Felix Schumann 1854-1879
Wollt ihr Wolken gar nicht weichen?
Wollt ihr Wolken gar nicht weichen?
Sonne, willst du nie mehr glühn?
Frühling gibt noch gar kein Zeichen
Und die Erde wird nicht grün.
Und die Linde streckt noch immer
Kahl die alten Äste aus,
Und der Rauch steigt aus dem Zimmer
Immer noch zum Dach hinaus.
Im Kamin verglühn die Kohlen,
Dämmrung spinnt mich leise ein,
Mit der Hoffnung schleicht verstohlen
Wehmut sich ins Herz hinein.
Kommt der Lenz auch endlich wieder,
Bringt er mir das alte Glühn?
Wird mit Rosmarin und Flieder
Auch die Liebe wieder blühn?
Emanuel Geibel 1815-1884
Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muß doch Frühling werden.
Und drängen Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.
Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht,
Kommt doch der Lenz gegangen.
Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehen,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf,
Und möcht vor Lust vergehen.
Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren,
Und läßt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren!
Drum still, und wie es frieren mag,
O Herz, gib dich zufrieden,
Es ist ein großer Maientag
Der ganzen Welt beschieden.
Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll' auf Erden:
Nur unverzagt auf Gott gebaut,
Es muß doch Frühling werden.
Hedwig Lachmann 1865-1918
Dämmerung im Vorfrühling
Der Tag bleicht. Letzte Helligkeit
Quillt aus dem ebenmässigen Gewölk.
Die Erde trocken und befreit
Von Schnee; nur hie und da die Spur
Von dünnem Eise, wie Glasur.
Die Dunkelheit wächst sanft und stät;
Ein Licht, das aufblitzt, glimmt noch matt;
Die Kinder spielen noch so spät,
Der Tagesfreuden nimmer satt.
Die Menschen schreiten säumig, wie verführt;
Und atmend heben sie das Kinn
So an die Luft, als läge drin
Für sie ein Etwas, das den Sinn
Wie eine wahre Seligkeit berührt.
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929
Verheißung
Fühlst Du durch die Winternacht
Durch der kalten Sternlein Zittern
Durch der Eiskristalle Pracht
Wie sie flimmern und zersplittern,
Fühlst nicht nahen laue Mahnung,
Keimen leise Frühlingsahnung?
Drunten schläft der Frühlingsmorgen
Quillt in gährenden Gewalten
Und, ob heute noch verborgen,
Sprengt er rings das Eis in Spalten:
Und in wirbelnd lauem Wehen
Braust er denen, die's verstehen.
Hörst Du aus der Worte Hall,
Wie sie kühn und trotzig klettern
Und mit jugendlichem Prall
Klirrend eine Welt zerschmettern:
Hörst Du nicht die leise Mahnung,
Warmen Lebensfrühlings Ahnung?
Afanassi Afanassjewitsch Fet 1820-1892
Noch ist's dem Frühling nicht gelungen,
Dem duftenden, sich uns zu nahn,
Schnee füllt die Schluchten, Niederungen,
Noch rasselt in den Dämmerungen
Das Fuhrwerk auf gefrorner Bahn.
Rot perlt auf hohen Lindenzweigen.
Kaum wärmt der Mittagssonne Hauch.
Ein erstes Gelb die Birken zeigen,
Jedoch die Nachtigallen schweigen
Noch im Johannisbeerenstrauch.
Vom Neugeborenwerden künden
Die Kraniche, die weiterziehen,
Und ihrem Flug folgt, bis sie schwinden,
Die Schöne in den Steppengründen,
Der bläulich rot die Wangen glühn.
Hermann Lingg 1820-1905
Vorfrühling
Seelenvoll neigt dämmernd des Himmels Lichtblau
Sich zur Erdnacht nieder im Blumenkelche;
Laub an Laub, schwertauende Blätter, wie sie
Flüstern im Schlafe!
Will es Frühling werden, und kommt ihr wieder,
Ihr aus mildern Zonen gesandte Tage,
Von der holden Lerche verkündigt, kommt ihr,
Kommt ihr doch wieder?
Richard Dehmel 1863-1920
Frühlingsahnung
Die Felder liegen weiß;
wohin ich schau'
ins fahle Nebelgrau,
scheint Schnee und Eis.
Doch da – ein Sonnenstrahl
bricht durch den Flor
und zieht den Blick empor
mit einem Mal,
und von der Erden
ringt jung ein Duft
sich durch die Luft: –
will's Frühling werden?
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929
Vorfrühling
Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.
Er hat sich gewiegt,
Wo Weinen war,
Und hat sich geschmiegt
In zerrüttetes Haar.
Er schüttelte nieder
Akazienblüten
Und kühlte die Glieder,
Die atmend glühten.
Lippen im Lachen
Hat er berührt,
Die weichen und wachen
Fluren durchspürt.
Er glitt durch die Flöte
Als schluchzender Schrei,
An dämmernder Röte
Flog er vorbei.
Er flog mit Schweigen
Durch flüsternde Zimmer
Und löschte im Neigen
Der Ampel Schimmer.
Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.
Durch die glatten
Kahlen Alleen
Treibt sein Wehn
Blasse Schatten.
Und den Duft,
Den er gebracht,
Von wo er gekommen
Seit gestern Nacht.
Christian Morgenstern 1871-1914
Vorfrühling
Vorfrühling seufzt in weiter Nacht,
daß mir das Herze brechen will;
Die Lande ruh'n so menschenstill,
nur ich bin aufgewacht.
O horch, nun bricht des Eises Wall
auf allen Strömen, allen Seen;
Mir ist, ich müßte mit vergeh'n
und, Woge, wieder auferstehen,
zu neuem Klippenfall.
Die Lande ruh'n so menschenstill;
Nur hier und dort ist wer erwacht,
und meine Seele weint und lacht,
wie es der Tauwind will.
Adolf Friedrich von Schack 1815-1894
Unter tiefer Eisesdecke
träumt die junge Knospe schon,
Daß der Frühling sie erwecke
Mit der Lieder holdem Ton.
Nur empor den Blick gewendet,
Und durch düstres Wolkengrau
Bricht zuletzt, daß es dich blendet,
Glorreich noch des Himmels Blau.
Hoffmann von Fallersleben 1798-1874
Frühlings-Ankunft
Nach diesen trüben Tagen
Wie ist so hell das Feld!
Zerrissne Wolken tragen
die Trauer aus der Welt.
Und Keim und Knospe mühet
Sich an das Licht hervor,
Und manche Blume blühet
Zum Himmel still empor.
Ja auch so gar die Eichen
Und Reben werden grün!
O Herz, das sei dein Zeichen!
Herz, werde froh und kühn!
Paul Heyse 1830-1914
Vorfrühling
Stürme brausten über Nacht,
und die kahlen Wipfel troffen.
Frühe war mein Herz erwacht,
schüchtern zwischen Furcht und Hoffen.
Horch, ein trautgeschwätz'ger Ton
dringt zu mir vom Wald hernieder.
Nisten in den Zweigen schon
die geliebten Amseln wieder?
Dort am Weg der weiße Streif -
Zweifelnd frag' ich mein Gemüte:
Ist's ein später Winterreif
oder erste Schlehenblüte?
Hugo Salus 1866-1929
Vorfrühling
Nun sind ihrer selbst noch die Tage nicht sicher
Und wissen vor Zweifel nicht aus noch ein:
Ist dieser Glanz noch ein winterlicher,
Oder schon Frühlingssonnenschein?
Nun decken sie selbst noch mit nebelfeuchten
Schleiern die Glut ihrer Morgen zu
Und ihrer Abende zärtliches Leuchten,
Und sind voll Unrast und ohne Ruh.
Indes macht die Erde sich gar keine Sorgen
Und ist nur in aller Stille bedacht,
Und rüstet froh für den einen Morgen,
Da alles blüht und duftet und lacht…
Anna Ritter 1865-1921
Vorfrühling
Über den Feldern ein warmer Hauch,
Schwellende Knospen am Dornenstrauch
Ungeduldige Wölkchen schweben
Über mir hin, und fern im Land,
Wo die Berge ihr Haupt erheben,
Aus dem feinen, bläulichen Rauch
Winkt eine Hand:
»Wartest du auch?
Wartest du auch auf das blühende Leben...?«
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Wenn‘s Frühling wird
Die ersten Keime sind, die zarten,
im goldnen Schimmer aufgesprossen;
schon sind die ersten der Karossen
im Baumgarten.
Die Wandervögel wieder scharten
zusamm sich an der alten Stelle,
und bald stimmt ein auch die Kapelle
im Baumgarten.
Der Lenzwind plauscht in neuen Arten
die alten, wundersamen Märchen,
und draußen träumt das erste Pärchen
im Baumgarten.
Jean-Jacques Rousseau 1712-1778
Es lockt und säuselt um den Baum:
Wach auf aus deinem Schlaf und Traum,
der Winter ist zerronnen.
Da schlägt er frisch den Blick empor,
die Augen sehen hell hervor
ans goldne Licht der Sonnen.
Es zieht ein Wehen sanft und lau,
geschaukelt in dem Wolkenbau,
wie Himmelsduft hernieder.
Da werden alle Blumen wach,
da tönt der Vögel schmelzend Ach,
da kehrt der Frühling wieder.
Martin Greif 1839-1911
Frühlingsnähe
Wieder seh ich jenen Schimmer,
Jenen Schimmer an den Bäumen,
Der mir sagt, es könne nimmer
Lange mehr der Frühling säumen.
Ja, es ist ein holdes Zeichen,
Und, bevor wir ihn noch bitten,
Wird er uns mit seinen reichen
Wunderblüten überschütten.
Friedrich Hebbel 1813-1863
Vorfrühling
Wie die Knospe hütend,
Daß sie nicht Blume werde,
Liegt's so dumpf und brütend
Über der drängenden Erde.
Wolkenmassen ballten
Sich der Sonne entgegen,
Doch durch tausend Spalten
Dringt der befruchtende Segen.
Glüh'nde Düfte ringeln
In die Höhe sich munter.
Flüchtig grüßend, züngeln
Streifende Lichter herunter.
Daß nun, still erfrischend,
Eins zum andern sich finde,
Rühren, alles mischend,
Sich lebendige Winde.
Ludwig Thoma 1867-1921
Frühlingsahnen
Wohlig merken unsre Sinne
Nun den Frühling allgemach,
Denn es trauft aus jeder Rinne,
Und es tropft von jedem Dach.
Leise regt sich im Theater
Dieser Welt ein Liebeston;
Nächtens schreien viele Kater,
Und der Hase rammelt schon.
So ergreift auch unsre Glieder
Wundersame Lebenskraft;
Selbst solide Seifensieder
Fühlen ihren Knospensaft.
Treibet das Geschäft der Paarung!
Lasset der Natur den Lauf!
Denn ihr wisset aus Erfahrung,
Einmal hört es leider auf.
Erich Mühsam 1878-1934
Frühling
Das Fell der Erde schäumt in Wellen.
Aus Bäumen und aus Schollen quellen
des Frühlings Knospen auf wie Gischt. -
Dröhnt, Fluten, - zischt!
Schlagt an die Dünen meiner Brust!
Treibt Frühlingsgrün aus meinen dürren Hängen!
Macht Leid zu Lust
und meine Liebe zu Gesängen!
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Vorfrühling
Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,
greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigen’s.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.
Max Dauthendey 1867-1918
Vorfrühling
Wir standen heute still am Zaun von einem fremden Garten,
Sah'n hin und sah'n das Wintergras am Teich auf Sonne warten.
Im Wasser lag verjährtes Laub gleichwie auf Glas,
Am Ufer saß ein Büschel Veilchen jung erblüht im gelben Gras,
Und frisches Lilienkraut wuchs grün bei Tuffsteinblöcken,
Am Himmel oben gingen Wolken jugendlich in weißen Röcken.
Wie wenig Welt tut schon den Augen gut!
Nur ein paar Atemzüge lang hat's Herz dort ausgeruht,
Nur ein paar Augenblicke tat es säumen ...
Wir sind doch alle in den weiten Lebensräumen
Zaungäste nur bei Wünschen und bei Träumen.
Friedrich Rückert 1788-1866
In Lüften hängt ein Lerchenton
Mein Ohr hat staunend ihn vernommen
ist's eine die noch nicht entflohn?
Ist's eine die zurückgekommen,
Gelockt von Frühling schon
Da rings die Schöpfung noch von Winter ist?
Durch meine Seele zieht ein Schwung,
denn jeder Ton hat angeschlagen.
Ist's Ahnung, ist's Erinnerung
Von künftigen, von vor'gen Tagen?
Ich fühle nur mich jung
Ob wie ich's war, ob wie ich sein werd'? Ist zu fragen.
Verklungen ist die Melodie
Verklungen von Schneewolkenherden
Und Winter ist's im Herzen, wie
Am Himmel Winter und auf Erden
So Winter, als ob nie
Gewesen Frühling sei und nimmer sollte werden.
Christian Morgenstern 1871-1914
Vorfrühling
Die blätterlosen Pappeln stehn so fein,
so schlank, so herb am abendfahlen Zelt.
Die Amseln jubeln wild und bergquellrein,
und wunderlich in Ahnung ruht die Welt.
Gespenstische Gewölke, schwer und feucht,
zerschatten den noch ungesternten Raum
und Übergraun, im sinkenden Geleucht.
Gebirg und Grund, ein krauser, trunkner Traum.
Rainer Maria Rilke 1875-1926
Sehnsuchtsgedanke
Mächtig zieht ein Frühlingssehnen
durch das traumestrunkne Tal -
wenn des Mondes milder Strahl
glitzert in des Taues Tränen ....
Unweit - dort im Laubengange -
lispelt leis ein Frühlingshauch,
so dass eine Träne auch
perlet über meine Wange.
Mächtig zieht ein Frühlingssehnen
durch mein Herz mit einem Mal -
wenn des Mondes milder Strahl
glitzert in des Taues Tränen.
A. de Nora 1864-1936
Aus der Vogelperspektive
Die Äcker braun
Und schmutzig die Aun,
Und Streifen Schnees grau über dem Feld!
Es ist, als ob diese tote Erde
Nie mehr zum Blühen erwachen werde,
Und alle Hoffnung begraben hält.
Da plötzlich zieht
Ein Lerchenlied
Empor meinen trüben gesenkten Blick.
Und sieh, die Welt beginnt sich zu weiten,
Die Ängste der flachen Tiefe gleiten
Hinab – hinunter – bleiben zurück –
Und sonnenwärts
Flattert mein Herz,
Wie die Lerche trinkend erlösendes Licht –
Der Frühling wiegt es im Himmelblauen
Und läßt es jubelnd das Leben schauen,
Das unten aus allen Furchen bricht …
August Stramm 1874-1915
Vorfrühling
Pralle Wolken jagen sich in Pfützen
Aus frischen Leibesbrüchen schreien Halme Ströme
Die Schatten stehen erschöpft.
Auf kreischt die Luft
Im Kreisen, weht und heult und wälzt sich
Und Risse schlitzen jählings sich
Und narben
Am grauen Leib.
Das Schweigen tappet schwer herab
Und lastet!
Da rollt das Licht sich auf
Jäh gelb und springt
Und Flecken spritzen –
Verbleicht
Und
Pralle Wolken tummeln sich in Pfützen.
Adolf Holst 1867-1945
Winters Ende
Der Winter soll nicht bleiben
in unserm schönen Land.
Wir wollen ihn vertreiben
mit Blüten in der Hand.
Ihr Lämmlein, springt!
Ihr Kinder, singt!
Und fasst euch an die Hände!
Hinaus, hinaus! Herr Wintersmann,
jetzt fängt der Frühling wieder an,
dein' Herrschaft hat ein Ende!
Da nahm der Winter voller Graus
sein Kleid so kalt und weiss
und drückte sich zum Tor hinaus,
der alte Mummelgreis.
Und alles tanzte hintendrein
und sprang und sang voll Freude:
Herr Wintersmann, dreh dich nicht um,
sonst schlag ich dir den Buckel krumm
mit meiner grünen Weide!
Ernst Stadler 1883-1914
Vorfrühling
Bäume weiß ich, frühlingsstarke Bäume,
denen gärend der Jugend Saft
durch glühende Adern singt.
Die lechzend verlangen
nach dem Rausche der Erfüllung.
Aber noch starren sie kahl und stumm.
Harte Schorfe ketten die vorschwellenden Triebe.
Und in wilden Träumen nur langen sie empor
zu dem schaffenden Licht,
daß es sie bade in Glanz und Glut.
Weiten sich ihre Äste, daß gierig sie einsögen
den zauberstarken Most lauen Sommerregens,
zu erblühen und zu leben gleich ihren Brüdern.
Denn noch kennen sie nicht den Sommerrausch
der Erfüllung. Aber krachend durchwühlt ihren Leib
der Lenzstrom der Ahnung.
Wanderer ziehen vorüber,
und also spricht einer zum anderen:
»Sehet die Bäume dort,
wie kahl sie stehen und stumm!
Kalt schleppt sich ihr Blut, und mürrisch fliehen
sie des Lenzes sanft wirkende Kraft.
Lasset sie im Dunkeln, die Finstern! ...«
So sprechen sie und gehen vorbei. –
Und nicht einer,
der sähe die stürmenden Flammen der Sehnsucht,
die gierend aus ihren Augen lodern
und verzehrend über ihnen zusammengluten ...
Paul Zech 1881-1946
Krokus
Mit blauem Krokus hat das Gras
sich bis zum Silberstrand geschmückt.
Die Wellen tauchen aus dem Glas
des Stroms und lächeln so beglückt.
Im Flor des blauen Hauchs gerinnt
der Lärm der schwarzen Stadt.
Ich fühle, wie der schwarze Wind
mir schon die Stirn geglättet hat.
Ich war so müde von dem Radbetrieb,
ich wußte nicht mehr, wie ein Baum
sich in den Himmel ohne Raum
so ungeheuer weit verzweigt.
Ich schlich durch die Gebüsche wie ein Dieb
und habe Keinem mein Gesicht gezeigt.
Christian Morgenstern 1871-1914
Frühlingsahnung
Rosa Wölkchen überm Wald
wissen noch vom Abendrot dahinter
überwunden ist der Winter,
Frühling kommt nun bald.
Unterm Monde silberweiß,
zwischen Wipfeln schwarz und kraus
flügelt eine Fledermaus
ihren ersten Kreis.
Rosa Wölkchen überm Wald
wissen noch vom Abendrot dahinter
überwunden ist der Winter,
Frühling kommt nun bald.
Angelus Silesius 1624-1677
Die Psyche muntert sich mit dem Frühling zu einem neuen Leben auf
Der Frühling kommt heran,
Der holde Blumenmann,
Es geht schon Feld und Anger
Mit seiner Schönheit schwanger.
Der Blütenfeind, der Nord,
Steht auf und macht sich fort.
Das Turteltäubelein
Lasst hörn die Seufzerlein.
Die Lerch ist aus der Gruft
Und zieret Feld und Luft
Mit ihrem Direlieren,
Das sie so schön kann führen.
Die Künstlern Nachtigall
Lockt und zickt überall.
Die Vöglein jung und alt
Sind munter in dem Wald.
Die Sonne führet schon
Ihr'n freudenreichen Thron
Durch ihre güldnen Pferde
Viel näher zu der Erde.
Die Wälder ziehn sich an
Und stecken auf ihr Fahn.
Der Westwind küsst das Laub
Und reucht nach Blumenraub.
Das Wild lauft hin und her
Die Läng und auch die Quer.
Es tanzen alle Wälder,
Es hüpfen alle Felder.
Das liebe Wollenvieh,
Das weidet sich nun früh.
Die stumme Schuppenschar
Schwimmt wieder offenbar.
Die ganze Kreatur
Wird anderer Natur.
Die Erde wird verneuet,
Das Wasser wird erfreuet,
Die Luft ist lind und weich,
Warm, tau- und regenreich.
Der Himmel lacht uns an,
So schön er immer kann.
Drum kreuch auch meine Seel
Herfür aus deiner Höhl.
Lass deines Herzens Erden
Zu einem Frühling werden.
Zertritt Gefröst und Eis
Und werd ein grüner Reis.
Sei eine neue Welt
Und tugendvolles Feld.
Lass deine Seufzer gehn
Mit lieblichem Getön.
Lass hören dein Verlangen,
Den Bräutgam zu empfangen.
Sei eine Nachtigall,
Und lock mit Liebesschall
Der Himmel höchste Zier,
Den süßen Gott, zu dir.
Schwing dich behänd und fein,
Gleich wie ein Lerchelein,
Vom irdischen Getümmel
Und schwebe frei im Himmel.
Bereite dich mit Klang
Und stetem Lobgesang,
Den Schöpfer zu verehrn
Und seinen Ruhm zu mehrn.
Es fähret schon herein
Sein gnädger Sonnenschein.
Er lässt schon seine Strahlen
Dein ganzes Herz bemalen.
Sein Geist, der süße Wind,
Weht schon dich an, sein Kind.
Drum blüh in seiner Lieb
Und folge seinem Trieb.
Dr. Owlglass* (Eulenspiegel) 1873-1945
Vorfrühling
Schon entkeimt die Hyazinthe.
Aber unsereiner steckt
Bis zum Nabel in der Tinte,
Die nicht halb so lieblich schmeckt.
Alle Zwiebeln, alle Knollen
Sind vom Bildungstrieb gereizt,
Und sie wissen, was sie wollen,
Wenn man nicht mit Wasser geizt.
Ohne weitre Redensarten,
Ohne Zutat oder Mist
Rührt sich das in seinem Garten,
Bis das Rüchlein fertig ist.
Unsereinem ist inweilen
Auch ein Resultat entflohn:
Ein Papier voll kurzer Zeilen
Oder gar ein Feuilleton.
*eigentlich Hans Erich Blaich, dt. Arzt, Schriftsteller und Lyriker
Max Dauthendey 1867-1918
Die werden wie Menschen jetzt warm
Die Baumstämme werden wie Menschen jetzt warm,
Sie nehmen den Sonnenschein gern in den Arm.
Der Schnee rund um den Stamm entweicht,
Soweit des Baumes Wurzel reicht.
Die Schneeglocken hocken da rund in Scharen
Begrüßt von den Staren.
Auf graslosem Boden bloß Keim bei Keim,
Beim kahlen Baum duftet's nach Honigseim,
Es duftet nach Liebe, dem Frost entronnen,
Erste Blüte und letzter Schnee sich dort sonnen.
Wilhelm Jensen 1837-1911
Vorfrühling
Es fällt die Abenddämmerung
vom Himmel nebelnd und weich,
der laute Tag verstummet,
einem müden Kinde gleich.
Nur unsichtbar hernieder
vom Wipfel im leeren Hag
durch raschelnde Blätter des Vorjahrs
ruft einer Drossel Schlag.
Die Wolke löst sich rieselnd
in Tropfen feucht und sacht;
auf einsamem Wege befällt mich
die dunkelnd einsame Nacht.
Mir aber ist süß und sonnig
von Träumen die Seele bewegt,
wie selig vor seinem Geburtstag
ein Kind zum Schlafen sich legt.
Kurt Tucholsky 1890-1935 als Theobald Tiger
Vorfrühling
Sieh da: nun ist der fette Dichter wieder
von seinem Winterschläfchen aufgewacht,
und er entlockt der Harfe heitre Lieder,
ti püng – die Winde wehn, der Himmel lacht.
Er schauet sanft verklärt, und eine Putte
hält über seinem Kopf den Lorbeerkranz.
Vorfrühling nähert sich, die junge Nutte,
und probt, noch schüchtern, einen kleinen Tanz.
Das Barometer droht mit seinem Zeiger:
»Nicht immer feste druff! Ich falle bald.«
Selbst Barometer schwätzen. Große Schweiger
sind selten in dem Land des Theobald.
Noch immer Zabern und Theaterpleiten,
und wie man wieder auf den Fasching geht,
Protestbeschlüsse, andre Lustbarkeiten –
und alles red't und alles red't.
Und wenn man dieses Deutschland sieht und diese
mit Parsifalleri – und -fallerein
von Hammeln abgegraste Geisteswiese –
ah Frühling! Hier soll immer Winter sein!'
Klabund 1890-1928
Soll ich kleine Lieder singen,
Wie ich oftmals tat?
Sonne schon und Nachtigallenschwingen
Naht.
Unterm Schnee die Quellen rauschen
Schon dem Frühling zu.
Laß uns lächeln, laß uns lauschen!
Du!
Rinnt nicht auch in deinen Tränen
Schon der Mai?
Liebend Berge sich an Berge lehnen.
Sei!
Eine Tanne steht im jungen Triebe,
Wo der Marder schlich.
Winter wankt. Die Föhne stürmen. Liebe
Mich!
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929
Vorgefühl
Das ist der Frühling nicht allein,
Der durch die Bäume dränget
Und wie im Faß der junge Wein
Die Reifen fast zersprenget,
Der Frühling ist ja zart und kühl,
Ein mädchenhaftes Säumen,
Jetzt aber wogt es reif und schwül
Wie Julinächte träumen.
Es blinkt der See, es rauscht die Bucht,
Der Mond zieht laue Kreise,
Der Hauch der Nachtluft füllt die Frucht,
Das Gras erschauert leise.
Das ist der Frühling nicht allein,
Der weckt nicht solche Bilder.
Guido Görres 1805-1852
Nun treiben wir den Winter aus
Nun treiben wir den Winter aus,
Den alten, kalten Krächzer;
Wir jagen ihn zum Land hinaus,
Den Brummbär und den Ächzer,
Und laden uns den Frühling ein
Mit Blumen und mit Sonnenschein,
Juhei! juhei, juhei!
O komm herbei!
O Mai, o Mai!
Das leere Stroh,
Das dürre Reis
Und alles, was vermodert,
Das geben wir dem Feuer preis,
Dass hoch die Flamme lodert,
Und laden uns den Frühling ein
Mit Blumen und mit Sonnenschein;
Juhei! juhei, juhei!
O komm herbei!
O Mai, o Mai!