Ludwig Thoma 1867-1921
Eröffnungshymne
Was ist schwärzer als die Kohle?
Als die Tinte? Als der Ruß?
Schwärzer noch als Rab' und Dohle
Und des Negers Vorderfuß?
Sag mir doch, wer dieses kennt!
— Bayerns neues Parlament.
Und wo sind die dicksten Köpfe?
Dicke Köpfe gibt es viel,
Denken wir nur an Geschöpfe
Wie Rhinozeross' im Nil.
Dick're hat — o Sakrament!
— Bayerns neues Parlament.
Wer ist frömmer als die Taube?
Als die milchgefüllte Kuh?
Als der Kapuzinerglaube
Und das fromme Lamm dazu?
Frömmer ist das Regiment
In dem neuen Parlament.
Und was ist das Allerdümmste?
Schon noch dümmer als wie dumm?
Sagt mir gleich das Allerschlimmste,
Aber ratet nicht herum!
Sag' mir endlich, wer es kennt!
Himmelherrgottsakrament!!
Friedrich Theodor Vischer 1807-1887
Anwendbar
Ein weich verpackter,
Ein fein befrackter,
Nicht sehr intakter
Charakter.
Den Vers, den hab' ich im Vorrath gemacht,
Ganz ohne Objekt; ich hab' halt gedacht:
Ich mach' ihn einmal, er wird schon passen,
Man kann ihn brauchen in allen Gassen.
Drei Schnaderhüpferl
Da Pfärra macht d' Predi,
Da Metzga dö Wurst,
Da Glaub'n macht seli
Und da Haring an Durst.
Für d' Flöh gibt's a Pulva,
Für d' Schuach gibt's a Wix,
Für 'n Durst gibt's a Wasserl,
Für dö Dummheit gibts nix.
Es ist schon mein Lebta
so dumm auf der Welt,
Dieselln, die stoareich san,
die ham's mehra Geld.
Kurt Tucholsky 1890-1935
Trunkenes Lied
Der Igel sprach zum Oberkellner:
»Bedienen Sie mich ein bißchen schnellner!
Suppe – Gemüse – Rostbeaf – und Wein!
Ich muß in den Deutschen Reichs-Igel-Verein!«
Da sprach der Oberkellner zum Igel:
»Ich hab so ein komisches Gefiegel –
ich bediene sonst gerne, prompt und coulant,
aber ich muß in den Oberkellner-Verband!«
Der Igel saß stumm, ohne zu acheln,
und sträubte träumerisch seine Stacheln –
Messer und Gabel rollten über die Decke.
Sie rollten zum Reichsverband Deutscher Bestecke.
Des wunderte der Igel sich.
Er ging in ›Für Herren‹ züchtiglich;
doch der Alte, der dort reine macht,
war auf der Deutschen Klosettmänner-Nacht.
Ein Rauschen ging durch des Igels Stoppeln –
er tät bedrippt nach Hause hoppeln
und sprach unterwegs
(und aß einen Keks):
»Ich wohne gern. Aber seit ich in Deutschland wohne,
ist mein igeliges Leben gar nicht ohne.
Sie sind stolz, weil sie sich in Gruppen mühn –
doch sie sind nur gestörte Individühn.
Menschen? Mitglieder sind diese Leute.
Unsern täglichen Verband gib uns heute!
Amen.«
(sagte der Igel).
Kurt Schwitters 1887-1948
Kaffeeklatsch
Frau Müller, Frau Meier, Frau Schulze, Frau Schmidt,
Die saßen zusammen beim Kaffee zu dritt.
Die vierte war nämlich zu Hause,
Sie hatte Kaffeeklatschpause.
Die anderen aber berieten zu zwein,
Wer von den vieren die dritte sollt sein,
Und kamen in hitzigem Rate
Zu keinerlei Schlussresultate.
Vermischtes
Um Menschen kennenzulernen,
muß man mit ihnen umgehen;
aber sie zu achten,
muß man sie meiden.
*
Mit der Wahrheit kommt man weit,
sagt das Sprichwort.
Ja, weil man überall fortgeschickt wird.
*
Die Narren reden die Wahrheit;
ein kluger Mensch wird nicht so ein Narr sein,
und die Wahrheit reden.
Moritz Gottlieb Saphir, 1795-1858
*
Der Mensch kommt aus dem Staub,
kämpft siebzig Jahre gegen den Staub
und macht sich endlich aus dem Staub,
um sich selbst zu Staub zu machen.
*
Wenn der Mensch in einem gewissen Alter
alle seine Liebesbriefe lesen würde,
bliebe es ihm unbegreiflich,
wie in ein Wesen von fünf Fuß Höhe
eine ganze Bibliothek
von Dummheiten geraten konnte.
*
Zu Michaeli und Georgi steigen die Hausbesitzer
bis ins letzte Stockwerk empor,
um die Miete zu kassieren.
Dann kommen sie dem Wunsch der Hausbewohner nach
und gehen mit der Miete herunter.
Christian Morgenstern 1871-1914
Historische Bildung
oder
Die verfolgte Weltgeschichte
Es sitzt ein Fräulein auf dem Altan
und liest eine Nachricht aus Ispahan.
Sie liest von einer Rebellion, -
bewegt, so hebt und sinkt ihr Ton.
Drauf liest sie eine Nachricht aus Fes
(ein Wagen rollt vorbei indess).
Drauf liest sie was aus Engelland,
die andre Dame horcht gespannt.
Dann liest die andre Dame vor;
die erste lauscht jetzt, völlig Ohr.
So lesen Tante sich und Nichte
abwechselnd vor – die Weltgeschichte.
Und folgen ihr mit strengem Blick
und äußern Beifall und Kritik.
Und bilden sich auf diese Art;
(denn "Bildung" ist des Weibes Bart).
Und legen dann das Tagblatt fort,
verzeihen hier und richten dort.
Die "Weltgeschichte" tritt voll Pein
von einem Bein aufs andre Bein.
Vermischtes
Häßlichkeit entstellet immer
Selbst das schönste Frauenzimmer.
(aus: Commersbuch für den deutschen Studenten)
*
Von der Wiege bis zur Bahre
sind die schönsten Lebensjahre.
(aus: Fliegende Blätter 86 -1887)
*
»Denken Sie sich,
in Heidelberg traf ich einmal einen Mohren,
der war so schwarz,
daß man ein Licht anzünden mußte,
um ihn zu sehen.«
*
»Und ich hab in Mannheim neulich einen Herrn gesehen,
der war so mager,
daß er zweimal ins Zimmer treten mußte,
um überhaupt gesehen zu werden.«
(aus: Fliegende Blätter 79 - 1883)
*
Der David und der Salomo
das waren arge Sünder,
sie trieben weidlich sich herum
und hatten viele Kinder.
Doch als sie nicht mehr konnten so,
von wegen hohen Alters,
schrieb seine Sprüche Salomo
und David seine Psalters.
Volksmund
*
"Zeit ist Geld", sagt der Ober und addierte das Datum mit.
(aus: Gebärde, Metapher, Parodie)
*
"Aha", sagte der König, und so war es auch.
(aus: Gebärde, Metapher, Parodie)
*
Der Spanier lebt in fernen Zonen
für die, die weitab davon Wohnen.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
*
Mehr nach links,
sprach die Sphinx,
und dann ging's.
Heinrich Seidel 1842-1906
Die schlimmste Sorte
Eine Sorte von Menschen macht gleich mich verstummen,
Das sind die superklugen Dummen.
Da hilft nur das: Sie schweigend zu tragen
Oder sie einfach niederzuschlagen.
*
Das Huhn und der Karpfen
Auf einer Meierei
Da war einmal ein braves Huhn,
Das legte, wie die Hühner tun,
An jedem Tag ein Ei
Und kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob's ein Wunder sei!
Es war ein Teich dabei,
Darin ein braver Karpfen saß
Und stillvergnügt sein Futter fraß,
Der hörte das Geschrei:
Wie's kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob's ein Wunder sei!
Da sprach der Karpfen: "Ei!
Alljährlich leg' ich 'ne Million
Und rühm' mich des mit keinem Ton;
Wenn ich um jedes Ei
So kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte –
Was gäb's für ein Geschrei!"
*
Vom Hering
Der Hering ist ein salzig Tier,
er kommt an vielen Orten für.
Wer Kopf und Schwanz kriegt, hat kein Glück.
Am besten ist das Mittelstück.
Es gibt auch eine saure Art,
in Essig wird sie aufbewahrt.
Geräuchert ist er alle Zeit
ein Tier von großer Höflichkeit.
Wer niemals einen Hering aß,
wer nie durch ihn von Qual genas,
wenn er mit Höllenpein erwacht,
der kennt nicht seine Zaubermacht!
Drum preiset ihn zu jeder Zeit,
der sich der Menschheit Wohl geweiht,
der heilet, was uns elend macht,
dem Hering sei ein Hoch gebracht!
Ein paar Klapphornverse
Zwei Knaben gaben sich 'n Kuß,
Der eine, der hieß Julius.
Der andre, der hieß Gretchen,
Ich glaub, das war ein Mädchen.
*
Zwei Knaben gingen in den Busch,
da hört der eine einen Schuß.
Der andere hört keinen,
so blieb es bei dem einen.
*
Zwei Knaben fingen ein Eidachsel,
Der wo es gfang'n hat, der hieß Maxel,
Der andre packte es beim Schwanzel
Und dieser Knabe, der hieß ....... Gabriel.
*
Zwei Knaben gingen durch das Korn,
Sie gingen alle beiden vorn,
Doch keiner in der Mitte,
Man sieht, es fehlt der dritte.
*
Zwei Knaben gingen durch das Korn,
Der zweite hat sein'n Hut verlorn,
Der erste tät ihn finden,
Ging er statt vorne hinten.
*
Ein Kätzlein sagte zu dem andern,
Ich glaube schon ans Seelenwandern,
Das andre sprach, du hasts erraten,
Morgen sind wir vielleicht Hasenbraten.
*
Zwei Knaben gingen an den Strand,
Der andre eine Muschel fand.
Der eene, der fand keene:
Das macht zusammen eene.
*
Zwei Nasen ragten aus dem Sumpf,
Die eine spitz, die andre stumpf,
Daraus ersieht ein jedes Kind,
Daß zwei da reingefallen sind.
*
In Hitz und Staub mit müdem Gang
Ziehn ihres Weges zwei Wand'rer.
Und einer sitzt beim kühlen Trank -
Doch dieses ist ein and'rer.
*
Zwei Knaben gingen durch das Korn,
der andere blies das Klappenhorn,
Er konnt' es zwar nicht ordentlich blasen,
Doch blies er's wenigstens einigermaßen.
Erich Mühsam 1874-1934
Geschüttelter Schleifenreim
Das war das schöne Fräulein Liebetraut,
Das an den Folgen einer Traube litt.
Da wurden ihr im Magen Triebe laut,
Worauf sie schnell in eine Laube tritt.
Georg Bötticher 1849-1918
Eine Ehe
Sie konnten sich nie leiden
Und wurden doch ein Paar.
Sie dachten täglich ans Scheiden
Durch fünfundzwanzig Jahr.
Sie haßt ihn, der nicht minder
Von Schmähungen über sie strotzt.
Und beide haben neun Kinder
Einander abgetrotzt.
Georg Böttischer war der Vater von Joachim Ringelnatz
Kurt Schwitters 1887-1948
Kaffeeklatsch
Frau Müller, Frau Meier, Frau Schulze, Frau Schmidt,
Die saßen zusammen beim Kaffee zu dritt.
Die vierte war nämlich zu Hause,
Sie hatte Kaffeeklatschpause.
Die anderen aber berieten zu zwein,
Wer von den vieren die dritte sollt sein,
Und kamen in hitzigem Rate
Zu keinerlei Schlussresultate.
Edwin Bormann 1851-1912
Wortspielerei zur Erheiterung bei
anhaltendem Regenwetter
Ein schauerlicher Localregen.
Ein localer Schauerregen.
Ein regnerisches Schauerlocal.
Ein schauerliches Regenlocal.
Ein regnerischer Localschauer.
Ein localer Regenschauer.
Adelbert von Chamisso 1781-1838
Kanon
Das ist die Not der schweren Zeit!
Das ist die schwere Zeit der Not!
Das ist die schwere Not der Zeit!
Das ist die Zeit der schweren Not!
Christian Morgenstern 1871-1914
Auf dem Fliegenplaneten
Auf dem Fliegenplaneten,
da geht es dem Menschen nicht gut:
denn was er hier der Fliege,
die Fliege ihm dort tut.
An Bändern voll Honig kleben
die Menschen dort allesamt,
und andre sind zum Verleben
in süßliches Bier verdammt.
In Einem nur scheinen die Fliegen
dem Menschen vorauszustehn:
Man bäckt uns nicht in Semmeln,
noch trinkt man uns aus Versehn.
*
Der Leu
Auf einem Wandkalenderblatt
ein Leu sich abgebildet hat.
Er blickt dich an, bewegt und still,
den ganzen 17. April.
Wodurch er zu erinnern liebt,
daß es ihn immerhin noch gibt.
*
Das Huhn
In der Bahnhofshalle, nicht für es gebaut,
geht ein Huhn
hin und her …
Wo, wo ist der Herr Stationsvorsteher?
Wird dem Huhn
man nichts tun?
Hoffen wir es! Sagen wir es laut:
daß ihm unsre Sympathie gehört,
selbst an dieser Stätte wo es – ›stört‹!
Christian Morgenstern 1871-1914
Palmströms Uhr
Palmströms Uhr ist andrer Art,
reagiert mimosisch zart.
Wer sie bittet, wird empfangen.
Oft schon ist sie so gegangen,
wie man herzlich sie gebeten,
ist zurück – und vorgetreten,
eine Stunde, zwei, drei Stunden,
je nachdem sie mitempfunden.
Selbst als Uhr, mit ihren Zeiten,
will sie nicht Prinzipien reiten:
Zwar ein Werk, wie allerwärts,
doch zugleich ein Werk – mit Herz.
*
Palma Kunkels Papagei
Palma Kunkels Papagei
spekuliert nicht auf Applaus:
niemals, was auch immer sei,
spricht er seine Wörter aus.
Deren Zahl ist ohne Zahl:
denn er ist das klügste Tier,
das man je zum Kauf empfahl,
und der Zucht vollkommne Zier.
Doch indem er streng dich mißt,
scheint sein Zungenglied verdorrt:
gleichviel, wer du immer bist,
er verrät dir nicht ein Wort.
*
Herr Meier hält sich für das Maß der Welt
Herr Meier hält sich für das Maß der Welt.
Verständlich ist allein, was ihm erhellt.
Herr Meier sagt, wozu doch eure Kunst,
wenn nicht für mich! Sonst ist sie eitel Dunst.
Noch mehr, bei weitem mehr: Herr Meier meint,
dass dann die Kunst im Grunde sträflich scheint.
Man muss sich eiligst von Herrn Meier wenden,
um nicht mit Mord und Raserei zu enden.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.
So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.
*
Es trafen sich von ungefähr
Ein Wolf, ein Mensch, sowie ein Bär,
Und weil sie lange nichts gegessen,
So haben sie sich aufgefressen.
Der Wolf den Menschen, der den Bär,
Der Bär den Wolf. – Es schmeckte sehr
Und blieb nichts übrig als ein Tuch,
Drei Haare und ein Wörterbuch.
Das war der Nachlaß dieser drei.
Der eine Mensch, der hieß Karl May.
*
Die Feder
Ein Federchen flog über Land;
Ein Nilpferd schlummerte im Sand.
Die Feder sprach: "Ich will es wecken";
Sie liebte, andere zu necken.
Aufs Nilpferd setzte sich die Feder
Und streichelte sein dickes Leder.
Das Nilpferd öffnete den Rachen
Und mußte ungeheuer lachen.
Wilhelm Busch 1832-1908
Es ist halt schön
Es ist halt schön,
Wenn wir die Freunde kommen sehn. -
Schön ist es ferner, wenn sie bleiben
Und sich mit uns die Zeit vertreiben. -
Doch wenn sie schließlich wieder gehn,
Ist's auch recht schön. -
*
Wirklich, er war unentbehrlich!
Überall, wo was geschah
Zu dem Wohle der Gemeinde,
Er war tätig, er war da.
Schützenfest, Kasinobälle,
Pferderennen, Preisgericht,
Liedertafel, Spritzenprobe,
Ohne ihn, da ging es nicht.
Ohne ihn war nichts zu machen,
Keine Stunde hatt' er frei.
Gestern, als sie ihn begruben,
War er richtig auch dabei.
*
Ach, ich fühl es!
Ach, ich fühl es! Keine Tugend
Ist so recht nach meinem Sinn;
Stets befind ich mich am wohlsten,
Wenn ich damit fertig bin.
Dahingegen so ein Laster,
Ja, das macht mir viel Pläsier;
Und ich hab die hübschen Sachen
Lieber vor als hinter mir.
*
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
So hab' ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff' ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.
*
Die erste alte Tante sprach:
»Wir müssen nun auch dran denken,
Was wir zu ihrem Namenstag
Dem guten Sophiechen schenken.«
Drauf sprach die zweite Tante kühn:
»Ich schlage vor, wir entscheiden
Uns für ein Kleid in Erbsengrün,
Das mag Sophiechen nicht leiden.«
Der dritten Tante war das recht:
»Ja«, sprach sie, »mit gelben Ranken!
Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht
Und muß sich auch noch bedanken.«
Aloys Blumauer 1755-1798
Ode auf das Schwein
Heil dir, geborstetes
Ewig geworstetes,
Dutzend geborenes
Niemals geschorenes,
Liebliches Schwein.
Dichter begeisterst du,
Eicheln bemeisterst du,
Alles verzehrest du,
Christen ernährest du,
Gütiges Schwein.
Heil dir drum, ewiges,
Immerfort schäbiges,
Niemals gereinigtes,
Vielfach gebeinigtes,
Liebliches Schwein.
Adelbert von Chamisso 1781-1838
Tragische Geschichte
's war einer, dem's zu Herzen ging,
Daß ihm der Zopf so hinten hing,
Er wollt es anders haben.
So denkt er denn: wie fang ich's an?
Ich dreh mich um, so ist's getan –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Da hat er flink sich umgedreht,
Und wie es stund, es annoch steht –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Da dreht er schnell sich anders 'rum,
's wird aber noch nicht besser drum –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Er dreht sich links, er dreht sich rechts,
Es tut nichts Guts, es tut nichts Schlechts –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Er dreht sich wie ein Kreisel fort,
Es hilft zu nichts, in einem Wort –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Und seht, er dreht sich immer noch,
Und denkt: es hilft am Ende doch –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Schüttelreime
Weil die beiden Moppel dort
Gar so gräßlich zwiegesungen,
Hat durch einen Doppelmord
Man zum Schweigen sie gezwungen.
Harun Dolfs
*
Ein Auto fuhr durch Gossensaß'
und kam in eine Soßengass',
so daß die ganze Gassensoß'
sich über die Insassen goß.
Oskar Blumenthal
*
Die Boxer aus der Meisterklasse
zerschlugen sich zu Kleistermasse,
und aus dem großen Massenkleister
erhob sich dann der Klassenmeister.
(aus: Alles Unsinn)
Christian Morgenstern 1871-1914
Die drei Spatzen
In einem leeren Haselstrauch
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mitten drin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und oben drüber da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen, dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
*
Die zwei Wurzeln
Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt: knig. Die andre sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.
*
Christian Morgenstern 1871-1914
Die Lampe
Es steht eine Lampe am weiten Meer.
Wo kommt denn die Lampe, die Lampe her?
Sie trägt ein Reformhemd aus grünem Tang
und steht auf der Insel Fragnichtlang.
Die Lampe, die Lampe, die Lampe, weh,
sie kommt aus der Werweißwosisee!
Da liegt ein Schiff ganz unten kaputt,
und aus seinen Fenstern schaun Molch und Butt.
Die Wellen, die Wellen, die haben sie geschwemmt?
Jetzt träumt sie, den Fuß auf die Küste gestemmt,
in ihrem Reformkleid aus grünem Tang . . .
Und im Hintergrund, da liegt - Fragnichtlang.
Friedrich Rückert 1788-1866
Grammatische Deutschheit
Neulich deutschten auf deutsch vier deutsche Deutschlinge deutschend,
Sich überdeutschend am Deutsch, welcher der deutscheste sei.
Vier deutschnamig benannt: Deutsch, Deutscherig, Deutscherling, Deutschdich:
Selbst so hatten zu deutsch sie sich die Namen gedeutscht.
Jetzt wettdeutschten sie, deutschend in grammatikalischer Deutschheit,
Deutscheren Komparativ, deutschesten Superlativ.
»Ich bin deutscher als deutsch.«
»Ich deutscherer.«
»Deutschester bin ich.«
»Ich bin der Deutschereste oder der Deutschestere.«
Drauf durch Komparativ und Superlativ fortdeutschend,
Deutschten sie auf bis zum – Deutschesteresteresten,
Bis sie vor komparativistisch- und superlativistischer Deutschung
Den Positiv von deutsch hatten vergessen zuletzt.
Deutsches Volkslied
Wenn der Vater mit dem Sohne
Wenn der Vater mit dem Sohne
Auf dem Zündloch der Kanone
Ohne Sekundanten paukt,
Und die kleinste Kreature
In dem Zentrum der Nature
Thymian zu wittern glaubt
- Dann ade, ade, ade,
Dann ade, ade, ade,
Dann ade Schatz, lebe wohl!
Wenn die Sonn am Firmamente
Mit dem Mond im Viereck rennte
Und ihm treue Liebe schwört,
Und die Menschheit hochbeklommen,
Ob der Dinge, die da kommen,
Tiefe Seufzer fahren hört
Dann ade, ade, ade usw.
Dann ergreift die Hyazinthe,
Ach! voll Wehmut ihre Flinte,
Und der Harung, auch nicht faul,
Nimmt, das Vaterland zu retten,
Nebst zehntausend Bajonetten
Noch ein Trommelfell ins Maul
- Dann ade, ade, usw.
Wenn der Engel mit dem Teufel
Auf dem Schneegebirg der Eifel,
An der Schnapsflasch sich ergötzt,
Und St. Petrus dann im Himmel
Wie ein Erzphilisterlümmel
Hunde auf die Jungfraun hetzt
- Dann ade, ade usw.
Wenn die Mosel mit dem Rheine
In dem finstern Sonnenscheine
Überschwemmt der Tugend Pfad,
Und der Senior der Westfalen
Alle Pümper soll bezahlen,
Die die Krone Englands hat
- Dann ade, ade usw.
Wenn das Meer mit allen Flüssen
Unter Regenwolkengüssen
Sich in Bierstoff umgestalt't,
Und der Vesuv mit der Hölle
Sich zur köderreichen Quelle
Schaffen läßt durch Dampfgewalt
- Dann ade, ade usw.
Wenn das Krokodil mit Freuden
Ob der christkathol'schen Leiden
Ab del Kadern haranguiert,
Und der Floh mit dreien Läusen
Nebst zwei englisierten Mäusen
Der Walhalla Fronten ziert
- Dann ade, ade usw.
Josef Freiherr von Eichendorff 1788-1857
Mandelkerngedicht
Zwischen Akten, dunkeln Wänden
Bannt mich, Freiheitbegehrenden,
Nun des Lebens strenge Pflicht,
Und aus Schränken, Aktenschichten
Lachen mir die beleidigten
Musen in das Amtsgesicht.
Als an Lenz und Morgenröte
Noch das Herz sich erlabete,
O du stilles, heitres Glück!
Wie ich nun auch heiß mich sehne,
Ach, aus dieser Sandebene
Führt kein Weg dahin zurück.
Als der letzte Balkentreter
Steh ich armer Enterbeter
In des Staates Symphonie,
Ach, in diesem Schwall von Tönen
Wo fänd ich da des eigenen
Herzens süße Melodie?
Ein Gedicht soll ich euch spenden:
Nun, so geht mit dem Leidenden
Nicht zu strenge ins Gericht!
Nehmt den Willen für Gewährung,
Kühnen Reim für Begeisterung,
Diesen Unsinn als Gedicht!
Karl Valentin 1882-1948
Ich bin erst kurz beim Fußballkampf gewesen
Ich bin erst kurz beim Fußballkampf gewesen,
dort war es schön und int'ressant,
den Platz hab ich schon irgendwo gesehen,
die Fußball-Mannschaft hab ich nicht gekannt
und als sie Abschied nahmen von den Toren,
das Spiel war aus, sie reichten sich die Hand,
ich hab mein Herz in Heidelberg verloren,
mein Herz das wohnt am Isarstrand.
Ludwig Eichrodt 1827-1892
Akademische Wanderlust
Nach Krakelien, nach Krakelien
Nach dem wein- und kümmelseligen
Wirbelt mich, ihr Göttlichen!
Wo die Pfropfe festlich bollern,
Wo aus klaftertiefen Kellern
Nektar und Ambrosia wehn.
Nach Faulenzien, nach Faulenzien
Möcht ich, das Kolleg zu schwänzigen
Wo selbst der Professor schwänzt,
Wo das Dolce far niente
Langsam fließt, und der Studente
Ruhig wie der Vollmond glänzt.
Nach Schlaraffien, nach Schlaraffien,
Tut mir ein Billet verschaffigen
Für den nächsten Luftballon,
Wo entspringt die Limonaden,
Wo der Ochs ins Maul gebraten
Flieget Adams dümmstem Sohn.
Nach dem Land der ordentlichen
Kerle kam ich gern geschlichen,
Wo kein Mensch mit Größe prunkt,
Wo man jedem lässt das Seine,
Wo man in den Kaffee keine
Mürben Kellerläden tunkt.
In dem weisen Sarastronien
Lasst mich ein- und einmal wohnigen,
Wo der Mensch den Menschen liebt,
Wo in diesen heil'gen Hallen
Rachelos die Menschen fallen,
Denen man als Feind vergibt.
Lasst mich auch zu den Asylen,
Wo die flücht'gen Menschen wühlen,
Die man nach der Decke streckt,
Wo man traulich sitzt im Kneipchen,
Wo der N. N. mit dem Weibchen
Fürchterlichen Unsinn heckt.
Nach Blamagien, nach Blamagien
Eil' ich redend von Kouragien,
Wo man höflicher denn kühn,
Wo die Leute ganz entsetzlich
Renommieren, aber plötzlich
Sich ums Gegenteil bemühn.
Nach Karabatschien, nach Karabatschien
Streb' ich, über Witschiwatschien,
Wo der Farra watla thront,
Wo die Bastonade schallet,
Wo der Bambus lieblich hallet
Und die Feige saftig lohnt.
Nach Randalien, nach Randalien
Lasset mich zu den Skandalien,
Wo es losgeht Schlag auf Schlag,
Wo Mensuren und Affären
Die Situationen klären
Und es knallet Tag für Tag.
Sondern auch nach Lilipuzien,
Nach dem lieben kleinen putzigen,
Pilgr' ich dann durchs Jammertal,
Wo die Mücken Elefanten,
Größen nur die unbekannten,
Wo es ist wie überall.
Nach dem hohen Idealien
Wollt' ich wallen mit Amalien,
Wo der Sturm des Jammers schweigt,
Wo die reinen Formen wohnen,
Wo von ihren Weltenthronen
Die gewollte Gottheit steigt.
Nach Myriadien, nach Myriadien
Schleudert mich, ihr Schicksalsradien,
Wo der Sirius eisig glüht,
Wo der Unsinn grausam gipfelt,
Wo die Wurst gen Himmel zipfelt,
Und die Welt benebelt flieht.
Fred Endrikat 1890-1942
Sprichwörter
Man darf dem Tag nicht vor dem Abend dankbar sein
und soll das Schicksal nicht für alles loben.
Ein Gutes kommt niemals allein,
und alles Unglück kommt von oben.
Die Peitsche liegt im Weine.
Die Wahrheit liegt beim Hund.
Morgenstund hat kurze Beine.
Lügen haben Gold im Mund.
Ein Meister nie alleine bellt.
Vom Himmel fallen keine Hunde.
Dem Glücklichen gehört die Welt.
Dem Mutigen schlägt keine Stunde.
*
Ein Ofen steht einsam und abgehärmt
auf dem Hof in der Sonne, wo er sich wärmt.
Vom Rost verschandelt, mit Ruß beklebt,
so hat er den letzten Frühling erlebt.
Er hat zum Zimmer hinausgemußt,
dieweil er im Winter zu sehr gerußt.
Jetzt geht er bald ein zur ewigen Ruh.
Warte nur, balde rußest auch du!
*
Seufzerfamilie
Ein Seufzer schwebte ganz allein
hoch über einem Birkenhain.
Der Seufzer seufzte tief und schwer:
»O weh, o weh, es quält mich sehr,
daß ich ein männlicher Seufz-er.
Ich wünsche Seelensympathie
mit einer weiblichen Seufz-sie.«
Der Seufzer war so intensiv,
daß er sein Weib ins Leben rief.
Bevor der Mond am Himmel hing,
der Seufz-er die Seufz-sie umfing.
Er herzte sie und küßte sie:
»Du meine einzige Seufz-sie.«
Sie seufzten glücklich alle zwei,
ach, war das eine Seufzerei.
Sie gingen ineinander auf,
und, siehe da – am Morgen drauf
thront auf der Birke als Prinzeß
ein kleines, winziges Seufz-es.
Es tönte lieblich durch den Mai
jetzt die Familienseufzerei
wie ein gefühlsharmonisches
Konzert von Seufz-er, -sie und -es.
So war es – so wird's immer sein:
Ein Seufzer kommt niemals allein.
Peter Hammerschlag 1902-1942
An mich selbst
Ich liebe zärtliche Blondinen
Und läge schrecklich gern auf ihnen.
Sie weigern sich. - Auch die Brünetten
Sind gern allein in ihren Betten.
Die Schwarzen gleichfalls, die ich möchte,
Versagen mir die kleinsten Rechte.
Und auf den Bettchen von die Roten
Steht "Eintritt Hammerschlag verboten".
Mensch, bleibe was Du bist.
Onanist!
Peter Hammerschlag 1902-1942
Der Tierfreund an der Arbeit
Es gibt Menschen, die mit Hunden plaudern,
die vor Laden angebunden sind.
Jeder bess're Hund sieht sie mit Schaudern,
denn in jedem Tierfreund steckt ein Kind.
»Armes Hunderl, so kurz angebunden.«
»Wie Sie sehen«, sagt der Hund voll Groll.
»Na, vertragst dich mit den andem Hunderln?«
»Aber ja, und leben Sie recht wohl!«
»Braves Hunderl, wartet auf das Frauerl.«
»Wie Sie sehen«, sagt der Hund und lächelt nett.
»Frauerl kauft nur Fleischi, Fleischi fürs Wauwauerl.«
Wenn ich jetzt nur keinen Maulkorb hätt'!
»Dir wird wohl die Zeit lang, armes Hunderl?«
»Aber nein, Sie plaudern ja so schon!«
»Na, es dauert nur ein halbes Stunderl.«
Dürfen Menschen ohne Maulkorb geh'n?!
Und nun ist der Mensch im besten Schmeicheln.
»Armes Hunderl, ist dir kalt?«
»Keine Spur.« Und nun will der Mensch das Hunderl streicheln.
Und der Hund sagt in der Regel: »Knurrr!«
Undankbare Viecher sind die Hunde,
denkt der Mensch. Geht weg und ist ganz wild.
Und der Hund seufzt auf aus tiefstem Herzensgrunde:
»Und das nennt sich Gottes Ebenbild!«
Vermischtes
"Das gibt sich alles nach dem Wuchse", sagte der Schneider,
als er den Rockärmel ans Knopfloch genäht hatte.
(aus: Deutscher Volkshumor)
*
"Das ist mein, das ist wieder mein, geht just grad auf",
sagte der Allgäuer, als er die Wurst teilte.
(aus: Wie das Volk spricht)
*
"Du kommst mir grad recht", sagte Adam, als er Eva sah.
(aus: Wie das Volk spricht)
*
"Hunger und Durst kann ich entbehren,
aber meine Ruhe will ich haben", sagte der Pfälzer.
(aus: Wie das Volk spricht)
*
Fällt Juniregen in den Roggen,
so bleibt der Weizen auch nicht trocken.
*
Schmerzt zu Jakobi dich das Bein,
so wird's das rechte oder linke sein.
*
Gefriert's am Silvester zu Berg und Tal,
geschieht's dies Jahr zum letzten Mal.
Ludwig Eichrodt 1827-1892
Wanderwurstig
Nach Kamtschatka, nach Kamtschatka,
Drückt mich lang schon die Krawatka,
Wo der Wendegreis sich narrt;
Wo der Russe endlich endigt,
Wo der Wandrer verelenndigt,
Und der Mutterwitz erstarrt –
Dahin –
Nach Gorillien, nach Gorillien
Thu' das Budget mir verwilligen,
Wo der Waldmensch lebt und leibt;
Wo die Muse, die verirrte,
Mit Gewalt verliert die Myrthe,
Und der Wechselbalg sich sträubt –
Dahin –
Auf dem Dawala-lackhieri
War ich auch schon schneeblind schieri,
Wo die Pore röthlich rinnt;
Wo der Mensch gen Himmel zipfelt,
Wo der Unsinn grausam gipfelt,
Und das Bohnenlied beginnt –
Dahin komm' ich schließlich hin!
Friedrich Haug 1761-1829
Jüngst glaubt' ich einen Fremdling wohl zu kennen,
Und auch der Fremdling wähnt', er kenne mich.
Wir sprachen lang, doch mußten wir uns trennen,
Denn wirklich waren's weder Er noch ich.
*
Ein Mann, ein Wort
"Dein Nachbar will
Dein Unglück, Till!"
Sprach Theodat
Der Advokat,
"Ich aber will
Dein Bestes, Till!"
Er hielt sein Wort,
Tills Geld ist fort.
*
Treflicher Rath
Claus
Mein Werkchen kommt im Druck heraus.
Doch meinen Namen lass' ich aus.
Arist
Laß deinen Namen drucken, Claus,
Und laß dein Werkchen aus.
*
Ich wäre voll Talent' und klug
Und schön und wie gedrechselt;
Doch leider! hat der Amme Trug
Als Kind mich ausgewechselt.
*
Man schwur: Ich wäre todt. Ich selbst vernah'ms sogar;
Allein ich wußte gleich, daß es gelogen war.
*
Sprich, fühltest du denn keine Hand,
Als nun der Taschendieb, der lose,
Dir Sacktuch, Beutel, Pfeif und Dose
Herauszuzieh'n sich unterwand?
»Ich fühlte was«, sprach der Beraubte;
»Allein ich war zerstreut, und glaubte:
Es wäre meine eigne Hand.«
*
Heda! Rheinwein!
Mosler! Steinwein!
Himmel, welche
Kleine Kelche!
Wirthsverweser!
Große Gläser
Oder Becher
Für uns Zecher!
Nicht doch! Römer
Sind bequemer.
Nein! Am klügsten
Und gefügsten
Wär's, aus Humpen
Wein zu pumpen!
Hans Sachs 1494-1576
Der verkert pawer
Ein dorf in einem paüren sas,
Der geren milch vnd loffel as
Mit einem grosen wecke;
Vier wegen spant er an ein pfert,
Sein küch stant miten in dem hert,
Vier haws so het sein ecke;
Wol vmb sein zaün so ging ein hof,
Aus kes macht er vil milich,
In das prot schos er sein packof;
Von gippen war sein zwilich.
Miten in seinem offen stand sein stüeben,
Felt grüeb er aus den rüeben,
Vol stadel lag sein hay,
Aß zwey pad aüf ein ay.
2
Drey stell het er in einem rind,
Zwelf weib het er mit seinem kind,
Auf weicz drasch er sein tennen.
Vor seinem hünt hing ein pos haws,
Vil kaczen fing sein starcke Maüß
Vil mist lof auf sein hennen.
Mit dem acker füer er gen pflüeg,
Drasch mit koren sein flegel,
Den wald er aus dem prennholcz züeg,
Klob mit eim scheit sein schlegel;
Vil schöner gerten het er aüf seim paümen,
Mit sewen mest sein pflaümen,
Vol kast sein koren was,
Vol wisen stand sein gras.
3
Ein dorff in einer kirchwey wart,
Sein ars steckt er aüf die spitz part,
Nam sein ruck aüf den spiese.
Auf seinem hüet drueg er ein dancz
Vnd drat gar flaitlich an den krancz,
Do Jeckel in der sticse.
Da schlueg er im das mawl int fawst,
Der leder zog von Jeckel,
Dem messer mit dem pawren lawst;
Ein richter gwan der heckel.
Neün plecz warden aüf diesem man erschlagen,
Aüf sic der kirchof dragen.
Die zeit in klag verzert,
Das hinter fürher kert.
Ein paar Leberreime
Die Leber stammt von einem Hecht,
vom Hai stammt sie mitnichten,
ich könnte auf den ganzen Fisch –
nie auf den Wein verzichten.
*
Die Leber ist von einem Hecht
und nicht von einem Reiher.
Dem Staate geht es ziemlich schlecht,
es kreisen schon die Geier.
*
Die Leber ist vom Hecht ,
und nicht von einem Spechte,
rechts liegt der linke Daumen,
dagegen links der Rechte
*
Die Leber ist vom Hecht ,
und nicht von einem Biber,
dem Einen ist sein Weib,
dem Andern Andre lieber.
*
Die Leber stammt von einem Hecht,
und nicht von einer Wachtel,
ich küss’ auch gern ‘ne junge Deern,
doch nicht ‘ne alte Schachtel.
*
Die Leber stammt von einem Hecht,
und nicht von einer Schleie,
der Fisch will trinken, gebt ihm 'was,
daß er vor Durst nicht schreie.
Theodor Fontane
Witterungsregeln, welche bestimmt in Erfüllung gehen
Januar
Tanzen im Januar die Mucken —
Kann man nicht mittanzen, muß man zugucken.
Februar
Sonnt sich der Dachs in der Lichtmeß-Woch,
Wird ihm warm oder es friert ihn noch.
Scheint die Sonne ins Wasser heiß,
Geht kein Fuchs mehr übers Eis.
März
Kräht der Hahn im März auf dem Mist,
Ändert sich's Wetter, oder es bleibt, wie's ist.
April
Im ganzen April
Kann's wettern, wie's will.
Mai
Donnert's im Mai,
Ist der April vorbei.
Juni
Tritt auf Johanni Regen ein,
Wird's gerne naß und schmutzig sein.
Juli
Ertönt im Juli das Kuckucksgeschrei
Dann ist die Hälfte des Jahres vorbei.
August
Ist's in der ersten Wochen schön —
Kann der Regenschirm 7 Tag im Winkel stehn.
September
Stellen sich am Ersten Gewitter ein,
So wird es gleich am Anfang sein.
Oktober
In diesem Monat fällt der Apfel vom Baum,
Wo keiner dran ist, aber kaum.
November
Wenn's im November friert und schneit
Hat der Maurer zum Rasten Zeit.
Dezember
Wenn der Fuchs im Dezember geschossen wird,
Im Januar er kein Huhn mehr entführt.
Grabschriften
Hier liegt der alte Abentau,
Er starb an einer jungen Frau.
*
Hier liegt der Amtmann Isengrimm
Er wog fiinfhundert Pfund.
Sonst weiß man nichts von ihm.
*
Hier ruht das junge Öchslein,
Des Schreiners Ochsen Söhnelein,
Der liebe Gott hat nicht gewollt,
Daß es ein Ochse werden sollt.
*
Hier liegt Johannes Weindl,
Er lebte wie ein Schweindl,
Gesoffen wie eine Kuh,
Der Herr geb' ihm die ew'ge Ruh.
*
Hier ruht mein selig Eheweib
In dieser Grabeshöhle.
Zuweilen waren wir ein Leib
Doch niemals eine Seele.
*
Hier ruht die Wittib Monika Tupfer,
Sie buk vortreffliche Gugelhupfer.
Eines Tages schob sie zu tief in den Ofen die Wacken,
Da hat der Herrgott sie selbst gebacken.
Klabund 1890-1928
Johannes Trojan 1837-1915
Einzugsberechtigt
Naht sich, ermächtigt
Von der Behörde,
Der Lenz der Erde.
Bei günstigem Wetter
Erscheinen Blätter,
Um das zu loben,
Was kommt von oben.
Geprüfte Lerchen,
Gefolgt von Störchen
Mit Meldescheinen
Ziehn an auf Rainen.
Von Veilchendüften
Erfüllt sind Triften;
Was zur Vergnügung
Dient – laut Verfügung.
Grün färbt der Wald sich,
Wos Volk alsbald sich
Der Vöglein gattet,
Nachdems gestattet.
Die Frösche laichen
In Kalmusteichen
Gehobnen Hauptes –
Der Staat erlaubt es.
Vermerkt in Listen
Durch Polizisten
Läßt sich auf Flieder
Der Käfer nieder.
Um zu erfüllen
Des Landraths Willen
Muß Hafer sprießen
Und Spargel schießen.
Für Frühlingsgaben,
Umsonst zu haben,
Dankt der Regierung
Durch gute Führung.