Johann Fercher von Steinwand 1828-1902
Herein!
Tritt ins Haus und sei mein Gast,
Draußen ist es schwüle,
Gönne deinem Herzen Rast,
Deinem Scheitel Kühle.
Magst du sein von fremdem Blut
Oder armer Gilde -
Blumen trägst du auf dem Hut,
Und im Auge Milde.
Wilhelm Busch 1832-1908
Fortuna lächelt, doch sie mag
nur ungern voll beglücken:
Schenkt sie uns einen Sommertag,
so schenkt sie uns auch Mücken.
Ernst Blass 1890-1939
Sonntagnachmittag
Die Töchter liegen weiß auf dem Balkon.
In Oberhemden spielen Väter Kachten:
Ein Roundser steigt nach einem Full von Achten.
– Und singen tut sich eins der Grammophon.
In Straßen, die sich weiß wie Küsse dehnen,
Sind Menschen viel, die sich nach Liebe sehnen.
Noch andre sitzen in Cafés und warten
Die Resultate ab aus Hoppegarten.
Der Dichter sitzt im luftigsten Café,
Um sich an Eisschoklade zu erlaben.
Von einem Busen ist er sehr entzückt.
Der Oberkellner denkt hinaus (entrückt)
An Mädchen, Boote, Schilf, ... an Schlachtensee.
Der Dichter träumt »... und werde nie sie haben ...«
Friedrich Hölderlin 1770-1843
Wenn dann vorbei des Frühlings Blüte schwindet,
So ist der Sommer da, der um das Jahr sich windet.
Und wie der Bach das Tal hinuntergleitet,
So ist der Berge Pracht darum verbreitet.
Daß sich das Feld mit Pracht am meisten zeiget,
Ist, wie der Tag, der sich zum Abend neiget;
Wie so das Jahr verweilt, so sind des Sommers Stunden
Und Bilder der Natur dem Menschen oft verschwunden.
Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832
Blumen sehet ruhig sprießen,
Reizend euer Haupt umzieren;
Früchte wollen nicht verführen,
Kostend mag man sie genießen.
Bieten bräunliche Gesichter
Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
Kauft! denn gegen Zung' und Gaumen
Hält sich Auge schlecht als Richter.
Kommt, von allerreifsten Früchten
Mit Geschmack und Lust zu speisen!
über Rosen läßt sich dichten,
In die Äpfel muß man beißen.
Sei's erlaubt, uns anzupaaren
Eurem reichen Jugendflor,
Und wir putzen reifer Waren
Fülle nachbarlich empor.
Unter lustigen Gewinden,
In geschmückter Lauben Bucht,
Alles ist zugleich zu finden:
Knospe, Blätter, Blume, Frucht.
aus: Faust. Der Tragödie zweiter Teil
Richard von Volkmann 1830-1889
Hochsommer
In schwüler Mittagsstunde
Lieg' ich am Bach ins Gras gestreckt;
Kein Laut in weiter Runde,
Der mich aus dämmerndem Traume weckt.
Leicht in den Lüften weben
Sommerfäden den silbernen Zwirn,
Halme und Gräser schweben
Über der Brust mir und über der Stirn.
Und Bienen und Schmetterlinge
Blaue Libellen umsummen mich leis:
Viel süßere, heimliche Dinge
Trag' ich im Herzen, die keiner weiß.
Buntschimmernde Liebesgedanken,
Lange verborgen in tiefer Gruft,
Sie heben die Flügel, die schwanken,
Und schwirren hinaus in den Sommerduft.
Ich seh' sie flattern und gaukeln
Um wehende Gräser im Sonnenstrahl,
Wie Elfen auf Blumen sich schaukeln,
Ein lustiges Völkchen allzumal.
Freut euch, ihr goldnen Dinger,
Die Lust wird rasch zu Ende sein,
Des Herzens dunkler Zwinger
Schließt bald euch alle wieder ein.
Ferdinand Sauter 1804-1854
Sei nicht dumm
Kurzen Sommer blüht die Blume,
Denn das Schöne währt nicht lang,
Schwach Gedächtnis bleibt vom Ruhme,
Jubel schwindet und Gesang.
Blumen welken, Mädchen altern,
Folgsam ewigem Gesetz,
Jugend bannt man nicht mit Psaltern,
Und die Dauer bleibt Geschwätz.
Deshalb wollen wir zur Neige
Schlürfen jeden Augenblick;
Blau der Himmel, grün die Zweige,
Sei nicht dumm und preis das Glück!
Heinrich Seidel 1842-1906
Im Sommer
O komm mit mir aus dem Gewühl der Menge,
Aus Rauch und Qualm und tobendem Gedränge,
Zum stillen Wald,
Dort wo die Wipfel sanfte Grüße tauschen,
Und aus der Zweige sanft bewegtem Rauschen
Ein Liedchen schallt.
Dort zu dem Quell, der durch die Felsen gleitet
Und dann zum Teich die klaren Wasser breitet,
Führ ich dich hin.
In seinem Spiegel schau die stolzen Bäume
Und weiße Wolken, die wie sanfte Träume
Vorüberziehn.
Dort laß uns lauschen auf der Quelle Tropfen
Und auf der Spechte weit entferntes Klopfen,
Mit uns allein.
Dort wollen wir die laute Welt vergessen,
An unsrem Herzschlag nur die Stunden messen
Und glücklich sein!
Fred Endrikat 1890-1942
Morgenandacht
Es windet mir ein frischer Ost
ein bläulich Band um meine Nase.
Ein Brief kam mit der Morgenpost
und weht mir Blumen in die Vase.
Das wird fürwahr ein schöner Tag.
Mein Herz erfüllt ein frohes Ahnen
mit Wachtelfang und Finkenschlag.
Am Himmel flattern goldne Fahnen.
Die Lerche schwingt sich zum Zenit.
Der See glänzt morgendlich gerötet.
Vor einem Gänseblümchen kniet
im Gras ein Elefant – und betet.
Ferdinand von Saar 1833-1906
Stadtsommer
Funkelnd über den Dächern
Liegt der heiße Strahl;
Ach, kein Lüften, kein Fächern
Lindert die sengende Qual.
Stumm in der Häuser Schatten
Gehen die Menschen hin;
Von Wäldern und grünen Matten
Träumt ihr lechzender Sinn.
Leiser rollen die Wagen,
Plätschert der Brunnen Fluth;
In solchen schlummernden Tagen
Selbst die Liebe ruht.
Einsam im weiten Raume
Schlummerst auch du, mein Herz,
Und leis' nur wie im Traume
Durchzuckt dich der Sehnsucht Schmerz.
Martin Greif 1839-1911
Sommerhymnus
Strahlender Sommertag,
Der du aus reinen Höh'n
Froh dich herabschwangst,
Günstiger Herrscher,
Sei uns gegrüßt!
Licht- und farbenreich,
Rosenbekränzt die heitere Stirne,
Nahst du auf blauer Bahn
Und zerteilst behende
Fließender Dämmerwolken
Leicht gewebten Vorhang.
Morgendlicher Eile voll,
Nach dem Erntefeld begierig,
Strebst du der Sonne zu,
Die am Rand der ruhenden Erde
Früh emporgetaucht
Dein schon harrt
Und im Mutterstolz
Auf den kommenden Liebling
Heftet ihr stetes Flammenauge.
Aber noch decket Kühle die Flur
Und die tausend Wesen,
Die sie heimlich nähret,
Trinken an milchreicher Brust
Nährenden Tau der Frühe.
Doch es hält kein Schatten Stand,
Allgemach erlöschen rings
Auf des Grases Spitzen
Letzte funkelnde Tropfen.
Dampfender Schwüle Nebel
Überbreitet dunstig
Alles Gefilde,
Und die gereinigten Höhen
Füllt unendlicher
Trunkener Lichtglanz.
Wen nicht ein Kummer bedrückt
Oder ein heimlicher Vorwurf,
Der genießt dich entzückungsvoll,
Strahlender Sommertag,
Und erfreut sich deiner
Frohen glorreichen Helle.
In der benetzten Blume Schoß
Taumelnd festgesogen
Säumt die goldne Honigbiene
Und vergißt den Heimflug.
Ihres regen Atems froh
Trillert im hohen Äther
Einsam die junge Lerche.
Hinter seinen Garben her
Schreitet munter singend
Unverdrossen der braune Schnitter.
Auch mich erfüllet mit Trunkenheit
Dein gewaltig Licht,
Strahlender Sommertag,
Und ich verspüre eines schaffenden Hauches
Mutig Wehen im Busen.
Ferdinand von Saar 1833-1906
Sommerlied
All' deine funkelnden Wonnen verstreue,
Herrlicher, sonniger, goldener Tag;
Dehne dich endlos, du strahlende Bläue,
Blühet und leuchtet, ihr Rosen am Hag!
Fluthet, ihr Lüfte, ihr zitternden, heißen,
Führet die süßesten Düfte mir zu –
Steiget, o steiget, ihr schimmernden weißen
Wolken der Ferne in heiliger Ruh'!
Ihr aber, Wipfel, mit leisestem Flüstern
Weckt mir Erinnerung seliger Lust,
Da ich einst saß unter schattenden Rüstern,
Still ein geliebtes Haupt an der Brust!
Ludwig Uhland 1787-1847
Der Mohn
Wie dort, gewiegt von Westen,
Des Mohnes Blüte glänzt!
Die Blume, die am besten
Des Traumgotts Schläfe kränzt;
Bald purpurhell, als spiele
Der Abendröte Schein,
Bald weiß und bleich, als fiele
Des Mondes Schimmer ein.
Zur Warnung hört ich sagen,
Daß, der im Mohne schlief,
Hinunter ward getragen
In Träume schwer und tief;
Dem Wachen selbst geblieben
Sei irren Wahnes Spur,
Die Nahen und die Lieben
Halt' er für Schemen nur.
In meiner Tage Morgen,
Da lag auch ich einmal,
Von Blumen ganz verborgen,
In einem schönen Tal.
Sie dufteten so milde!
Da ward, ich fühlt es kaum,
Das Leben mir zum Bilde,
Das Wirkliche zum Traum.
Seitdem ist mir beständig,
Als wär es nur so recht,
Mein Bild der Welt lebendig,
Mein Traum nur wahr und echt;
Die Schatten, die ich sehe,
Sie sind wie Sterne klar.
O Mohn der Dichtung! wehe
Ums Haupt mir immerdar!
Ernst Maria Richard Stadler 1883-1914
Mittag
Der Sommermittag lastet auf den weißen
Terrassen und den schlanken Marmortreppen
die Gitter und die goldnen Kuppeln gleißen
leis knirscht der Kies. Vom müden Garten schleppen
sich Rosendüfte her wo längs der Hecken
der schlaffe Wind entschlief in roten Matten
und geisternd strahlen zwischen Laubverstecken
die Götterbilder über laue Schatten.
Die Efeulauben flimmern. Schwäne wiegen
und spiegeln sich in grundlos grünen Weihern
und große fremde Sonnenfalter fliegen
traumhaft und schillernd zwischen Düfteschleiern.
Lisa Baumfeld 1877-1897
Sommer
Nun flammt in gold'nen Fluten
Der trunk'ne Sommer durch die Luft,
Der Erde heisse, liebeswilde Gluten
Entbrennen hell in rothem Rosenduft ...
Nun weint in Nächten, lauen, fahlen,
Sehnsücht'ger Mond in bangem Zittergrase,
Nun ist die Zeit der tiefen, grossen Qualen,
Der hohen, schmerzlich wonnigen Ekstase ...
Nun ist die Zeit - wann kommst du wieder?
Wo sonst ein Sang mir durch die Seele schauert,
Wo man aus Blumenkelchen Lieder
Und Klänge schöpft, und gerne bebt und trauert ...
Ich wollt', dass mich ein Weh durchgraute,
Dass eine Thräne mir im Herzen glüht',
Und dass, wie sonst, draus eine schmerzbethaute
Tiefdunkle, glutverwirrte Rose blüht ...
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Übung am Klavier
Der Sommer summt. Der Nachmittag macht müde;
sie atmete verwirrt ihr frisches Kleid
und legte in die triftige Etüde
die Ungeduld nach einer Wirklichkeit,
die kommen konnte: morgen, heute abend –,
die vielleicht da war, die man nur verbarg;
und vor den Fenstern, hoch und alles habend,
empfand sie plötzlich den verwöhnten Park.
Da brach sie ab; schaute hinaus, verschränkte
die Hände; wünschte sich ein langes Buch
und schob auf einmal den Jasmingeruch
erzürnt zurück. Sie fand, daß er sie kränkte.
Peter van Bohlen 1796-1840
Der Sommer
Mit Sonnenglut und Mondesschimmer,
Mit Strömen, aufgeregt vom kühlen Bad;
Am Abend schön und mit gedämpftem Sehnen
Ist, Freundin, die Sommerzeit genaht.
Ein wasserkühles, flimmerndes Gewölbe,
Die Nächte glänzend mit des Mondes Schein,
Juwelen sind bereit und feuchter Sandel,
Dem Menschen ihren Liebesdienst zu weihn.
Im herrlich duftendem Gemache laben
Sich nun die Liebenden um Mitternacht
Am Weine, kräuselnd von der Gattin Odem,
Wenn Sang und Spiel die Sehnsucht angefacht.
Klabund 1890-1928
Sommerbetrachtung
Hier saß ich oft. An diesem grünen Strauch.
Die Rosen blühen heute röter noch.
Die Fuchsien halten ihre Farbe auch.
Es bellt am Zaun der kahle Köter noch.
Die Espe zittert, weil es ihr Beruf.
Den roten Pilz betreut der Regenwurm.
Ein Einhorn scharrt versonnen mit dem Huf.
Die Sonne steht als Frau auf einem Turm.
Der Sommer herbstelt. Im geharkten Kies
Geht an der Krücke ein geborstner Greis.
Ein Kind spielt Mutter. Und es lächelt leis,
Als ich ihm eine offne Grube wies.
Bei jedem Schritte trifft man auf ein Grab
Von Leuten, die noch längst am Leben sind.
O liebstes Herz, dem meinen Leib ich gab:
Wie wohlig weht durch mein Skelett der Wind!.
Otto Bierbaum 1865-1910
Waldvögel
Ein wohlbestelltes Mieder,
Die Backen rot gesund,
Den Schnabel voller Lieder
Und vorn und hinten rund.
Zwei Augen glutend blaue
Und eine kleine Hand,
Wohl mir, waldwilde Fraue,
Daß ich dich einsten fand.
Es war im tiefen Walde
Und Sommer war die Zeit,
In einem Wipfel balde
Nesthockten wir zu zweit
Und niemand hat gesehen
Das sondre Vogelpaar,
Das hoch im Windewehen
Vor Glücke schwindlig war.
Heinrich Heine 1797-1856
Am leuchtenden Sommermorgen
Geh ich im Garten herum.
Es flüstern und sprechen die Blumen,
Ich aber, ich wandle stumm.
Es flüstern und sprechen die Blumen,
Und schaun mitleidig mich an:
»Sei unserer Schwester nicht böse,
Du trauriger, blasser Mann!«
Detlev von Liliencron 1844-1909
Sommer
Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang;
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.
Wenn wir uns von ferne sehen,
Zögert sie den Schritt,
Rupft ein Hälmchen sich im Gehen,
Nimmt ein Blättchen mit.
Hat mit Ähren sich das Mieder
Unschuldig geschmückt,
Sich den Hut verlegen nieder
In die Stirn gedrückt.
Finster kommt sie langsam näher,
Färbt sich rot wie Mohn;
Doch ich bin ein feiner Späher,
Kenn die Schelmin schon.
Noch ein Blick in Weg und Weite,
Ruhig liegt die Welt,
Und es hat an ihre Seite
Mich der Sturm gestellt.
Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang;
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.
Joseph von Eichendorff 1788-1857
Es war als hätt der Himmel
Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.
Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis' die Wälder,
so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.
Anna Louisa Karsch 1722-1791
Morgengedanken
Schön ist der Morgen, schön die trunkne Flur,
Von Gottes Wolken gestern überströmt
Und heute früh von seiner Sonne Glanz
Mit Blumenschöpferblicken angelacht.
Die Rose drang aus grüner Knospe leicht,
Wie mein Gedank aus diesem Herzen dringt,
Aus dieser neuerweckten Seele steigt
Zu dem, der mich wie Blumen werden ließ,
Verwelken und zu Staube werden läßt,
Wenn eine mir bestimmte Stunde kömmt.
Ich preise dich, wie dich der Vogel preist,
Der unter deinem niedern Himmel schwebt,
Ich danke dir, wie dir die Grille dankt,
Die kummerfrei von Halm zu Halme hüpft
Im manneshoch heraufgewachsnen Korn.
Ich bitte dich mit aller Flehekraft,
Die du den Menschen eingegossen hast:
Erhalte mir ein immerfrohes Herz
Voll Zuversicht auf deine Vaterhuld,
Bewahre mich vor Lebensüberdruß,
Laß mich im Alter noch das Tagelicht
Mit diesem Auge trinken, welches dich
In deinen Werken wie im Spiegel sieht.
Und wie mein Auge schütze meinen Freund!
Wilhelm Busch 1832-1908
Noch zwei?
Durch das Feld ging die Familie,
Als mit glückbegabter Hand
Sanft errötend Frau Ottilie
Eine Doppelähre fand.
Was die alte Sage kündet,
Hat sich öfter schon bewährt:
Dem, der solche Ähren findet,
Wird ein Doppelglück beschert.
Vater Franz blickt scheu zur Seite.
Zwei zu fünf das wäre viel.
Kinder, sprach er, aber heute
Ist es ungewöhnlich schwül.
Friedrich Hölderlin 1770-1843
Der Sommer
Noch ist die Zeit des Jahrs zu sehn, und die Gefilde
Des Sommers stehn in ihrem Glanz, in ihrer Milde;
Des Feldes Grün ist prächtig ausgebreitet,
Allwo der Bach hinab mit Wellen gleitet.
So zieht der Tag hinaus durch Berg und Tale,
Mit seiner Unaufhaltsamkeit und seinem Strahle,
Und Wolken ziehn in Ruh`, in hohen Räumen,
Es scheint das Jahr mit Herrlichkeit zu säumen.
Peter Hammerschlag 1902-1942
Der Chef in der Sauregurkenzeit
Warum wird hier Strom verschwendet'
Was — storniert? Na Prost! Was jetzt?
Haben Sie Muster mitgesendet?
Hallo ... haaall000 bums. Besetzt!
Ich denk nach in dem Gewölbe,
Woraus ich die Löhne quetsch' —
Jeden Ultimo dasselbe ...
Kann denn ich zum Ländermatch?
Frozzel ich die Lieferanten?
Ich renn mir die Füße ab!
Wozu hab ich Inkassanten,
Wenn ich nie ein Bargeld hab?
Ist die Schreibmaschin' gerichtet?
Hat man Steiner schon urgiert?
Sind die Rechnungen gesichtet?
Welcher Tepp hat das addiert?
Was? Ich selbst? Oh Gott, die Nerven!
Irr ich mich halt auch einmal ...
Soll ich mich vor's Auto werfen?
Sowas nennt sich Personal!
Zahlts denn ihr vielleicht die Zinsen?
Was habts ihr im Schädel drin?
Ja, das könnts ihr: frech sein — grinsen ...
Bringen S' mir ein Aspirin!
Sowas lebt. Das war noch nie da!
Das Geschäft ist unterm Hund!
Wird das Ausgleich oder Krida?
Oder gehn wir nur zugrund?
Euch ist's wurscht — ihr schlafts ja immer,
Ich hab nicht einmal gejaust.
Wo ich hinschau liegen Trümmer,
Ist's ein Wunder, wenn mir graust?
Josef, geben Sie mir Feuer.
Und den Preis radier'n Sie aus ...
Manchmal glaub ich, ich bin euer
Schammes nur — im eig'nen Haus!
Wenn wer anruft: zuerst fragen.
Zwar ... ah nein, der weiß es eh —
Soll er mich von mir aus klagen,
Ich sitz drüben im Cafe ...
Hermann Lingg 1820-1905
Mittagszauber
Vor Wonne zitternd hat die Mittagsschwüle
Auf Tal und Höh' in Stille sich gebreitet;
Man hört nur, wie der Specht im Tannicht scheitet,
Und wie durchs Tobel rauscht die Sägemühle.
Und schneller fließt der Bach, als such' er Kühle.
Die Blume schaut ihm durstig nach und spreitet
Die Blätter sehnend aus, und trunken gleitet
Der Schmetterling vom seidnen Blütenpfühle.
Am Ufer sucht der Fährmann sich im Nachen
Aus Weidenlaub ein Sonnendach zu zimmern
Und sieht ins Wasser, was die Wolken machen.
Jetzt ist die Zeit, wo oft im Schilf ein Wimmern
Den Fischer weckt; der Jäger hört ein Lachen,
Und golden sieht der Hirt die Felsen schimmern.
Kurt Tucholsky 1890–1935
Dreißig Grad
Das ist die Zeit der dicken Sommerhitze.
Das Thermometer kocht. Die Sonne strahlt.
Die gnädige Frau hats warm; ich Plebs, ich schwitze -
in blauen Badehöschen, eindrucksvoll bemalt.
Am hellen Strand läuft eine leichte Brise
und legt sich wieder - nein, das wird kein Wind.
Jetzt ist August, da hatten wir die Krise,
wie so die deutschen Sommerkrisen sind.
Da hinten badet eine fette Dame.
Es steigt das Meer, wenn sie ins selbe tritt.
Sag an, Sylphide, ist vielleicht dein Name
Germania? Nehm ich dich als Sinnbild mit?
Es rinnt der Sand. Da schleicht sich ein Vehikel -
wohl gar mit Butter? - übern Dünendamm.
Bei mir langts nur noch für den Leitartikel -
was Kluges bring ich heut nicht mehr zusamm.
Wie lang ists her - da war in diesen Wochen
an angenehmer Weise gar nichts los.
Man hat nur faul den faulen Tag gerochen...
Heut kommen Kunz und Hintze angekrochen -
Du liebe Zeit, wie bist du heiß und groß!
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Die Sonnenuhr
Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule
aus dem Gartenschatten, wo einander
Tropfen fallen hören und ein Wander-
vogel lautet, zu der Säule,
die in Majoran und Koriander
steht und Sommerstunden zeigt;
Nur sobald die Dame (der ein Diener
nachfolgt) in dem hellen Florentiner
über ihren Rand sich neigt,
Wird sie schattig und verschweigt.
Oder wenn ein sommerlicher Regen
aufkommt aus dem wogenden Bewegen
hoher Kronen, hat sie eine Pause;
Denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken,
Die dann in den Frucht- und Blumenstücken
Plötzlich glüht im weißen Gartenhause.
Carl Hermann Busse 1872-1918
Der Sommer
Seht ihr den Sommer durch die Lüfte fliegen?
In Gold und Blau - so hab ich mir's gedacht;
Nun ist er wieder auf die Welt gestiegen,
Nun giebt's ein Blühn und Düften Tag und Nacht.
Die Falter wissen sich schon nicht zu lassen
Und taumeln glücklich in ein Meer von Licht,
Und Kinderjubel schallt auf allen Gassen,
Und überall ein Kinderangesicht.
Die kleinen Mädchen klatschen in die Hände
Und krähn vergnüglich in die blüh'nde Welt,
Und in der Stadt sind auch die kahlsten Wände
Vom glüh'nden Glanz des Sonnenscheins erhellt.
Der arme Schuster selbst ließ sein Trauer
Und hämmert lustig auf den alten Schuh,
Und vor der Werkstatt tönt vom Vogelbauer
Des gelben Sängers heller Klang dazu.
In allen Lüften wirbeln Lerchenlieder,
Und Schwalben schietzen durch die goldnen Höhn,
Und aus den Gärten düftet weißer Flieder -
Herrgott im Himmel, ist die Welt doch schön!
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Im Sommer
Im Sommer trägt ein kleiner Dampfer
auf Moldauwogen uns nach Zlichov
zu jenem Kirchlein, hoch und frei.
Im blauen Nebel schwindet Smichov; -
zur Rechten Flächen braun von Ampfer,
zur Linken stolz die "Loreley".
Wir legen an; und sieh, ein Alter
begrüßt uns leiernd: "Hej, Slované!"
Am Friedhofsrand dann lehnen wir.
Hoch blaut des Himmels Prachtzyane,
und unser Träumen hebt, ein Falter,
auf Sonnenflügeln sich zu ihr.
Kurt Tucholsky 1890–1935
Feldfrüchte
Sinnend geh ich durch den Garten,
still gedeiht er hinterm Haus;
Suppenkräuter, hundert Arten,
Bauernblumen, bunter Strauß.
Petersilie und Tomaten,
eine Bohnengalerie,
ganz besonders ist geraten
der beliebte Sellerie.
Ja, und hier –? Ein kleines Wieschen?
Da wächst in der Erde leis
das bescheidene Radieschen:
außen, rot und innen weiß.
Sinnend geh ich durch den Garten
unsrer deutschen Politik;
Suppenkohl in allen Arten
im Kompost der Republik.
Bonzen, Brillen, Gehberockte,
Parlamentsroutinendreh ...
Ja, und hier –? Die ganz verbockte
liebe gute SPD.
Hermann Müller, Hilferlieschen
blühn so harmlos, doof und leis
wie bescheidene Radieschen:
außen rot und innen weiß.
Elisabeth Kulmann 1808-1825
Meine Lebensart
In der ganzen Stadt ist keine
Hütte kleiner als die meine;
Für mich ist sie groß genug.
Noch viel kleiner ist mein Gärtchen,
Ich nur gehe durch sein Pförtchen;
Doch auch so ist's groß genug.
Zweimal setz' ich mich zu Tische,
Etwas Fleisch, Kohl, Grütze, Fische;
Hungrig ging ich nie zur Ruh.
Ja, im Sommer, eß' ich Beeren:
Him- und Erd- und Heidelbeeren,
Oft kommt eine Birn dazu.
Bisher hatt' ich stets zwei Kleider;
Viele Menschen haben, leider!
Eines nur, und das noch schwach.
Klagen wäre eine Sünde!
Arm ist nur der Lahme, Blinde,
Und die Waise ohne Dach.
Conrad Ferdinand Meyer 1825-1898
Schwarzschattende Kastanie
Schwarzschattende Kastanie,
Mein windgeregtes Sommerzelt,
Du senkst zur Flut dein weit Geäst,
Dein Laub, es durstet und es trinkt,
Schwarzschattende Kastanie!
Im Porte badet junge Brut
Mit Hader oder Lustgeschrei.
Und Kinder schwimmen leuchtend weiß
Im Gitter deines Blätterwerks,
Schwarzschattende Kastanie!
Und dämmern See und Ufer ein
Und rauscht vorbei das Abendboot,
So zuckt aus roter Schiffslatern
Ein Blitz und wandert auf dem Schwung
Der Flut, gebrochnen Lettern gleich,
Bis unter deinem Laub erlischt
Die rätselhafte Flammenschrift,
Schwarzschattende Kastanie!
Max Dauthendey 1867-1918
Vorm Springbrunnenstrahl
Der Sommer brennt nicht mehr auf meine Haut,
Ich habe viel zu lang in die Ferne geschaut,
Daß mich das nächste Gartenbeet nicht mehr kennt,
Und mich der alte Buchsbaum schon Fremdling nennt.
Wie der Strahl des Springbrunnens sprang ich einmal
Hinein in den luftblauen Sommersaal.
Und fiel zurück und sprang von neuem auf gut Glück,
Wie ein springender Baum in der Bäume Zahl,
Und sprang doch nur täglich dasselbe Stück,
Wie der Springbrunnenstrahl, immer hoch und zurück.
Ich stehe noch immer am selben Teich,
Ringsum sommert dunkel das Blätterreich.
Viele Sommer streiften ab ihre grünen Häute,
Doch der Springbrunnen tanzt noch für die gaffenden Leute,
Und die gelben Fische schwimmen noch ihren Schatten nach
Und wedeln drunten in ihrem glashellen Gemach.
Mir ist, ich stehe seit meiner ersten Lebensstund'
Hier am durchsichtigen Teich und sehe zum Grund,
Bald zur Höhe ins Kahle, und bald in die flache Wasserschale,
Indessen mein Blut verbraust, gleich dem scharfen Strahle,
Der aus der Erde saust und sich losreißt als ein schäumender Geist,
Und dem doch nie gelingt, daß er vom Platz fortspringt,
Der seinen Satz hinsingt mit neuem Munde, immer wieder heftig und kurz,
Und nichts der Höhe abringt, als jede Sekunde seinen eigenen Sturz.
Christian Morgenstern 1871-1914
An die Wolken
Und immer wieder,
wenn ich mich müde gesehn
an der Menschen Gesichtern,
so vielen Spiegeln
unendlicher Torheit,
hob ich das Aug
über die Häuser und Bäume
empor zu euch,
ihr ewigen Gedanken des Himmels.
Und eure Größe und Freiheit
erlöste mich immer wieder,
und ich dachte mit euch
über Länder und Meere hinweg
und hing mit euch
überm Abgrund Unendlichkeit
und zerging zuletzt
wie Dunst,
wenn ich ohn` Maßen
den Samen der Sterne
fliegen sah
über die Acker
der unergründlichen Tiefen.
Detlev von Liliencron 1844-1909
Dorfkirche im Sommer
Schläfrig singt der Küster vor,
Schläfrig singt auch die Gemeinde,
Auf der Kanzel der Pastor
Betet still für seine Feinde.
Dann die Predigt, wunderbar,
Eine Predigt ohne Gleichen.
Die Baronin weint sogar
Im Gestühl, dem wappenreichen.
Amen, Segen, Thüren weit,
Orgelton und letzter Psalter.
Durch die Sommerherrlichkeit
Schwirren Schwalben, flattern Falter.
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929
Wenn kühl der Sommermorgen
Wenn kühl der Sommermorgen graut,
Vom Himmel rosig wie Heidekraut,
Wie rosige Blüte von Heidekraut
Die blasse Sichel niederschaut:
Dann gehen auf silbernen Sohlen da
Aus ihres Gartens Tor
Umgürtet mit Schönheit und Schweigen ja
Die jüngsten Träume hervor.
Sie gehen durch eine blasse
Leisrauschende Pappelallee,
Durch eine Heckengasse
Und durch den duftigen Klee,
Sie öffnen mit feinen Fingern leis
Am dämmernden Hause das Tor
Und gehen die kleine Treppe leis
Zu deiner Kammer empor,
An deinem Bette sie stehen lang
Und haben keinen Mut,
Auf deine Seele sie horchen bang,
Die siedet und nicht ruht.
Sie sind für dich gekommen, weh!
Du atmest allzu schwer,
Rückgehen sie beklommen, weh!
Hin, wo sie kamen her,
Hin, wo der Sommermorgen graut
Wie rosig Blühn von Heidekraut.
Christian Morgenstern 1871-1914
Sommermittag
Wiese, laß mich ganz in dein
Wohlgefühl versinken,
dein legionenfältig Sein
als mein eignes trinken.
Deine breite Sonnenbrust
laß die meine werden,
meine Lust die feine Lust
deiner Gräserherden.
Mächtig schwelle mein Gesang
dann aus solchem Grunde,
künde Glückes Überschwang
höchster Sommerstunde.
Friedrich Rückert 1788-1866
Das ist meine Klage
Das ist meine Klage,
Daß vor dieser Plage
Selbst verstummt die Klage.
Wie ich mich am Tage
Mit den Sorgen schlage,
Wie ich nächtlich zage,
Was ich stündlich trage,
Läßt nicht Raum der Klage.
Wann, o Himmel, sage,
Lösest du die Frage
Der Entscheidungswage,
Daß ich nicht mehr zage,
Sondern überschlage,
Mit Geduld ertrage,
Und in Ruh beklage!
Sonnenschein, o schlage
In die Flucht, verjage
Diese Nacht der Plage!
Sommer, komm, ich trage
Lust nach längstem Tage,
Wann ich nicht mehr zage
Neuer Niederlage,
Und am Sarkophage
Des Verlornen klage!
Otto Ernst 1862-1926
Einem Sommer
Sommer, eh’ du nun entwandelst
Über sonnenrote Höhn,
Soll dir meine Seele sagen,
Wie du mir vor allen schön!
Wähne nicht, daß meinem Herzen
Sommer so wie Sommer sei;
Seltsam wie der Wolken Wandel
Ziehn die Zeiten ihm vorbei.
Und wie du hervorgetreten
Aus der Zukunft ernstem Tor,
Atmete aus dumpfen Qualen,
Atmete dies Herz empor ...
Dankbar will ich das nun singen:
Wie die Wiese lag im Glanz
Und du gingst am Rand im Schatten,
Und dein Gehn war Klang und Tanz –
Wie auf Wolken du gefahren,
Deren Weg dein Hauch gebeut,
Wie du in den hohen Himmel
Weiße Rosen hingestreut –
Wie du aus des Nußbaums Wipfel
Durchs Gezweige sahst herab –
Wie du rote Blüte gossest
Über ein versunknes Grab –
Wie im Wald am schwarzen Stamme
Stumm du standest, schwertbereit,
Als ein sonnenblanker Ritter
Aus verklung’ner Heldenzeit -
Wie du alle Glocken schwangest
Zum beglühten Turm des Doms –
Wie du rötlich hingewandelt
Auf der Wellenflur des Stroms,
Oder wie du braun von Wangen
Westlich schrittest durch das Feld
Und mit einer Amsel Tönen
Leis’ erweckt die Sternenwelt ...
Hoher, ehe du entwandelst
In den Saal „Vergangenheit“,
Nimm mit dir wie Hauch der Felder
Diesen Hauch der Dankbarkeit!
Wo gestorb’ne Sommer wandeln
Hinter nachtumraunten Höhn,
Wo nur Schatten dich umschweigen,
Soll er singend mit dir gehn.
William Heath Robinson, It was a typical Greenland summer night
William Heath Robinson (1872-1944) war ein britischer Karikaturist, Illustrator, Schriftsteller und Bühnenbildner.Bekannt wurde er durch seine komischen Zeichnungen von Maschinen, deren
Kompliziertheit in keinem Verhältnis zu ihrem banalen Nutzen steht.