-Enten sieht man durch die Wellen streben
Und hoch in Lüften Weih und Sperber schweben.
Ein flüsternd Wehen geht im dunkeln Wald,
Die Vögel rufen, daß es weithin schallt,
Die Unke will sich auf der Flöte zeigen,
Die Grille zirpt und auch die Schnaken geigen.
Studieren wollt' ich einen Predigtplan,
Nun hör' ich selbst die große Predigt an,
Voll Kraft und Mark, ein Menschenherz zu stärken,
Die große Predigt von des Meisters Werken.
Otto Ernst 1862-1926
Ruhe des Herzens
Wie heimlich glüht ein Bild
aus langer Dämm'rung:
Ein Sommerabend war's
Im Heimatdorfe;
Noch lag ein Sonnenhauch
Auf Dach und Giebeln,
Und hell stand schon der Mond
In leerer Straße.
Der Nachbar sprach ein Wort
Von Tau und Regen,
Er sprach zu seinem Weib
Drin in der Kammer;
Er zog das Fenster an,
Es klang der Riegel;
Ein erstes Sternlein trat
Aus lichtem Dunkel.
Aus fernen Gärten klang
Ein Mädchenlachen;
Ein letzter Nachhall dann
Und letzte Stille.
Und all die Sommerwelt
Ging wie ein Atem
Geruhig ein und aus
Durch meine Lippen. –
Nun weiß ich's, da mein Haar
Beginnt zu bleichen:
Was damals ich geatmet, war
Das Glück.
Richard Dehmel 1863-1920
Sommerabend
Klar ruhn die Lüfte auf der weiten Flur;
fern dampft der See, das hohe Röhricht schimmert
im Schilf verglüht die letzte Sonnenspur;
ein blasses Wölkchen rötet sich und schimmert.
Vom Wiesengrunde naht ein Glockenton;
ein Duft von Tau entweicht der warmen Erde,
im stillen Walde steht die Dämm'rung schon,
der Hirte sammelt seine satte Herde.
Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm,
die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden;
nur noch die Grillen geigen ihren Psalm.
So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frieden!
Alfred Lichtenstein 1889-1914
Sommerabend
Faltenlos sind alle Dinge,
Wie vergessen, leicht und matt.
Heilighoch spült grüner Himmel
Stille Wasser an die Stadt.
Fensterschuster leuchten gläsern.
Bäckerläden warten leer.
Straßenmenschen schreiten staunend
Hinter einem Wunder her.
... Rennt ein kupferroter Kobold
Dächerwärts hinauf, hinab.
Kleine Mädchen fallen schluchzend
Von Laternenstöcken ab.
Georg Trakl 1887-1914
Abend in Lans
Wanderschaft durch dämmernden Sommer
An Bündeln vergilbten Korns vorbei. Unter getünchten Bogen,
Wo die Schwalbe aus und ein flog, tranken wir feurigen Wein.
Schön: o Schwermut und purpurnes Lachen.
Abend und die dunklen Düfte des Grüns
Kühlen mit Schauern die glühende Stirne uns.
Silberne Wasser rinnen über die Stufen des Walds,
Die Nacht und sprachlos ein vergessenes Leben.
Freund; die belaubten Stege ins Dorf.
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Sommerabend
Die große Sonne ist versprüht,
der Sommerabend liegt im Fieber,
und seine heiße Wange glüht.
Jach seufzt er auf: "Ich möchte lieber ..."
Und wieder dann: "Ich bin so müd ..."
Die Büsche beten Litanein,
Glühwürmchen hangt, das regungslose,
dort wie ein ewiges Licht hinein;
und eine kleine weiße Rose
trägt einen roten Heiligenschein.
(jach adj. veraltet, schnell und heftig)
Conrad Ferdinand Meyer 1825-1898
Schwüle
Trüb verglomm der schwüle Sommertag,
Dumpf und traurig tönt mein Ruderschlag -
Sterne, Sterne - Abend ist es ja -
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?
Bleich das Leben! Bleich der Felsenhang!
Schilf, was flüsterst du so frech und bang?
Fern der Himmel und die Tiefe nah -
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?
Eine liebe, liebe Stimme ruft
Mich beständig aus der Wassergruft -
Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!
Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?
Endlich, endlich durch das Dunkel bricht.
Es war Zeit! - ein schwaches Flimmerlicht.
Denn ich wußte nicht, wie mir geschah.
Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah.
Josef Weinheber 1892-1945
Sommer
Geliebte, gib mir deine Hand.
Der Weg liegt weit.
Schwarz steigt und schwer des Waldes Wand.
Die Büsche, die im Abend stehn,
sind bang bereit.
Das sanfte Land erwartet wen.
Die Sterne hangen hoch und fern
auf Nacht gereiht.
Der leuchtendste ist unser Stern.
Die dunkle Wiese schauert fromm.
Es ist die Zeit.
Es rauscht das Blut. Geliebte, komm!
Georg Trakl 1887-1914
Sommer
Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.
Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
Erstirbt im Feld.
Nimmer regt sich das Laub
Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.
Stille leuchtet die Kerze
Im dunklen Zimmer;
Eine silberne Hand
Löschte sie aus;
Windstille, sternlose Nacht.
Hedwig Lachmann 1865-1918
Schwermut
Mir ist, wie wenn in einer Sommernacht
Die Menschen schweigsam in den Lauben sitzen.
Die Luft ist schwer. Ein Wolkenhimmel dacht
Sich über ihnen. Und die Fernen blitzen.
Sie fragen in die Höh: Kommt wohl ein Sturm?
Und legen spät sich und bekümmert schlafen.
Und lauschen oft gepresst, ob nicht vom Turm
Ihr Ohr im Halbschlaf Glockenklänge trafen.
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
Traumsommernacht
Sommernacht, Traumsommernacht ...
Die Brunnen rauschen leise,
Die Trauerweide wiegt sich sacht;
Nun steigt der Mond in voller Pracht
Empor zur Wolkenreise.
Traum und Frieden ...
Was hienieden
Unruhvoll das Herz verstört,
Senkt sich in des Traumes Tiefen.
Und der Ruhe Geigentöne,
Die in Tages Lärme schwiegen,
In der heißen Helle schliefen,
Seelentiefe, seelenschöne,
Kommen nun heraufgestiegen,
Werden nun gehört.
Sommernacht, Traumsommernacht ...
Ein Rauschen lieb und leise,
Die Seele wiegt sich süß und sacht
Nach ihrer Geigenweise:
Traum und Frieden ...
Hingeschieden
Alles was uns traurig macht.
Sterne glimmen,
Wolken schwimmen,
Und das Märchen ist erwacht.
Max Dauthendey 1867-1918
Und einmal steht das Herz am Wege still
Häuser und Mauern, welche die Menschen überdauern,
Bäume und Hecken, die sich über viele Menschalter strecken,
Dunkel und Sternenheer, in unendlich geduldiger Wiederkehr,
Kamen mir auf den Hügelwegen in der Sommernacht entgegen.
Nach der Farbe von meinen Haaren, bin ich noch der wie vor Jahren,
Nach meiner Sprache Klang und an meinem Gang
Kennen mich die Gelände und im Hohlweg die Felsenwände.
Viele Wünsche sind vergangen, die wie Sterne unerreichbar hangen,
Und einmal steht das Herz am Wege still,
Weil es endlich nichts mehr wünschen will.
Detlev von Liliencron 1844-1909
Sommernacht
An ferne Berge schlug wie Donnerkeulen
ein rasch verrauschtes Nachmittagsgewitter.
Die Bauern zogen heim auf müden Gäulen,
und singend kehrten Winzervolk und Schnitter.
Auf allen Dächern qualmten blaue Säulen
genügsam himmelan, ein luftig Gitter.
Nun ist es Nacht, es geistern schon die Eulen,
einsam aus einer Laube klingt die Zither.
Christian Morgenstern 1871-1914
Hochsommernacht
Es ist schon etwas, so zu liegen,
im Aug der Allnacht bunten Plan,
so durch den Weltraum hinzufliegen
auf seiner Erde dunklem Kahn!
Die Grillen eifern mit den Quellen,
die murmelnd durch die Matten ziehn;
und droben wandern die Gesellen
in unerhörten Harmonien.
Und neben sich ein Kind zu spüren,
das sich an deine Schulter drängt,
und ihr im Kuß das Haar zu rühren,
das über hundert Sterne hängt ...
Es ist schon etwas, so zu reisen
im Angesicht der Ewigkeit,
auf seinem Wandler hinzukreisen,
so unaussprechlich eins zu zweit
Theodor Storm 1817-1888
Die Nachtigall
Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.
Sie war doch sonst ein wildes Kind;
Nun geht sie tief in Sinnen,
Trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut
Und weiß nicht, was beginnen.
Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Deutsche Sommernacht
Wenn die Pfirsichpopos
Sich im Sekt überschlagen.
Und der Teufel legt los,
Uns mit Mücken zu plagen.
Und wir füllen einmal reichlich bloß
Einem Armen Tasche und Magen.
Doch es blähn sich Männerbäuche.
Tabakblau hängt sich an Sträuche.
Wenn wir dann die Jacken ausziehn,
Und ein Bratenduft poussiert Jasmin –
In das dunkle Umunsschweigen
Senden zwei entfernte Geigen
Schwesterliche Melodie.
Uns durchglüht ein Urgedanke.
Und es wechseln runde, schlanke
Frauenbeine Knie um Knie.
Und auf einmal lacht die Runde,
Weil ein Herr aus einem Hunde
Hinten einen Faden nimmt.
Wenn dann wirklich alles, alles lacht,
Dann ist jene seltne deutsche Nacht,
Da mal alles stimmt.
Anna Ritter 1865-1921
Sternschnuppe
Manchmal, in schwülen Sommernächten,
Wenn um die Rosen buhlt der Wind,
Löst schwindelnd sich vom Himmel droben
In jähem Fall ein irrend Kind.
Dann stehen wohl die Menschen drunten
Und starren still und bang empor,
Bis sich des Sternleins leuchtend Sinken
in der Unendlichkeit verlor,
Und greifen mit der Hand zum Herzen
Und sinnen einer Sehnsucht nach,
Die zuckend, leuchtend und verglühend,
In dunkle Tiefen niederbrach.
Christian Morgenstern 1871-1914
Sommernacht im Hochwald
Im Hochwald sonngesegnet
hat's lange nicht geregnet.
Doch schaffen sich die Bäume
dort ihre Regenträume.
Die Espen und die Erlen -
sie prickeln und sie perlen.
Das ist ein Sprühn und Klopfen
als wie von tausend Tropfen.
Die Lärchen und die Birken -
sie fühlen flugs es wirken.
Die Fichten und die Föhren -
sie lassen sich betören!
Der Wind weht kühl und leise.
Die Sterne stehn im Kreise.
Die Espen und die Erlen:
sie schaudern tausend Perlen...
Anna Ritter 1865-1921
Des alten Mannes Sommertraum
Es huscht die Nacht vorbei auf leisen Sohlen,
Schwül weht ihr Athemzug zu ihm herauf,
Im Garten schließt der zitternden Violen
Lichtscheue Schaar die blassen Kelche auf.
Und in die Winde, die sein Haupt umkosen
Wie eine linde, weiche Frauenhand,
Mischt sich ein Duft von Heliotrop und Rosen,
Der süße Duft, den er so wohl gekannt.
Sie trug ihn einst, die er im Arm gehalten,
Die hingeschmiegt an seiner Brust geruht,
Er stieg empor aus des Gewandes Falten,
Aus ihres Hauptes gold'ner Lockenfluth.
Er war ihr eigen, wie der Nacht die Träume,
Und als sie längst sich seinem Arm entwand,
Zog noch der schwere Duft durch seine Räume
Ein Frühlingsgruß, da lang der Frühling schwand.
So lang ist's her! Die Jahre sind entschwunden
Er ward ein müder, freudeloser Mann,
Dem Keiner mehr den Rausch verblühter Stunden
Von der durchfurchten Stirne lesen kann.
Doch wenn die schwülen Sommerwinde wehen,
In's Fenster zieht des Heliotrops Duft,
Dann will ihr Bildniß ihm wie einst erstehen,
Dann steigt die Jugend aus der stillen Gruft.
Else Galen-Gube 1869-1922
Wenn der Goldregen blüht, wenn die Nächte so heiß,
daß ich rastlos mich nicht zu fassen weiß
in der atemberaubenden Schwüle –
sag, weißt du, was ich dann fühle? –
Wenn die Wogen von süßem, berauschenden Duft
mein Zimmer erfüllen, und heiße Luft
mich umflutet, willst du es wissen?
Dann wein ich in meine Kissen.
Wenn der Vollmond hell leuchtend am Himmel steht,
der Pendelschlag langsam, so langsam geht,
ohne kärglichstes Glück mir zu bringen,
dann gilts ein verzweifeltes Ringen.
Ein Ringen der sehnenden Jugendkraft,
ein Ringen begehrender Leidenschaft,
ein Ringen der Glieder, der jungen,
mit toten Erinnerungen.
Angelika von Hörmann 1843-1921
Wie hast du selig mich gemacht
Du milde, dunkle Sommernacht!
Es war so still in weiter Rund',
Da lag verstummt auch Mund an Mund –
Mein Liebster hat mich geküßt!
Ich träum' es Nachts in süßer Ruh',
Im Traum ist's, was am Tag ich thu',
Weiß nicht, ob Sturm ob Sonnenschein,
Muß lächeln nur in mich hinein:
Mein Liebster hat mich geküßt!
O dürft' ich künden, was mich drängt,
Was pochend fast die Brust mir sprengt,
Auf daß die Welt, die nichts vergönnt,
Den ganzen Himmel fassen könnt':
Mein Liebster hat mich geküßt!
Joseph von Eichendorff 1788-1857
Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. -
Martin Greif 1839-1911
Hochsommernacht
Stille ruht die weite Welt,
Schlummer füllt des Mondes Horn,
Das der Herr in Händen hält.
Nur am Berge rauscht der Born
Zu der Ernte Hut bestellt
Wallen Engel durch das Korn.
Emanuel Geibel 1815-1884
Sommernacht
Willst du wieder bei mir sein,
Muse, die mich längst gemieden?
Ach, in diesem Sternenschein
Welche Fülle, welch ein Frieden!
Horch! Gedämpfter Klang erwacht
In den unberührten Saiten;
Nimm mich hin denn, süße Macht!
Schon von ferne durch die Nacht
Hör' ich Götter schreiten.
Ludwig Thoma 1867-1921
Sommernacht
Laue, stille Sommernacht,
Rings ein feierliches Schweigen,
Und am mondbeglänzten See
Tanzen Elfen ihren Reigen.
Unnennbares Sehnen schwillt
Mir das Herz. In jungen Jahren
Hab ich nie der Liebe Lust,
Nie der Liebe Glück erfahren.
Schmeichelnd spielt die linde Luft
Um die Stirne, um die Wangen.
Und es faßt mit Allgewalt
Mich ein selig-süßes Bangen.
Blaue Augen, blondes Haar
Soll ich bald mein eigen nennen?
Und der Ehe Hochgefühl
Soll ich aus Erfahrung kennen.
In der lauen Sommernacht
Wird sie dann im Bette sitzen,
"Männchen", fragt sie, "sag mir doch,
Mußt du auch so gräßlich schwitzen?"
Joseph Victor von Scheffel 1826-1886
Die Sommernacht hat mir's angetan,
Das ist ein schweigsames Reiten,
Leuchtkäfer durchschwirren den dunkeln Grund
Wie Träume, die einst zu guter Stund'
Das sehnende Herz mir erfreuten.
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
Laue Sommernacht; am Himmel
Stand kein Stern; im weite Walde
Suchten wir uns tief im Dunkel,
Und wir fanden uns.
Fanden uns im weiten Walde
In der Nacht, der sternenlosen,
Hielten staunend uns im Arme
In der dunklen Nacht.
War nicht unser ganzes Leben
So ein Tappen, so ein Suchen?
Da: In seine Finsternisse,
Liebe, fiel Dein Licht.
Ludwig Jacobowski 1868-1900
Nach Hause
Das macht die Sommernacht so schwer:
Die Sehnsucht kommt und setzt sich her
und streichelt mir die Wange.
Man hat so wunderlichen Sinn;
man will wohin, weiß nicht wohin,
und steht und guckt sich bange.
Wonach?
Die Fackel in der Hand,
so weist die Sehnsucht weit ins Land,
wo tausend Wege münden.
Ach! einen möchte ich schon geh'n,
»Nach Hause!« müßte drüber steh'n. –
O Herz, nun geh' ihn finden!
Gottfried Keller 1819-1890
Sommernacht
Es wallt das Korn weit in die Runde
Und wie ein Meer dehnt es sich aus;
Doch liegt auf seinem stillen Grunde
Nicht Seegewürm noch andrer Graus;
Da träumen Blumen nur von Kränzen
Und trinken der Gestirne Schein,
O goldnes Meer, dein friedlich Glänzen
Saugt meine Seele gierig ein!
In meiner Heimat grünen Talen,
Da herrscht ein alter schöner Brauch:
Wann hell die Sommersterne strahlen,
Der Glühwurm schimmert durch den Strauch,
Dann geht ein Flüstern und ein Winken,
Das sich dem Ährenfelde naht,
Da geht ein nächtlich Silberblinken
Von Sicheln durch die goldne Saat.
Das sind die Bursche jung und wacker,
Die sammeln sich im Feld zuhauf
Und suchen den gereiften Acker
Der Witwe oder Waise auf,
Die keines Vaters, keiner Brüder
Und keines Knechtes Hilfe weiß -
Ihr schneiden sie den Segen nieder,
Die reinste Lust ziert ihren Fleiß.
Schon sind die Garben festgebunden
Und rasch in einen Ring gebracht;
Wie lieblich flohn die kurzen Stunden,
Es war ein Spiel in kühler Nacht!
Nun wird geschwärmt und hell gesungen
Im Garbenkreis, bis Morgenluft
Die nimmermüden braunen Jungen
Zur eignen schweren Arbeit ruft.
Detlev von Liliencron 1844-1909
Zwei Meilen Trab
Es sät der Huf, der Sattel knarrt,
der Bügel jankt, es wippt mein Bart
im immer gleichem Trabe.
Auf stillen Wegen wiegt mich längst
mein alter Mecklenburger Hengst
im Trab, im Trab, im Trabe.
Der sammetweichen Sommernacht
Violenduft und Blütenpracht
begleiten mich im Trabe.
Ein grünes Blatt, ich nahm es mit,
das meiner Stirn vorüberglitt
im Trabe, Trabe, Trabe.
Hut ab, ich nestle wohlgemut,
Hut auf, schon sitzt das Zweiglein gut,
ich blieb im gleichen Trabe.
Bisweilen hätschelt meine Hand
und liebkost Hals und Mähnenwand
dem guten Tier im Trabe.
Ich pfeif aus Flick und Flock ihm vor,
er prustet, er bewegt das Ohr,
und sing ihm eins im Trabe.
Ein Nixchen, das im nahen Bach
sich badet, plantscht und spritzt mir nach
im Trabe, Trabe, Trabe.
Und wohlig weg im gleichen Maß,
daß ich die ganze Welt vergaß
im Trabe, im Trab, im Trabe.
Und immer fort, der Fackel zu,
dem Torfahrtlicht der ewigen Ruh,
im Trabe, Trabe, Trabe.
Gottfried Keller 1819-1890
Stille der Nacht
Willkommen, klare Sommernacht,
die auf betauten Fluren liegt!
Gegrüßt mir, goldne Sternenpracht,
die spielend sich im Weltraum wiegt!
Das Urgebirge um mich her
ist schweigend, wie mein Nachtgebet;
weit hinter ihm hör' ich das Meer
im Geist und wie die Brandung geht.
Ich höre einen Flötenton,
den mir die Luft von Westen bringt,
indes herauf im Osten schon
des Tages leise Ahnung dringt.
Ich sinne, wo in weiter Welt
jetzt sterben mag ein Menschenkind —
und ob vielleicht den Einzug hält
das viel ersehnte Heldenkind.
Doch wie im dunklen Erdental
ein unergründlich Schweigen ruht
ich fühle mich so leicht zumal
und wie die Welt so still und gut.
Der letzte leise Schmerz und Spott
verschwindet aus des Herzens Grund;
es ist, als tät' der alte Gott
mir endlich seinen Namen kund.
E. Marlitt* 1825-1887
Sommernacht
Der lichte Tag ist heimgezogen
Ins graue Meer vergang'ner Zeit.
Wie vieler Glück, wie manches Leid
Versinkt mit ihm in jene Wogen.
Nun ist die Nacht herabgesunken,
Ums stolze Haupt den Strahlenkranz,
Den Schleier webt der Mondesglanz,
Aus ihrem Mantel sprühen Funken.
Wie geisterhaft das Mondlicht zittert
Und mit den nächt'gen Schatten ringt.
Ein gold'nes Märchen, leichtbeschwingt
Schlüpft's durch die Zweige, zartgegittert.
O Sommernacht unnennbar schöne!
Du scheuchst mit rätselhafter Macht
Aus dem Gemüt die trübe Nacht
Berührst dort niegeahnte Töne!
Man lernt das Herz nie selbst verstehen,
Wenn Tagsgeräusch es wild erregt –
Von nächt'gem Schweigen mild bewegt
Läßt es uns seine Tiefe sehen.
*Pseudonym für Friederieke Henriette Christiane Eugenie John
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Städtische Sommernacht
Unten macht sich aller Abend grauer,
Und das ist schon Nacht, was da als lauer
Lappen sich um die Laternen hängt.
Aber höher, plötzlich ungenauer,
Wird die leere leichte Feuermauer
Eines Hinterhauses in die Schauer
Einer Nacht hinaufgedrängt,
Welche Vollmond hat und nichts als Mond.
Und dann gleitet oben eine Weite
Weiter, welche heil ist und geschont,
Und die Fenster an der ganzen Seite
Werden weiß und unbewohnt.
Emanuel Geibel 1815-1884
Eine Sommernacht
Wie glänzte tief azuren
Der See und rauschte sacht,
Als wir von Lindau fuhren
In klar gestirnter Nacht.
Sanft weht' es von den Hügeln
Und leise wie ein Schwan
Mit ausgespannten Flügeln
Zog unser Schiff die Bahn.
Sie saß in warmer Hülle,
Das Kind an ihrer Brust,
Versunken in die Fülle
Der Lieb' und Mutterlust.
Und wie ins Sterngefunkel
Entzückt ich schaut' empor,
Kam leise durch das Dunkel
Ihr Flüstern an mein Ohr:
„O Mann, seit uns beschieden
Dies süße Glück zu Drei‘n,
Wie fühl' ich schon hienieden
Den ganzen Himmel mein!“
Sie sprach's, und plötzlich linde
Umfloß ein Glorienlicht
Ihr selig zu dem Kinde
Geneigtes Angesicht.
Der Mond war aufgegangen
Am Saum des Firmaments,
Und über‘s Wasser klangen
Die Glocken von Bregenz.
Otto Julius Bierbaum 1865-1910
An die Nacht
Düfteschwüle, feuchteschwere,
Rauschende, raunende, sterneleere,
Schwarze, samtene Sommernacht!
Mein Herz lauscht an deines bange,
Nimm von mir, was mich so lange
Müde hat gemacht.
Sieh, ich flüchte mich in deine
Arme, siehe Nacht, ich weine,
Und ich kenne mich nicht mehr.
Stille Mutter, heilige, große,
Sieh mein Haupt in deinem Schooße,
Banger Wehen schwer.
Nimm mich ein in deine Güte,
Hürde mich ein dein Gehüte,
Das der Müden Hafen ist:
Küsse mild mich ins Vergehen,
Die du aller Lebenswehen
Linde Löserin bist.