Richard Dehmel 1863-1920
Klarer Tag
Der Himmel leuchtet aus dem Meer;
ich geh und leuchte still wie er.
Und viele Menschen gehn wie ich,
sie leuchten alle still für sich.
Zuweilen scheint nur Licht zu gehn
und durch die Stille hinzuwehn.
Ein Lüftchen haucht den Strand entlang:
o wundervoller Müßiggang.
Christian Morgenstern 1871-1914
Am Meer
Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern,
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.
Keine Frage
von Menschenlippen
fordert Antwort.
Keine Rede
noch Gegenrede
macht dich gemein.
Nur mit Himmel und Erde
hältst du
einsame Zwiesprach.
Und am liebsten
befreist du
dein stilles Glück.
dein stilles Weh
in wortlosen Liedern.
Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.
Anton Renk 1871-1906
Ewigkeiten
Es spielen blonde Kinder an dem Meer,
die blauen Blicke leise zu mir gleiten,
die blauen Wogen schenken Muscheln her,
wenn sie zurück vom Meeresstrande schreiten.
Es schenkt das Kind – was eine Unschuld gibt:
den Dankesblick, der Gott und Erde liebt.
Ich sehe Gott im Kinderaugenglanz,
ich höre ihn in stetem Wogenrauschen,
und jetzt erst fasse ich sein Wunder ganz:
Ich sehe Ewigkeiten Schätze tauschen!
und jene Frage ist für mich vorbei,
in welcher Ewigkeit er größer sei.
Jakob Bosshart 1862-1924
Flügel
Auf den Wellen treibt ein Segel,
Weiß ragt's auf dem dunkeln Kahn,
Hoch darüber kreisen Vögel,
Silbermöven, himmelan.
Kreisen. Und es lockt ihr Schweben:
»Selig, wer den Flug erkor!
Wolle nur die Flügel heben,
Und sie schwingen dich empor!
Wie magst du die Nied'rung pflügen,
Wann der Äther blau sich türmt,
Und der Drang in dir zum Fliegen
Wie in unsern Herzen stürmt?«
Unten lenkt sein Flutgeleise
Schon der Nachen an den Strand,
Zieht das Segel ein, und leise
Ächzend stößt er auf den Sand.
Cäsar Flaischlen 1864-1920
Das Meer
So hab ich das Meer gern:
weit offen, wie ein Spiegel,
und zum Horizont in hängende Wolken sich verrinnend ...
die Sonne hinter feinen leisen Schleiern
und Luft und See in blaßblau-lichtem Schein und Schiller ...
schwermütig ernst und lachend heiter,
zutraulich lieb und unnahbar,
in unbekümmert freier Größe und nie entweihter Ewigkeit ...
lautlos ...
in unlotbaren Tiefen die Wunder hütend seiner Gotteskraft ...
und Strand entlang mit frohen Wellen spielend
schwermütig ernst und lachend heiter,
den Menschenkindern, die da stehen, das kleine Herz voll großer Sehnsucht, bunte Köstlichkeiten vor die Füße tragend ...
So ... sei! ... So ... schaffe!
Conrad Ferdinand Meyer 1825-1898
Zwei Segel
Zwei Segel erhellend
Die tiefblaue Bucht!
Zwei Segel sich schwellend
Zur ruhiger Flucht!
Wie eins in den Winden
Sich wölbt und bewegt,
Wird auch das Empfinden
Des anderen erregt.
Begehrt eins zu hasten,
Das andre geht schnell,
Verlangt eins zu rasten,
Ruht auch sein Gesell.
Gustav Falke 1853-1916
Strandidyll
Auf dem Rücken im warmen Sand
Nie ein schöneres Lager ich fand.
Murmelnde, kichernde Wellen zu Füßen,
Oben im Wind ein Lispeln und Grüßen
Schwankender Halme und leises Gesumm
Sammelnder Bienen, sonst Stille ringsum.
Ja, ringsum!
Nur selten, bald ferne, bald nahebei
Ein Möwenschrei.
Durch das halbgeöffnete Lid
Blinzelt das Auge hinüber zum Ried.
Blendendes, zitterndes Sonnengegleiße;
Schmetterlingsspiele. Blaue und weiße
Kinder der Stunde. Nun löst aus der Schar
Sich ein bläulich geflügeltes Paar,
Liebespaar!
Das schaukelt und gaukelt und flügelt und giebt
Sich sehr verliebt.
Plötzlich, ei fällt denn der Himmel ein?
Weitet sich, breitet sich bläulicher Schein.
Lässt sich das zärtliche Pärchen nieder
Frech mir gerad' auf die Augenlider?
Aber schon merk' ich's am salzigen Geruch,
Und schon fühl' ich's am derben Tuch,
Schürzentuch,
Und hör es am Lachen, die Grete, die Katz,
Beschlich ihren Schatz.
Seit an Seit und Hand in Hand,
Schäferstündchen am stillen Strand.
Schmeichelnder Wind und schäkernde Wellen;
Faltergeschwirr im zitternden, hellen
Sonnengeflirr überm Dünenhang;
Irgendwoher ein verwehter Klang,
Glockenklang,
Und Hundegebell und das klägliche Muh
Einer einsamen Kuh.
Conrad Ferdinand Meyer 1825-1898
Möwenflug
Möwen sah um einen Felsen kreisen
Ich in unermüdlich gleichen Gleisen,
Auf gespannter Schwinge schweben bleibend,
Eine schimmernd weiße Bahn beschreibend,
Und zugleich im grünen Meeresspiegel
Sah ich um dieselben Felsenspitzen
Eine helle Jagd gestreckter Flügel
Unermüdlich durch die Tiefe blitzen.
Und der Spiegel hatte solche Klarheit,
Daß sich anders nicht die Flügel hoben
Tief im Meer, als hoch in Lüften oben,
Daß sich völlig glichen Trug und Wahrheit.
Allgemach beschlich es mich wie Grauen,
Schein und Wesen so verwandt zu schauen,
Und ich fragte mich, am Strand verharrend,
Ins gespenstische Geflatter starrend:
Und du selber? Bist du echt beflügelt?
Oder nur gemalt und abgespiegelt?
Gaukelst du im Kreis mit Fabeldingen?
Oder hast du Blut in deinen Schwingen?
(Späte Fassung, 1883)
Novalis 1772-1801
Auf Freunde herunter das heiße Gewand
Und tauchet in kühlende Flut
Die Glieder, die matt von der Sonne gebrannt,
Und holet von neuem euch Mut.
Die Hitze erschlaffet, macht träge uns nur,
Nicht munter und tätig und frisch,
Doch Leben gibt uns und der ganzen Natur
Die Quelle im kühlen Gebüsch.
Vielleicht daß sich hier auch ein Mädchen gekühlt
Mit rosichten Wangen und Mund,
Am niedlichen Leibe dies Wellchen gespielt,
Am Busen so weiß und so rund.
Und welches Entzücken! dies Wellchen bespült
Auch meine entkleidete Brust.
O! wahrlich, wer diesen Gedanken nur fühlt,
Hat süße entzückende Lust.
Christian Morgenstern 1871-1914
Es war ein solcher Vormittag
Es war ein solcher Vormittag,
wo man die Fische singen hörte,
kein Lüftchen lief, kein Stimmchen störte,
kein Wellchen wölbte sich zum Schlag.
Nur sie, die Fische, brachen leis
der weit und breiten Stille Siegel
und sangen millionenweis'
dicht unter dem durchsonnten Spiegel.
Dämmernd liegt der Sommerabend
Über Wald und grünen Wiesen;
Goldner Mond, im blauen Himmel,
Strahlt herunter, duftig labend.
Hermann Ludwig Allmers 1821-1902
Strandlust
Gern bin ich allein an des Meeres Strand,
Wenn der Sturmwind heult und die See geht hohl,
Wenn die Wogen mit Macht rollen zu Land,
O wie wird mir so kühn und so wonnig und wohl!
Die segelnde Möwe, sie ruft ihren Gruß
Hoch oben aus jagenden Wolken herab;
Die schäumende Woge, sie leckt meinen Fuß,
Als wüßten sie beide, wie gern ich sie hab'.
Und der Sturm, der lustig das Haar mir zaust,
Und die Möw' und die Wolke, die droben zieht,
Und das Meer, das da vor mir brandet und braust,
Sie lehren mich alle manch herrliches Lied.
Doch des Lebens erbärmlicher Sorgendrang,
O wie sinkt er zurück, wie vergess' ich ihn,
Wenn die Wogenmusik und der Sturmgesang
Durch das hoch aufschauernde Herz mir ziehn!
Else Galen-Gube 1869-1922
Fern
Fern vom Strand, wenn an den Felsenklippen
scheidend, glühend-rot der Tag verglomm,
hauchen in die Dämmrung meine Lippen
still verträumt ein sehnsuchtszittern: "Komm!"
Meine Blicke, die noch tränenfeuchten,
streifen hoffnungslos den öden Strand.
Stille rings! Die See, vom Meeresleuchten
überflutet, trägt ihr Prachtgewand.
Sinnend weil ich in dem Zauberlande,
bis der Vollmund küßt die schwüle Nacht,
träum, ich ruht in deinem Arm am Strande,
wachgeküßt von deiner Liebesmacht.
Heinrich Heine 1797-1856
Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang.
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.
Friederike Kempner 1828-1904
Das Meer
Grüß’ mir das Meer,
Silberne Wellen
Rauschen und schwellen,
Schön ist das Meer!
Grüß’ mir das Meer,
Golden es schäumt’,
Ob es auch träumet?
Tief ist das Meer.
Grüß’ mir das Meer,
Glücklich es scheinet
Ströme es weinet,
Groß ist das Meer.
Achim von Arnim 1781-1831
Auf der Erde ist es schwül
Auf der Erde ist es schwül,
In den Wassern ist es kühl,
Sonne, Mond und alle Sterne
Stürzen sich hinein so gerne,
Denn im Wasser wird's so klar,
Wie's auf Erden traurig war.
Ruhig schlaft ihr bei uns ein
In der Wasser grünem Schein,
Höret keine Kinder schrein,
Fühlet keine Liebespein,
Liebet ohne Eifersucht,
Findet alles, was ihr sucht.
Was verloren in dem Meer,
Stehet da im Haus umher,
Alter Zeiten Schätz und Kunst
Brauchet ihr durch unsre Gunst,
Jeder Sturm bringt neue Gäst'
Zu dem ew'gen Freudenfest.
Wenn wir tanzen in dem Kreis,
Wirbelt sich die Welle weiß,
Wenn wir unten lustig sind,
Stürmet über uns der Wind,
Stürmt in unsrer Haare Glanz,
Und das kühlet in dem Tanz.
Ernst Goll 1887-1912
Meine Sehnsucht…
Meine Sehnsucht ist ein dunkles Boot,
Löst vom Strande sich im Abendrot.
Deine Schönheit ist ein weißer Schwan,
Mondenschimmer ruht auf seiner Bahn.
Einmal findet auf der Hohen Flut
Boot zu Schwan. – Und dann ist alles gut….
Joseph Victor von Scheffel 1826-1886
Eine traurige Geschichte
Ein Hering liebt' eine Auster
Im kühlen Meeresgrund;
Es war sein Dichten und Trachten
Ein Kuß von ihren Mund.
Die Auster, die war spröde,
Sie blieb in ihrem Haus;
Ob der Hering sang und seufzte,
Sie schaute nicht heraus.
Nur eines Tags erschloß sie
Ihr duftig Schalenpaar;
Sie wollte im Meeresspiegel
Beschauen ihr Antlitz klar.
Schnell kam der Hering geschwommen,
Streckt seinen Kopf herein
Und dacht' an einem Kusse
In Ehren sich zu freun!
O Harung, armer Harung,
Wie schwer bist du blamiert!
- Sie schloß in Wut die Schalen,
Da war er guillotiniert.
Jetzt schwamm sein toter Leichnam
Wehmütig im grünen Meer
Und dachte: "In meinem Leben
Lieb' ich keine Auster mehr!"
Hertha Kräftner 1928-1951
Im Strandbad legte ihr Geliebter
die nackten Füße in den Sand.
Auf seinen Zehen wuchsen blonde Haare ...
Da träumt sie gelb und braun von Mexiko,
von blonden Stacheln in Kakteen,
sie träumte schwer von Rotwein
und von Ziegenkäse,
ein Eingeborner rannte hinter ihr,
sie schrie,
er drohte ihr mit nackten Zehen ...
Sie wachte auf, als ihr Geliebter
seine Füße anders in den Sand hinlegte,
anders, wie zwei fremde Stücke,
die sie nie gesehen.
O daß sie niemals in den langen Jahren
von seinen Füßen etwas wußte!
Und langsam wurde er ihr fremd
mit seinen fremden Zehen,
und sie weinte um die langen Jahre,
um jene Mund an Mund vertanen Jahre.
Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832
Meeresstille
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.
Heinrich Heine 1797-1856
Auf den Wolken ruht der Mond,
Eine Riesenpomeranze,
Überstrahlt das graue Meer,
Breiten Streifs, mit goldnem Glanze.
Einsam wandl ich an dem Strand,
Wo die weißen Wellen brechen,
Und ich hör viel süßes Wort,
Süßes Wort im Wasser sprechen.
Ach, die Nacht ist gar zu lang,
Und mein Herz kann nicht mehr schweigen –
Schöne Nixen, kommt hervor,
Tanzt und singt den Zauberreigen!
Nehmt mein Haupt in euren Schoß,
Leib und Seel sei hingegeben!
Singt mich tot und herzt mich tot,
Küßt mir aus der Brust das Leben!
Paul Heyse 1830-1914
Mittagsruhe
Goldner Nebelsonnenduft
Überhaucht Gebirg und Flur.
Droben steht ein Wölkchen nur
In der windstill reinen Luft.
Auf dem See ein Fischerkahn
Mit den Segeln gelb und blau,
Drauf gemalt die Himmelsfrau,
Zieht wie träumend seine Bahn.
Rings kein Laut der wachen Welt
Um des Monte Baldo Thron,
Gleich als wüßten's alle schon,
Daß der Alte Siesta hält.
Leis am Ufer gluckst die Flut;
Auch der Kummer, der zur Nacht
Mich um meinen Schlaf gebracht,
Hält den Atem an und ruht.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Segelschiffe
Sie haben das mächtige Meer unterm Bauch
Und über sich Wolken und Sterne.
Sie lassen sich fahren vom himmlischen Hauch
Mit Herrenblick in die Ferne.
Sie schaukeln kokett in des Schicksals Hand
Wie trunkene Schmetterlinge.
Aber sie tragen von Land zu Land
Fürsorglich wertvolle Dinge.
Wie das im Winde liegt und sich wiegt,
Tauweb überspannt durch die Wogen,
Da ist eine Kunst, die friedlich siegt
Und ihr Fleiß ist nicht verlogen.
Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. –
Natur gewordene Planken
Sind Segelschiffe. – Ihr Anblick erhellt
Und weitet unsre Gedanken.
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Lied vom Meer
Capri. Piccola Marina
Uraltes Wehn vom Meer,
Meerwind bei Nacht:
du kommst zu keinem her;
wenn einer wacht,
so muss er sehn, wie er
dich übersteht:
uraltes Wehn vom Meer
welches weht
nur wie für Ur-Gestein,
lauter Raum
reißend von weit herein...
O wie fühlt dich ein
treibender Feigenbaum
oben im Mondschein.
Johann Gaudenz von Salis-Seewis 1762-1834
Lied zu singen bei einer Wasserfahrt
Wir ruhen vom Wasser gewiegt,
Im Kreise vertraulich und enge;
Durch Eintracht wie Blumengehänge
Verknüpft und in Reihen gefügt:
Uns sondert von lästiger Menge
Die Flut, die den Nachen umschmiegt.
So gleiten, im Raume vereint,
Wir auf der Vergänglichkeit Wellen,
Wo Freunde sich innig gesellen
Zum Freunde, der redlich es meint!
Getrost, weil die dunkelsten Stellen
Ein Glanz aus der Höhe bescheint.
Ach! trüg’ uns die fährliche Flut
Des Lebens so friedlich und leise!
O drohte nie Trennung dem Kreise,
Der sorglos um Zukunft hier ruht!
O nähm’ uns am Ziele der Reise
Elysiums Busen in Hut!
Verhallen mag unser Gesang,
Wie Flötenhauch schwinden das Leben;
Mit Jubel und Seufzern verschweben
Des Daseyns zerfließender Klang!
Der Geist wird verklärt sich erheben,
Wenn Lethe sein Fahrzeug verschlang.
Theodor Storm 1817-1888
Meeresstrand
Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmerung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.
Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.
Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.
Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Oft fühl ich in scheuen Schauern,
wie tief ich im Leben bin.
Die Worte sind nur die Mauern.
Dahinter in immer blauern
Bergen schimmert ihr Sinn.
Ich weiß von keinem die Marken,
aber ich lausch in sein Land.
Hör an den Hängen die Harken
und das Baden der Barken
und die Stille am Strand.
Rudolf Presber 1868-1935
Abend am Meer
Tief im Schlummer Land und Meer,
Ohne Sturmgelüste -
Blinkend grüßt der Leuchtturm her
Von der schwedischen Küste.
Weiße Segel, Möwen gleich,
Die die Schwingen breiten,
Lautlos durch das Wunderreich
Dieses Schweigens gleiten.
Schwankend Lichtchen hoch am Mast
Weist den Weg, den feuchten;
Menschenfracht und Güterlast
Ruhn in seinem Leuchten.
Frei von Sorge, Qual und Neid,
Späht mein Blick hinüber.
Wie viel Glück und wie viel Leid
Gleitet da vorüber!
Wie viel banges Hoffen mag
Sanft die Segel blähen:
Wird der Sturm am jungen Tag
Diese Masten mähen?
Wie viel Seelen fremder Art
Still ins Schicksal wallen ...
Sanftes Meer und gute Fahrt
Wünsch' ich allen - allen!
Karl Rudolf Tanner 1794-1849
Wellengespräch
Eine Welle sagt zu andern:
Ach! wie rasch ist dieses Wandern!
Und die zweite sagt zur dritten:
Kurz gelebt ist kurz gelitten!